„Der Plan ist ein Sammelbegriff für ganz unterschiedliche rechtliche Handlungsformen.“ Erklären Sie!
Soweit in juristischen Kontexten von „Plan“ die Rede ist, lässt dies keinen Rückschluss auf eine ganz bestimmte rechtliche Handlungsform zu.
So können Pläne zum einen als Rechtsnormen ergehen, wobei unterschiedlichste Normentypen in Betracht kommen.
Der Haushaltsplan etwa ergeht als formelles Gesetz,
die Landschaftsschutzgebietsverordnung als Rechtsverordnung
und der B-Plan als Satzung.
Neben den Rechtsnormen gibt es auch noch weitere öffentlich-rechtliche Handlungsformen, durch die ein Plan juristisch Gestalt annehmen kann. Dementsprechend ergeht beispielsweise ein PFB als Verwaltungsakt, ein Krankenhausplan als Verwaltungsvorschrift, ein FNP als „Rechtsakt sui generis“ und ein kommunaler Gesundheitsplan als Realakt.
Entscheidend ist, welche Handlungsform die für den betreffenden Plan maßgeblichen Regelungen im Einzelnen vorgeben.
Nennen Sie Wesensmerkmale von Planung.
Zukunftsgerichtetheit
finale Programmierung
Komplexität des Planungsgegenstands
Lösungskreativität
(Planungs-) Autonomie
Wovon hängt der Rechtsschutz gegen Pläne wesentlich ab? Erläutern Sie Ihre Antwort anhand von Beispielen.
Die Form des Rechtsschutzes gegen Pläne hängt im Wesentlichen von der Rechtsnatur und im Übrigen von der Bindungswirkung des jeweiligen Plans ab.
So ergeht ein B-Plan als Satzung, sodass eine Normenkontrolle gem. § 47 VwGO als statthafter Rechtsbehelf in Betracht kommt.
Gegen Planfeststellungsbeschlüsse, bei denen es sich um einen Verwaltungsakt handelt, ist im Wege der Anfechtungsklage vorzugehen.
Insofern bestimmt die Rechtsnatur der Pläne die Rechtsschutzform.
Nun kann freilich bspw. ein FNP als i.d.R. nur innerbehördlich wirksamer „Hoheitsakt sui generis“ grds. nicht im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO angegriffen werden. Soweit er aber ausnahmsweise – etwa im Zusammenhang mit Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen – nach Maßgabe von § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB Bindungswirkung gegenüber Bürger:innen entfaltet, ist ausnahmsweise auch im Hinblick auf den FNP ein Normenkontrollantrag statthaft.
Insofern bestätigt sich, dass neben der im Vordergrund stehenden Rechtsnatur auch die Bindungswirkung des jeweiligen Plans den Rechtsschutz gegen Pläne bestimmt.
Worin besteht der Unterschied zwischen Grundsätzen und Zielen der Raumordnung?
Nach § 4 Abs. 1 ROG sind Ziele der Raumordnung zu beachten und mithin strikt einzuhalten. Insbesondere können sie bei Abwägungen oder im Rahmen der Ermessensausübung auf nachfolgenden Planungs- oder Entscheidungsstufen nicht überwunden, also hinter andere Belange zurückgestellt werden.
Demgegenüber sind die Grundsätze der Raumordnung lediglich zu berücksichtigen. Dies geschieht in der Abwägung oder im Rahmen der Ermessensausübung. Die Grundsätze können im konkreten Fall ggü. anderen, höher gewichteten Belangen zurückgestellt, „weggewogen“, werden.
Was ist unter dem „Gegenstromprinzip“ zu verstehen? Durch welche Regelungen wird dieses Prinzip konkretisiert und umgesetzt? Geben Sie zwei Beispiele
Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 ROG soll sich die Entwicklung, Ordnung und Sicherung der Teilräume in die Gegebenheiten und Erfordernisse des Gesamtraums einfügen, während die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums die Gegebenheiten und Erfordernisse seiner Teilräume berücksichtigen soll.
