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“Stand” als vormodernes Ordnungsmuster
Vormoderne Wurzeln: Der Begriff „Stand“ hat seine Ursprünge in der vormodernen Literatur, die von Denkern wie Platon, Aristoteles, Augustinus, Thomas von Aquin, Luther und Kant geprägt wurde. In dieser Literatur wurden „Stände“ als verschiedene menschliche Seinsstufen betrachtet.
Soziale Ungleichheit: Diese Stände wurden als natürliche oder göttlich bestimmte Ordnungen gesehen, die eine soziale Ungleichheit rechtfertigten, aber gleichzeitig in einer höheren Ordnung harmonisch aufgehoben wurden.
Metaphysische Deutung: Der Standesbegriff war nicht nur eine Beschreibung der gesellschaftlichen Realität, sondern eine philosophisch-theologische Deutungskategorie, die normative Aussagen über das „Sein-Sollen“ machte, also wie Dinge sein sollten, anstatt wie sie tatsächlich sind.
Gesellschaftliche Großgruppe: In der wissenschaftlichen Analyse wird „Stand“ als eine große gesellschaftliche Gruppe definiert, die durch Geburt oder Privilegien bestimmte Lebenschancen monopolisierte.
Lebensumstände und Hierarchie: Stände bestimmten den Zugang zu bestimmten Berufen, politische Teilhabe, Erziehungsformen und Lebensführung, sowie das soziale Prestige (Ehre). Stände waren voneinander abgeschottet und in einer hierarchischen Ordnung organisiert.
Status und Statik: Die Standeszugehörigkeit wurde durch rechtliche Regeln oder festgelegte Gewohnheiten bestimmt, was bedeutete, dass individuelle Lebensentwürfe und das Durchbrechen von Standesgrenzen in der Regel nicht möglich waren. Dies trug zur Stabilität der vormodernen Gesellschaft bei.
Gegensatz zur Moderne: In modernen, demokratischen Gesellschaften gelten gleiche Zugangschancen als universelle Menschenrechte, nicht als Privilegien bestimmter Stände. Mit der Aufklärung wurde die ständische Ordnung als illegitim angesehen, da sie die veraltete und ungerechte Gesellschaftsordnung des Ancien Régime verkörperte.
Ideologische Aufladung: Der Standesbegriff ist heute immer noch ideologisch aufgeladen. Wenn man über die ständische Gesellschaft des alten Europas spricht, geschieht dies oft in dem Bewusstsein, dass man in einer besseren, gerechteren Gesellschaft lebt.
Wort vs. Begriff: Der Text betont, dass es wichtig ist, historische Wörter (die Zustände oder Gegenstände benennen) und moderne Begriffe (die Konzepte sind und erklären wollen) auseinanderzuhalten. Geschichtliche Grundbegriffe wie „Stand“, „Klasse“, „Staat“ oder „Gesellschaft“ scheinen überzeitliche Phänomene zu beschreiben, bedeuten aber in verschiedenen Zeiten unterschiedliche Dinge.
Begriffsgeschichte: Die Geschichte des Begriffs „Stand“ wird in Beziehung zu sozialgeschichtlichen Befunden gesetzt, um ein besseres Verständnis der vormodernen Gesellschaft zu erlangen. Der Artikel „Stand/Klasse“ von O. G. Oexle in den „Geschichtlichen Grundbegriffen“ dient hierbei als wichtige Quelle.
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Stand als Forschungsbegriff
analytischer Begriff, der im modernen wissenschaftlichen Kontext verwendet wird:
gesellschaftliche Großgruppen in alteuropäischen Gesellschaften, die durch Geburt oder Privileg Anspruch auf die von ihrer Gruppe monopolisierten Lebenschancen besaßen.
Stand im vormodernen Verständnis
Eine im philosophisch-theologischen Kontext entwickelte Deutungskategorie mit metaphysischen Zügen, die im Rahmen von Ständemodellen immer wieder neu beschrieben wurde und dazu diente, die realen Lebensverhältnisse der Menschen als Ausdruck göttlichen Willens oder einer übergeordneten natürlichen Ordnung zu interpretieren. Stände galten als gegeneinander abgeschlossen und standen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander.
Ständemodell
theoretische Modelle der schriftkundigen Elite Alteuropas
versuchen die gesellschaftliche Wirklichkeit zu beschreiben, zu legitimieren, zu erklären oder auch neu zu entwerfen. Ständemodelle geben die gesellschaftliche Realität nur ungefähr wieder. Sie implizieren eine Statik, die es so nicht gegeben hat.
Ständemodelle sind immer idealtypisch-postulierend, nie empirisch beschreibend.
Ständemodelle alle (von Modulbetreuern)
Platon (427 - 347 v. Chr.)
teilt die Menschen ein in
Herrscher (Gold) Kardinaltugend: Weisheit + Tapferkeit
deren Helfer (Silber) Kardinaltugend: Weisheit + Tapferkeit
Arbeiter, Handwerker, Bauern (Eisen) Kardinaltugend Gerechtigkeit und Mäßigung
Metalle jeweils von 'Gott' bei der Geburt beigemischt.
Gerechtigkeit und Mäßigung gelten zwar für alle, betreffen aber besonders den 3. Stand, „... denn Mäßigung macht die Schwächsten einig...“
Alle Menschen sind Teil der göttlichen Schöpfung, doch die ist aus unterschiedlichen Einzelelementen geformt.
Aristoteles (384-322 v.Chr.)
Unterscheidung zwischen einer Anzahl verschiedener Stände, ohne Festlegung auf ein bestimmtes Schema, einerseits:
6 Stände: Bauern, Handwerker, milit. Funktionen, die Reichen, die Priester, die die leitenden und richtenden Funktionen innehaben.
Nur auf Athen bezogen: die sehr Reichen, die Mittleren (mésoi) und die sehr Armen
2. Jahrhundert vor Christus:
Achtung dies ist kein Modell, sondern es sind reale Rechtsstände mit festen Zugangsvoraussetzungen.
ordo senatorius = Senatorenstand (alle gewesenen und derzeitigen Senatsmitglieder und ihre Familien)
ordo equester = Ritterstand (eine spezifische Form des Geldadels, Vermögen durch Fernhandel +Finanzierung von Staatsaufgaben) ab der Kaiserzeit zusätzlich:
ordo decurionum = Dekurionenstand die örtlichen Amtsträger in den (mehr als 1000) Provinzstädten (Magistrate, Ratsmitglieder)
populus = der nicht näher bestimmte Rest der Bevölkerung (kein Stand!)
