Persönlicher Schutzbereich Art. 10 GG
Wortlaut des Art. 10 GG enthält keine Adressatenbeschränkung, sodass grundsätzlich jeder Träger des GR sein kann.
Träger sind demnach der Absender und Empfänger/Adressat der Nachricht
Juristischen Personen ist die Erklärung einer vertretungsberechtigten natürlichen Person zuzurechnen
Personen im öffentlichen Dienst -> Öffentlicher Dienst stellt zwar ein Sonderstatusverhätnis dar. Dies ist aber kein grundrechtsfreier Raum, sodass trotz Beamtenverhältnis (o.ä.) die Grundrechte auf XY anwendbar sind.
Die Lehre vom Sonderstatusverhältnis ist nicht mehr anwendbar, sodass sich Person, welche sich in einem Sonderverhältnis zum Staat befinden, gerade nicht in einem grundrechtsfreien Raum sind, sondern grundrechtberechtigt sind.
Persönlicher Schutzbereich Art. 10 GG - Ist der persönliche SB auch für Kommunikationsmittler eröffnet?
SB-Eröffnung für Kommunikationsmittler:
Argument (BVerfG): Um effektiven Schutz des Kommunikationsvorgangs zu gewährleisten muss auch der Kommunikationsmittler geschützt sein.
Kritik (H.L.): Sinn und Zweck des Art. 10 GG ist die Aufrechterhaltung des freien Informationsflusses. Der Mittler ermöglicht die Kommunikation nur, kommuniziert jedoch nicht selbst und unterliegt demnach nicht dem SB des Art. 10 GG.
Klausur:
Unklar ist, ob der SB des Art. 10 GG auch für den Kommunikationsmittler eröffnet ist. Teilweise wird dies mit der Begründung angenommen, dass dies zur Gewährleistung eines effektiven Schutzes des Kommunikationsvorgangs notwendig ist. Eine gegenüberstehende Ansicht vertritt die Auffassung, dass der Schutzbereich des Art. 10 GG gerade nicht für Kommunikationsmittler eröffnet ist. Der Mittler kommuniziert schließlich nicht selbst, sondern ermöglicht diese nur. Deshalb dient Art. 10 GG dem Interesse der Kommunikationsteilnehmer und nicht der -mittler. Der SB ist somit für Kommunikationsmittler nicht eröffnet.
Sachlicher Schutzbereich Art. 10 GG
Der sachliche Schutzbereich des Art. 10 GG müsste eröffnet sein.
Art. 10 GG schützt die Kommunikationsteilnehmer gegen staatliche Kenntnisnahme von Inhalt und Umständen einer laufenden Kommunikation.
Umstände meint: Inhalt, Ort, Zeit, Teilnehmer, Häufigkeit.
Art. 10 I Alt. 1 und 2 GG schützen die mittelbare Kommunikation durch verkörperte Erklärungen (Briefe, Pakete, etc.).
Art. 10 I Alt. 3 GG schützt die Kommunikation über Telekommunikationsmedien (Telefon, Internet).
Beginn SB: Wenn Sendung den Herrschaftsbereich des Absenders verlassen hat.
Ende SB: Wenn die Nachricht beim Empfänger angekommen und der Übertragungsvorgang derart abgeschlossen ist, dass die spezifischen Gefahren der räumlich distanzierten Kommunikation nicht mehr bestehen.
Sachlicher Schutzbereich - Briefgeheimnis, Art. 10 I Alt. 1 GG
Art. 10 GG schützt den Grundrechtsträger vor staatlicher Kenntnisnahme von Inhalt und Umständen einer laufenden Kommunikation. Insbesondere das Briefgeheimnis aus Art. 10 I Alt. 1 GG schützt jede verkörperte Sendung von Informationen, die durch Schrift oder andere Zeichen fixiert wurden, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind und die ohne Kenntnisnahme Dritter, also vertraulich und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, befördert werden sollen.
Brief verschlossen: Es genügt bereits Die Möglichkeit, dass eine individuelle Mitteilung enthalten sein könnte
Unklar ist, ob eine offene Sendung (Postkarte) an einen individuellen Empfänger auch dem Briefgeheimnis unterfällt:
Argument dagegen (m.M.): Absender verzichtet auf die Geheimheit
Kritik (h.M.): Art. 10 I GG schützt nicht nur den Inhalt, sondern auch die Umstände der Kommunikation. Außerdem muss auch das Interesse des Empfängers gewährt werden, da dieser keinen Einfluss darauf hat, ob Sendung verschlossen oder offen kommt.
