Komplementäre Beziehungsgestaltung
Grundlage
- Menschen weisen verschiedene Formen der Handlungsregulation auf
o Authentische Form der Handlungsregulation
§ Ebene der Motive
o Ebene der Schemata
o Manipulative Form der Handlungsregulation
- Daraus leitet sich Modell der doppelten Handlungsregulation ab
Ebene der Motive
- Wunsch an Interaktionspartner zur Befriedigung der Beziehungsmotive
- Wunsch nach Botschaften -> Ich möchte etwas Bestimmtes hören
- Wunsch nach Signalen -> Ich möchte auf eine bestimmte Wiese behandelt werden
- Unterscheidung zwischen 6 Beziehungsmotiven
Anerkennung
- Bedürfnis als Person anerkannt zu werden
- Positives Feedback erhalten über
o Eigene Person
o Persönlich relevante Eigenschaften
- Botschaften:
o Du bist okay!
o Du bist liebenswert!
o Du hast gute Fähigkeiten
o Du bist attraktiv.
o Du bist erfolgreich.
Wichtigkeit
- Bedürfnis im Leben anderer eine wichtige Rolle zu spielen
o Für andere wichtig sein
o Für andere eine Bedeutung haben
- Botschaften
o Du bist eine Bereicherung für mein Leben.
o Ich verbringe gerne Zeit mit dir.
o Mit dir zusammen zu sein, macht Spaß.
o Ich respektiere dich.
o Ich nehme dich ernst.
o Ich gebe dir Aufmerksamkeit.
o Ich nehme deine Wünsche zur Kenntnis.
Verlässlichkeit
- Bedürfnis nach beständigen Beziehungen
o Beziehungen sind stabil, zeitüberdauernd und belastbar
o Jemand wird bei mir bleiben
o Wenig kann passieren, was die Beziehung in Frage stellt
o Ich bleibe bei dir
o Du kannst mir vertrauen
o Ich bleibe bei dir, egal was passiert und egal was du tust
o Ich werde nichts tun, was unsere Beziehung gefährdet
Solidarität
- Bedürfnis von anderen Hilfe zu erhalten
o Hilfe ist da, wenn sie benötigt wird
o Unterstützung und Schutz
o Beistand
o Der andere ist da, wenn ich krank bin, tröstet mich, ist meine Allianz, wenn ich angegriffen werde.
o Ich bin auf deiner Seite
o Ich bin für dich da
o Ich schütze dich
o Ich werde dir helfen
Autonomie
- Bedürfnis selbst über sein Leben zu bestimmen
o Eigene Entscheidungen treffen
o Bedürfnis nach Nicht-Einmischung
o Leben und Ziele selbst gestalten
o Ich akzeptiere deine Entscheidungen
o Das kannst du bestimmen
o Ich mische mich nicht ein
o Das ist deine Angelegenheit
Grenzen/Territorialität
- Bedürfnis ein eigenes Territorium zu definieren das bestimmte Grenzen aufweist
o Interaktionspartner respektieren diese Grenzen
o Person hat Kontrolle über eigene Domäne
o Eintritt anderer Personen nur nach expliziter Erlaubnis
o Das ist „dein Reich“
o Ich akzeptiere deine Grenzen
o Ich überschreite sie nur mit deiner Erlaubnis
Was heißt komplementäre Beziehungsgestaltung
-> Komplementäre Beziehungsgestaltung heißt, sich komplementär zu den impliziten Motiven einer Person zu verhalten
-> Motive sind häufig nicht bewusst
Aktivierung der Motive ist abhängig von früheren Erfahrungen und der erlebten Motivfrustration
-> Motiv bestimmt in hohem Maße das Denken, Fühlen, Handeln der Person
Therapeut:innenverhalten
- Anerkennung
o Loben, wertschätzen
- Wichtigkeit
o Du bist für mich als Klient wichtig, es ist mir wichtig, wie es dir geht
- Verlässlichkeit
o Therapeutische Beziehung ist beständig, Konflikte bedrohen Beziehung nicht
- Solidarität
o Wir finden einen gemeinsamen Weg, ich begleite dich auf dem Weg
- Autonomie
o Patient:innen in Entscheidung mit einbeziehen/Erlaubnis: „Ist es in Ordnung, wenn ich hier nochmal nachfrage?“
- Grenzen
o Nicht ohne Erlaubnis in Domaine eindringen, z.b. Patient:innen Raum geben, wann Thema behandelt werden darf
Wie kann das funktionieren?
