Tertiärbereich
= primäre berufsqualifizierende Stufe des Bildungssystems
entweder Jugendliche (Beginn einer Ausbildung) oder junge Erwachsene (Beginn eines Studiums)
heterogenes Feld mit heterogenen Lernvoraussetzungen (unterschiedliche Bildungsabschlüsse möglich)
2 zentrale Aufgaben des Tertiärbereichs
Integration in die Gesellschaft
Generierung von Arbeitsfähigkeit
Bildungsangebote
Berufsbildende Institutionen
Universitäten
Hochschulen
Berufsbildende Institutionen (Berufsschule)
Vermittlung praktischer Fähigkeiten für definierte Berufe
duale Ausbildung (Ausbildungsplatz + Berufsschule)
besondere, korrespondierende didaktische Prinzipien
Ausrichtung der Lehre am Lernfeld und Handlungen
Lernfeldorientierung = Art, die zu lehrenden Inhalte zu organisieren
Handlungsorientierung = Vorbereitung auf Berufspraxis
häufig das “humboldtsche Bildungsideal“
Einführung in Wissenschaft
Einheit von Forschung und Lehre
Förderung von Allgemeinbildung
Selbstkonstruktion des Faches
traditionelle Aufgabe = Qualifizierung wissenschaftlichen Nachwuchs
Resultat = Promotions- und Habilitationsrecht
(Fach)Hochschulen
stärkerer Berufs- und Praxisbezug
i.d.R. kein Promotions- und Habilitationsrecht
viele Hochschultypen mit fachlichem Schwerpunkt
mit und ohne Promotions- und Habilitationsrecht
mit = Pädagogische in DE, Musik, Kunst ...
ohne = Polizei, Duale, Öffentliche Verwaltung ...
zentrale Funktionen der Berufsbildung
Erhalt und Steigerung der Wirtschaftskraft einer Nation (durch Reproduktion des Arbeitsvermögens)
Qualifikation für klares Berufsziel (viele Studiengänge qualifizieren hingegen für ein breites Tätigkeitsfeld)
soziale und ökonomische Integration in Gesellschaft
Duale Ausbildung
etabliert in DE, AT, CH, LU, NL, DK
Lernorte = Betrieb + Schule
Gestaltung in Ländern sehr unterschiedlich
Vergütung der Auszubildenden ==> daher besonders attraktiv
kombiniert Theorie + Praxis
—> dennoch Verschiebung weg von beruflicher, hin zu akademischer Bildung
Übergang von Sekundär- zu Tertiärbereich
= Schnittstelle der beiden
= eine der wichtigsten beruflichen Entscheidungen
Einflussfaktoren
Persönlichkeit
Interesse
Erwartungen über Selbstwirksamkeit & Ergebnisse
Umwelteinflüsse
Hindernisse
zufällige Gelegenheit
soziale Position ...
—> Berufswahl = komplexer Prozess, der nicht auf Interesse und Persönlichkeit reduziert werden kann
Theorie beruflicher Interessen- und Persönlichkeitstypen (RIASEC-Typologie)
(Hollands, 1997)
= Menschen wählen, was zu ihrer Persönlichkeit + Interessen passt
Kongruenz zwischen Typ und Arbeitsumwelt korreliert positiv mit ...
