Was ist emotionsarbeit?
Begriffsbestimmung
• Prozess der Regulation von Emotionen und Emotionsausdruck zugunsten organisationaler Ziele (= bezahlte Emotionsregulation)
• Findet in Interaktionen mit der Öffentlichkeit statt
• Teil der Arbeitsanforderungen in Dienstleistungsberufen
1. Aspekte der Emotionsarbeit: Regulationsmöglichkeiten
1. Automatische Regulation
Geforderte Emotion tritt spontan auf
2. Oberflächenhandeln (Surface Acting)
• Geforderte Emotion wird vorgespielt = Ausdruck folgt
Regeln, nicht tatsächlichem Empfinden
• “Faking in good faith”: Vorspielen von Gefühlen dient
gutem Zweck, als sinnvoll erlebt
• “Faking in bad faith”: Vorspielen von Gefühlen als
Zwang erlebt
3. Tiefenhandeln (Deep Acting)
• Geforderte Emotion wird innerlich hervorgerufen und gezeigt
• Techniken:
– Aufmerksamkeitsfokussierung (Gedanken auf Erlebnisse und Objekte
richten, die die erforderlichen Gefühle hervorrufen; “Stanislawski-
Technik”)
– Kognitive Umdeutung (Situationen neu bewerten, z.B. durch
Perspektivenübernahme)
– Einsatz von Entspannungstechniken (in Vorbereitung auf
Kundenkontakt)
4. Emotionale Devianz
• Geforderte Emotion wird nicht gezeigt
• Ggf.: organisational unerwünschte Emotion wird gezeigt
1. Aspekte der Emotionsarbeit:
Regulationsprobleme / emot. Dissonanz
= Diskrepanz zwischen dem geforderten Emotionsausdruck und dem tatsächlichen emotionalen Erleben (Emotion-Rule-
Dissonance) bzw. zwischen gezeigten und erlebten Emotionen (Emotion-Display-Dissonance)
• durch “Faking in bad faith” begünstigt
Emotionsarbeit (Schaubild)
2. Wann verrichten Menschen
Emotionsarbeit?
Regulationsanforderungen
Emotionsarbeit
Wer?
Wer verrichtet Emotionsarbeit?
Wie?
Wirkung auf Kund*innen
• Kenngrößen:
– Zufriedenheit
– Rapport (= angenehme Interaktion)
– Beabsichtigte Loyalität
• Theoretische Ansätze:
– Emotional Contagion: Lächeln der MA „steckt Kunden an“ (Hatfield, Cacioppo, Rapson 1994)
– Emotionen als soziale Informationen: Emotionsausdruck der MA informativ für Kund*innen, erlaubt Inferenzen über Situation und kann Emotionen hervorrufen (van Kleef, 2009)
• Befunde
– Emotional Contagion: Befunde spärlich
– Emotionen als soziale Informationen: gut belegt, aber nicht im Kontext von Dienstleistungen
– Wirkung positiver, wenn Emotionsausdruck authentisch
Wirkung auf Dienstleistende
Burnout
• Spezifische Beanspruchungsfolge von belastendem Kontakt zu anderen Menschen (→ VL Stress)
• Syndrom aus (Maslach & Jackson, 1984):
– Emotionale Erschöpfung: ausgelaugt, erledigt, frustriert, Arbeit mit Menschen anstrengend
„Ich fühle mich bereits ermüdet, wenn ich morgens aufstehe und
einen neuen Arbeitstag vor mir liegen sehe“
– Depersonalisierung: Klient*innen als unpersönlich Objekte wahrgenommen, negative, zynische Einstellungen
„Ich habe das Gefühl, einige andere Menschen so zu behandeln,
als wären sie Objekte.“
– Reduzierte Leistungsfähigkeit: Gefühl mangelnder Tatkraft,
eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden
„Ich fühle mich voller Energie“
Surface Acting
Geforderte Emotion wird vorgespielt = Ausdruck folgt
Deep Acting
Geforderte Emotion wird innerlich hervorgerufen und
gezeigt
Emotionale Dissonanz
Diskrepanz zwischen dem geforderten Emotionsausdruck
und dem tatsächlichen emotionalen Erleben bzw. zwischen
gezeigten und erlebten Emotionen
Darstellungsregeln:
von Organisation vorgegebene Regeln für Verhalten in best.