Modellhaft wird unterschieden zwischen:
Honestiores, den ständisch inkorporierten (Senatoren, Ritter, Dekurionen), dagegen waren humiliores (die Niedrigen) alle, die standeslos waren (die große Mehrheit)
Cicero (106-43 v. Chr.)
Dreiteilung wie bei Aristoteles: (hoher, mittlerer und niedriger ordo) Die ständische Ordnung war für ihn Kennzeichen der idealen Bürgerschaft.
dichotomisches Ordnungsschema:
Klerus (kleroi = die durch das Los erwählten) zunächst alle Christen, mit zunehmender Christianisierung ab dem 3. Jhdt. nur noch die Träger eines Kirchenamtes
Laien (laikós) = zum Volk gehörig In der griechisch-römischen Antike waren die Gesellschaften reine Laienwelten gewesen. Nun formierte sich unter dem Einfluss des Christentums erstmals eine neue, religiös legitimierte Elite: der geistliche Stand.
Dann wurde ordo als Synonym zu Klerus verwendet, und zwar im Sinne der bekannten exklusiven röm. Sozialterminologie für die sozial herausgehobene Gruppe der Ordinierten.
Augustinus (um 390)
Auslegung des 36. Psalms, Unterscheidung der Menschen in drei Arten (tria genera hominum), entsprechen biblischen Archetypen
Noah - Vorsteher, die Kirchen führen und leiten (praepositi, qui regunt et gubernant ecclesiam) = weltlicher Klerus
Daniel - die Enthaltsamen (contienti) = Mönche
Hiob - die im Ehestand lebenden (conjugati) = Laien
Papst Gelasius I. (reg. 492-496) (Frühes Mittelalter) änderte das dichotomische Gesellschaftsmodell der Spätantike ab:
Die geheiligte Autorität (auctoritas) der Bischöfe und die königliche Gewalt (potestas) = je eine geistliche und weltliche Führungsgruppe, die parallel und komplementär agieren sollten.
Das Volk wird in diesem Modell nicht erwähnt, wurde im Hintergrund aber mitgedacht. Das Modell wurde im Laufe des Mittelalters als ,Zwei-Gewalten-Lehre‘ zur kirchlichen Doktrin.
Adalbero von Laon, 1025
in Weiterführung von Gelasius' Idee entstand dann das Dreiständemodell. Diese Aufteilung geschah (ähnlich wie in der griechisch-römischen Antike) nach der Aufgabe in
Beter (oratores)
Kämpfer (bellatores)
Arbeiter (laboratores)
Arbeiter werden erstmals seit der Antike wieder in einem Modell erwähnt, Stände sind funktional verschränkt und aufeinander und auf Gott als höchstem Bezugspunkt bezogen.
Auch aus dem Spätmittelalter sind theoretische Überlegungen zur Gliederung der Gesellschaft überliefert. Ein Beispiel ist das auf die Stadt Ulm bezogene Modell des Dominikaners Felix Fabri (1438/39–1502). In seinem Tractatus de civitate Ulmensi beschreibt er, wie er die Menschen Ulms einordnet. Fabri unterscheidet sieben differentiae. Das sind:
die Geistlichen als Mittler zu Gott
die Adeligen, die die Stadt verteidigen.
Diese ersten beiden Stände und den letzten Stand zählt er nicht zur Körperschaft der Bürger (corpus civilis). Dazu gehören für Fabri die mittleren vier Stände:
Der Hauptstand umfasst diejenigen, die als führender Stand der Bürger (ordo principalis) und Haupt (caput) die Stadt regieren.
die Ehrbaren und Bescheidenen, die mit Rat und Tat helfen und vielfach ebenso alt und sogar edler als die Vorgenannten sind, sich jedoch durch ihre Zünftigkeit unterscheiden, weshalb sie nicht die Vorrechte der anderen teilen
die Kaufleute, der Stand, mit dem alle anderen in Beziehung stehen und in den mancher aus den anderen Ständen ab- oder aufsteigt
die Vielfalt der Handwerker und schließlich
die große Zahl der Einwohner Ulms, die der Bürgerschaft nicht angehören und unter denen es Edle, Reiche, Unadelige und Arme gibt.
In ihrer Grundkonstellation blieb die politisch-soziale Fixierung der Stände, die sich im Spätmittelalter herausgebildet hatte, bis zur Französischen Revolution unverändert.
Abschottung der Stände nach außen
Entstehung neuer Gruppen (städtische Gruppen ...) und
politische Stände
Die neuen Gruppen fanden jedoch keinen Eingang mehr in ein Modell, das sich dauerhaft durchsetzen konnte.
Griechische Antike
Platonischer Idealstaat: Platon beschreibt in seinem Werk „Politeia“ (Der Staat) ein ideales Gemeinwesen, in dem alle Menschen zwar Brüder sind, aber dennoch von Gott zu unterschiedlichen Aufgaben bestimmt wurden. Diese Aufgaben entsprechen den verschiedenen Ständen:
Herrscher: Menschen, denen bei der Geburt symbolisch „Gold“ beigemischt wurde.
Helfer der Herrscher: Menschen mit „Silber“.
Bauern, Handwerker und Arbeiter: Menschen mit „Eisen“.
Abstufung durch Geburt: Die Metapher der verschiedenen Metalle symbolisiert nicht nur die soziale Hierarchie, sondern auch die Festlegung der gesellschaftlichen Position durch die Geburt.
Kardinaltugenden: Platon ordnet den Ständen spezifische Tugenden zu:
Weisheit und Tapferkeit: Für die ersten beiden Stände (Herrscher und Helfer).
Gerechtigkeit und Mäßigung: Geltend für alle, aber besonders wichtig für den dritten Stand (Bauern, Handwerker, Arbeiter). Mäßigung bedeutet, die Verschiedenartigkeit der Stände zu akzeptieren und die gottgewollte Ordnung zu respektieren.