Wohlbefinden
Arbeitszufriedenheit
Arbeitsleistung
Sozial-kognitive Laufbahntheorie
(Lent, Brown & Hacket, 1994)
= Menschen wählen Berufe, die sie sich zutrauen
Selbstwirksamkeits- & Ergebniserwartungen beeinflussen Wahl
Hindernisse können Wahl bestimmter Berufe entgegenstehen (Umwelteinflüsse, persönliche Faktoren)
Happenstance Learning Theory
(Krumboltz, 2009)
zufällige Chancen / Hindernisse als Einflussfaktor
Menschen sollten kontextsensitiv reagieren können
Psychology of Working Theory
(Duffy, Baustein, Diemer & Austin, 2016)
= weniger privilegierte können Berufswahl kaum selbst steuern
Berufswahl in größerem gesellschaftlichen Kontext
sozialkritische Ausrichtung
soziale Position bedingt, wie stark Individuum die Wahl steuern kann
Studien zur Berufswahl und Berufswahlreife
(in Sek I)
Schüler halten Berufswahl für wichtiges biografisches Ereignis
Berufswahlengagement nimmt im Laufe des Bildungsprozesses zu
Origin-Haltung = Überzeugung der Eigenverantwortung und Sebstbestimmung bei Berufswahl/-orientierung
Jugendliche mit frühem und konkretem Berufswunsch starten eher die Ausbildung (1,7x mehr)
(in 10. Klasse Haupt- und Gesamtschule)
Berufswahlreife und Berufswahlsicherheit steigen stärker als in anderen Schulformen
Berufswahl als Kompromiss über 4 Aspekte:
hohes Einkommen
gute Arbeitschancen
Aufstiegsmöglichkeiten
Zeit für Familie, Freunde, Interessen
Kompetenz
Bildungsziele im Berufsbereich als Kompetenzen formuliert
Fokus = berufliche Handlungskompetenz, „kompetentes Handeln“ (z.B. Fach- und Problemlösewissen —> hier in vielen Berufen Defizite)
Unterteilung in Teilkompetenzen bzw. Facetten
Basiskompetenzen (z.B. Lesen und Mathe)
zentral für gute Leistungen im Beruf = Kombination aus Fachwissen und Problemlösekompetenz
Gestaltung von Lernumgebungen
Idee der Berufsausbildung in Theorie und Praxis (also an 2 Lernorten):
Betrieb/Praktika + Schule
Betrieb: Erwerb prozeduralen Wissens
Bewältigung von Arbeitsaufgaben
Problemlösung im Berufsfeld
Auszubildender als Begleitung statt Lehrender
Gestaltung beider Lernorte so, sodass Kompetenzerwerb kohärent unterstützt wird
verschiedene Lernumgebungen
Berufsschulunterricht
lange Zeit Frontalunterricht (nimmt seit 2000er an Bedeutung ab)
mehr selbstgesteuertes Lernen und Handlungsorientierung
zentral: langfristige Förderung der Metakognition
Problemorientierte Lernumgebung
Vermittlung anwendbaren Wissens durch problemorientierte Lernumgebungen
Digitalisierung als Chance und Herausforderung
engere Verbindung von Schule + Betrieb (z.B. ermöglicht die Digitalisierung „Erfahrräume“ —> Bilder etc. gesammelt und im Plenum thematisiert)
lernwirksame Umgebungen des Tertiärbereichs sollten daher die Bearbeitung von Problemen + das Nachdenken darüber ermöglichen und eine passende digitale Infrastruktur anbieten
Lehrkräfte benötigen Vielfalt an fachdidaktischen Kompetenzen, da unterschiedliche kognitive Voraussetzungen der Lernenden
Lösung z.B. Analyseraster Technischer Wissensinhalte: Analyse eines Lerngegenstands auf Vorwissenselemente
Bologna-Prozess
= Etablierung europaweit einheitlicher Studiengänge und Bachelor-Master-Systeme
