Mittleres Erwachsenenalter (MEA)
30.-65. LJ
umfasst die Hälfte der Bevölkerung in Europa
Lebensalltag mit Herausforderungen (Lern- und Entwicklungsaufgaben)
idealtypischer Biografieverlauf umfasst:
Konsolidierung der privaten / beruflichen Situation
Einnehmen der gesellschaftlichen Position
Realisierung von Lebenszielen
entwicklungspsychologische Ansätze
verschiedene entwicklungspsychologische Ansätze fokussieren verschiedene Aspekte des Lebensalltags Erwachsener
z.B. Stufenmodell der Moralentwicklung (Kohlberg)
Stufenmodell der Moralentwicklung (Kohlberg)
Bewältigung einer Stufe = Lernleistung
niedrigere Stufe als Voraussetzung für höhere
Präkonventionelle Ebene —> Stufe 1+2
Konventionelle Ebene —> Stufe 3+4
Postkonventionelle Ebene —> Stufe 5+6
MEA = postkonventionell
Orientierung am sozialen Ausgleich
gesellschaftlicher Konsens
prinzipielle Werte + ethische Prinzipien
Entwicklungsaufgaben im MEA (Havighurst)
Unterstützung eigener Kinder bei Ausbildung der Persönlichkeit
Entfaltung sinnvoller Freizeitaktivitäten
Entwicklung sozialer & politischer Verantwortung
Verwirklichung im Berufsleben
Merkmale von Bildung im MEA
individuelle Perspektive auf Selbstverwirklichung
Aussicht auf gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Ökonomische Verwertbarkeit als Zweck
Lernen = Voraussetzung für Bildung
—> nicht jedes Lernen führt zu Bildung
—> Bildungsarbeit = Ermöglichung von Lernprozessen
Quartiärer Sektor
= Bildungsreform des Deutschen Bildungsrates (1966-1975)
Einrichtung von Studiengängen für Erwachsenenbildungsbereich
Professionalisierungsschub
Etablierung des Begriffes “quartiären Bildungsbereichs”
Struktur des quartären Bildungssektors
Weiterbildung
= Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss erster Bildungsphase
umfasst viele Bildungsmaßnahmen
beruflich - berufliche Erwerbstätigkeit (nicht immer freiwillig, z.B. Weiterbildungen)
allgemein - persönliche Interessen (freiwillige Teilnahme)
Nicht institutionalisierte Erwachsenenbildung
= Lernumgebung außerhalb und nicht im Kontext pädagogischer Bildungsinstitutionen
z.B. Arbeitsplatz, Museen, Bibliotheken etc.
alltägliche Lebenswelt birgt viele Lerngelegenheiten
Lernzusammenhänge Erwachsener
formelles Lernen: in expliziten Lehr-Lern-Arrangements in Bildungseinrichtungen, definierte Lernziele und -zeiten, Zertifizierung des Lernerfolgs
non-formelles Lernen: nicht in Bildungsinstitutionen, keine Zertifizierung des Lernerfolgs, kann strukturierte Lehr-Lern-Arrangements enthalten (z.B. Museumsbesuch)
informelles Lernen: Lernen durch Erfahrungen im Alltag oder am Arbeitsplatz, kann zielorientiert sein, aber auch unbeabsichtigtes beiläufiges Lernen
Institutionen der Erwachsenenbildung
keine direkte staatliche Regelung der Bildungsangebote
stattdessen: Angebot und Nachfrage (freies Marktprinzip)
keine klaren Regelungen und Curricula
Einrichtungen der Erwachsenenbildung
öffentliche - staatliche oder gemeinschaftliche Einrichtungen, allgemein zugängliches Bildungsangebot, Haushalt häufig (weitgehend) durch Träger gesichert
kommerzielle - konkretes Zielpublikum, Bildungsangebot für mehr als einzelne Kunden, ökonomische Sicherheit vom Erfolg am Weiterbildungsmarkt abhängig
betriebliche - eigene Bildungsabteilungen in großen Unternehmen, finanziert durch Unternehmen oder als Profit Center geführt
Bildungsanlässe
Ökonomie
Demografie
Technologie
anhaltender globaler Wettbewerb um Ressourcen (Rohstoffe, Arbeitskräfte …)
auf allen Waren- und Dienstleistungsmärkten
Bildungsexpansion Chinas - quantitative Übernahme von Arbeitsplätzen
Bevölkerungsentwicklung hat Einfluss auf Bildungsbedarf
größerer Anteil Älterer an der Bildung
veränderte Altersstruktur
Erwerbspersonenpotenzial schrumpft
Digitalisierung der Lebens- & Arbeitswelt
Verlust von Arbeitsplätzen vs. Anstieg des Bedarfs an
qualifizierter Arbeit
Bildungsziele
Anpassung (an veränderte Arbeits- und Lebensverhältnisse)
Verbesserung (Aufstiegsfortbildung)
Neu- und Umorientierung (aus diversen Gründen)
Besonderheit der Bildung in dieser Lernphase
Lernende verfolgen konkrete Ziele, die über verschiedene Personen hinweg variieren
Heterogenität der Erwartungen und Zielsetzungen
Kognitive Voraussetzungen für Lernen im MEA
Lernfähigkeit
