-Bildung - „Darunter ist die Vermittlung von Werthaltungen, Einstellungen, Wissensbeständen und Fertigkeiten zu verstehen, die Menschen benötigen, um ihre sozialen Rollen als Erwachsene in einer Gesellschaft ausüben zu können“ („Ausbildung“ für spezifische Berufe eingeschlossen)
-Sozialisation (beiderseitiger Prozess) - „Sozialisation bezeichnet den lebenslangen Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt.“
-Erziehung (einseitiger Prozess) - „Erziehung ist ein (...) dem Begriff Sozialisation untergeordneter Begriff, der die Handlungen und Maßnahmen bezeichnet, durch die Menschen versuchen, auf die Persönlichkeitsentwicklung anderer Menschen Einfluss zu nehmen, um sie nach bestimmten Wertmaßstäben zu fördern.“
-Föderalismus nach Artikel 30 des GG: „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt.“
-Länder erfüllen staatliche Aufgaben, sind zum Bund zusammengeschlossen und wirken über den Bundesrat an Gesetzgebung des Bundes mit
-Kulturhoheit ist damit ein Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder
-Unter den Begriff Kultur fallen hiermit u.a. Sprache, Schulen, Hochschulen, Rundfunk, Kunst, Fernsehen, etc.
-Kulturhoheit der Länder
-Vertikale Gliederung (Primarbereich, Sekundarbereich I, Sekundarbereich II, Tertiärbereich, Quartärer Bereich/Weiterbildung)
-Vierjährige Grundschulzeit (es gibt Ausnahmen), nach der Grundschulzeit erfolgt eine frühe Verteilung der Kinder in Leistungsgruppen
-Im internationalen Vergleich nur ein sehr kleiner Privatschulsektor (2018/19: 9,2 % der Schüler an allgemeinbildenden Schulen; 2008/09: 7,7 % vgl. Datenreport 2021); keine bedeutsamen Unterschiede zwischen privaten und staatlichen Schulen
-Trennung von Sonder-/Förderschulen, bzw. -klassen von übrigen Schülern – wobei in einigen Ländern die Mehrheit der Schüler mit Förderbedarf in allgemeinbildenden Schulen (Inklusionsschulen) unterrichtet wird
-Abitur hat Charakter als Hochschulzugangsberechtigung – wobei in anderen Staaten es eine viel stärkere Differenzierung des Abiturs in fachspezifische Richtungen vorliegt
o Heute kann man auch ohne Abitur an die Uni – früher war dies nicht möglich
-Keine Eliteuniversitäten in Deutschland
-Duales System der Berufsausbildung, d.h. Ausbildung findet in Betrieben und Schulen gleichzeitig statt
==> Entscheidend ist die Frage, wer welchen Übergang im Bildungssystem macht
==> Im Vergleich zu früher hat die Durchlässigkeit, d.h. wer einen Abschluss bekommt zugenommen – auch weil es mehr Pfade und Möglichkeiten gibt dies zu tun
- Intermediärer Status der Schule, d.h. ein sozialer Zwischenraum zwischen Familie und Gesellschaft
-Schule als erste Sozialisationsinstanz in der Erfahrung des Kindes, welches eine Statusdifferenzierung auf nicht biologischer Basis institutionalisiert – es handelt sich nicht um einen askriptiven, sondern einen erworbenen Status, welchen das Kind sich durch Aufgabenerfüllung verdient
askriptiv = zugeschriebenen, durch Geburt erworbenen Status
==> Steigerung des Bildungsangebots – meist aus öffentlichen und privaten Mitteln finanziert und als Reaktion auf die Nachfrage von Familien, Kindern und Jugendlichen
==> „Darunter kann man die Steigerung des aus öffentlichen und privaten Mitteln finanzierten Angebots von Positionen im Bildungssystem einerseits und der Nachfrage nach diesen Positionen von Familien, Kindern und Jugendlichen andererseits verstehen“ (Rössel 2009: 182).
==> Bezeichnet das empirische Phänomen der enormen Ausdehnung der Schulzahl, Schülerzahl, Ausgaben für Schulen, etc. im Zuge der Modernisierung.