Konkretisiert und umgesetzt wird das Gegenstromprinzip zum einen durch materiell-rechtliche Vorgaben:
Ein Beispiel hierfür ist die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB, wonach FNP und B-Pläne an die Ziele der Raumordnung anzupassen sind.
Zum anderen dienen verfahrensrechtliche Vorschriften der Operationalisierung des Gegenstromprinzips:
Hierfür steht bspw. § 12 Abs. 2 LPlG, der die Beteiligung der Träger der Bauleitplanung an der Aufstellung, Fortschreibung und sonstigen Änderung von Regionalplänen vorsieht.
Bilden Sie jeweils ein praktisches Beispiel für die prinzipale bzw. die inzidente Kontrolle eines Raumordnungsplans durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
In BW kann ein für verbindlich erklärter Regionalplan wegen seines Satzungscharakters im Normenkontrollverfahren gem. § 47 VwGO angegriffen und insofern zum Gegenstand einer prinzipalen Normenkontrolle gemacht werden.
In diesem Verfahren kann eine Gemeinde bspw. geltend machen, dass die im Regionalplan festgesetzten Ziele zur räumlichen Konzentration von Einzelhandelsbetrieben gegen ihre durch die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG geschützte Planungshoheit verstößt.
Ferner kann ein Regionalplan hierzulande auch im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung überprüft werden.
Eine solche Inzidentkontrolle kommt bspw. dann in Betracht, wenn ein Bauherr ein Außenbereichsvorhaben realisieren möchte, diesem aber Ziele der Regionalplanung entgegenstehen, sodass der Antrag auf Baugenehmigung wegen § 35 Abs. 3 BauGB nur dann Aussicht auf Erfolg hat, wenn das Verwaltungsgericht die fraglichen Ziele des Regionalplans inzidenter für nichtig erklärt.
Wann bedarf es eines Raumordnungsverfahrens und wozu dient es?
Die RVO bestimmt die raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen, für die die RP’s als höhere Raumordnungsbehörden i.d.R. ein RO-Verfahren durchführen müssen. Dazu gehören bspw. die Errichtung von Abfalldeponien oder von immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen im Außenbereich.
Außerdem kann der Vorhabenträger für raumbedeutsame Vorhaben von sich aus ein RO-Verfahren beantragen.
Das RO-Verfahren erlaubt es, in einem frühen Stadium das Vorhaben mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen und den Erfordernissen der RO abzustimmen. Insbesondere können Standortalternativen geprüft werden.
Das RO-Verfahren ersetzt allerdings nicht erforderliche PF-Verfahren, Genehmigungen und sonstige behördliche Zulassungen.
Es entfaltet auch keine unmittelbare Rechtswirkungen ggü. dem Vorhabenträger oder Betroffenen.
Allerdings ist das Ergebnis in den nachfolgenden Zulassungsverfahren zu berücksichtigen, bspw. im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB.
Wie der Plan generell stellt auch der Fachplan stellt keine eigenständige öffentlich-rechtliche Handlungsform dar. In welcher öffentlich-rechtlichen Handlungsform können Fachpläne ergehen? (Nennen sie mindestens drei unterschiedliche Handlungsformen mit jeweils einem Beispiel.)
Es gibt Fachpläne, die als Rechtsnormen ergehen, und zwar auf unterschiedlichsten Stufen der Normhierarchie.
Beispielhaft zu nennen sind
der als formelles Gesetz ergehende Bundesbedarfsplan für die Stromnetz-Ausbaumaßnahmen
Wasserschutzgebietsverordnungen
Baumschutzsatzungen.
Außer als Rechtsnorm können Fachpläne aber auch in anderen öffentlich-rechtlichen Handlungsformen ergehen.
die straßenrechtliche Planfeststellung ist ein Verwaltungsakt
der Krankenhausplan eine Verwaltungsvorschrift
der Schulwegeplan (in BW) ein Realakt
und das Abfallwirtschaftskonzept ein “Rechtsakt sui generis”
Wie lassen sich Fachpläne in Ansehung ihrer Bindungswirkung kategorisieren? (Nennen Sie jeweils ein Beispiel für die jeweilige Kategorie).
