Was ist Aufgabenwechsel (task switching) / sequentielles Multitasking?
Experimentelles Paradigma zur Untersuchung kognitiver Prozesse und den entsprechenden Leistungsauswirkungen bei sequentiellem Multitasking
Sequentielles Multitasking=
mehr oder weniger schnelles Hin- und Herwechseln zwischen Aufgaben, Aspekt von vielen Multitasking-Situationen im Alltag
Untersuchung „Kosteneffekten“ der kognitiven Kontrollprozesse dabei
Vergleich der Leistung bei Aufgaben wenn sie separat oder abwechselnd mit anderen Aufgaben ausgeführt werden
Was sind die Basisbefunde vom Untersuchungsprogramm zu „Mental Set and Shift“ von Arthur T. Jersild (1927)?
Ursprüngl. Annahme: Man kann sich nur auf eine Sache gleichzeitig konzentrieren
-„Mental Set“= Repräsentation welche Art von Reaktion auf einen best. Aufgabenreiz gezeigt werden muss (Bsp experiment: beim rechnen addieren)
Experiment:
Rechenaufgabe: Zeitvergleich bei unterschiedlichen Rechenarten (+/) vs. gleicher Rechenart (nur +), außerdem: unterschiedliche Schwierigkeitsgrade
—>Deutliche „Wechselkosten“ (in Prozent der Einbußen vgl. mit Einzelleistung), deren relative Höhe offenbar negativ mit der Aufgabenschwierigkeit korreliert
Was für Kosten entstanden hierbei?
Wechselkosten (switch costs): Reine Kosteneffekte, die durch den Aufgabenwechsel entstehen
—> Reaktionszeit nach Wechsel minus Reaktionszeit für Wiederholung (RZswitch – RZrepetition)
Mischkosten (mixing costs): Kosten einer gleichzeitigen Aufrechterhaltung von zwei Aufgabensets (anstatt nur einem) im Arbeitsgedächtnis
—> Reaktionszeit für Aufgabenwiederholungen minus Reaktionszeit, wenn die Aufgabe alleine bearbeitet werden kann (RZrepetition – Rzsingle)
Was ist die Aufgabenset-Rekonfiguration (Hypothese) und welche 2 Komponenten gibt es?
Was wurde getan um die Mischkosten konstant zu halten?
Aufgabenset-Rekonfiguration / task set = prozedurales Schema für Aufgabe
Zwei Komponenten
Aktive top-down Prozesse der kognitiven Kontrolle (endogen) (hier neu) (Erinnern jetzt zu “addieren”)
Reizbasierte Aktivierung habitueller oder erlernter Handlungen (exogen)
Einführung des predictable task switching bzw. alternating runs Paradigmas mit variierendem R(eaktions)-S(timulus) Intervall —> Konstanthaltung Mischkosten!
(Studie Meiran (1996)
6 Experimente: Untersuchung der Bedeutung endogener und exogener Komponenten bei der task-set reconfiguration (TSR))
Was passiert beim Alternierenden Aufgaben-Paradigma?
Rogers & Monsell (1995): Experiment 1
—> Reaktionszeit substantiell langsamer in bivalenten alternierenden Blöcken weil Stimulus beide Aufgaben aktiviert
widersprüchliche Antwortauswahlregeln:
Konsonant bzw. Gerade Zahl: Tastendruck mit linkem Zeigefinger;
Vokal bzw. Ungerade Zahl: Tastendruck mit rechtem Zeigefinger
Bivalenten Reize: (Verteilung der Reize 1/3 kongruent, 1/3 inkongruent / 1/3 neutral)
Kongruent: z.B. G8 (assoziierte Reaktionen gleich)
Inkongruent: z.B. A4 (assoziierte Reaktionen unterschiedlich) =>crosstalk: uni + bivalent möglich: links vs. rechts
Ergebnisse:
Höhere RZ und Wechselkosten in allen “crosstalk”- Bedingungen verglichen mit “no-crosstalk” (bi vs univalent)
Offenbar wird durch den Aufgabenreiz auch das jeweils irrelevante Aufgaben-set mitaktiviert (-> Hinweis auf exogene „bottom up“ Komponente)
Kein offensichtlicher Vorteil von kongruenten vs. nichtkongruenten Aufgabenreizen
—> Nachweis der Bedeutung exogener Komponenten der TSR beim Aufgabenwechsel
Rogers & Monsell (1995): Experiment 2/3/6
nur bivalente bedingung: crosstalk
Variation des R-S-Intervalls (150 – 1.200 ms) (wie schnell folgen die aufgaben nacheinander)
zufällig innerh. einzelner Aufgabenblöcke (Exp. 2)
zwischen einzelnen Aufgabenblöcken (Exp. 3)
Hypothesen—> stimmten:
Endogene Komponenten der TSR sollten bei langen RSIs VOR dem switch abgeschlossen werden können und Kosten senken
Exogene Komponenten, die erst NACH dem neuen Aufgabenreiz wirksam werden, sollten auch bei langen RSI noch zu Wechselkosten führen
-Abbildung zeigt idealisiertes Effektmuster – vergleichbar für beide Reizarten
-Switchkosten sinken mit längerem RSI
-Wechsel können teilweise vorbereitet werden
-Asymptote bei RSI > 600ms!!