Aristoteles' Staatsentwurf: Aristoteles, Platons Schüler, teilt die Gesellschaft in verschiedene Stände ein, ohne sich jedoch auf ein starres Schema festzulegen. Er nennt verschiedene gesellschaftliche Funktionen wie Bauern, Handwerker, Militär, Reiche, Priester und diejenigen, die leitende und richtende Funktionen ausüben.
Drei-Stände-Modell: Aristoteles unterscheidet zwischen sehr Armen, sehr Reichen und den Mittleren. Er vergleicht die Gesellschaft mit einem Körper, in dem die unterschiedlichen Teile in Eintracht zusammenarbeiten sollen, ähnlich wie die verschiedenen Glieder eines menschlichen Körpers.
Maß an Freiheit und Besitz: In der griechischen Gesellschaft war das Maß an persönlicher Freiheit eng mit dem Besitz von Reichtum verknüpft. Freiheit bedeutete, nicht durch einen anderen eingeschränkt zu sein. Personen, die körperliche Arbeit verrichten mussten, galten als weniger frei und hatten geringeres gesellschaftliches Ansehen.
Arbeit und Armut: In der Vormoderne war „arm“ nicht jemand, der keinen Unterhalt bestreiten konnte, sondern jemand, der körperlich arbeiten musste. Hoher gesellschaftlicher Status wurde durch den Besitz von Land gesichert, das oft von Verwaltern oder Sklaven bewirtschaftet wurde, während der Besitzer sich höheren Aufgaben widmen konnte.
Demokratie in Athen: Obwohl Athen oft als Inbegriff der Demokratie angesehen wird, waren nur freie Männer mit angeborener Zugehörigkeit zur Polis vollwertige Bürger. Frauen, Kinder, Zugezogene (Metöken) und Sklaven hatten entweder eingeschränkte oder gar keine Bürgerrechte.
Elitenbildung: Auch innerhalb der freien Bürger gab es Unterschiede: Diejenigen mit großem Landbesitz und Sklaven genossen ein höheres soziales Prestige und bildeten die Aristokratie. Diese war in Griechenland eine rein ökonomische, keine politische Kategorie.
Besonderheit der griechischen Demokratie: Im Gegensatz zu anderen europäischen Gesellschaften war die Herrschaft in Griechenland nicht ausschließlich der Aristokratie vorbehalten. Die Teilhabe an der politischen Macht war breiter gefächert, auch wenn dies nur eine Minderheit der Bevölkerung betraf.
Römische Antike
Definition der Nobilität: Die römische Aristokratie, auch Nobilität genannt, wurde nicht nur durch Geburt bestimmt, sondern durch den aktiven Einsatz für das Gemeinwesen, die res publica. Um zur Nobilität zu gehören, musste man hohe politische Ämter (Magistrate) bekleiden, idealerweise bis hin zum Konsulat, und dadurch Mitglied im Senat werden, dem höchsten politischen Entscheidungsgremium.
Familiäres Prestige: Familien, die ein Senatsmitglied oder einen ehemaligen Konsul in ihren Reihen hatten, wurden zur Nobilität gezählt. Diese Position konnte zwar vererbt werden, aber jede Generation musste dieses Prestige durch individuelle Karrieren neu festigen.
Zitat: „Wer Politik trieb, gehörte zum Adel, und wer adlig war, trieb Politik.“ Dies verdeutlicht die enge Verbindung von Politik und Adel.
Ordo als Stand: Der Begriff ordo bezeichnete in Rom einen sozialen Stand. Die römische Ständeordnung (ordines) wurde durch den sagenhaften König Servius Tullius eingeführt, der die Gesellschaft nach Rang und Vermögen abstufte. Diese Ordnung galt als fundamental für die römische Gesellschaft.
Cicero und die Dreiteilung: In den Schriften Ciceros, eines berühmten römischen Politikers und Philosophen, wurde die römische Gesellschaft in einen hohen, mittleren und niedrigen ordo eingeteilt. Diese sollten durch concordia ordinum (Eintracht der Stände) verbunden sein.
Patrizier und Plebejer: In der frühen römischen Gesellschaft gab es eine klare Unterscheidung zwischen den aristokratischen Patriziern (patres) und den Plebejern (plebs). Diese Unterscheidung verlor jedoch im 4. Jahrhundert v. Chr. an Bedeutung, als auch Plebejer politische Ämter bekleiden und in den Senat aufgenommen werden konnten.
Entstehung der Nobilität: Als Folge entstand eine neue aristokratische Gruppe, die Nobilität, bestehend aus politisch führenden Familien mit einer strengen Hierarchie. Der Rang innerhalb dieser Gruppe wurde durch das innegehabte Amt und das Prestige der Familie bestimmt.
Senatoren, Ritter und Dekurionen: Seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. wurden drei Stände (ordines) definiert: der ordo senatorius (Senatorenstand), der ordo equester (Ritterstand) und der ordo decurionum (Dekurionenstand). Diese Stände umfassten die gesellschaftliche Elite, während der Rest der Bevölkerung, der populus, ausgeschlossen war.
Klar abgegrenzte Rechtsstände: Diese Stände waren klar voneinander abgegrenzt, mit genau festgelegten Zugangsvoraussetzungen, Ritualen und Standesmerkmalen. Besonders auffällig ist die dauerhafte Ausgrenzung des Volkes aus dieser Ständetrias.
Bedeutung des Vermögens: Für den Eintritt in einen dieser Stände war das Mindestvermögen entscheidend. Für Senatoren betrug es 1 Million Sesterzen, für Ritter 400.000 Sesterzen und für Dekurionen variierte es je nach Stadt.
Bevölkerungsmehrheit und humiliores: Während die honestiores (die Ehrenhaften) klare Standes- und Rangverhältnisse hatten, gab es innerhalb der humiliores (die Niedrigen) keine eindeutigen sozialen Trennlinien. Diese unterste Schicht der Gesellschaft war sehr heterogen, was bedeutet, dass es große Unterschiede in der sozialen Stellung innerhalb dieser Gruppe gab.
Fehlen eines Mittelstands: Besonders auffällig ist das Fehlen eines sozial anerkannten Mittelstands in der römischen Gesellschaft. Reiche Freigelassene erfüllten viele dieser "mittelständischen" Funktionen, hatten jedoch aufgrund ihres ehemaligen Sklavenstatus nicht das entsprechende soziale Ansehen.
