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Woyzeck

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von lea H.

Woyzeck als Antiheld

  • Woyzeck ist kein heroischer Dramenheld, wie wir ihn von Goethe oder Kleist kennen. Vielmehr entspricht er dem Typus eines Antihelden. Von seinen Mitmenschen diskriminiert und von seiner Geliebten betrogen, versinkt Woyzeck ins tiefste menschliche Elend. Das Drama führt uns die soziale Realität einer mittellosen, am Rand der Gesellschaft lebenden Person vor Augen. Damit stellt sich Büchner endgültig gegen die in der Aufklärung formulierte Ständeklausel, welche fordert, dass der Dramenheld eine Person mit hohem gesellschaftlichem Status sein müsse.

  • Im Woyzeck zeigt Büchner ungeschminkt die gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit auf. Besonders die große Ungleichheit zwischen Arm und Reich sowie das in den Köpfen der Menschen tief verankerte Ständedenken prangert er an.

  • Auch Büchners Sprache bildet die soziale Wirklichkeit ab. Alle im Stück auftretenden Personen sprechen so, wie es ihrem Stand, ihrer Bildung und ihrer momentanen Gemütsverfassung entspricht. So verfügen Woyzeck, Marie und Andres nur über eingeschränkte Ausdrucksmöglichkeiten, während der Doktor und der Hauptmann sich einer gehobenen Sprache bedienen.

  • Woyzecks Tat kann unterschiedlich gedeutet werden. Einerseits als Mord aus Eifersucht: Als der Soldat erkennt, dass seine Geliebte ihn mit dem Tambourmajor betrügt, verliert er auf einen Schlag alles, was ihm teuer war und wofür er sein Leben aufgeopfert hat. Andererseits kann der Mord aber auch als Auswirkung der auf Woyzeck wirkenden gesellschaftlichen Kräfte und Zwänge interpretiert werden. Er ist das Opfer der Gesellschaft, seine Mitmenschen diskriminieren ihn und missbrauchen ihn für ihre persönlichen Zwecke.

  • Eine besondere Bedeutung im Woyzeck nimmt das von der Großmutter erzählte, abgewandelte Grimm’sche Sterntaler-Märchen ein. Büchners Version - im Grunde ein Antimärchen - enthält die Kernaussage des Stücks: In einer entmenschlichten und entgötterten Welt ist der Mensch zur Einsamkeit verdammt. Genauso bleibt auch Woyzeck am Ende allein und verlassen zurück.

HANDLUNG IM ÜBERBLICK: Der einfache Soldat Franz Woyzeck will seine Freundin Marie und den unehelichen Sohn finanziell unterstützen und arbeitet deswegen als Diener für einen Hauptmann und lässt sich von einem Arzt zu Versuchszwecken auf Erbsendiat setzen. Der Hauptmann und der Arzt nutzen ihn so psychisch und physisch aus und Demütigen ihn in der Öffentlichkeit. Als sich Woyzeck Verdacht über Maries Affäre mit dem Tambourmajor bestätigt, glaubt Woyzeck innere Stimmen zu hören, die ihm befehlen Marie zu töten. Er besorgt sich ein Messer und ersticht sie.

1 - Beim Hauptmann

● Woyzeck rasiert den Hauptmann

● führen ein Gespräch über Tugend & Moral ● Woyzeck hat ein uneheliches Kind

● Thema: Geld, Armut, Bedürfnisse

2 - Freies Feld

● Soldaten Woyzeck & Andres sind außerhalb der Stadt und schneiden Stöcke in

einem Gebüsch ab

● Woyzeck hat Halluzinationen/ist paranoid → denkt, er befindet sich auf einer

Richtstätte

● sprechen über die Freimaurer Woyzeck hört, dass es unter dem Boden hohl ist

3 - Die Stadt

● Marie findet den Tambourmajor schön

● steht am Fenster mit dem Kind im Arm und redet mit Margret

● sie nennt sich selbst Hure und sagt, dass ihr Kind ein uneheliches Gesicht hat ● Marie trinkt hauptsächlich Wein

● Woyzeck interessiert sich nicht für sein Kind

4 - Buden. Lichter. Volk

● Marktschreier steht vor einer Bude und wirbt fürs „Wahrsagen“ in der Bude ● Woyzeck fragt Marie, ob sie möchte und sie gehen zusammen in die Bude

5 - Das Innere der neu beleuchteten Bude

● Budenbesitzer zeigt ein Pferd mit einem Talent → ist ein „verwandter Mensch"

6 - Mariens Kammer

● Tambourmajor betitelt Marie als „Weibsbild“ und fasst sie an ● sie sagt erst nein, dann lässt sie es zu

7 - Mariens Kammer

● Marie zwingt ihr Kind zu schlafen

● trägt Ohrringe, die ihr der Tambourmajor geschenkt hat

● Woyzeck kommt herein und Marie versteckt die Ohrringe in ihrer Hand ● Marie behauptet, sie habe die Ohrringe gefunden

