Was ist das Scientist Practitionar Modell und welchen Zweck hat es?
Scientist-Practitioner = Klinische Psycholog*innen vereinen Rolle von Praktiker*innen und von
Wissenschaftler*in einer Person
Dynamische und hypothesengeleitete Ausbildung, in der Forschung und Praxis integriert werden (und nicht nur parallel gelehrt werden)
Unabhängig von Arbeitsbezeichnung oder Arbeitsfeld
Forschung und Praxis informieren sich gegenseitig
Wechselspiel zwischen wiss. Datenbasis und Praxis (z.B. Fallvignetten in der Lehre, Behandlungsmanuale, aktuelle soziale Problemstellungen)
Neue empirische Befunde, Theorien und wissenschaftlich fundierte Behandlungsprogramme, die das Fachgebiet voranbringen
Praxis gibt neue Impulse und Hypothesen, die empirisch überprüft werden können
Welche Rollen hat das Scientist Practitionar Modell?
Forscher*in:
Streben danach, neue Daten und Befunde der Disziplin zu Verfügung zu stellen und
sollten in der Lage sein, validierte Mess- und Behandlungsmethoden anzuwenden
Konsumentin:
Lesen, Verstehen und auf dem Laufenden bleiben bzgl. anwendbarer Forschung Empirische*r
Gutachter*in:
Beurteilung von Behandlungen
Bewertung der Fortschritte in der Therapie, der Wirksamkeit der Behandlung
Interventionen beurteilen können
Was sind Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung und mögliche Lösungsansätze des Scientis Practitionar Modells?
Zeitliche und Ressourceneinschränkungen:
Problem: Praktizierende Psychologen haben oft einen vollen Terminkalender und wenig Zeit, um neben ihrer klinischen Tätigkeit auch wissenschaftliche Forschung zu betreiben.
Lösungsansatz: Schaffung von strukturierten Zeitfenstern innerhalb des Arbeitsalltags, die speziell für Forschungstätigkeiten reserviert sind. Organisationen könnten auch finanzielle und personelle Ressourcen bereitstellen, um Forschung zu unterstützen.
Unzureichende Ausbildung und Kompetenzen:
Problem: Nicht alle Psychologen haben eine umfassende Ausbildung in Forschungstechniken oder fühlen sich in der Forschung wohl.
Lösungsansatz: Fortlaufende Weiterbildungsmöglichkeiten und Workshops zur Verbesserung der Forschungskompetenzen. Kooperationen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen könnten ebenfalls gefördert werden, um den Wissensaustausch zu erleichtern.
Unterschiedliche Anreize und Motivationen:
Problem: Praktiker und Wissenschaftler haben oft unterschiedliche berufliche Ziele und Anreize, was zu Spannungen und einem Mangel an Motivation für die Integration von Forschung und Praxis führen kann.
Lösungsansatz: Entwicklung von Anreizsystemen, die sowohl Forschung als auch Praxis gleichermaßen belohnen, z.B. durch Anerkennung und Belohnung von Forschungsleistungen in der klinischen Praxis.
Zugang zu Forschungsressourcen und Daten:
Problem: Praktizierende Psychologen haben oft keinen einfachen Zugang zu wissenschaftlichen Datenbanken und Literatur, was die Durchführung von Forschung erschwert.
Lösungsansatz: Bereitstellung von Zugängen zu wissenschaftlichen Ressourcen durch Institutionen und Berufsverbände. Förderung von Netzwerken und Plattformen zum Austausch von Daten und Forschungsergebnissen.
Komplexität der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis:
Problem: Es kann schwierig sein, wissenschaftliche Erkenntnisse in die tägliche klinische Praxis zu integrieren, insbesondere wenn die Forschungsergebnisse komplex oder nicht direkt anwendbar sind.
Lösungsansatz: Entwicklung von praxisnahen Leitlinien und Schulungsmaterialien, die wissenschaftliche Erkenntnisse verständlich und anwendbar machen. Förderung der Zusammenarbeit zwischen Forschern und Praktikern, um praxisrelevante Forschungsfragen zu identifizieren.
Was ist mechanische/klinische Vorhersage?
Mechanische Vorhersage ist ein Überbegriff für Vorhersagen oder Entscheidungen (im klinischen Kontext), die auf Grundlage von statistischen Methoden, versicherungsmathematischen oder Wahrscheinlichkeitsrechnungen oder Algorithmen getroffen werden.
Eine klinische Vorhersage, auch als klinische Prognose bezeichnet, ist der Prozess, bei dem ein Kliniker anhand von diagnostischen Informationen, klinischer Erfahrung und Fachwissen eine Vorhersage über den zukünftigen Verlauf einer Krankheit oder eines Gesundheitszustands eines Patienten trifft.
