Kognitive Psychologie - Kurzvorstellung
Fokus auf Verhaltensdaten – Basis oder Teil aller anderen Ansätze
Kognitive Neuropsychologie -Kurzvorstellung
Untersuchung hirngeschädigter PatientInnen
Kognitive Neurowissenschaft - Kurzvorstellung
Fokus auf neuronale Prozesse (Messung und Modifikation)
Computationale Kognitionswissenschaft - Kurzvorstellung
Modellierung durch Algorithmen als formale Spezifikation von Prozessen
Geschichtliches: Überblick
Erlebnispsychologie (deutschsprachiger Raum, 19. Jhd)
Fokus: inneres Erleben (Denken, Motivation)
Methode: Introspektion Leitwissenschaften: Phänomenologie
—>
Gegenreaktion: Introspektion sei subjektiv & unverifizierbar => unwissenschaftlich
Behaviorismus (Beginn 20. Jhd, USA)
Fokus: rein empirisch Beobachtbares: Reiz und Reaktion
Methode: systematische Verhaltensbeobachtung
Leitwissenschaften: Physiologie & Physik
Gegenreaktion: Komplexe Verhaltensweisen nicht rein durch Reiz-Reaktionsschemata erklärbar
Kognitive Psychologie (weltweit)
Fokus: inferierte kognitive Prozesse
Methode: Experiment
Leitwissenschaften: Computerwissenschaften
Behaviorismus
• Prominenter Vertreter: John B. Watson (1878-1958)
• Verweis auf nicht beobachtbares weder notwendig, noch erlaubt (=> unwissenschaftlich)
• Suche nach Gesetzmäßigkeiten zwischen Reiz (hervorbringenden Bedingungen) und Reaktion (objektiv beobachtbarem Verhalten)
• Ist der Reiz bekannt, soll Psychologie die Reaktion vorhersagen
• Ist die Reaktion bekannt, sollte der Reiz spezifiziert werden können
Behaviorismus - Stimulus-Response-Theorie
Black Box Modell
Kognitive Wende
• Behaviorismus wird als defizitär wahrgenommen
• Inferenzen auf Unbeobachtbares sind wissenschaftlich zulässig
• Komplexes Verhalten ist ohne innere Zustände nicht oder nur schwer erklärbar
• Beispiele
• Produktivität der Sprache (Noam Chomsky): Wir können Sätze bilden und verstehen, die wir nie vorher gehört haben
• Kognitive Karten (Edward Tolman): Wir navigieren schnell und effizient von neuen Ausgangspunkten aus
Edvard Tolman: Kognitive Karten
1) Exploration: Eine Ratte wird in ein Labyrinth gesetzt und exploriert es.
2) Lernaufgabe: Sie lernt (von A aus) rechts abzubiegen, um Essen zu finden.
Was passiert, wenn die Ratte in C abgesetzt wird?
Vorhersage Behaviorismus: Sie biegt rechts ab (Reiz-Reaktionsschema)
Befund: Sie biegt links ab.
Interpretation: Sie hat eine kognitive Karte des Labyrinths.
Kognition als Informationsverarbeitung
Stimulus —> KOmplexes Kognitives System —> Verhalten
Beschreibung der Repräsentationen auf jeder Stufe, und ihrer Transformation (Prozesse)
Prozessarchitekturen: Abfolge
Drei Verarbeitungsen
Serielle Verarbeitung
Parallele Verarbeitung
Kaskadenmodell
ein Prozess endet, bevor ein zweiter beginnt
• Einfachstes, einflussreichstes Modell
• Inspiration: Computer (von Neumann Architektur)
• Beispiel: visuelle Verarbeitung
Parallele Verarbeitung:
ein oder mehrere Prozesse laufen zur gleichen Zeit ab
• Beispiel: automatisierte Prozesse
Kaskadenmodel
: spätere Prozesse starten bevor frühere Prozesse beendet sind
• Beispiel: Sprache und Wortverständnis
Prozessarchitekturen: Richtung
Bottom-up Verarbeitung: Verarbeitung, die allein in einer Richtung von Reiz zu Reaktion verläuft
Top-down Verarbeitung: wenn “frühere” Verarbeitungsstufen durch “spätere“ oder „höhere“ Stufen beeinflusst werden (z.B. Einfluss von Wissen)
Messung kognitiver Prozesse - mentale Chronometrie
Frage: Wie lange dauert eine Entscheidung?