Folge: Neueinführung von Studiengängen in Ländern
1. akademischer Grad: Bachelor
Hochschulen (HS)
Hochschulwesen seit Ende 90er im Wandel
Expansion —> deutlich mehr Studierende in 1 Studiengang
Steuerung der HS durch institutionelles Management, weg von staatlicher Lenkung
damit einhergehend: Leistungsvereinbarungen zwischen Regierungen und HS
Vergabe von Mitteln in Abhängigkeit von Zielerreichung
führt teils zu Konkurrenz unter HS
Hochschulforschung gewinnt an Bedeutung
Enflussfaktoren für Studienwahl
vorangegangene Bildungsentscheidungen (Kurs- und Schwerpunktwahlen in Sek)
sozialen Hintergrund (z.B. bei Medizinstudium eher höherer sozio-ökonomischer Status)
Hochschulauswahlverfahren
zielen darauf ab, Studienerfolg vorherzusagen
Anzahl der Bewerber höher als Anzahl der Plätze
zentral zur Bewertung der Verfahren:
ökonomische Handhabung
Gütekriterien (Reliabilität, Objektivität, Validität)
besonders wichtig: prognostische Validität (Vorhersagegüte des Verfahrens)
Prognostische Validität
AT-Verfahren korreliert mit späterem Studienerfolg
dh. PV bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen Ergebnis des Verfahrens (z.B Note, Testwert) und einem zeitlich später liegenden Erfolgskriterium
Kriterien: Noten, Studiendauer, Studienabbruch …
2 Fehler schränken Validität ein:
Fehler 1. Art —> Bewerber ausgewählt, die Erfolgskriterium nicht erreichen (falsch positiv Beurteilte)
Fehler 2. Art —> Bewerber zurückgewiesen, die Erfolgskriterium erreichen (falsch negativ Beurteilte)
Problem: Beurteilung des Erfolgs bei Nicht-Aufgenommenen
Interviews
häufig als geeignet betrachtet
Studien zeigen psychometrische Probleme auf (PV, Öko, Obj, Rel = gering)
Metaanalyse zu prognostischer Validität
Gespräche < Noten, Studieneingangstests
Validität steigt durch hohen Strukturierungsgrad
hoher Zeit- und Personalaufwand
Abiturnoten
sehr ökonomisch
Abiturnote hat höchste PV für Studienerfolg
Vergleichbarkeit von Schulnoten ist anzuzweifeln
Problem: Verwendung sozialer Bezugsnorm
Abischnitt ist besser als Fachnoten
Beurteilungsfehler und -tendenzen ausgemistet
Studierfähigkeitstests
gute Objektivität & Reliablität
vergleichsweise hohe PV
liegen nur für wenige Studienfächervor
aufwändig in Entwicklung
Durchführung ist relativ ökonomisch
Empfehlung der Diagnostik = Abiturnote + Testverfahren
Leistungsmessung in Studieneingangs- und Orientierungsphase (StEOP)
in Österreich eingesetzt
Vermittlung von Kenntnissen in LVs
Tests über Wissen, Verständnis, Transfer der Inhalte
viele Funktionen und Effekte
Auswahl / Selbstselektion
Anregung zur Selbstreflexion über Kompetenzen & Neigung
gezielte Auseinandersetzung mit Anforderungen der Studiengänge
Studieneingangsprüfungen
zunehmend mehr eingesetzt
Selbstvorbereitung auf Basis von Unterlagen
z.B. Aufnahmetest für Psychologie
erfüllt gleiche Funktionen wie StEOP
angestrebte Kompetenzen an HS
Fachwissen
fachlich wissenschaftliche Fähigkeiten
kommunikative Fähigkeiten
soziale Fähigkeiten
Medienkompetenz
Fähigkeit zur Selbstregulation ...
Studienabbruch
= Verlassen des Hochschulsystems ohne ersten Abschluss
kein Abbruch = Fachwechsel, Standortwechsel ...