Unklar ist, ob eine offene Sendung an einen erkennbar unbestimmten Empängerkreis von Art. 10 I GG umfasst ist.
Argument (m.M.): Schutz der Kommunikationsumstände erforderlich und somit Gegenstand des Art. 10 GG
Kritik (h.M.): Es wird erkennbar keine individuelle Mitteilung versand, weshalb die Privatheit hier nicht dem Schutz des Art. 10 GG unterliegt.
Sachlicher Schutzbereich Art. 10 I Alt. 2 GG
Art. 10 GG schützt den Grundrechtsträger vor staatlicher Kenntnisnahme von Inhalt und Umständen einer laufenden Kommunikation. Inbesondere Art. 10 I Alt. 3 GG schützt das Postgeheimnis, also jede postalisch beförderte Sendung mit verkörperter individueller Erklärung, mit nicht-individuellen Erklärungen und auch ohne Erklärungsgehalt.
Sachlicher Schutzbereich - Besonderheiten Fernmeldegeheimnis, Art. 10 I Alt. 3 GG
Art. 10 GG schützt den Grundrechtsträger vor staatlicher Kenntnisnahme von Inhalt und Umständen einer laufenden Kommunikation. Insbesondere Art. 10 I Alt. 3 GG schützt das Fernmeldegeheimnis, also die Kommunikation an einen individuell bestimmten oder bestimmbaren Empfänger mittels drahtloser oder drahtgebundener elektromagnetischer Wellen.
Nicht geschützt ist Massenkommunikation, d.h. Kommunikation an eine undefinierte große Öffentlichkeit, da es an der Individualität des Empfängerkreises fehlt.
Rundfunk, Internetseiten
Nicht geschützt ist das Vertrauen in den Kommunikationspartner, also wenn einer der Kommunkationsteilnehmer dem Staat die Kenntnisnahme erlaubt.
Quellen-Telekommunikationsüberwachung: Auslesung von Chatnachrichten eines laufenden Kommunikationsvorgangs, bevor diese verschlüsselt und versendet werden (generell das Lesen von Chatnachrichten fällt unter Art. 10).
Lesen von Forumseinträgen/öffentlichen FB-Gruppen, etc.: Kein Grundrechtseingriff
Arg. 1: Massenkommunikation und somit nicht von Art. 10 gedeckt
Arg. 2: konkludenter GR-verzicht, durch selbstpreisgabe der Daten
gilt auch für GR auf informationelle Selbstbestimmung
Übersendung von E-Mails:
Schreiben der E-Mail auf dem eigenen PC -> SB (-), es besteht noch keine für eine Kommunikation über Dritte typische Gefährdungslage eines Kommunikationsvorgangs
Temporäre Unterbrechung der Übermittlung einer Nachricht -> Umstritten
BVerfG: wenn Vorgang unterbrochen, findet kein Kommunikationsvorgang statt, sodass Art. 10 GG nicht anwendbar ist.
h.M.: Auch in diesem Moment liegt eine typische Gefährdungslage für eine Kommunikation über Dritte vor, sodass der sachl. SB eröffnet ist.
Bsp.: E-Mail hängt auf irgend einem Server vom Server der Providers des Absender fest; etc
E-Mail befindet sich erst auf dem Server des E-Mail Providers des Empfängers -> SB (+), Mitteilung befindet sich noch nicht im Herrschafstbereichs des Empfängers, sodass weiterhin eine typische Gefährdungslage gegeben ist.
E-Mail befindet sich auf dem Server des E-Mail Providers und empfänger hat sie gelesen -> SB (+), Zugriffsmöglichkeit Dritter über den Server besteht noch, sodass weiterhin eine typische Gefährdungslage hinsichtlich eines Kommunikationsvorgangs über Dritte besteht.
-> Die typische Gefährdungslage liegt erst dann nicht mehr vor, wenn die Nachricht auf dem Server gelöscht wurde und im Herrschaftsbereich des Empfängers gespeichert wurde.