Es gibt
“imperative” = befehlende Fachpläne
Außenrechtswirkung, bspw. Landschutzgebiets-VO
Innenrechtswirkung, bspw. Krankenhauspläne
“indikative” = Daten/Prognosen enthaltende Fachpläne:
bspw. wasserrechtliche Bewirtschaftungspläne
“influenzierende” = beeinflussenden Pläne, die ohne Befehl/Zwang ein bestimmtes Verhalten hervorrufen:
bspw. Schulwegeplanung
Was unterscheidet gebundene, Ermessens- und Planungs-entscheidungen?
Gebundene und Ermessensentscheidungen sind beide konditional programmiert: Ihnen liegt das „Wenn-Dann-Schema“ zugrunde.
Sie unterscheiden sich allerdings im Hinblick auf die Rechtsfolgen: während die gebundene Entscheidung an den Tatbestand eine bestimmte Rechtsfolge knüpft, ermächtigt eine Ermessensvorschrift die Verwaltung, innerhalb eines bestimmten Rahmens die Rechtsfolge selbst zu bestimmen.
Demgegenüber sind Planungsentscheidungen nicht konditional, sondern final programmiert. Sie folgen mithin dem Zweck-Mittel-Schema.
Wie kann ein Bauer gegen die in einer Wasserschutzgebietsverordnung vorgegebenen Nutzungsbeschränkung vorgehen?
Der Bauer kann zum einen im Wege der prinzipalen Normenkontrolle gegen die Nutzungsbeschränkung vorgehen, indem er einen Normenkontrollantrag gem. § 47 VwGO gegen die Wasserschutzgebiets-VO stellt.
Er kann die Wassergebietsverordnung aber auch inzidenter überprüfen lassen, indem er gegen eine auf sie gestützte behördliche Vollzugsmaßnahme oder auch gegen einen darauf basierenden Bußgeldbescheid vorgeht
Welches sind die Rechtswirkungen eines Planfeststellungsbeschlusses?
Dem PFB kommt
“Gestattungswirkung”: Erlaubnis zur Durchführung des Vorhabens
“Konzentrationswirkung”: ersetzt nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen Zulassungen etc.
“Gestaltungswirkung”: bestimmt umfassend öffentlich-rechtliche Rechte/Pflichten der Vorhabenträger und Betroffener
“Ausschlusswirkung”: nach Unanfechtbarkeit des PFB sind Ansprüche auf Unterlassen des Vorhabens, auf Beseitigung/Änderung der Anlagen oder Unterlassen ihrer Benutzung ausgeschlossen
“enteignungsrechtliche Vorwirkung”: Bindungswirkung der PF für späteres Enteignungsverfahren
Darf dieselbe Behörde den Vorhabenträger vertreten und zugleich als Anhörungs- sowie als Planfeststellungsbehörde fungieren?
Unstreitig ist, dass Anhörungs-/PF-Behörde identisch sind, wenn dies gesetzlich geregelt ist.
Die Begriffe werden lediglich in einem “funktionalen Sinne” verwendet, enthalten also kein Verbot der Vereinheitlichung beider Funktionen
Umstritten ist aber, ob eine Behörde Anhörungs- und/oder PF-Behörde sein kann, wenn von ihr zugleich auch der Antrag auf PF gestellt wurde.
Teile der Literatur halten dies wegen „institutioneller Befangenheit“ für unzulässig.
Das BVerwG sieht den “Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung” als gewahrt , wenn es behördenintern eine organisatorische/personelle Trennung der Aufgabenbereiche gibt
Wann fehlt es bei einem planfeststellungsbedürftigen Vorhaben ausnahmsweise an der Planrechtfertigung?
An der Planrechtfertigung fehlt es nur in äußerst seltenen Fällen:
Dies ist dann der Fall, wenn ein Vorhaben
mit dem Ziel des Fachplanungsgesetzes unvereinbar ist
es sich um eine reine Scheinplanung handelt
unüberwindbare Hindernisse der Planung entgegenstehen
Was für ein Typus von Abwägungsfehler liegt vor, wenn die Planfeststellungsbehörde eine sich aufdrängende Planungsvariante übersehen hat?