- Gesagtes des Patienten aufgreifen
o „Obwohl Sie sich so angestrengt haben.“
- Fähigkeit hervorheben/markieren
o „…damit gezeigt, wie diszipliniert sie sein können, um etwas zu erreichen.“
- Falls Patienten selbst eigene Erfolge/Fähigkeiten benennen, loben durch Aufgreifen
o „Das ist ja super, dass Sie da auch schon so reflektiert sind…“
Schwierige Therapiesituationen
Ebene der Schemata
- Schemata: Annahmen, die in der Biografie gelernt wurden, heute weiterhin wirksam sind
o Selbstschemata: Annahmen über sich selbst
§ Ich bin kompetent
§ Ich bin dumm
o Beziehungsschemata
§ In Beziehung wird man respektiert
§ In Beziehung wird man ignoriert
- Ausbildung durch wiederkehrende Erfahrungen mit wichtigen Bezugspersonen und Frustration der Beziehungsmotive
Ebene der Schemata -> Ebene der manipulativen Handlungsregulation
- Folglich strebt ein Mensch nach der Befriedigung der Beziehungsmotive und der Beruhigung der Schemaannahmen
- Dafür braucht es ausreichende Handlungskompetenzen. Sind diese nicht vorhanden oder wurde die Erfahrung gemacht, dass eine authentische Bedürfniskommunikation nicht zum gewünschten Ergebnis führt, greifen Menschen auf „manipulative Strategien“ zurück
- Kinder deren Beziehungsmotiv durchgehend frustriert ist, haben 2 Möglichkeiten:
o Resignieren und zu handeln aufhören
o Handlungen entwickeln, mit deren Hilfe sie zumindest Aspekte ihrer Motive befriedigen können
Interaktionstest/Beziehungstests
- Selbst- und Beziehungsschemata führen zu Unsicherheit in Interaktion
- Interaktionstests dienen Person dazu „Sicherheit“ zu schaffen
- Prüfen der Beziehung
o Bleibt mein Partner zugewandt?
o Ist mein Interaktionspartner:in wirklich so verlässlich?
o Ist mein Interaktionspartner:in solidarisch?
o Ist mein Interaktionspartner:in kompetent?
o Ist mein Interaktionspartner:in stark genug?
o Kann mein Interaktionspartner:in sich durchsetzen?
Interaktionstest/Beziehungstests bestehen
- Nicht dazu da, um zu ärgern
o Bleibt mein:e Therapeut:in trotzdem zugewandt und verlässlich?