Ansatz: mentale Chronometrie:
1) Ein mentaler Prozess hat eine bestimmte Dauer
2) Wir bestimmen Reaktionszeiten (RTs) in zwei Verhaltensaufgaben
RT1: Aufgabe benötigt den Prozess,
RT2: benötigt den Prozess nicht
3) Subtraktionsmethode: RT1 – RT2 = Dauer des Prozesses
Subtraktionslogik und Ergebnis
Donders (1868): RT Wahlaufgabe – RT Detektionsaufgabe = 1/10 Sekunde —> 1/10 Sekunde, um eine Entscheidung zu treffen
Zentrale Annahmen der Subtraktionslogik
• Sukzessiver Ablauf: serielle Abfolge mentaler Prozesse
• „Pure insertion“: Hinzufügen/Entfernen eines Teilprozesses hat keinen Einfluss auf die anderen Verarbeitungsstadien
—> Mentale Teilprozesse sind unabhängig, diskret, können herausgenommen und hinzugefügt warden
Pro & Contra Kognitive Psychologie
Pro
Grund-setzende Methode:
• Historisch
• Konzeptuell
• Im Erkenntnisinteresse: es zählt im Endeffekt immer das Verhalten
• Methodisch (Laborexperiment)
Contra
• Begrenzte ökologische Validität (Labor => Welt)
• Theorien oft nicht algorithmisch explizit
• Mangel an Kontakt zur Implementation (z.B. Gehirn)
Kognitive Neuropsychologie
Idee: Untersuchung hirngeschädigter Patientinnen um Aufschluss über kognitive Prozesse zu erlangen
Annahme: Wenn bestimmte Hirnschädigungen zu umschriebenen Verhaltensänderungen führen, dann individuiert dies kognitive Prozesse
Wieder Subtraktionslogik?
Historisches Beispiel: Aphasie
—> es gibt unterscheidbare kognitive Prozesse (Individuation) für Sprachverständnis und Sprachproduktion
—>Sprachproduktion geschieht im Brocaareal
—>Sprachverstehen geschieht im Wernickeareal
Pro & Contra Neuropsychologie
• Erlaubt starke (ggf. kausale) Inferenz über das Verhältnis von kognitiven Prozessen und Hirnstrukturen/Verhalten
• Erfasst unbekannte, überraschende Phänomene, die zu neuen Ideen führen
• Im Normalfall nur Einzelfallbeschreibungen möglich (N=1)
• Keine experimentelle Kontrolle über die Läsion (Zeitpunkt, Dauer, Größe, Lage)
• Kompensatorische Mechanismen (Plastizität) erschweren Interpretation
Kognitive Neurowissenschaften
Relativ neuer Ansatz, aber mit stetig (im Tiermodell exponentiell) wachsendem Methodenrepertoire um neuronale Aktivität
• zu messen &
• zu manipulieren
Idee: Untersuchung der neuronalen Struktur (in Mensch und Tier) um Aufschluss über kognitive Prozesse zu erlangen
Annahme (Beispiel): Wenn postulierte kognitive Prozesse zu unterschiedlichen Gehirnaktivierungen führen, dann sind die postulierten kognitiven Prozesse individuiert (d.h. festgestellt und unterschieden).
Übliche Methoden im Menschen
Jede Methode hat ihre Limitationen
—>Notwendigkeit der Integration von Daten und Ergebnissen
Elektroenzephalographie (EEG)
Misst als Oberflächenpotentiale (Mikrovolt) an der Kopfoberfläche ankommende Hirnaktivität durch Metallelektroden.
Zeitlich sehr (<ms Bereich) hoch auflösend, räumlich eher schlecht auflösend.