● sie bekommt ein schlechtes Gewissen

8 - Beim Doktor

● Doktor hat Woyzeck dabei erwischt, wie er auf die Straße und an die Wand „gepisst“

hat; konfrontiert ihn

● Woyzeck argumentiert mit Natur → Bedürfnisse

● Doktor möchte wissen, ob Woyzeck seine Erbsen isst

9 - Straße

● Hauptmann teilt dem Doktor seine Probleme mit

● Doktor teilt ihm die Prognose für die nächsten 4 Wochen mit ● Woyzeck geht schnell an den beiden vorbei

● Doktor stellt fest, dass Woyzecks Puls unregelmäßig ist

10 - Mariens Kammer

● Woyzeck bemerkt, dass Marie ihn betrogen hat ● sie streitet es ab; behauptet er habe nur Fieber ● Woyzeck geht auf sie los → Aggressiv

11 - Die Wachstube

● Woyzeck und Andres

● Woyzeck ist sehr unruhig und ihm ist heiß

12 - Wirtshaus

● Woyzeck sieht Tambourmajor und Marie zusammen → ist wütend & eifersüchtig

13 - Freies Feld

● innerer Monolog Woyzeck

● Stimmen sagen ihm, dass er die „Zickwolfin“ tot stechen soll

14 - Ein Zimmer in der Kaserne

● Woyzeck & Andres sind im Bett (nachts)

● Woyzeck kann nicht schlafen → Stimmen sprechen wieder mit ihm („Stich!Stich!") -

Andres sagt, er solle weiterschlafen 15 - Der Hof des Doktors

● Doktor lässt die Katze vom Dach fallen; Woyzeck fängt sie ● Woyzeck wird schwindelig

● Woyzecks Haare sind dünn geworden

16 - Kasernenhof

● Woyzeck schenkt Andres seinen gesamten Besitz

● Andres ist besorgt → denkt auch Woyzeck habe Fieber

17 - Wirtshaus

● Tambourmajor & Woyzeck prügeln sich → Woyzeck verliert und blutet

18 - Kramladen

● Woyzeck will eine Pistole kaufen, ist aber zu teuer → kauft dann ein Messer

19 - Mariens Kammer

● Marie hat ein schlechtes Gewissen

20 - Strasse

● Großmutter erzählt Kindern eine Geschichte

● Woyzeck möchte mit Marie an einen Teich gehen

21 - Waldsaum am Teich

● Marie möchte gehen → Woyzeck zwingt sie zu bleiben

● bezeichnet Marie als Hure

● sticht mit dem Messer so oft auf sie ein, bis sie sich nicht mehr bewegt

22 - Mariens Kammer

● Woyzeck möchte seinem Kind (Christian) Zuneigung schenken

23 - Wirtshaus

● Käthe, Wirt und Narr bemerken das Blut an Woyzecks Hand ● sagt er habe sich geschnitten

● Narr behauptet, er rieche Menschenfleisch

24 - Am Teich

● Woyzeck geht zum Teich zurück, sucht das Messer und wirft es in den Teich

25 - Kinder

● Kinder gehen zum Wald, um Marie zu sehen

26 - Gerichtsdiener, Arzt, Richter

● sind am Tatort

● Polizist sagt, es sei ein guter Mord (Ende)

Andres

Andres

● Kollege von Woyzeck

● Fröhlicher, positiver Mensch

● Steht zu seinen Gefühlen und Ängsten

● Nimmt Woyzeck nicht ernst Keine tiefe Freundschaft zu Woyzeck

Andres:

• Kontrastfigur zu Woyzeck: Verstörtheit Woyzecks im Gegensatz zu seinem harmlosen Kameraden

• Woyzeck erleidet in der Gegenwart von Andres schwere psychotische Krisen

• Gesang ist Zeichen seiner Gutartigkeit (Der Volksmund weiß: schlechte Menschen kennen keine

Lieder) -> Gesang verstummt dadurch, dass Woyzeck Wahnvorstellungen erleidet und seine Ängste

und inneren Unruhen sich auf Andres übertragen

• Szene 14: Andres und Woyzeck teilen sich ein Bett: zeigt zum einen die Nähe zwischen den Beiden

(Woyzeck möchte im späteren Verlauf auch Andres seinen Besitz vermachen), aber auch die ärmlichen

Verhältnisse

• Trotz Nähe kann Andres Woyzeck aus seiner Psychose nicht helfen (akzentuiert Woyzecks

Verlassenheit) -> Andres fehlt geistige Selbstständigkeit und einen Antrieb zum eigenen Handeln

(Woyzeck und Andres wirken „wie abgeschaltet“ laut Alfons Glück)

• Durch den militärischen Dienst wurden sie seelisch deformiert und zu Automaten, Robotern ausgebildet

-> Hauptgrund ihrer Passivität

• „Ja wohl“ „Hauptwort der Subordination“ im Wortschatz der Kameraden zeigt die „psychische