Situationen
Meta-Analytische und Querschnittliche Befunde
Meta-Analytische Befunde:
– Surface Acting: schwach positive Zusammenhänge mit emotionaler
Erschöpfung und Depersonalisation
– Deep Acting: kein (generalisierbarer) Zusammenhang
– Emotionale Dissonanz: positiver Zusammenhang mit emotionaler
– Darstellungsregeln (DR): schwach pos. Zusammenhang für neg. DR
Querschnittliche Befunde:
– Surface Acting: mehrheitlich kleine bis mittlere, pos. Zusammenhänge
mit emotionaler Erschöpfung und Depersonalisation
– Deep Acting: uneinheitliche Befunde
– Emotionale Dissonanz: überwiegend positive Zusammenhänge
– Darstellungsregeln: positiver Zusammenhang negativer DR mit
emotionaler Erschöpfung
Sonstige Befunde
Sonstige Befunde:
– Experience Sampling: positive Zusammenhänge zwischen Surface
Acting und emotionaler Erschöpfung
– Längsschnitt: negativer Effekt von Deep Acting auf emotionale
Erschöpfung
– Längsschnitt: positiver Effekt von Emotionaler Dissonanz auf
Depersonalisation
Wirkung auf Dienstleistende:
Arbeitszufriedenheit
Kriterien für die Bewertung von Arbeit (Rohmert 1972)
• 4 Kriterien für die Bewertung von Arbeit (Rohmert, 1972)
Ausführbarkeit (man kann die Arbeit ausführen)
Erträglichkeit (Arbeit kann auch bei täglicher Wiederholung längere Zeit ohne gesundheitliche Schäden ausgeführt werden)
Zumutbarkeit (Arbeit wird gesellschaftlich akzeptiert)
Zufriedenheit (Arbeit macht individuell zufrieden)
• Arbeitszufriedenheit als Ausdruck der Bewertung einer
Tätigkeit durch Arbeitnehmende
Befunde
• Meta-Analytische Befunde:
– Surface Acting: negativer Zusammenhang
– Deep Acting: kein konsistenter Zusammenhang
– Emotionale Dissonanz: negativer Zusammenhang
– Darstellungsregeln: kein Zusammenhang
• Querschnittliche Befunde:
– Surface Acting: mehrheitlich negative Zusammenhänge, insbesondere
für Sub-Facette „Unterdrückung negativer Emotionen“
– Emotionale Dissonanz: überwiegend negative Zusammenhänge
• Sonstige Befunde:
– Positiver Zusammenhang zwischen Deep Acting und Zufriedenheit im
Labor
Wirkung auf Organisationen:
Arbeitsleistung (Schöllgen & Schulz, 2016)
• Zeigen positiver Emotionen:
– nötig zur Kundenbindung
– Indikator für Dienstleistungsqualität
– muss für positive Wirkung als “echt” wahrgenommen werden
– Surface Acting: schwach negative Zusammenhänge mit
aufgabenbezogener Arbeitsleistung, emotionsbezogener
Arbeitsleistung und Kundenzufriedenheit
– Deep Acting: schwach positiver Zusammenhang
– Emotionale Dissonanz: uneinheitliche Befunde
– Darstellungsregeln: schwach positiver Zusammenhang wenn
Regel „zeige positive Emotionen”
– Surface Acting: geringere Leistung, höhere Abwesenheitsraten, höhere Kündigungsabsichten
– Deep Acting: inkonsistente Befunde
– Darstellungsregeln: v.a. Auswirkungen auf emotionsbezogene Leistung
– Im Längsschnitt pos. Zusammenhang zwischen Deep Acting und Arbeitsleistung
– Im Längsschnitt schwach neg. Zusammenhang zwischen emotionaler Dissonanz und in-role performance
– Beste Arbeitsleistung bei moderater Deutlichkeit von
Wirkung von Emotionsarbeit:
Eine Meta-Analyse (Hülsheger & Schewe, 2011)
• 95 Artikel, 105 Stichproben, 35 unveröffentlichte Studien
• 3 Prädiktoren:
– Surface Acting
– Deep Acting
– Emotionale Dissonanz
• 3 Outcomes:
– Persönliches Unwohlsein (Burnout, psychosomatische
Beschwerden, psychische Belastung)
– Berufsbezogenes Wohlbefinden (Arbeitszufriedenheit,
Verbundenheit)
– Arbeitsleistung (Aufgabenbezogen, emotional,
Kundenzufriedenheit)