EKPs: Beispiel N400
Indikator für semantische Inkongruenz (Kutas & Hillyard; 1980) ”Sie wollten das Hotel mehr wie ein tropisches Ressort aussehen lassen. Daher pflanzten sie entlang der Strasse Reihen an….”
Bildgebende Verfahren
Erlauben gute räumliche Auflösung (Millimeterbereich) bei geringer zeitlicher Auflösung.
Positronen-Emissions-Tomographie (PET)
Invasive Methode, die Verteilung radioaktiv markierter Substanzen im Gehirn misst, z.B. mit Hirnaktivität assoziierte Zuckerkonzentration.
Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)
Nicht-invasive Methode, die mit Hirnaktivität über Blutfluss indirekt verbundene magnetische Eigenschaften des Blutes misst
Blood Oxygen Level Dependent (BOLD)-Signal
Idee: Neuronale Aktivität führt zu gesteigertem Blutfluss
—> das führt zu einem veränderten Sauerstoffgehalt
—> das verändert die ferromagnetischen Eigenschaften des Blutes
—>beeinflusst quantenmechanische Phänomene, die mit dem MRSignal gemessen werden.
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Erzeugt pulsierende, sehr kurze aber starke Magnetfelder über der Kopfoberfläche.
Diese manipulieren (inhibieren oder regen an) kurzfristig neuronale Aktivität in den Zielarealen (nur oberflächennah).
—> Erlaubt nicht nur korrelative, sondern auch kausale Aussagen
Pro & Contra Kognitive Neurowissenschaften
• reiches Methodenrepertoire eröffnet neue Informationsquellen • kontrollierter, experimenteller Zugang
• viele Methoden (wenn sie nur beobachten, nicht manipulieren) erlauben nur korrelative Einsichten
• Verhältnis der Beschreibungsebene neuronale Aktivität vs. kognitive Prozesse ist kompliziert
• begrenzte ökologische Validität
Computationale Kognitionswissenschaft
Kognitive Modellierung: Programmierung im Computer um kognitive Funktionen zu modellieren
Ziel: Menschliche Kognition durch Modellierung verstehen
Künstliche Intelligenz (AK): Konstruktion intelligenter artifizieller Objekte/Agenten
Ziel: Praktische Problemlösung, nicht notwendigerweise so, wie es Menschen tun
—> Heutzutage (wieder einmal) enges Zusammenspiel von kognitiver Modellierung und künstlicher Intelligenz
Pro & Contra Computationale Kognitionswissenschaft
• Modelle erzwingen exakte und präzise Theorien
• Verständnis natürlicher und Modellierung künstlicher Intelligenz sind Kehrseiten einer Medaille
• Modelle zeigen oft überraschendes Verhalten, inspirieren neue Hypothesen
• Modelle ersetzen nicht das Original => Empirischer Test von Hypothesen letztendlich immer notwendig
• Modelle, die komplexe kognitive Funktionen modellieren, sind selbst häufig komplex => Verständnis nicht trivial
Theoriebildung
Aus Sicht der Theoriebildung in der Kognitionsforschung sind diese inhaltlich komplementär und logisch äquivalent:
• geben Zugang zu unterschiedlichen Informationen
• spielen äquivalente Rolle in der Theoriebildung
Demonstration: Methode der doppelten Dissoziation zur Individuierung kognitiver Prozesse
Doppelte Dissoziation
Kognitive Psychologie: Eine Variable, die A moduliert, aber nicht B, und eine andere die B moduliert, aber nicht A
Neurospychologie: Ein Patient mit Läsion in A‘‘ zeigt Defizit in Verhalten A, aber nicht B, und mit Läsion in B‘‘ Defizit in Verhalten B, aber nicht A
Neurowissenschaftliche Verfahren: Bei Verhalten A ist neuronale Prozess A‘‘, aber nicht B‘‘, und bei Verhalten B neuronale Prozess B‘‘, aber nicht A‘‘ aktiv
Computationale Verfahren: exakt äquivalent.
Zuletzt geändertvor 3 Monaten