Mechanisierung“, die ihren Wortschatz verändert und ihre persönliche Beziehung beeinflusst

• Andres als Korrespondenzfigur: Andres Unfähigkeit Woyzeck beizustehen ist ein direktes Resultat aus

seiner Zurichtung durch die Gesellschaft

• Kontrast und Korrespondenz zugleich

Darstellung von sozialer Ungerechtigkeit

DARSTELLUNG VON SOZIALER UNGERECHTIGKEIT

Büchner thematisiert als ein Autor des Vormärz in „Woyzeck“ unbeschönigt die soziale Ungerechtigkeit, der vor allem der Protagonist der Handlung ausgesetzt ist. Dieser schafft es kaum, das Geld für seine kleine Familie aufzubringen und erduldet Erniedrigung und Spott, um sein Ziel dennoch mit mehreren Jobs zu erreichen. Seine eigenen Bedürfnisse stellt er völlig hinten an, auch eine Hochzeit mit Marie ist aufgrund des fehlenden Vermögens nicht möglich. Dass er für die Arbeit als Versuchsperson beim Doktor die gleiche Bezahlung erhält wie als Soldat, nämlich zwei Groschen täglich, zeigt, dass sein Gehalt viel zu niedrig ist.

Vormärz

● Sie Verband die Ablehnung der Restauration und des Adels und das Einsetzen für

Presse- und Meinungsfreiheit

● Revolutionäre Strömung der Literatur

● Adressat war das einfache Volk

● In Woyzeck verfolgt er auch politische Ziele

○ Kritisiert, dass es für die Unterschicht unmöglich ist ein normales Leben zu

führen, aufgrund ihrer Unterdrückung durch die Oberschicht

○ Woyzeck kann sich seine Hochzeit nicht leisen und wird von der Oberschicht

ausgebeutet sowie in seiner Menschenwürde verletzt

● Grenzt sich stark von der Romantik ab

○ Erschaffung einer schönen Welt als Hauptmerkmal der Romantik

○ Büchner hatte nicht die Absicht, mit seinem Drama eine schönere Welt zu

erschaffen

● Büchner kann den Anfängen des Realismus zugeordnet werden

○ Er zeigt die Welt, wie sie ist und nicht, wie sie sein sollte

○ Büchners realistischer Stil weist auch naturalistische Elemente auf, da er den

Protagonisten mit allen negativen Facetten darstellt - bis hin zum Mond

○ Lässt sein Drama wirklichkeitsgetreu erscheinen

○ Die Realisten nach Büchners Tod wollten jedoch die hässlichen Seiten der

Wirklichkeit poetisch gestalten - diesen Anspruch hatte Büchner nicht

Woyzeck lässt sich vor allem dem Vormärz zuordnen, wobei er jedoch auch realistische Elemente aufweist. Obwohl Büchner sich bei der Gestaltung seines Dramas von seiner Zeit - dem Jungen Deutschland - sehr stark hat beeinflussen lassen, war er ihr dennoch voraus durch die realistischen Züge seiner Werke. Dies war vermutlich auch ein Grund dafür, dass sein Werk erst lange nach seinem Tod gewürdigt wurde.

Dramenform

Dramenform:

Offenes Drama:

• Revolutionär

• Kein klar (zu ordnungbarer) Anfang, Höhepunkt, Ende, Katastrophe

• (für den Leser anfänglich) willkürlich ausgewählte Szenen, die im Endeffekt ein stimmiges Bild bilden

• Epische und dramatische Textpassagen

• Niedrige Gesellschaftsschicht: Dramaheld ist nicht der typische Dramaheld, viel mehr ein „Anti- Held“/

Gegensatz zur klassischen Tragödie: Personenkreis stammt meist aus einem adligen oder wohlhabenden

Haus

• Verfremdungseffekt, Leser wird aus seiner Illusion, seinem Weltbild gerissen

Klassisches Drama: Ziel des Dramas ist es die Menschen moralisch zu erziehen

Soziales Drama: Ziel ist es auf die Missstände der Zeit aufmerksam zu machen

Büchner schafft eine Dramenform, bei derer der Fokus nicht wie bei dem klassischen Drama auf der moralischen

Erziehung des Menschen liegt. In der Figur Woyzeck werden mehrere Missstände der Zeit des Vormärz

miteinander vereint, sodass exemplarisch an dieser Figur in dem Werk „Woyzeck“ auf die sozialen Missstände

hingewiesen werden und der Leser zum Denken angeregt, wie diese Missstände zum einen entstehen und zum

anderen wie er im eigenen Leben daran beteiligt ist.

Ziel: Bei der Erfassung des Dramas soll es zu einer Erschütterung des Weltbilds kommen und die Sichtweise des

Lesers soll nachhaltig geändert werden. Büchner ändert das Format, um den Wandel der Kritik zu kennzeichnen.

Das Drama soll nicht nur den Menschen moralisch erzielen, der Leser soll die Problematik hinter dem

politischen und gesellschaftlichen System erkennen

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lea H.

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