Abwägungsdefizit
Welche zwei Arten von Bauleitplänen gibt es und was unterscheidet sie?
Zu den Bauleitplänen zählen der FNP und der B-Plan.
FNP: gesamtes Gemeindegebiet, trifft aber als vorbereitender Bauleitplan keine verbindlichen Festsetzungen
B-Plan: Teile des Gemeindegebiets, aber verbindliche Regelungen, wie die Grundstücke bebaut werden dürfen
Als „Rechtsakt sui generis“ entfaltet der Flächennutzungsplan nach herrschender Auffassung für sich betrachtet keine unmittelbaren Rechtswirkungen. Inwiefern wächst dem Flächennutzungsplan aber trotzdem rechtliche Relevanz zu. Nennen Sie Beispiele.
Dem FNP wachsen unmittelbare Rechtswirkungen dadurch zu, dass andere Rechtsnormen ihm diese vermitteln...
§ 8 Abs. 2 BauGB: B-Plan ist aus dem FNP zu entwickeln
§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauGB: Außenbereichsvorhaben ist bei widersprechenden Darstellungen im FNP unzulässig
§ 7 BauGB: Anpassungspflicht anderer öffentlicher (Fach-)Planungen an den FNP
Was versteht man unter „nachrichtlichen Übernahmen“?
Der B-Plan und FNP enthalten nachrichtliche Übernahmen.
Diese sind nicht Ausfluss der Planungsentscheidung der Gemeinde, sondern beruhen auf
Planungen
und rechtlichen Vorgaben anderer Träger
Diese werden rein informatorisch übernommen, weil sie für die räumliche Entwicklung und Bauvorhaben relevant sind.
Ein Beispiel ist die Markierung eines Wasserschutzgebietes oder eines Altlastenstandorts im FNP
Nennen Sie drei Beispiele, wie im Bebauungsplan Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung getroffen werden können.
Welche Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung getroffen werden können, ergibt sich v.a. aus dem 2. Abschnitt der BauNVO (§§ 16 bis 21 BauNVO):
Danach kann bspw. die Grundflächenzahl festgesetzt werden. Aus dieser ergibt sich, wie viel qm Grundfläche je qm Grundstücksfläche zulässig sind.
Des Weiteren kann die Zahl der Vollgeschosse
sowie die Höhe der baulichen Anlage festgesetzt werden
Was versteht man unter dem sog. Fachplanungsprivileg?
Das Fachplanungsprivileg bezieht sich darauf, dass bei bestimmten PF-Verfahren und sonstigen Zulassungsverfahren die Regelungen des materiellen Bauplanungsrechts und mithin auch die Vorgaben eines B-Plans keine Anwendung finden, wenn im Gegenzug die Gemeinde am Verfahren beteiligt wird.
Allerdings bleiben die Festsetzungen der vorhandenen Bebauungspläne im Rahmen der fachplanerischen Abwägung als abzuwägende Gesichtspunkte rechtlich relevant
Was versteht man unter einem qualifizierten Bebauungsplan?
Qualifizierte Bebauungspläne sind gem. § 30 Abs. 1 BauGB solche, die mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthalten.
Fehlt es an diesen Mindestfestsetzungen, liegt ein einfacher Bebauungsplan gem. § 30 Abs. 3 BauGB vor.
Was kennzeichnet den bauplanungsrechtlichen Innenbereich?
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB umfasst der Innenbereich diejenigen Grundstücksflächen, die „innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile“ liegen. Dabei setzt sich die Begrifflichkeit aus 2 Elementen zusammen: dem Ortsteil und dem Bebauungszusammenhang.
Unter Ortsteil versteht die Rechtsprechung einen Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Er ist gegen die “Splittersiedlung/Streubebauung” abzugrenzen.