Aufnahme in die Stände: Man wurde nicht automatisch Mitglied eines Standes durch Geburt oder Reichtum, sondern durch einen formellen Akt des Kaisers. Dies galt insbesondere für die Ritter, die ihr Standeszeichen individuell erhielten. Senatorensöhne hatten dagegen eine erbliche Standeszugehörigkeit.
Exklusivität der Stände: Die ordines stellten eine winzige Minderheit der römischen Bevölkerung dar. Zusammen machten sie weniger als 1% der Gesamtbevölkerung aus, was ihre Exklusivität und Macht in der römischen Gesellschaft unterstreicht.
Frühes Christentum und Spätantike
Gesellschaftlicher Status der Jünger Jesu: Jesus Christus, ein Handwerker und Wanderprediger, sowie seine Jünger, die ebenfalls einfache Leute wie Fischer und Handwerker waren, stellten die unteren Schichten der Gesellschaft dar. Jesus verbrachte viel Zeit mit den verachteten und niedrigsten Mitgliedern der Gesellschaft, wie Dirnen und Zöllnern.
Zentrale Rolle der humiliores in Jesu Verkündigung: Die Armen und Entrechteten spielen in Jesu Lehren eine zentrale Rolle, wie in den Evangelien zu sehen ist. Beispiele hierfür sind die Seligpreisungen in der Bergpredigt, wo Jesus die Armen, Verfolgten und Machtlosen als von Gott Berufene nennt, sowie seine Lobpreisung derjenigen, die trotz niedrigen Standes an die Verkündigung des Evangeliums glauben.
Provozierende Botschaft Jesu: Jesu Botschaft war für die damalige Gesellschaft revolutionär, da sie die traditionellen ständischen Unterschiede infrage stellte. Seine Lehren forderten eine Reflexion und teilweise Neubewertung der gesellschaftlichen Stände, was langfristig zu einer Auseinandersetzung mit den sozialen Normen der Antike führte.
Eingeschränkte soziale Wirkung: Trotz der revolutionären Natur von Jesu Sozialethik war ihre tatsächliche Umsetzung in der Gesellschaft lange Zeit begrenzt. Erst an der Schwelle zur Moderne begannen sich diese Ideen breiter durchzusetzen, wobei sie oft nicht mehr christlich begründet wurden.
Kontinuität zum antiken sozialen Denken: Trotz der Betonung der Gleichheit aller Menschen in der christlichen Lehre (besonders bei Paulus) gab es in der frühen Christenheit auch Elemente, die an das soziale Denken der griechisch-römischen Antike anknüpften. Paulus zum Beispiel formulierte die Gleichheit aller Menschen durch die Taufe und Gnade Gottes und nutzte dabei antike Metaphern wie die des Körpers, um die Gemeinschaft der Gläubigen zu beschreiben.
Eschatologische und soziale Realität: Die radikalen sozialen Forderungen des Christentums, wie die Aufhebung der Stände, wurden nicht in dieser Welt erwartet, sondern in einer künftigen, eschatologischen Welt. Diese Naherwartung der Wiederkunft Christi bedeutete, dass die neue Sozialordnung nicht in der gegenwärtigen Welt verwirklicht werden musste.
Reaktion auf die verzögerte Endzeit: Mit dem Ausbleiben des Jüngsten Gerichts entwickelten sich neue religiöse Bewegungen, die diese Spannung zwischen der christlichen Sozialethik und der Realität adressierten. Im 13. Jahrhundert traten die Bettelorden (Franziskaner, Dominikaner) sowie antiklerikale und armutsbewegte Laiengemeinschaften wie die Waldenser auf den Plan.
Paulinische Ständelehre: Paulus legte mit seinen „Haustafeln“ (Verhaltensregeln für verschiedene gesellschaftliche Gruppen wie Frauen, Männer, Sklaven) das Fundament für eine differenzierte christliche Ständelehre. Diese Ständelehre wurde im Laufe der Zeit weiterentwickelt und differenzierte sich in verschiedene soziale Gruppen, einschließlich der geistlichen Ämter.
Entwicklung des Klerus als Stand: Mit der Christianisierung des Römischen Reiches und der Unterstützung durch Kaiser wie Konstantin und Theodosius entwickelte sich der Klerus zu einem eigenen privilegierten Stand. Dieser erhielt rechtliche, wirtschaftliche und soziale Privilegien, wie die Befreiung von Steuern und Kriegsdiensten, was zu einer ständischen Abgrenzung führte.
Tripartite Gesellschaftsordnung: Seit dem 4. Jahrhundert entwickelte sich neben der Zweiteilung in Klerus und Laien eine dreigeteilte Gesellschaftsordnung, die Klerus, Mönche und Laien umfasste. Diese Einteilung basierte auf den Schriften von Augustinus und anderen Kirchenvätern.
Einfluss von Augustinus: Augustinus griff die Ordo-Idee Platons auf und entwickelte sie weiter, wodurch er die soziale Ungleichheit in die christliche Ordnung integrierte. Dies führte zu einer neuen Begründung für soziale Ungleichheit und Sklaverei, die als Folge der Erbsünde angesehen wurde.
Förderung durch christliche Kaiser: Kaiser wie Konstantin und Theodosius förderten die Entwicklung des Klerus zu einem privilegierten Stand, was sich in handfesten politischen und rechtlichen Privilegien manifestierte. Diese Privilegierung führte dazu, dass der Klerus als Vorbild für andere privilegierte Stände im Abendland diente.
Frühes Mittelalter (7. bis 10. Jh.)
Lehre des Papstes Gelasius I.:
Gelasius I. formulierte das Konzept der „zwei Gewalten“: die geistliche (auctoritas) und die weltliche (potestas) Macht.
Diese Unterscheidung legte die Grundlage für die mittelalterliche Gesellschaftsstruktur, in der Klerus und weltliche Herrscher (z.B. Könige und Fürsten) als getrennte, aber zusammenarbeitende Gruppen agierten.
Dualität von Klerus und Laien:
Gelasius unterschied zwischen Klerikern und Laien nicht nur als „Nicht-Kleriker“, sondern erkannte den weltlichen Herrschern eine wichtige Führungsrolle zu, die komplementär zur geistlichen Führung war.