Wie ist die Studienlage zum Vergleich von klinischen und mechanischen Vorhersagen?
Zwei unabhängige Meta-Analysen (Grove et al., 2000; Ægisdottir et al., 2006) zeigen:
Signifikanter Effekt von d=.12 zugunsten der mechanischen Vorhersage.
52 % der Studien zeigen eine Überlegenheit der mechanischen, 10 % eine Überlegenheit der klinischen Vorhersage.
Nur statistische Formeln waren überlegen (Algorithmen in neuer Forschung auch).
Feedback ist eine relevante Information zur Verbesserung der klinischen Vorhersage.
Was sind Vor- und Nachteile der Vorhersagemethoden?
Vorteile:
Individualisierte Einschätzung:
Klinische Vorhersagen berücksichtigen die spezifischen Merkmale und Kontexte des einzelnen Patienten, was zu individuell maßgeschneiderten Empfehlungen führen kann.
Flexibilität:
Kliniker können unvorhergesehene Faktoren und neue Informationen in ihre Einschätzung einbeziehen und ihre Vorhersagen entsprechend anpassen.
Intuition und Erfahrung:
Die Erfahrung und das Fachwissen eines Klinikers können wertvolle Einsichten bieten, insbesondere in komplexen oder atypischen Fällen.
Kommunikation und Vertrauen:
Der persönliche Kontakt zwischen Kliniker und Patient kann das Vertrauen stärken und eine bessere Kommunikation ermöglichen, was die Akzeptanz der Vorhersage und der empfohlenen Maßnahmen fördern kann.
Nachteile:
Subjektivität und Bias:
Klinische Vorhersagen können durch persönliche Vorurteile, Emotionen und subjektive Einschätzungen des Klinikers beeinflusst werden.
Inkonsistenz:
Unterschiedliche Kliniker können zu unterschiedlichen Vorhersagen für denselben Patienten gelangen, was zu Inkonsistenz in der Behandlung führt.
Begrenzte Datenverarbeitung:
Kliniker können Schwierigkeiten haben, große Mengen an Daten systematisch zu verarbeiten und komplexe statistische Analysen durchzuführen.
Ermüdung und Überlastung:
Kliniker können durch Arbeitsbelastung und Ermüdung beeinträchtigt werden, was die Qualität ihrer Vorhersagen mindern kann.
Objektivität:
Mechanische Vorhersagen basieren auf klar definierten Algorithmen und statistischen Modellen, wodurch subjektive Biases minimiert werden.
Konsistenz:
Dieselben Daten und Modelle führen zu konsistenten Vorhersagen, unabhängig davon, wer die Analyse durchführt.
Datenverarbeitungskapazität:
Mechanische Modelle können große Datenmengen verarbeiten und komplexe Muster erkennen, die für menschliche Kliniker schwer zu erfassen sind.
Effizienz:
Mechanische Vorhersagen können schnell durchgeführt werden und erfordern weniger Zeit und Ressourcen als individuelle klinische Einschätzungen.
Mangel an Individualisierung:
Mechanische Modelle können Schwierigkeiten haben, individuelle Besonderheiten und Kontextfaktoren zu berücksichtigen, was zu weniger maßgeschneiderten Empfehlungen führen kann.
Modellabhängigkeit:
Die Qualität der Vorhersage hängt stark von der Qualität und den Annahmen des zugrunde liegenden Modells ab. Schlechte Modelle führen zu schlechten Vorhersagen.
Datenqualität und Verfügbarkeit:
Mechanische Vorhersagen erfordern qualitativ hochwertige und umfassende Daten. Fehlende oder fehlerhafte Daten können die Genauigkeit der Modelle beeinträchtigen.
Fehlende Flexibilität:
Mechanische Modelle sind weniger flexibel bei der Berücksichtigung neuer oder ungewöhnlicher Informationen, die nicht in den Trainingsdaten enthalten sind.
Wie kann man mechanische und klinische Vorhersage in der Praxis sinnvoll kombinieren?
Da wo es geht: Möglichst auf objektive Daten und Forschungsergebnisse beziehen.
Gleichzeitig: Kritisch nachprüfen, ob diese für individuelle Patient*innen passend sind.
Hypothesengeleitetes Vorgehen auf die Praxis übertragen (Ideen als mögliche Vorstellungen ansehen und im Verlauf prüfen, insbesondere gezielt Gegenperspektiven einnehmen).
Deliberate Reflection und Practice.
Monitoring und Feedback (Mechanische Angebote als Hilfe, z.B. Feedbacksysteme).
Mechanisches Feedback ist eng an den therapeutischen Prozess gekoppelt (z.B. Patient*innen füllen regelmäßig Fragebögen zu wichtigen Aspekten aus).
Anhand großer Datensätze werden Patient*innen-Cluster und typische Verläufe dieser Cluster identifiziert.