Beim Bebauungszusammenhang handelt es sich um eine tatsächlich aufeinanderfolgende/zusammenhängende Bebauung, die Geschlossenheit vermittelt. Er endet grds. am letzten Baukörper
Weshalb ist die Unterscheidung zwischen den privilegierten Vorhaben des § 35 Abs. 1 BauGB und den nicht privilegierten Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 BauGB praktisch so bedeutsam?
In der Praxis läuft die Unterscheidung zwischen privilegierten und nicht privilegierten Vorhaben darauf hinaus, dass
privilegierte Vorhaben im Außenbereich grds. zulässig
nicht privilegierte Vorhaben hingegen unzulässig sind
Dies hängt damit zusammen, dass § 35 Abs. 1 BauGB eine planähnliche Zuweisung der privilegierten Vorhaben in den Außenbereich vornimmt, während § 35 Abs. 2 BauGB für die sonstigen Vorhaben ein grds. Bauverbot etabliert
Handelt es sich bei einem Weidezaun aus Straßenleitplanken um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB?
Notwendige Voraussetzung hierfür wäre, dass der Weidezaun aus Straßenleitplanken „einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient“.
Ein Vorhaben „dient“ einem landwirtschaftlichen Betrieb nur dann, wenn
ein vernünftiger Landwirt
unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs (§ 35 Abs. 5 BauGB)
das Vorhaben mit gleicher Gestaltung errichten würde
Davon kann nicht ausgegangen werden, sodass der Weidezaun nicht unter den Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB fällt
Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Vorhaben die Voraussetzungen eines der Tatbestände des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 6 erfüllt? Worin liegt der Unterschied zu den privilegierten Vorhaben?
Den in § 35 Abs. 4 BauGB aufgeführten Nutzungsänderungen, Wiederaufbau-/Erweiterungsmaßnahmen kann nicht entgegengehalten werden, dass sie
dem FNP widersprechen
die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder
die Entstehung bzw. Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten sei
Damit sind die zentralen öffentlichen Belange, die im Falle eines nicht privilegierten Vorhabens im Außenbereich beeinträchtigt sein können, außer Kraft gesetzt.
Im Gegensatz dazu werden bei den privilegierten Vorhaben nicht einzelne öffentliche Belange für unbeachtlich erklärt, sondern die Durchsetzungskraft des Vorhabens ggü. öffentlichen Belangen erhöht. Privilegierte Vorhaben sind nicht schon dann unzulässig, wenn sie öffentliche Belange beeinträchtigen, sondern erst, wenn sie ihnen regelrecht entgegenstehen
Können die Festsetzungen einer Außenbereichssatzung zur Anordnung der Baukörper einem privilegierten Vorhaben entgegenstehen?
Die Bestimmungen über die Zulässigkeit, die nach § 35 Abs. 6 Satz 3 in der Außenbereichssatzung getroffen werden können, beziehen sich ausschließlich auf die Vorhaben, die nach Maßgabe der Außenbereichssatzung zulässig sind.
Für privilegierte Vorhaben gilt allein § 35 Abs. 1 BauGB.
Die Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB hat mithin ausschließlich erweiternde und keine beschränkenden Wirkungen
Welches sind die Kerninhalte des Baupolizeirechts?
Das Baupolizeirecht, das der Gefahrenabwehr/Störungsbeseitigung im Bereich der baulichen Anlagen dient, bezieht sich v.a. auf die
Standsicherheit
vorbeugenden Brandschutz
Gesundheit, Hygiene, Umweltschutz
Im Rahmen des materiellen Bauordnungsrechts ist es abzugrenzen gegen das Baugestaltungsrecht (z. B. Verunstaltungsverbot) und das Bausozialrecht (z. B. Spielplatzverpflichtung)
Worin unterscheidet sich das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren vom herkömmlich-klassischen?