==> Veränderung der distributiven Vielfalt
-Bildungsökonomie: Nutzen der Bildung für das Wirtschaftswachstum (Bildung als Humankapital)
-Sozialliberale Bildungsforschung und -politik: Gesellschaftliche Bedeutung der Bildung (Bildung als Bürgerrecht)
-Ziele
o Funktionale Erfordernisse moderner Gesellschaften erfordern Bildungsexpansion; eine immer kompliziertere Gesellschaft und komplexere Arbeitstechniken erfordern wiederum höhere Bildung
o Bildungsexpansion soll Chancengleichheit fördern – die Leistungspotentiale benachteiligter Gruppen werden dabei überproportional ausgeweitet
o Steigender Wohlstand ermöglicht den Besuch weiterführender Schulen
o Kritik: Makrotheorien geben über die Mechanismen zur Erreichung der Ziele keine Auskunft // siehe außerdem die Konflikttheorie im Anhang
-Ergebnisse
o Differenzierung, Schultypen, frühe Selektion in weiterführenden Schulen
o Höherstufung und Beibehaltung der Bildungshierarchie
o Durchlässigkeit hat zugenommen, aber starke Herkunftseffekte
o Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen
o Kritik an einer diskussionswürdigen Entwertung des Abiturs
-Bildung als Konsumgut (ökonomische Konsumtheorie)
o Bildung ist mit „Genuss“ (d.h. hier mit Wissenserwerb) verbunden
o je höher der Wohlstand (Einkommen) desto mehr Bildungserwerb
-Ökonomische Investitionstheorie (Humankapitaltheorie)
o Bildung als Investition um Einkommenserträge und Aufstiegschancen zu erzielen
o Je höher die Bildung, desto höher die Arbeitsproduktivität (höhere Produktivität führt auch zu höheren Löhnen)
o Es wird so lange in Bildung investiert, wie die zu erwartenden Ertragszuwächse höher sind als die Bildungs- und Opportunitätskosten – d.h. ein Vergleich von Kosten und Nutzen ist sinnvoll
o Bildungsexpansion hält an, solange sich Investitionen in Bildung „rentieren“
o Unterschiedliche Individuen investieren unterschiedlich lang in Bildung, da sich ihre Kosten unterschiedlich lang zusammensetzen
-Siebungs- und Signaltheorie
o Schule dient der Auslesung und Einstufung – Bildung wird damit zum Signal an Arbeitgeber*innen im Wettbewerb um Arbeitsplätze
o Bei einem Überangebot an Bildung und sinkenden Löhnen für Hochqualifizierte gehen Bildungsanstrengungen nicht zurück (wie nach der ökonomischen Investitionstheorie) sondern Bildungsexpansion geht weiter, um günstige Plätze in Warteschlangen bei Jobs zu erreichen, d.h. ein Bildungsüberangebot wäre positiv zu sehen
-Wirtschaftswachstum bedeutet mehr Wohlstand
-Demokratisierungsdruck und individuelle Selbststeuerung, u.a. mehr Wissen über Politik und unkonventionelle Formen politischer Partizipation
-Mehr Offenheit gegenüber Migranten, weniger Fremdenhass
-Weniger Ungleichheit zwischen den Geschlechtern
-Wertewandel: Individualisierung, Postmaterialismus
-„Bildungsmoratorium“, Postadoleszenz
-Differenzierung der Lebensformen d.h. u.a. späte Heirat, Kinderlosigkeit
-Aufwertung (Bildungstitel werden immer wichtiger) und Entwertung der Bildungsabschlüsse (hohe Bildungsabschlüsse werden immer zahlreicher)
-Verlust der sozialen Platzierungsfunktion von Bildung
-Hauptschule als „Verlierer“ der Bildungsexpansion
-1960er Jahre in Westdeutschland: Faktoren, die die Bildungschance reduzieren
o Arbeiterkind
o Mädchen
o Ländliche Region
o Katholische Konfession
==> damalige Gründe: Distanz der Eltern von Bildungseinrichtungen, traditionelles Denken und Modernisierungsrückstand
==> Drei von vier Faktoren sind mittlerweile unwichtig geworden – nur die Schichtzugehörigkeit bestimmt nach wie vor die Chancen auf Bildung
-Empirische nur teilweise abgesichert, dennoch wurde die Bildungsexpansion zu einem großen Reformprojekt
-Durch Mobilisierung von Bildungsreserven und mit Reformmaßnahmen sollte soziale Ungleichheit bei der Bildungsbeteiligung abgebaut werden
-Meritokratisches Modell (Leistungsgerechtigkeit)
o Leistungsbezogene Chancengleichheit, d.h. nur erbrachte Leistungen werden bewertet (Noten, Zeugnisse, etc.)
