Desistance Definition
Probleme der Definition
Desistance = Dauerhafter Ausstieg aus der Kriminalität von Personen, die bereits straffällig geworden sind. (Entwicklung ist impliziert)
Primary Desistance: straffreie Zeit
Secondary Desistance: tatsächliche Veränderungsprozess der zum dauerhaften Ausstieg führt/beiträgt.
Probleme:
Ab wann Desister?
Dürfen Desister rückfällig werden?
Reicht eine Änderung in Häufigkeit u. Schwere?
Spektrum oder Dichotomie?
Desistance
… als Reifungsprozess
… durch soziale Bindung
… durch Identitätsänderung
Reifungsprozess:
Altern einziger stabiler Faktor der zuverlässig kriminelles Verhalten reduziert
Desistance = normativer Prozess
Ausnahmen = Reifungsverzögerungen
Wie wird der Reifeprozess begünstigt?
-> Alter als Carrier-Variable (Biolog. Veränderungen, Lebensuafgaben)
Soziale Bindung:
Hohes prosoziales Kapital erhöht WK für Desistance
Starke Bindung an Gesellschaft (Partner, Kind, berufl. Verpflichtung)
Soziales Kapital (was man nicht verlieren möchte, z.B. Job, Partnerschaft) u. soziale Kontrolle (Personen achten auf einen) = veränderte Gelegenheitsstruktur
Entscheidend sind Bedeutung u. Qualität der Bindungen
Identitätsänderung:
Für Desistance müssen Ex-Straftäter eine kohärente, prosoziale Identität des Selbst entwickeln
Desister = Überzeugung, dass sie trotz krimineller Vergangenheit im Kern “gut” sind
Aktive Täter = Zur Kriminalität verdammt, keine Chance auf Änderung
Wie begünstigt die prosoziale Identität Desistance?
Identity Theory of Criminal Desistance:
Annahmen:
Identität (Wer bin ich?) bezieht sich auf unterschiedliche Rollen u. kann sich übers Leben hinweg ändern
parallele u. hierarchische Organisation unterschiedlicher salienter Identitäten im Selbstbild
Menschen zeigen ihrer Identität entsprechend konsistentes Verhalten, um ein Gefühl von Kontinuität zu erreichen
Befunde: r = .47 mit Verhaltensintention, 9% inkrement. Varianzaufklärung über vergangenes Verhalten, Einstellungen u. subj. Norm
Working Self: Gegenwärtiges Ich, straffällig sein passt in aktuelle Identität, graduelle Entwicklung einer solchen Identität, ist solange handlungsleitend, wie es subj. Nutzen hat
Possible Self: Wer möchte ich eigentlich sein? Bezieht sich auf zukünftiges Ich (reminder for change), Ziel einer Entwicklung inklusive Instruktionen, wie das erreicht werden soll
Feared future Self: Bei zunehmender Unzufriedenheit mit Working Self wird “feared future self” heraufbeschworen (crystalization of discontent)
= Vermeidungsziel! -> Motiviert Identitätsänderung hin zu “Positive future self”
Positive Future Self: Annäherungsziel, das mit einer Veränderung der Präferenzen (Einstellungen, Werte, Peers) einhergeht
Desistance-Prozess wird wahrscheinlicher, wenn…
… Misserfolg internal attribuiert wird (Working Self zugeschrieben)
… die Kosten den Nutzen überschreiten
… motiviert durch Vermeidungs- und Annäherungsziel
Empirie zu Desistance u. Identität
hinweise darauf, dass kriminelle vs. prosoziale Identität negativ bzw. positiv mit Desistance assoziiert ist
jedoch mit erheblichen methodischen Limitationen i. d. Operationalisierung der Identität (Oberlader et al. 2023)
(nicht) gesetzestreue Identität zeigt Zusammenhang mit Rückfallwahrscheinlichkeit, jedoch nur 1 Messzeitpunkt
Weitere Bausteine für Desistance
Qualitative Studien weisen darauf hin:
Hoffnung
Selbstwirksamkeit und Ergebnisbewertung
Ausstiegsprozess mit generativem Charakter (Idee das Veränderung lohnenswert sein kann, “Ich kann Vorbild sein”)
Umfeld, dass Änderung ermöglicht u. unterstützt
-> Es wurde aber nicht empirisch geprüft, ob das wirklich sig. Prädiktoren sind
Methodische Limitationen bisheriger Studien
Unterschiede/Abweichungen in Konzeptuatlisierung und Operationalisierung:
Konzeptualisierung: Desistance als Ereignis oder Prozess?
Operationalisierung:
Binär: Rückfall ja oder nein? (Unterschiede follow up-Zeitraum, Hellfeld/Selbstbericht), Operationialisierung Rückfall
Abnahme Deliktfrequenz, -spektrum, -schwere
oder über andere Risikofaktoren (z.B.: Drogenkonsum)
Prädiktoren: Unterschiede in Operationalisierung, sowie teils fragliche Konstruktvalidität (z.B.: prosoziale Identität)
Limitationen in Datenauswertung -> Studien oft von Fachfremden
Mehrzahl qualitative Studien:
Teils N sehr klein
Datenauswertung mehrheitlich deskriptiv
Teils retrospektive Erfassung des Desistance Prozesses (erzähltes Leben =/ gelebtes Leben)
Was wissen wir über Desistance from Crime?
Es gibt Korrelate, aber heterogene Befundlage
Zugrundliegende Mechanismen nicht untersucht (auch nicht in LZ Studien)
Hinweise auf parallel verlaufende Veränderungsprozesse
Befunde als Hinweise für shift in contengencies (Verschiebung d. Verstärker in die eine oder andere Richtung)
Desistance erfordert nicht nur eine Elimination von Risikofaktoren, sondern auch Fokus auf Schutzfaktoren
Desistance ist ein komplexer Prozess, der multifaktoriell bedingt ist
Je mehr bedeutsame, prosoziale Lebensinhalte, desto wahrscheinlicher ist desistance:
Starke Bindung an Familie u. Gesellschaft
erfüllende Arbeit
Anerkennung d. eigenen Wertes durch Andere
Gefühl v. Hoffnung u. Selbstwirksamkeit
Lebensziele u. Bedeutungserleben
Zuletzt geändertvor 10 Monaten