Vom normalen Baugenehmigungsverfahren (Vollverfahren) unterscheidet sich das vereinfachte
dass die Entscheidungsfrist statt 2 nur 1 Monat beträgt (§ 54 Abs. 5 Satz 1 LBO)
Zum anderen ist der Prüfungsumfang der Baurechtsbehörde deutlich reduziert. Es wird nur die planungsrechtliche Zulässigkeit, Einhaltung der Abstandsflächen und (in begrenztem Umfang) fachrechtliche Vorgaben
Das übrige Bauordnungsrecht, bspw. Erfüllung der Stellplatzpflicht oder Einhaltung örtlicher Bauvorschriften, fällt nicht in die Prüfungszuständigkeit der unteren Baurechtsbehörde
Nennen Sie Vor- und Nachteile des Kenntnisgabeverfahrens.
Vorteil:
Verfahrensbeschleunigung: Bauherr kann bereits 1 Monat nach Eingang der vollständigen Unterlagen bei der Gemeinde mit dem Bau beginnen. Sofern die Angrenzer zustimmen, braucht er sogar nur 2 Wochen zu warten
Nachteilig:
Keine Baugenehmigung, die in Bestandskraft erwachsen kann: Bauherr handelt „auf eigenes Risiko”
Bei Fehlern gibt es damit nur Haftungsansprüche gegen Private, nicht gegen den Staat als Träger der Baurechtsbehörde
Weshalb gibt es im Kenntnisgabeverfahren keine materielle Präklusion?
Anders als im normalen Baugenehmigungsverfahren kommt es im Kenntnisgabeverfahren zu keiner materiellen Präklusion, wenn die Angrenzer ihre Bedenken nicht innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Angrenzerbenachrichtigung geltend machen.
Dies folgt aus Abs. 3 § 55 LBO BW, der zwar auf Abs. 1, nicht aber auf Abs. 2 verweist.
Der sachliche Grund für die Differenzierung wird darin gesehen, dass mit der materiellen Präklusion der Bestandsschutz einer in einem formalisierten Genehmigungsverfahren ergangenen Entscheidung verstärkt werden soll, während es im Kenntnisgabeverfahren an einer solchen Entscheidung gerade fehlt
Was versteht man unter einer öffentlichen Baulast? Welches sind die häufigsten Anwendungsfälle?
Bei der Baulast handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung eines Grundstückseigentümers ggü. der Baurechtsbehörde, bestimmte das Grundstück betreffende Dinge zu tun/unterlassen/dulden.
Durch die Baulasterklärung im Hinblick auf das „dienende“ Grundstück können die tatsächlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit auf dem faktisch begünstigten Grundstück ein sonst baurechtlich nicht zulässiges Vorhaben doch noch realisiert werden kann.
Die beiden häufigsten Anwendungsfälle sind die Übernahme einer Abstandsfläche auf ein Nachbargrundstück oder einer Stellplatzverpflichtung
Wann kann im Sinne von § 65 Abs. 1 Satz 1 LBO davon ausgegangen werden, dass eine Anlage „im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet wurde“?
Um gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 LBO einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften bejahen zu können, bedarf es kumulativ der formellen und materiellen Baurechtswidrigkeit des errichteten Gebäudes.
Formelle Baurechtswidrigkeit: dass das Gebäude nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt wird.
Materielle Baurechtswidrigkeit: dass das Gebäude seit seiner Erstellung ununterbrochen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt
Welche drei Typen von Ermessensfehler können der Behörde bei einer Ermessensentscheidung wie der Abrissverfügung unterlaufen. Geben Sie jeweils ein praktisches Beispiel.
Das Verwaltungsrecht unterscheidet 3 Typen von Ermessensfehler:
Ermessensnichtgebrauch: wenn sich die Behörde trotz vorhandenen Ermessens verpflichtet sieht, eine Abrissverfügung zu erlassen
Ermessenfehlgebrauch: v.a. Ermessensmissbrauch, also wenn die Behörde die Abrissverfügung erlässt, um deren Adressaten für dessen Rechtsbehelfsfreudigkeit abzustrafen.
Ermessensüberschreitung: wenn die Abbruchsverfügung gegen den Gleichheitssatz oder das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verstößt
Zuletzt geändertvor 5 Monaten