Anwendungsbezug
Vorwissen
Adoleszenz-Maximum-These
= Idee, dass Lernfähigkeit im MEA nachlässt
Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit lässt über die Spanne des MEA nach (—> empirisch bestätigt)
ABER: rasche Informationsverarbeitung nur ein Aspekt von Lernprozessen
fluide Intelligenz sinkt über Lebensspanne hinweg
kristalline Intelligenz nimmt bis ins hohe Alter zu
Lernvoraussetzungen verändern sich mit zunehmendem Alter, Lernfähigkeit nimmt aber nicht ab
reale Probleme in Beruf und Alltag
deren Bewältigung erfordert anderes Denken und Lernen als im Schulsetting
notwendig Wissen adäquat nutzen zu können
Lernen innerhalb vs. außerhalb der Schule
(Resnick, 1987)
außerhalb:
kooperatives, anwendungsorientiertes Lernen
unter Einsatz von Werkzeugen
= Aufbau von Wissen zur Lösung praktischer Probleme
innerhalb:
individuelles, theoriegeleitetes, abstraktes Lernen
= Aufbau trägen Wissens (für Problemlösung nicht nutzbar)
Erwachsene verfügen über reichhaltige individuelle Erfahrungen —> bedeutende Rolle des Vorwissens
Wissensbestände unterschiedlich gut artikulierbar oder direkt instruktional zu vermitteln —> Herausforderung für Bildungsarbeit
Experten können auf Basis ihres Vorwissens …
Richtung des Lösungswegs antizipieren
Probleme von der Aufgabenstellung ausgehend lösen
Wissensarten
Situationales
Wissen über sich wiederholende Situationen und darin zu beachtende Informationen
Konzeptuelles
statisches Wissen über Fakten, Begriffe, Prinzipien
Prozedurales
Wissen über erfolgreiches Handlungen
Strategisches
Handlungspläne und metakognitives Wissen über Gestaltung des Problemlösens
Wissensmerkmale
hierarchischer Status: oberflächlich vs. tief verarbeitet
Innere Struktur: isolierte vs. vernetzte Wissenseinheiten
Automatisierung: deklarativ (explizites Faktenwissen), kompiliert (routiniertes Prozedurenwissen)
Modalität: bildlich vs. propositional-analytisch
Allgemeinheit: generell vs. domänenspezifisch
Expertisenforschung
Gegenstand = Können von Experten
Wissen als entscheidende Basis von Können
Expertise = Wissen + flexible Anwendung davon
Adaptive Expertise
= Fähigkeit von Experten, Wissen in sich ändernden Situationen oder Kontexten flexibel anwenden zu können
Wie entsteht adaptive Expertise?
durch gezielte Denkvorgänge, die auf De-Situationalisierung von Erfahrungen abzielen
Erfahrung domänenspezifischer Situationen
+ gezielte Denkarbeit zur Loslösung der Erfahrung von der Situation
==> Aufbau generalisierter mentaler Modelle
mentale Simulationen zur Ausdifferenzierung der Modelle
Aufbau tieferen Verständnisses von neuen Situationen
solche mentalen Modelle „passen“ dann für ver- schiedenartige Kontexte
Bedingungen, die den Aufbau adaptiver Expertise unterstützen
Regelmäßige Konfrontation mit Problemen, für die Vorwissen nicht hilfreich ist
Erfahrung mit erwartungswiedrigen Ergebnissen bei Problemlösung
regelmäßige kritische Auseinandersetzung mit Eigenleistung (Selbstreflexion, Peers …)
Unabhängigkeit von externalen Belohnungen
Einbettung in Referenzgruppe von Experten (bieten Außensicht)
Prinzipien der Bildungsarbeit
Teilnahmeorientierung
Bedarfsorientierung
Handlungsorientierung
= Ausrichtung auf die individuellen Bedürfnisse von Lernenden
Bezug auf Durchführung der Lehr-Lernprozesse
empirischer Nachweis gelingt nicht aufgrund begrifflicher Unschärfen und Heterogenität der Zielgruppen
= Ausrichtung auf Bedarfe von z.B. Kollektiven oder Organisationen (aggregierte Bedarfe), welche gebündelte Bildungsinteressen widerspiegeln
Bezug auf kumulierte Bedarfe
aufgrund unterschiedlicher Lerninteressen ist Orientierung an Gesamtheit nicht möglich
Bedarfsorientierung daher nur auf einen Ausschnitt ausgerichtet
da der Bedarf gebündelte Bildungsinteressen widerspiegelt, kann der für eine Teilgruppe diagnostizierte Bildungsbedarf nicht mit individuellen Interessen einzelner potenzieller Teilnehmender übereinstimmen —> Kritik
Handungsorientierung
= Bezug auf Handeln als zielgerichtete Tätigkeit
Akteur versucht mit passenden Mitteln einen befriedigenden Zustand zu erreichen oder zu erhalten
= Gestaltungsprinzip für Lehr-Lernarrangements
Vorteile der Handlungsorientierung für Lernende
Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten
Erweiterung ihrer Reflexionsfähigkeit von Handlungszielen und Möglichkeiten
Erweiterung der Methoden zur konkreten Realisierung von Handlungszielen
Mikroebene - Individuum
Kompetenzen, die zur beruflichen und privaten Problembewältigung im EA hilfreich sind:
Kollaboration
Dialektik
Korrdination öffentlicher/privater Argumentation
Verstehen von Systemen
effiziente Abschätzungen
Kompetenz zur Kollaboration
= Zusammenarbeit
fast alle modernen Arbeitstätigkeiten erfordern Zusammenarbeit
noch wichtiger in Zeiten der Digitalisierung und Mensch-Maschine-Interaktion
zugleich auch schwieriger, da Kontakte zwischen Menschen zunehmend über digitale Systeme vermittelt
Dialektische Kompetenz
Einnahme multipler Perspektiven
Abwägung verschiedener Interessen
Finden einer eigenen Position für Alltagsdiskussionen
Treffen angemessener Entscheidungen in konkreten Situationen
Kompetenz zur Koordination öffentlicher / privater Argumentation
widersprüchliche öffentliche und private Interessen
Zurückstellung eigener Interessen in Situationen
Kompetenz zum Vertshen von Systemen
Entscheidungssituationen manchmal intransparent
Vorliegen unvollständiger Informationen
Digitalisierung —> „Computational Thinking“
kompetenter & selbstbestimmter Umgang mit Medien
Kompetenz zu effizienten Abschätzungen
Beschleunigung des Lebens
daher zentral:
rasche und adäquate Entscheidungen
Erfahrung
Mesoebene - Institutionen
2 Ebenen:
Institutionen der Privatwirtschaft
Institutionen des öffentlichen Lebens
= kommerziell / staatlich / kommunal / gemeinnützig
Einrichtungen, Verwaltungs- und Dienstleistungsbetriebe
LLL immer zentraler
ein erreichter Status schützt nicht vor weiteren Lernanforderungen
Basis: gute formale Qualifikation
Workspace Learning (Lernen am Arbeitsplatz)
tatsächliche Anpassungsleistungen für künftige Anforderungen müssen in der Praxis erbracht werden
formale Bildungsangebote nicht ausreichend
Voraussetzungen für Förderung des Lernens am Arbeitsplatz
Handlungs- und Entscheidungsspielraum
vielfältige und fordernde Arbeitsaufgaben
gute Interaktions- und Kooperationsstrukturen
ausgeprägte Lern- und Fehlerkultur
Beschäftige erhalten Feedback zur Arbeit
Partizipationsmöglichkeiten
Erschwernisse für Lernen am Arbeitsplatz
niedrigere berufliche Stellung (Matthäus-Effekt)
höheres Alter
Matthäus-Effekt
“Mach mehr, dann kriegst du mehr”
indem man mehr macht (aktiv handelt oder lernt), erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass man noch mehr Kenntnisse oder Fähigkeiten erwirbt
stärkster Faktor = berufliche Stellung
je höher die berufliche Stellung, desto größer fällt die Unterstützung aus
bereits bestehende Vorteile könne zu weiteren Vorteilen führen
z.B. Person mit einer höheren beruflichen Stellung hat möglicherweise mehr finanzielle Mittel, um zusätzliche Bildungsangebote zu nutzen, besseren Zugang zu Netzwerken und Mentoren, oder mehr Zeit und Ressourcen, um sich weiterzubilden
älteren Beschäftigten werden (oft unbegründet) negative Attribute zuschrieben (“eh bald in Rente”)
Unternehmen profitieren mit steigendem Alter weniger vom Lernprozess der Beschäftigten
Institutionen des öffentlichen Lebens / Bildungseinrichtungen
wichtig für Wettbewerbsvorteile von Bildungseinrichtungen: Qualität der Bildungsangebote
Makroebene - Gesellschaft
Bedeutung von Bildung und LLL für:
Aufrechterhaltung von Beschäftigungsfähigkeit
Sicherung von Kompetenz
Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit auf Weltmarkt
Sicherung des gesell. Wohlstandes
Wozu ist der Staat verpflichtet?
Förderung der Erwachsenenbildung
Bildungssektoren stärken
Teilnahme an Erwachsenenbildung fördern
dies geschieht durch:
gesetzliche Regelungen der Weiterbildungsförderung
öffentliche Ausschreibungen
Wieso nimmt die Bedeutung von Bildung im MEA zu?
steigende Lebenserwartung
stagnierende Geburtenrate
steigender Anteil älterer Menschen
Erwerbspotenzial sinkt
Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Sozialsystems
Erhöhung der Frauenerwerbsquote
Reduktion der Erwerbslosenquote
Erhöhung der Produktivität
steigende Bedeutung von …
Bildungsarbeit
beruflicher Aus- und Weiterbildung
Lernen am Arbeitsplatz
formaler und informeller Lernprozesse
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