Eingriffsprüfung Art. 10 GG
Zu prüfen ist, ob ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 GG gegeben ist.
Da Art. 10 I GG die Vertraulichkeit der Kommunikation schützen will, ist jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung kommunikativer Daten ohne Einwilligung des Betroffenen ein Grundrechtseingriff.
Die Speicherung von Mails auf dem Server eines Providers stellt kein Einverständnis dar.
Ein Eingriff liegt nicht erst in der Kenntnisnahme der Kommunikationsinhalte und - umstände, sondern bereits in der Anordnung des Zugriffs.
und damit auch in der Verpflichtung Dritter, dem Staat Zugriff auf Kommunikationsdaten zu geäwhren.
Beispiele für Eingriff in den sachlichen SB
SB eröffnet bei:
sämtliche Internetdaten werden von einer Person gesammelt -> d.h. alls kommunikationsrelevanten Daten, insbesondere beim Versenden von E-Mails, werden gespeichert und verwertet.
Telefon abhören
E-Mail abfangen (auch wenn diese sich bereits auf dem Server des Empfängers befindet)
SB nicht eröffnet bei:
Beschlagnahme von Endgeräten -> Kommunikationsvorgang bereits abgeschlossen. Es liegt keine der typische Gefährdungslage hinsichtlich eines Kommunikationsvorgangs mehr vor.
Sachlicher Schutzbereich - Fernmeldegeheimnis - Besonderheit: Ausländer im Ausland.
In örtlicher Hinsicht schützt Art. 10 GG auch die Kommunikation von Ausländern im Ausland. Bereits wegen Art. 1 III GG ist die deutsche Staatsgewalt umfassenden Gebunden.
-> Das GR knüpft in seiner Abwehrrechtlichen Funktion nicht an ein territorialen Bezug zum Bundesgebiet an, sondern an das Handeln der deutschen Staatsgewalt.
Besonderheit Angemessenheit: Intensität des Eingriffes ist abgeschwächt, da Ausländer nicht der deutschen Staatsgewalt unterliegen.
Rechtfertigung: Schranken
III. Rechtfertigung
1) Schranken
a) Schrankenvorbehalt
Art. 10 II 1 GG lässt eine Beschränkung nur auf Grund eines Gesetzes zu und unterliegt demnach einem einfachen Gesetzesvorbehalts.
b) Gesetz als Schrankenregelung -> erfüllt das Gesetz die Schrankenanforderungen?
Rechtfertigung: Schranken-Schranken, worauf ist besonders zu achten?
Einhaltung Bestimmtheitsgebot
Das Gesetz müsste dem aus Art. 20 III GG abzuleitenden Bestimmtheitsgebot genügen, d.h. hinreichend klar und widerspruchsfrei sein.
-> Die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen müssen sich aus dem Gesetz klar und für den Bürger erkennbar ergeben.
Es handelt sich i.d.R. um einen intensiven GR-Eingriff, da ein heimliches Abfangen von Kommunikationsdaten tief in das Persöhnlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift. Dehalb muss die Norm besonders klar und bestimmt sein.
Zitiergebot, Art. 19 I 2 GG
Zudem muss die Norm dem Zitiergebot aus Art. 19 I 2 GG entsprechen. Danach hat die Norm das GG unter Angabe des Art. zu nennen.
-> StPO = vorkonstitutionelles Gesetz -> Zitiergebot findet keine Anwendung
Rechtfertigung: Schranken-Schranken-Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
ff) Verhältnismäßigkeit
Die staatliche Maßnahme müsste dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Danach ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts nur dann gerechtfertigt, wenn er einem verfassungslegitimen Zweck dient, geeignet und erforderlich zur Erreichung dieses Zwecks ist und zum angestrebten Zweck nicht außer Verhältnis steht, d.h. angemessen ist.
(1) Legitimer Zweck
(2) Geeignetheit
(3) Erforderlichkeit
(4) Angemessenheit
(a) Eingriffsintensität
Eingriffsintensität
Sinn und Zweck des Art. 10 GG ist die Aufrechterhaltung des freien und privaten Informationsflusses zwischen den Bürgern.
Hinweise auf hohe Eingriffsintensität
Liegt ein Eingriff in die Sozial-, Privat- oder Intimsphäre vor?