- Verhalten auf Therapeutinnnenseite
o Freundlich, zugewandt, weiterhin eine gute Beziehung anbieten
o Verständnis für das eigentliche Anliegen des Klienten anbieten, anbieten zu klären, was gerade passiert
o Erarbeiten, warum gerade jetzt dieses Verhalten gezeigt wird
Motivational Interviewing
Grundlagen
- Ursprünglich für Menschen mit Suchtproblemen
o Stärkung des Menschen in seiner eigenen Motivation und Engagement für Veränderung
- Verfahrensübergreifend
- Altersübergreifend
- Störungsunspezifisch
- Klientenzentriert
- Direktiv
- Evidenzbasiert
Menschenbild
- Ambivalenz-Gedanke
o Mensch, der sich nicht verändert, ist nicht faul oder unmotiviert sondern ambivalent
o Gibt immer Gründe für und gegen Veränderung
o Kurzfristig Realisierung Grundbedürfnisse (s. auch Beziehungsmotive), jedoch langfristig negative Konsequenzen
o Herausbildung einer Lösungsstrategie wird verhindert
- Autonomie Gedanke
o Eigenständige Entscheidung für oder gegen die Veränderung
o Dieser Entschluss muss von Therapeut:innen Seite nicht favorisiert sein
Haltung des Therapeuten
- Kooperation
- Akzeptanz
- Mitgefühl
- Evokation
Prozesse
- Beziehungsaufbau
o Tragfähiges Arbeitsbedürfnis
- Fokussierung
o Ziel für eine gemeinsame Arbeit formulieren
o Intrinsische Motivation für Veränderung herausarbeiten und stärken
- Planung
o Konkrete Änderungsschritte
Kernkompetenzen
- Open Questions: Offene Fragen
- Affirming: Würdigung
- Reflexions: Reflexionen
- Summerizing: Resümees
Würdigung
- Eher wahrnehmend (bemerken, wertschätzen)
- Eher übergeordnet als Wertschätzung und Respektierung der ganzen Person bzw. ihrer Situation genutzt
- Z.B.
o Pat.: „Abends bin ich dann so gestresst, da helfen mir die Süßigkeiten einfach total, um runterzukommen. Das tut mir dann richtig gut.“
§ Angemessene Reaktion: „Sie haben sich um ein Ventil bemüht und im Süßigkeiten essen ein solches gefunden.“
Reflexion
- Vermutung darüber äußern, was der Patient verbal und/oder nonverbal sagt
- Denkfluss soll nicht unterbrochen werden -> Stimme wird anders als bei einer Frage am Ende gesenkt
- Funktionen von reflektierendem Zuhören:
o Validierung, Beziehungsförderung, Vermittlung Empathie
o Förderung der Selbstreflexion, Strukturierung der Gedanken ohne Unterbrechung oder ohne Lenkung des Denkflusses
o Fortlaufender Abgleich von Verstandenem und Gesagtem, Vorbeugen von Missverständnissen
- Einfache Reflexion: nah an Gesprochenen
- Komplexe Reflexion: Hypothesen des Therapeuten fließen mit ein
è Z.B.: Mit lauter Stimme: „Ich habe so lange auf einen Therapieplatz warten müssen!“ Das war schrecklich! Ich hab mich allein gelassen gefühlt vom Gesundheitssystem.“
o „Sie sind wütend darüber, wie man mit Ihnen während dieser Therapieplatzsuche umgegangen ist.“
Resümee
- Informationen des Patienten werden zusammengetragen
o Sammelndes Resümee: genannte Punkte werden zusammengefasst
o Verbindendes Resümee: genannte Punkte werden mit zu einem früheren Zeitpunkt genannten Punkten zusammengefasst
o Überleitendes Resümee: fasse Punkte hinsichtlich etwas Neuem/Zukünftigen zusammen
Change Talk
- Change talk
o Eine Seite der Ambivalenz und die vom Pat. Geäußerten Argumente für Veränderung bzw gegen Beibehaltung des Status quo
§ Vorbereitender „Change Talk“: offenkundiges Nachsinnen über Veränderung
§ Mobilisierender „Change Talk“: angedachtes Handeln in Richtung Veränderung
- Sustain Talk
o Andere Seite der Ambivalenz und die vom Patienten geäußerten Argumente gegen Veränderung bzw. Beibehaltung des Status quo
- Zentrales Ziel: Change Talk fördern und Sustain Talk reduzieren
Weitere Möglichkeiten der Förderung von Change Talk
- Skalierungsfragen
- Extrementicklungen
- Rückschau auf Zeit vor dem Problem
- Vorschau in Zukunft in der sich alles zum Posiitiven gewendet hat oder alles gleichgeblieben ist
- Nach Zielen und Werten fragen und diese mit Status quo vergleichen
Zuletzt geändertvor 5 Monaten