Diese Aufteilung führte zur Entstehung einer parallelen Führungsschicht von Klerus und Laien, die sowohl zusammenarbeiteten als auch potenziell miteinander rivalisierten.
Verbreitung und Entwicklung im Mittelalter:
Die Lehre von den zwei Gewalten wurde im Laufe des Mittelalters zu einer zentralen kirchlichen Doktrin, die das politische und gesellschaftliche Leben stark beeinflusste.
Besonders in den neu entstandenen ‚gentilen’ Königreichen, die nach dem Zerfall des weströmischen Reiches entstanden (z.B. Franken, Langobarden), wurde diese Lehre übernommen und weiterentwickelt.
Transformation durch germanische Eroberer:
Nach der Völkerwanderung trafen germanische Kriegerkönige auf die christliche römische Bevölkerung, was zu einer kulturellen Verschmelzung führte.
Diese Könige und ihre Gefolgsleute nahmen das Christentum an, was ihnen eine neue, religiöse Legitimation ihrer Herrschaft verlieh.
Die Verbreitung des Christentums wurde oft durch eine Kombination aus militärischen Eroberungen und missionarischen Aktivitäten gefördert, wie es bei den Franken unter König Chlodwig der Fall war.
Neues soziales Profil der Machtverteilung:
Die frühmittelalterlichen Könige sahen sich als Verteidiger und Verbreiter des Christentums, während die geistlichen Führer ihre Aufgaben in Gebeten und spiritueller Unterstützung sahen.
Diese Kooperation zwischen weltlichen und geistlichen ‚Kriegern’ schuf eine enge Bindung zwischen beiden Gruppen und legitimierte den Krieg aus christlicher Sicht.
Zweiteilung der Laiengesellschaft:
Innerhalb der Laien wurde eine weitere Unterscheidung zwischen den Mächtigen (potentes) und den Machtlosen (pauperes) gemacht.
Die Mächtigen hatten die Pflicht, nicht nur Kirchen und Klöster zu schützen, sondern auch die Schutzbedürftigen, die oft durch die Gewalt der Mächtigen selbst bedroht wurden.
Diese Schutzverpflichtung war jedoch oft von Gewalt und Machtmissbrauch geprägt und kann als eine Art „quasi-mafiöse“ Struktur verstanden werden.
Definition und Zusammensetzung:
Pauperes bezeichnet die ärmere Bevölkerung, abgesehen von Mönchen, Nonnen, Witwen und Waisen. Die Mehrheit lebte auf dem Land und wurde nach ihrem Rechtsstand in Freie, Unfreie und Halbfreie unterteilt.
Die Adeligen (nobiles) bildeten den Gegenpol zu den pauperes.
Der Begriff pauperes leitet sich zwar von der römischen Terminologie ab, bezieht sich aber auf neue, mittelalterliche soziale Verhältnisse.
Überwiegend Agrarwirtschaft:
Das Frühmittelalter war stark agrarisch geprägt. Etwa 90% der Bevölkerung lebten auf dem Land, und Städte waren vor allem im Nordosten Europas selten.
Die dominierende Lebens- und Wirtschaftsform war die Grundherrschaft, die bis ins 18. und 19. Jahrhundert bestand. Sie war zugleich eine Lebensgemeinschaft, ein Wirtschaftskomplex und ein Rechtsverband.
Struktur der Grundherrschaft:
An der Spitze einer Grundherrschaft stand ein adeliger oder geistlicher Grundherr.
Die zu einer Grundherrschaft gehörenden Menschen wurden als familia bezeichnet, was eine Gemeinschaft von Abhängigen eines Herrn bedeutete.
Die meisten Abhängigen waren schollengebundene Bauern, die auf den Gütern der Grundherren arbeiteten.
Die Bauern hatten unterschiedliche Grade von Freiheit, abhängig von ihrem Status und den auferlegten Pflichten.
Macht und Verantwortung:
Grundherren waren nicht nur Landbesitzer, sondern auch autonome Machthaber, die über ihre Abhängigen herrschten.
Sie entschieden über Recht und Unrecht, kontrollierten Heiratsbeziehungen und Mobilität und stellten die notwendige Infrastruktur bereit.
Ihr Herrschaftsbereich war gegen Eingriffe von außen geschützt (immun).
Fehlende staatliche Strukturen:
Im Gegensatz zum römischen Kaiser verfügte ein mittelalterlicher König weder über ein festes Staatsgebiet noch über Staatseinkünfte (Steuern) oder ein stehendes Heer.
Sein Reich war ein Flickenteppich aus autonomen Kleinherrschaften, die durch Verwandtschafts-, Heirats- und Freundschaftsbündnisse miteinander vernetzt waren.
Der König als „Erster unter Gleichen“:
Der König war kein absoluter Monarch, sondern ein primus inter pares (Erster unter Gleichen), der durch Salbung und Krönung einen quasi priestergleichen Rang innehatte.
Seine Macht beruhte auf einem Netzwerk aus formalen Beziehungen und Verpflichtungen.
Mobiles Leben der Herrschenden:
Es gab keine festen Residenzen, weder für den König noch für den Adel.
Die Herrschenden lebten „ambulant“ und besuchten regelmäßig ihre Güter, um ihre Herrschaft auszuüben. Diese ambulante Herrschaft war politisch notwendig, da es keinen staatlichen Exekutivapparat und keine mediale Öffentlichkeit gab.
Die Wiederkehr der funktionalen Dreiteilung im Hochmittelalter (11.-13. Jahrhundert
Entwicklung des Modells:
Um das Jahr 1000 entstand ein neues dreigeteiltes Gesellschaftsmodell, das als Weiterentwicklung der gelasianischen Zwei-Gewalten-Lehre angesehen werden kann.
Das neue Modell unterteilt die Gesellschaft in drei Hauptgruppen: die Beter (oratores), die Kämpfer(bellatores) und die Arbeiter (laboratores).
Frühe Belege:
Erste Belege für dieses Modell finden sich um die Jahrtausendwende im angelsächsischen Raum.
Auf dem Kontinent erscheint der Gedanke erstmals in einem satirischen Gedicht von Bischof Adalbero von Laon, dem Carmen ad Rotbertum regem (um 1025). In dem Gedicht werden die drei Stände beschrieben:
Beter: Diejenigen, die beten.
Kämpfer: Diejenigen, die kämpfen.