Sozialsphäre: begrenzt geschützt -> milde Intensität
Privat-/Geheimsphäre: streng geschützt -> hohe Intensität
Intimsphäre: Aufgrund der Nähe zu Art. 1 I GG absolut geschützt -> sehr hohe Intensität
Überwachung einer bestimmten einzelnen Person
additiver Grundrechtseingriff -> viele Behörden nehmen gleichzeitig Maßnahmen vor.
Hinweis auf geringe Eingriffsintensität
Überwachung vieler - Bsp.: Ein Kommunikationsstrom wird nur auf bestimmte Schlagwörter untersucht. Hier wird nur insoweit auf den Kommunikationsinhalt geachtet, soweit bestimmte Begriffe relevant werden, irrelevante Gesprächsinhalte werden nicht aufgezeichnet, usw.
Grundrechtsspezifische Besonderheiten im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung
Beschwerdebefugnis - Unmittelbarkeit
Problem: Staatliche Überwachung erfolgt idR ohne Kenntnis des Betroffenen.
Lösung: Es genügt, wenn der Bf die begründete Möglichkeit darlegt, dass er in seinen GR berührt wird. Sonst bestünde kein wirksamer Rechtsschutz.
Konkurrenz zu anderen GR
Abgrenzung zu Art. 13 GG
Abgrenzung anhand den Schutzbereich. Art. 10 GG schützt die Kommunikation mit einem ortsabwesenden Partner über Dritte. Inhalt und Umstände sind während dem Kommunikationsvorgang dem erleichterten Zugang Dritter ausgesetzt -> typische Gefährdungslage eines Kommunikationsweges.
Befinden sich die Daten nach abgeschlossenen Kommunikationsvorgang im Herrschaftsbereich des Grundrechtsträgers, liegt eine solche mit der Kommunikation zusammenhängende typische Gefährdungslage nicht mehr vor. Kommunikationsdaten (Handy mit Daten, Postkarte, etc.) werden somit nicht mehr über Art. 10 GG sondern über Art. 13 GG und das APR geschützt.
Bei Urteils-/Beschluss-VB zu ergänzen
Das Gesetz, welches als Eingriffsermächtigung in Art. 10 GG genutzt wird, kann weitere Anforderung an einen Eingriff in Art. 10 GG stellen.
Bsp.: § 10 II VereinsG —> Richtervorbehalt
—> und somit als qualifizierten Gesetzesvorbehalt wirken
Was spricht für und was gegen eine erhöhte Eingriffsintensität?
Hohe Eingriffsintensität:
Abstrakt: Fernmeldegeheimnis = besondere Ausprägung des Persöhnlichkeitsrecht; mit der Erfassung von Kommunikationsinahlt oder -umständen können persöhnlichkeitsrechtlich sensible Daten erfasst werden.
Die Kommunikationsüberwachung kann zur Kenntnisnahme von sensiblen Kommunikationsinhalten führen und Einblicke in die persöhnlichen Angelegenheiten und Gewohnheiten zulassen.
heimliche Durchführung -> Betroffener kann sich frühestens mit rechtlichen Mitteln gegen die Maßnahme wehren, wenn sie bereits vollzogen ist und auch nur dann, wenn er darüber in Kenntnis gesetzt wird.
Eine Überwachung über einen längeren Zeitraum wiegt schwerer als eine punktuelle Überwachung, da Umfang und Vielfältigkeit des Datenbestands erheblich größer sind.
Kommunikationsinhalt ist ein höheres Schutzgut als die Umstände.
Absenkende Eingriffsintensität:
Begrenzung des Zwecks der Datenerhebung
Regelungen über Löschung und Verwertungsverbote.
Welche Ziele könnten mit Überwachungsmaßnahmen verfolgt werden?
Jede Handlung, welche sich gegen das staatliche Gerüst oder das politische System wendet, kann als Handlung gegen den Verfassungschutz gehandet werden.
Verfassung ist die Grundordnung der Bundesrepublik, welche die Grundlage des gesamten geltenden Rechts darstellt, sodass die Verfassung ein abstrakt sehr hohes Gut ist.
Wirksame Strafverfolgung
Verbrechensbekämpfung
Öffentliches Interesse an der vollständigen Wahrheitsermittlung von Straftaten
Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege (Rechtsfrieden)
Zuletzt geändertvor 7 Monaten