o Unabhängigkeit von leistungsfremden Faktoren (Herkunft, Geschlecht, etc.)
o Alle Schüler erhalten für gleiche Leistungen gleich gute Noten (daran hat sich der BRD orientiert – konservativ-liberale Sicht)
o Voraussetzungen
§ Leistung darf sich nicht durch Herrschaftsverhältnisse definieren, d.h. sie darf sich nur auf Kenntnisse/Fähigkeiten beziehen, die im allgemeinen Interesse der Gesellschaft liegen und nicht nur in bestimmten sozialen oder politischen Gruppen einen hohen Stellenwert haben
§ Leistung muss „objektiv“ messbar sein
§ Vermeintliche „Illusion der Chancengleichheit“
o Schüler haben unterschiedliche Voraussetzungen leistungsfähig zu werden
o Leistungsgerechtigkeit besteht erst dann, wenn jeder die gleiche Chance hat seine Begabungen so weit zu entwickeln, wie es ihm oder ihr möglich ist
§ Angleichung sozialer Lebensbedingungen oder späterer Ausgleich (z.B. in Vor- und Grundschulen), keine gesellschaftliche Gruppe soll durch soziale Faktoren in ihrer Leistungsentwicklung behindert werden
-Proportionale Chancengleichheit / Proporzmodell
o Auf allen Bildungsstufen sind gesellschaftliche Gruppen in dem Maß, wie in der Bevölkerung vertreten (daran hat sich die DDR orientiert)
§ Leistungsgerechtigkeit und gleiche Entwicklungschancen
§ Gleiche Begabungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen
§ Leistungsbereitschaft und Begabung der Eltern verschiedener Schichten werden weder sozial noch biologisch auf die Kinder übertragen (dies ist jedoch nicht die Realität und ist somit teilweise der Fall)
-Modell der statistischen Unabhängigkeit
o Jedes Kind soll unabhängig von der sozialen Herkunft die gleichen Startchancen im Bildungssystem haben
§ Keine Existenz von sozialer Ungleichheit – Utopie, darum ist nur eine Reduktion der Chancenungleichheit möglich – dies muss von den Schulen geleistet werden
-Frauen haben in den letzten 40 Jahren von Stufe zu Stufe des Bildungssystems mit Männern gleichgezogen
==> Chancengleichheit bei allgemeiner Bildung ist erreicht
-Im Sekundarbereich haben Frauen die Männer überholt
o 1967: etwa ein Drittel der Abiturienten sind Frauen; 2000: etwa 55%
o 2000: in Westdeutschland etwa die Hälfte der Studienanfänger und Hochschulabsolventen sind Frauen (DDR: seit Mitte 70er Jahre)
o Schulleistungen von Mädchen/Frauen sind besser als von Jungen/Männern
-Aber:
o Vorsprung der Männer besteht noch bei höheren akademischen Stufen (Frauenanteil 2009 bei den Professuren: 18,2%)
o Frauen beginnen seltener als Männer eine Ausbildung im dualen System/ geschlechtsspezifische Segregation bei Ausbildungsberufen und Studienfächern hält an
o Geschlechtsspezifische Segregation nach Berufen und Studiengängen (u.a. deswegen auch die Gender-Pay-Gap, da Frauen in viele Care-Berufen, also Bereichen der Fürsorge und im Sozialwesen arbeiten
-Die Bildungsexpansion hat die Chancen von Kindern aller sozialer Schichten erhöht, aber Kinder aus unteren Schichten haben davon nicht überproportional profitiert
o Kinder aus den unteren Schichten haben von einem verstärkten Zugang zu den Realschulen profitiert
o Laut Hradil habe sich die Bildungsungleichheiten zwischen den Kindern der einzelnen sozialen Schichten eher vergrößert als verkleinert
-Bildungsexpansion hat sich je nach Schultypus unterschiedlich auf die schichtspezifischen Bildungschancen ausgewirkt
o Vom Ausbau der Realschulen profitierten zwischen 1970 und 1989 vor allem Kinder von Arbeitern, Landwirten und von ausführenden Dienstleistern. „Auf der Ebene des mittleren Bildungsniveaus sind also die Chancen zugunsten der benachteiligten Schichten umverteilt worden“
o Vom Ausbau der Gymnasien haben Kinder (vor allem Töchter) des nichtlandwirtschaftlichen Mittelstands, der höheren Dienstleistungsschicht sowie Kinder der mittleren Angestellten und Beamten profitiert. Arbeiterkinder und Kinder der einfachen Dienstleister haben von dieser Entwicklung nicht profitiert.