Arbeiter: Diejenigen, die arbeiten.
Die Dreiteilung im Detail:
Arbeiter (laboratores):
Die körperlich arbeitenden Menschen werden als eigener Stand betrachtet. Das Wort „labor“ bedeutet harte körperliche Arbeit.
Adalbero beschreibt diese Gruppe als „Knechte“ und „Geschlecht von Geschlagenen“, was ihre schwere und mühsame Arbeit widerspiegelt.
Neben Bauern werden auch Handwerker des ländlichen und städtischen Raums in diesen Stand einbezogen, da sich zu Adalberos Zeiten Handwerk zunehmend vom Ackerbau unterschied.
Gesellschaftliche Bedeutung:
Die drei Stände werden durch ihre spezifischen Aufgaben definiert. Die laboratores spielen eine zentrale Rolle, da ihre Arbeit die materielle Grundlage für die Existenz der anderen Stände schafft.
Adalbero betont, dass die körperliche Arbeit der Bauern und Handwerker ebenso wichtig ist wie die Aufgaben der Beter und Kämpfer. Er stellt fest, dass selbst die Könige und Priester in gewisser Weise von den Arbeitern abhängig sind.
Die Vorstellung, dass die Arbeitenden ein hohes soziales Ansehen erlangen, ist eine bedeutende Veränderung, auch wenn diese Gleichwertigkeit in der Praxis nicht sofort umgesetzt wurde.
Göttlicher Bezugspunkt:
Alle drei Stände sind auf Gott als den höchsten Bezugspunkt ausgerichtet. Adalbero beschreibt die Gesellschaft als Bewohner des „Haus Gottes“ (domus Dei), wo Gott der oberste Hausherr ist.
Diese Bildsprache zeigt, dass die soziale Ordnung von Gott vorgegeben ist und dass alle Stände unter ihm stehen.
Staats- und Kirchenführung:
Adalbero hebt Christus als obersten Hausherrn hervor, während der König und der Papst jeweils die Anführer ihrer Stände darstellen.
Dies zeigt, dass der König und der Papst nicht als übergeordnet betrachtet werden, sondern als Führer innerhalb ihrer jeweiligen Standesgruppe.
Historischer Kontext:
Adalbero war ein pragmatischer Geistlicher, der die tiefgreifenden sozialen Veränderungen seiner Zeit erkannte. Sein Modell spiegelt die sozialen Umwälzungen wider und verleiht den körperlich Arbeitenden einen neuen sozialen Status.
a. Begriff und Bedeutung
Laboratores und servi: Adalbero bezeichnet mit diesen Begriffen in erster Linie die Bauern.
Fehlendes Wort: Es fehlt ein präzises Wort für den landwirtschaftlichen Kern ihrer Tätigkeit. Die Begriffe beziehen sich eher auf äußere Merkmale wie körperliche Arbeit und unfreie Rechtsstellung.
b. Soziale Realität
Herrschaftliche Dominanz: Die Vorstellung von Adalbero, dass keine Herrenexistenz ohne Bauern und umgekehrt kein Bauer ohne Herrn existieren könne, widerspiegelt die herrschaftliche Dominanz über die Bauern.
Freie Bauern: Der Begriff „freier Bauer“ war zu dieser Zeit widersprüchlich, da das Leben der Bauern stark durch grundherrschaftliche Bindungen bestimmt war.
a. Gesellschaftliche Veränderungen
Veränderung der Lebensverhältnisse: Zwischen 1050 und 1200 veränderte sich die Lage der Bauern rasant. Das frühmittelalterliche System der Grundherrschaft wurde von innen und außen gesprengt.
Neue Bezeichnungen: Neben den älteren Sozialbezeichnungen wie „Landmann“ oder „Höriger“ traten neue, vereinheitlichende Begriffe wie „Bauer“ (lat. agricola, rusticus) auf.
b. Bevölkerungswachstum
Bevölkerungszuwachs: Seit dem 11. Jahrhundert wuchs die Bevölkerung in Europa stark an (von ca. 24 Mio. auf 54 Mio. zwischen 1000 und 1340).
Siedlungsdichte und Herrenansprüche: Die zunehmende Siedlungsdichte erschwerte es den Landbewohnern, den Ansprüchen der lokalen Herren zu entkommen. Herren rivalisierten stärker um Rechte am Ertrag und an der Arbeitsleistung der Bauern.
c. Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur
Marktanbindung der Landwirtschaft: Die Bauern und Herren konnten die Erträge in den wachsenden Städten und Marktorten in Geld umsetzen.
Aufgabe der Eigenwirtschaft: Viele Grundherren gaben ihre ländliche Eigenwirtschaft auf, verpachteten ihr Land und lebten von Zinseinkünften.
a. Fehlende Begriffe
Fehlende Begriffe im Frühmittelalter: Im Deutschen und Lateinischen fehlte ein präziser Begriff für den „Bauern“. Der Begriff „gebur(e)“ bezeichnete eher einen Hausgenossen oder Dorfgenossen.
Lateinische Begriffe: Agricola und rusticus traten erst im 11. Jahrhundert wieder auf, wobei rusticus oft eine abwertende Bedeutung hatte.
b. Erschwerte Einordnung
Fehlendes Bewusstsein: Im frühen Mittelalter fehlte das Bewusstsein dafür, dass Freie und Hörige zusammengehörten.
Uneinheitliche Bezeichnung: Rusticus wurde verwendet, aber noch nicht als klarer „Berufsstand“ des Bauern im wirtschaftlichen Sinn anerkannt.
a. Vielfalt der Verpflichtungen
Materielle Verpflichtungen: Bauern hatten zahlreiche Verpflichtungen wie Grundzinse, Arbeitsdienste, Gebühren bei Gerichten, Heirats- und Todesfällen, Nutzung von Mühlen und Sondersteuern im Krieg.
Verteilung der Verpflichtungen: Diese Verpflichtungen waren auf verschiedene Rechtseigner und Abschöpfungsindizes verteilt und konnten sich rasch ändern.
b. Existenzverhältnisse und Möglichkeiten
Prekäre Existenzverhältnisse: Die Vielfalt der Verpflichtungen schuf prekäre Existenzverhältnisse, bot jedoch auch Möglichkeiten, sich aus einzelnen Bindungen zu befreien.