Experiment 6:
wie experiment 1 und 3:
Verlängerung der RZ bleibt auf die erste Aufgabe nach einem Wechsel begrenzt.
—> Evidenz für einen einmalig exogen ausgelösten Prozess, der danach bis zum nächsten Aufgabenwechsel wirkt
FAZIT TSR
Bestätigung robuster Wechselkosten, die bei univalenten Reizen geringer sind als bei bivalenten (Bestätigung von Jesild, 1927)
Die Daten unterstützen die Theorie eines zweistufigen TSR-Prozesses als Grundlage der Wechselkosten
exogener bottom-up Prozess, d.h. reizgesteuert
endogener top-down Prozess, d.h. willkürlich gesteuert
Die exogene Komponente der TSR umfasst Prozesse, die erst nach Aufgabendarbietung ablaufen und durch konkurrierend aktivierte Aufgabensets gestört werden können
Die endogene Komponente des TSR kann bereits VOR Darbietung des aktuellen Aufgabenreizes komplett ausgeführt werden (Zeitbedarf ca. 600ms)
Wechselkosten unabhängig vom Umfang der „task-set“ Rekonfiguration (siehe Allport et al.)
Allport Experiment 4:
Untersuchung, womit die Wechselkosten bei bivalenten Reizen zusammenhängen:
Aufgaben (Zahlenblöcke mit verschieden schweren Aufgaben - Reizdimension & Beurteilungsdimension):
Zahlen in der Matrix nennen und Farbwörter vorlesen
Mengen der Ziffern in der Matrix nennen und Druckfarben vorlesen
Wie Block 1
—> Keine/kaum Wechselkosten in Block 1, da Reize (noch) univalent sind (noch keine Regel angwandt)
—> deutliche Wechselkosten in Block 3, d.h. wenn mehr mögliche ReizReaktionsverknüpfungen für die Aufgabenreize aktiviert wurden und konkurrieren
(univalente Reize werden durch Erfahrung in Block #2 bivalent)
Was folgt aus dem Experiment 4 über bivalente Reize? Welche Hypothese?
Annahme, dass „Wechselkosten“ nicht mit einem eigenen Prozess der „task set“-Umstellung zusammenhängen, sondern mit Interferenzeffekten und Nachwirkungen von vorhergehenden Aufgabenbearbeitungen, die über die Zeit schwächer werden
Task set inertia Hypothese:
Durch vorherige Aufgabe: positives Priming der vorher gültigen S-R (Stimulus response) Verknüpfung und negatives Priming der S-R Verknüpfung der aktuellen Aufgabe
(Wie kann ich Wechselkostem verbessern?)
Was besagt das Task Cueing Paradigma (Meiran (1996)) und welches Ziel hat es?
Wie wurde es untersucht?
Annahme: “exekutive Funktionen bei der Aufmerksamkeits- und Handlungssteuerung”
Ziel: Abgrenzung zur task-set inertia Hypothese (Allport et al.)
Leistung in Aufgabe profitiert von vorherigem Cue
—> verkürzt RT - reduziert Antwortfehler
Meiran (1996):
Differenzierung des Effekts des R-S-Intervalls
- RT verkürzt sich durch Vergößerung des cue-target interval (durch pfeile anzeigen welche aufgabe kommt)
—> Unterstützt Annahme der Implementierung des task set (Aktivierung)
- RT verkürzen sich durch Vergößerung des response-cue interval (aktivierung ist dadurch abgeflacht)
—>durch mehr Zeit, die vorherige S-R-Verbindung zu lösen (task set inertia)
Variation des CTI: 203ms vs. 1403ms
=>Effekte sowohl mit task-set reconfiguration als auch task-set inertia erklärbar
Variation CTI bei Konstanthaltung von RTI
=>Beleg für 2-stufige task-set reconfiguration Hypothese
Variation RCI bei Konstanthaltung von CTI
=>Beleg für Teile der task-set inertia Hypothese
Beim automatischen Fahren switchen zum manuellen Fahren:
Können akustische Vorankündigungen (task cueing) vor der Übernahmeanforderung (take over) den Erfolg der Übergabe beeinflussen?
Ja.
mit Vorankündigung (task cueing) schauten die VPn mehr auf die Straße vor Übergabe + lösten sich früher von der Sekundäraufgabe, als ohne task cueing
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