==> Beim Wettlauf um die höheren Bildungsabschlüsse haben sich also die Chancenabstände zwischen privilegierten und benachteiligten Gruppen vergrößert
-Gründe für schlechtere Bildungschancen von Kindern aus Migrantenfamilien
o Kulturelle Faktoren wie unzureichende Sprachkenntnisse
o Sozioökonomische Faktoren: Migranten gehören häufiger den unteren Schichten an, als die einheimische Bevölkerung
o Struktureller und individueller Rassismus:
§ Unzureichende Unterstützung der Migrantenkinder durch das Bildungssystem
§ Diskriminierung bei der Notenvergabe und Vergabe von Bildungsempfehlungen (u.a. bei Schulempfehlungen durch Lehrkräfte nach der Grundschule)
-Ressourcentheorie
o Schüler benötigen kulturelle Ressourcen um weiterführende Schulen erfolgreich besuchen zu können (z.b. Leistungsmotivation, Sprachfertigkeiten, Selbstvertrauen, etc. – Dinge, die in der Familie vermittelt werden)
o In oberen Schichten werden diese Ressourcen im Zuge der Sozialisation in besonderer Weise vermittelt
-Humankapitalansatz
o Geringes Familieneinkommen: direkte Kosten und die indirekten Lohnausfälle von Bildungsinvestitionen wiegen relativ schwer – außerdem wird der Schulerfolg oft skeptisch eingeschätzt
o Hohes Familieneinkommen: Bildungsinvestitionen werden eher getätigt, zukünftige Einträge werden als sicher eingeschätzt
-Theorie der primären und sekundären Effekte
o Verbindet Ressourcen- und Kapitalmarkttheorie
o Primäre Effekte: Unterschiede in Lernleistungen
§ Wirksamkeit kultureller, sozialer und ökonomischer Ressourcen vermittelt durch das Elternhaus
§ Je mehr Ressourcen im Elternhaus, desto wahrscheinlicher sind gute schulische Leistungen
o Sekundäre Effekte
§ Bei gleichen Lernleistungen werden unterschiedlich kostenträchtige und anspruchsvolle Bildungsentscheidungen getroffen
o Erträge von Bildungsinvestitionen sind umso größer, je höher die soziale Position der Familie ist
o Privilegierte haben aber auch einen Statusverlust zu befürchten, wenn Kinder keine höheren Bildungsabschlüsse erreichen – bei niedrigen Schichten führt dagegen ein niedriger Bildungsabschluss der Kinder nicht zum Statusverlust
-Bildungsjahre (Anzahl der Jahre im Bildungssystem)
o Wenig geeignet, da mit derselben Anzahl von Bildungsjahren unterschiedliche Abschlüsse erzielt werden können
-International Standard Classifikation of Education (ISCED)
o Von UNESCO entwickelt, um Bildung international vergleichbar zu machen;
o Vier Bildungsstufen: Vor-, Primar-, Sekundarschule, tertiäre Ausbildung
o Internationale Vergleichbarkeit schwierig, sofern innerhalb der Stufen allgemeinbildende und berufsbildende Einrichtungen
existieren
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