Neue Möglichkeiten: Städte und neue Siedlungsflächen boten den Bauern neue Existenzmöglichkeiten.
a. Dorf als Gemeinschaft
Unabhängigkeit vom Herrschaftssystem: Das Dorf entstand als räumlich geschlossener und genossenschaftlich organisierter Wirtschafts- und Sozialverband.
Lokale Gemeinschaft: Im Dorf traten die Bauern als lokale Gemeinschaft (communitas, burschap) auf und organisierten ihre Angelegenheiten selbst.
a. Abgrenzung vom Bauernstand
Historische Entwicklung: Bereits seit dem 8. und 9. Jahrhundert zeichnete sich eine Trennung zwischen dem Bauer (rusticus) und dem Krieger (miles ab.
Militärdienst: Der militärische Dienst wurde nicht mehr von leicht bewaffneten Bauernheeren geleistet. Bauern wurde das Führen von Waffen ausdrücklich verboten.
Berufskrieger: Es entstand die neue Form des schwergepanzerten Berufskriegers, ausgestattet mit Eisenhut und Kettenhemd, und kämpfend zu Pferd. Diese Technik wurde durch die Erfindung des Steigbügels ermöglicht.
b. Entstehung des Ritterstandes
Sozialtyp des Ritters: Im 11. und 12. Jahrhundert entwickelte sich der mittelalterliche Ritter, ein hochangesehener und spezialisierter militärischer Dienst.
Zusammensetzung des Ritterstandes: Unter dem Begriff „Rittertum“ vereinigten sich verschiedene Gruppen: adlige Personen, einfache Freie und aus der Unfreiheit aufgestiegene privilegierte königliche Dienstleute (Ministerialen).
Geburtsstunde der Aristokratie: Diese Entwicklung markiert die Geburtsstunde einer neuen weltlichen Aristokratie, des mittelalterlichen Kriegeradels.
a. Wohnsitz und Kultur
Stammburgen: Die neuen Adeligen residierten auf festen Herrensitzen, den Stammburgen, innerhalb geschlossener Herrschaftskonglomerate.
Adelige Kultur: Ihre Kultur zeichnete sich durch Jagd, Turniere, höfische Feste und eine volkssprachliche Schriftkultur (Heldenlied, Minnesang, höfischer Roman) aus.
Selbstdarstellung: Kampfschmuck, Kleidermode, Wappen- und Siegelführung wurden zu Kennzeichen der neuen Standesethik.
b. Lehnsverhältnis (Vasallität)
Regulierung der Gefolgschaft: Der Adel trat in ein formelles Gefolgschaftsverhältnis zum König und untereinander.
Lehnsbeziehung: Der König war der höchste Lehnsherr, und die Feudalherren erhielten von ihm Lehen, das sind Einkunftsrechte aus Land und Leuten, als Gegenleistung für politischen Rat und militärische Gefolgschaft.
Lehnsformalisierung: Das Lehnswesen unterschied zwischen „Kronvasallen“ (die ihr Lehen direkt vom König erhielten) und „Untervasallen“ (die einem anderen Adeligen verpflichtet waren).
a. Irreführende Darstellungen
Lehnspyramide: Das Schulbuchmodell der „Lehnspyramide“ ist irreführend, da es das Lehnswesen als zu straff hierarchisch und fest gefügt darstellt.
Bauern und Lehnswesen: Leibeigene Bauern und Knechte hatten keine direkte Verbindung zum Lehnswesen, da nur freie Männer (in der Regel Adelige) Lehnsverhältnisse eingehen konnten.
Vereinfachte Darstellungen: Schemata, die ein vereinfachtes Bild der mittelalterlichen Sozialverhältnisse vermitteln, sollten kritisch betrachtet werden.
a. Zusammenfassung der Geistlichen
Einheit des Standes: Adalbero fasste die Geistlichen, die im Augustinischen Dreierschema noch getrennt waren (Weltklerus und Mönche), in einem Stand zusammen.
Methodische Einordnung: Diese Zusammenfassung reflektiert die zunehmende Angleichung der Gruppen im Laufe der Zeit.
b. Rolle der Klöster
Schriftkultur: Klöster übernahmen zunehmend die Pflege der Schriftkultur, einschließlich des Schreibens von Urkunden, Güterverzeichnissen und Totenlisten, da die Laien zunehmend an Lese- und Schreibfähigkeit verloren.
Einfluss von König und Adel: König und Adel förderten Klöster durch Landschenkungen und übten Einfluss auf deren Belange aus. Klöster wurden wie Eigenkirchen behandelt, wobei Priester und Äbte eingesetzt wurden.
c. Klerikalisierung des Mönchtums
Priestermönche: Die ursprüngliche Verpflichtung der Mönche zu körperlicher Arbeit trat zugunsten geistlicher und pastoraler Aufgaben zurück. Laienmönche wurden durch Priestermönche ersetzt, die zusätzlich einen hohen geistlichen Weihegrad hatten.
Beispiel Cluny: Der Klosterverband von Cluny übernahm liturgische Aufgaben und stellte Gebetsdienste für Laien bereit. Adelige Laien konnten stellvertretende Gebete durch Zuwendungen erkaufen.
d. Adelige Hausklöster
Funktion von Hausklöstern: Adelige Hausklöster wie Reinhardsbrunn hatten eine wichtige Rolle im Totengedächtnis, der Familiengeschichte und der Aufbewahrung von Dokumenten.
a. Schemenhafte Entwicklung im 11. Jahrhundert
Unterscheidung der Handwerke: Im 11. Jahrhundert zeichnete sich noch schemenhaft eine zunehmende Arbeitsteilung auf dem Land und in der Stadt ab. Diese betraf die Ausdifferenzierung der Handwerke und Gewerbe (z.B. Bäcker, Müller, Schmied, Weber, Zimmermann, Töpfer, Schneider).
Fehlende Berücksichtigung bei Adalbero: Adalbero, der diese Entwicklungen nicht berücksichtigt, stellt in seinem Schema nur die traditionellen drei Stände dar (Oratores, Bellatores, Laboratores).
b. Selbstorganisation im 12. Jahrhundert
Gilden und Zünfte: Ab dem 12. Jahrhundert begann die Selbstorganisation von Händlern und Handwerkern in genossenschaftlichen Schwur- und Rechtsgemeinschaften, den Gilden und Zünften.