Im Feedbackprogramm wird der individuelle Therapieverlauf der Patient*in mit dem Cluster verglichen, das ähnliche Charakteristiken hat.
Idee: Ungünstige Verläufe und mögliche Dropouts frühzeitig erkennen.
Erkläre mir die zentralen Begriffe und Aussagen des Artikels: Toward Parsimony in Bias Research: A Proposed Common Framework of Belief-Consistent Information Processing for a Set of Biases
Der Artikel "Toward Parsimony in Bias Research: A Proposed Common Framework of Belief-Consistent Information Processing for a Set of Biases" von Jonas De keersmaecker und Arne Roets zielt darauf ab, die Vielzahl von kognitiven Verzerrungen in der psychologischen Forschung durch ein einheitliches Rahmenwerk zu vereinfachen. Im Wesentlichen schlagen die Autoren vor, dass viele bekannte Biases durch einen gemeinsamen Mechanismus erklärt werden können: den glaubenskonformen Informationsverarbeitungsprozess.
Glaubenskonforme Informationsverarbeitung (Belief-Consistent Information Processing):
Dies ist der zentrale Mechanismus, den die Autoren vorschlagen, um viele kognitive Verzerrungen zu erklären. Es handelt sich um den Prozess, bei dem Individuen Informationen so verarbeiten, dass sie mit ihren bestehenden Überzeugungen und Erwartungen übereinstimmen. Dieser Mechanismus führt dazu, dass Menschen Informationen bevorzugen, die ihre aktuellen Überzeugungen bestätigen, und Informationen ignorieren oder abwerten, die diesen widersprechen.
Biases (Verzerrungen):
Der Artikel befasst sich mit einer Vielzahl von kognitiven Verzerrungen, die in der psychologischen Forschung untersucht werden, wie z.B. Bestätigungsfehler (Confirmation Bias), selektive Wahrnehmung, der Rückschaufehler (Hindsight Bias) und der Verfügbarkeitsheuristik. Die Autoren argumentieren, dass viele dieser Biases durch den Mechanismus der glaubenskonformen Informationsverarbeitung erklärt werden können.
Parsimony (Sparsamkeit):
In der Wissenschaft bedeutet Parsimony, dass eine Theorie oder Erklärung so einfach wie möglich sein sollte, ohne unnötige Annahmen oder Komplexität hinzuzufügen. Der Artikel strebt danach, die Forschung zu kognitiven Verzerrungen zu vereinfachen, indem er zeigt, dass viele dieser Verzerrungen durch einen gemeinsamen Mechanismus erklärt werden können, was zu einer sparsameren und einheitlicheren Theorie führt.
Kategorisierung von Biases:
Die Autoren kategorisieren die verschiedenen kognitiven Verzerrungen, die durch den Mechanismus der glaubenskonformen Informationsverarbeitung erklärt werden können, und zeigen auf, wie diese Verzerrungen durch dieselben grundlegenden Prozesse verursacht werden. Sie argumentieren, dass anstatt jede Verzerrung separat zu betrachten, es sinnvoller ist, sie unter dem gemeinsamen Dach der glaubenskonformen Informationsverarbeitung zu vereinen.
Implikationen für die Forschung und Praxis:
Die vorgeschlagene gemeinsame Rahmenstruktur hat wichtige Implikationen für die Forschung und Praxis. Sie könnte die Art und Weise verändern, wie Biases untersucht werden, indem sie eine kohärentere und weniger fragmentierte Sichtweise bietet. Dies könnte die Entwicklung von Interventionen zur Reduzierung von Biases erleichtern, da diese auf den gemeinsamen Mechanismus abzielen könnten.
Einheitliches Rahmenwerk: Der Artikel schlägt ein einheitliches Rahmenwerk vor, das viele kognitive Verzerrungen durch den Mechanismus der glaubenskonformen Informationsverarbeitung erklärt.
Vereinfachung der Forschung: Durch die Nutzung eines gemeinsamen Mechanismus wird die Forschung zu kognitiven Verzerrungen vereinfacht und kohärenter.
Erklärung und Kategorisierung: Viele bekannte Biases können durch denselben Prozess der glaubenskonformen Informationsverarbeitung erklärt und kategorisiert werden.
Praktische Anwendung: Diese Vereinfachung könnte die Entwicklung von Interventionen zur Reduzierung von Biases erleichtern und die Forschung effizienter gestalten.
Die zentrale Idee ist, dass durch die Fokussierung auf einen gemeinsamen Mechanismus eine sparsamere und gleichzeitig umfassendere Erklärung für eine Vielzahl von kognitiven Verzerrungen gefunden werden kann.
Welche Biases nennen Oberst & Immhoff?
Zuletzt geändertvor 5 Monaten