Anteil ist relativ hoch —> DE = 25%, CH = 15%, AT = 35%
fachabhängig: MINT, GeWi > WL, Recht, SozWi > Lehramt > Medizin
Hauptursachen:
Leistungsprobleme
finanzielle Probleme
mangelnde Motivation bzw. geringe Zufriedenheit
zusätzliche Merkmale des Studiums als Einflussfaktoren:
Bedingungen und Anforderungen
soziale und akademische Integration
Variablen, die mit Prüfungsleistungen im Studium zusammenhängen
Noten in Sekundarstufe
Fähigkeit zu Anstrengungsregulation (also Lernstrategien)
positives akademisches Selbstkonzept (also Erwartung durch eigenes Handeln gute Leistungen zu erzielen)
Setzen und Erreichen akademischer Ziele
Variablen, die mit Prüfungsleistungen im Studium weniger gut zusammenhängen
intrinsische Motivation
demografische Merkmale
Persönlichkeitseigenschaften (Big Five)
Intelligenz
Vorlesungen (VO´s)
geeignet für Wissensvermittlung
wenig geeignet für komplexe Konzepte & Anwendungsfähigkeiten
bedeutsame Qualitätsmerkmale:
nachvollziehbare Struktur
Klarheit, Verständlichkeit
Verfolgung transparenter Lehrziele
nicht zu hohe Informationsdichte
förderlich = wenn Lehrender als freundlich & wertschätzend erlebt
regelmäßige VO-Teilnahme mit Lernerfolg assoziiert
Weitere Formate der Wissensvermittlung
Seminare
Lesen von Texten (Lesestrategien)
Diskussion in (Klein-)Gruppen
bedeutsamer Präsenzeffekt
medienvermittelte Formen deutlich unterlegen
Übungen
Praktika
Flipped Classroom
Problemorientiertes Lernen (PBL)
Idee: Studenten erwerben oft “träges” Wissen, was sie in realen Situationen nicht anwenden können
Metaanalyse: konventionelle vs. problemorientierte Kurse
kein Unterschied in traditionellen Prüfungen/Kursen
durch PBL höher/mehr ...
Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen
Studienmotivation bzw. -zufriedenheit
anwendbares Wissen
praktische Kompetenzen
Voraussetzungen von PBL
Unterstützung bezüglich geeigneter Lernstrategien
v.a. bei Gruppenbearbeitung wichtig
Digitales PBL
z.B. Computersimulationen
Studien: Verwendung von Computersimulationen in vielen Gebieten hoch lernwirksam
keine großen Unterschiede zwischen digitalen und Präsenzvorlesungen
bei Seminaren ist Präsenz-VO deutlich überlegen
Corona-Pandemie
Folge = Digitalisierungsschub
Studie zu SS20:
Studenten mit Lernangebot recht zufrieden, aber Probleme in Selbststeuerung
Unterstützung des selbstgesteuerten Lernens sollte beachtet werden!
Lehr-Lernforschung
Basis = Forschung zu schulischer Unterrichtsqualität
geringer Effekt von Methoden, allgemeinen Herangehensweisen
hoher Effekt von Basisdimensionen (z.B. kognitive Aktivierung)
Wie kann man Lehrqualität an Hochschulen verbessern?
Studierende zu vermehrter Anwesenheit ermutigen
aktivierende Fragen stellen + Diskussionen ermöglichen
klare Lernziele des Kurses formulieren
offene Fragen stellen
Beziehungen zwischen den Inhalten + Lernenden herstellen
detailliertes, aufgabenbezogenes, konstruktives Feedback
freundlicher, respektvoller Umgang mit Studenten
Berufsberatung
Verwendung von psychologischen Theorien und Instrumenten (z.B. Fragebögen zu Selbstwirksamkeit)
Interventionen zur Berufswahl-Unterstützung
verschiedene parallel angewandte Ansätze:
Explorix: Interessensdiagnostik
Life-Designing-Ansatz: Reflektion von Werten, beruflichen Erwartungen und sozialen Beziehungen
Cognitive Information Processing-Ansatz: Entscheidung für einen Beruf als zu lösendes komplexes Problem verstanden
praktische Nutzung der Erkenntnisse an HS
Unterstützung & Beratung für Tertiär-Wahl
Auswahl geeigneter Studenten
Gestaltung von Prüfungs- & Testaufgaben zur Kompetenzdiagnostik
Gestaltung lernförderlicher Umgebungen, digitale Medien
Unterstützung der Voraussetzungen (z.B. Strategietraining)
Evaluation der Institutionen und Lernangebote (z.B. Befragungen )
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