Moderatoren:
Art der Emotionsregulation
Survace Acting vs Deep Acting
– Surface Acting besonders mit negativen Folgen assoziiert
– Deep Acting positiv mit Kundenzufriedenheit und Leistung assoziiert, gemischte Befundlage
– Bsp Busfahrer*innen (Scott & Barnes, 2011): affektiver Zustand
verschlechtert sich mit Surface Acting und verbessert sich mit Deep Acting
Mindfulness (Hülsheger et al., 2013)
– Hängt pos. mit Arbeitszufriedenheit und neg. mit emot. Erschöpfung zusammen (vermittelt über geringeres Maß an Surface Acting)
– Schwächt Zusammenhang zw. Arbeitspensum und mentalen/physischen Stresssymptomen (ausgelöst u.a. durch Unhöflichkeit von Interaktionspartnern) ab
Detached Concern (Lampert & Glaser, 2018)
– Balance zwischen Sorge und Distanzierung: Abnahme von emotionaler Erschöpfung und Depersonalisation bei Zunahme von Sorge und Distanzierung
– Sorge > Distanz → emot. Erschöpfung
– Sorge < Distanz → Depersonalisation
Soziale Unterstützung
• Querschnittliche Befunde (Schöllgen & Schulz, 2016):
– Surface Acting: gemischte Befunde für Moderation, aber überwiegend Puffer
– Deep Acting: Befunde heterogen - keine Moderation der Effekte auf Kündigungsabsicht, Arbeitszufriedenheit und Zynismus; Verstärkung der pos. Effekte auf Wohlbefinden und
Leistungsfähigkeit; Verstärkung der Abschwächung von
Emotionaler Erschöpfung
– Emotionale Dissonanz: Soziale Unterstützung mildert negative
Effekte ab
• Strazdins & Broom, 2007: Soziale Unterstützung zweischneidiges Schwert
– Companionship: positive Auswirkungen auf Gesundheit
– Hilfe: negative Auswirkungen auf Gesundheit
Autonomie (Freund, Diestel, & Schmidt, 2012)
• Autonomie/Kontrollspielräume = Puffer gegen negative
Effekte von emotionaler Dissonanz
• Johnson & Spector, 2007:
– Autonomie verstärkt die Effekte von Deep Acting auf affektives
Wohlbefinden und Arbeitszufriedenheit
– Autonomie schwächt die negativen Effekte von Surface Acting
ab
• Weitere Zusammenhänge mit
– Geringerer emotionaler Erschöpfung
– Geringerer emotionaler Dissonanz
– Höherer Arbeitszufriedenheit
Moderatoren
Führungsverhalten
• Führungskräfte als Quelle sozialer Unterstützung
• Führungskräfte als Vorbilder:
– Prozess, in dem Führungskräfte Emotionsausdruck nutzen, um
die ihre Mitarbeitenden zu motivieren, sich an die
organisationalen Darstellungsregeln für Interaktionen zu halten
– 3 Strategien: Deep Acting, Surface Acting, Echte Emotionen
– Führungskräfte, die Emotionsarbeit (v.a. deep acting) leisten,
werden als transformational wahrgenommen; transformationale
Führung hilft Mitarbeitenden, Anforderungen zu bewältigen und
macht sie optimistischer
Implikationen für die Arbeitsgestaltung
1. Anpassung emotionaler Anforderungen
• Anforderungen der Stelle so anpassen, dass sie für Arbeitskräfte verträglich sind
• Schon bei Personalauswahl auf Fit achten
• Ggf. Darstellungsregeln umformulieren (!)
• Bsp: Job Rotation, Teilzeitanstellungen
2. Vermeidung von Stressoren
• Arbeit umgestalten, sodass emotionale Stressoren durch Kundenverhalten reduziert werden
• Bsp: lange Wartezeiten vermeiden, Schulungen für Mitarbeitende
3. Stärkung von Ressourcen
• Erhöhung von Kontrollmöglichkeiten, Handlungsspielraum (=Autonomie) und sozialer Unterstützung
• Training effektiver Emotionsregulationsstrategien (!)
• Bsp: Ermessensspielraum bei Darstellungsregeln, Kurzpausen, Auszeiten, Schulungen zum Umgang mit Emotionen & Stressbewältigung
Übersicht
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