Unkenntnis bei Adalbero: Diese Entwicklungen sind Adalbero nicht bekannt, und daher nicht in seinem Schema enthalten.
a. Aufkommen des Bürgertums
Städtisches Bürgertum: Im 12. Jahrhundert tritt das städtische Bürgertum als neuer Stand auf, insbesondere die Kaufleute (ordo mercatorum).
Unterscheidung von Bauern: Die spätere Unterscheidung zwischen „Bauern“ und „Bürgern“ beginnt sich anzubahnen, bleibt jedoch bis zur Französischen Revolution ohne umfassende Wirkung.
b. Scholaren im 13. Jahrhundert
Gelehrte Scholaren: Im 13. Jahrhundert, mit der Entstehung der ersten Universitäten, wird die Gruppe der gelehrten Scholaren (ordo scholasticus) gelegentlich als eigener Stand genannt.
Integration in bestehende Stände: Scholaren werden meist dem Klerus zugeschlagen, während Kaufleute/Bürger den Laboratores zugeordnet werden.
a. Beibehaltung des Dreiteiligen Modells
Ständebild aus dem 15. Jahrhundert: Das Festhalten am dreiteiligen Ständeschema zeigt sich im Ständebild des 15. Jahrhunderts, wo neue Gesellschaftsgruppen nicht integriert werden.
Langfristige Wirkung: Die Dreiteilung (Lehrstand, Wehrstand, Nährstand) beeinflusste weiterhin die frühneuzeitliche Ständereflexion, ohne grundlegende Veränderungen zu erfahren.
b. Gesellschaftliche Vielfalt und theoretische Reflexionen
Modell von Felix Fabri: Der Dominikaner Felix Fabri (1438/39–1502) beschreibt in seinem „Tractatus de civitate Ulmensi“ die Gesellschaft Ulms und reflektiert die gesellschaftliche Vielfalt.
a. Ordnung und Ungleichheit
Notwendigkeit der Ordnung: Fabri betont die Notwendigkeit einer Ordnung in der Vielzahl der Menschen, um Chaos zu vermeiden. Er sieht Ungleichheit als Grundlage der Ordnung.
b. Unterscheidungen in der Gesellschaft
Sieben Stände: Fabri unterscheidet sieben Stände:
Geistliche: Mittler zu Gott.
Adelige: Verteidiger der Stadt.
Führender Bürgerstand (ordo principalis): Regiert die Stadt.
Ehrbare und Bescheidene: Helfen mit Rat und Tat, aber ohne die Vorrechte der Führenden.
Kaufleute: Zentraler Stand, der mit anderen in Beziehung steht.
Handwerker: Vielfalt der Handwerke.
Nicht-Bürger: große Anzahl an Einwohnern, unter denen es Edle, Reiche, Unadelige und Arme gibt.
c. Denkparadigma der „Ordnung durch Ungleichheit“
Soziale Durchlässigkeit: Fabri erkennt die soziale Durchlässigkeit an und weist darauf hin, dass Veränderungen innerhalb der Stände möglich sind. Die soziale Struktur wird als nicht völlig undurchlässig dargestellt.
Politische Stände im Spätmittelalter
a. Veränderung der ständischen Gesellschaft
Früheres Mittelalter: Im frühen Mittelalter formierten sich die Stände als soziale Großgruppen.
Spätmittelalter: Im 13. bis 15. Jahrhundert wandelte sich die ständische Ordnung. Die Stände wurden zu politischen Repräsentativorganen in den europäischen Königreichen, gemäß dem tripartiten Modell:
Klerus
Adel
Dritter Stand: Vertreter der Städte (gelegentlich auch Bauern, aber selten und nur auf Landesebene).
b. Politische Aufgaben der Ständevertretungen
Aufgaben: Die politischen Stände hatten die Hauptaufgaben:
Rat und Hilfe für den Fürsten (König oder Landesherr): Konsultationen über Krieg und Frieden sowie die Gewährung von Steuern.
c. Unterschiede zum traditionellen Modell
Tripartites Modell vs. Politische Stände: Die politischen Stände waren nicht identisch mit den traditionellen ständischen Geburts-, Berufs-, Natur- und Rechtsständen des früheren Mittelalters. Sie repräsentierten eine andere Art der gesellschaftlichen Organisation.
a. Herrschaftskonzentration und Adelsdifferenzierung
Prozess ab 1250: Beginn der Herrschaftskonzentration und Ausdifferenzierung des Adels.
Grundherrschaft und Lehnswesen: Im Spätmittelalter kam es zur Verdichtung der Herrschaftsbereiche adliger Herrschaften.
b. Königtum im Reich
Fehlende Verwaltungsstruktur: Das Königtum konnte keine stabile Verwaltungsstruktur aufbauen und war auf die Unterstützung von Vasallen angewiesen.
Wahlmonarchie: Im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich und England blieb das Königtum eine Wahlmonarchie.
Kurfürsten: Ab Ende des 13. Jahrhunderts bestimmte eine festgelegte Gruppe von Kurfürsten den König:
Kurfürsten: Erzbischöfe von Köln, Mainz, Trier; Pfalzgraf bei Rhein; König von Böhmen; Herzog von Sachsen; Markgraf von Brandenburg.
c. Reichsfürsten und Territorialadel
Reichsfürsten: Bildeten den hohen Adel, darunter geistliche (Erzbischöfe, Bischöfe) und weltliche Fürsten (Herzöge, Markgrafen).
Reichsfürstenstand: Wurde im Spätmittelalter formal durch den König verliehen.
Ehren und Titel: Im Gegensatz zum englischen Adel führten alle Familienmitglieder den höchsten Titel.
Territorialadel: Mehrheit der Aristokraten, viele aus dem städtischen Bürgertum.
d. Bildung der Territorien
Entstehung von Herrschaftsgebieten: Kleine und große Territorien bildeten sich durch Herrschaftskonzentration.
Herrschaftskonzentration: Adelige Familien erweiterten ihren Machtbereich durch Heiratsallianzen, Erbschaft oder Erwerb von Herrschaftsrechten.
Verwaltung und Ordnung: Um die Verwaltung zu verbessern und Recht zu sichern, wurden Herrschaftsrechte zu geschlossenen Gebietsverbänden zusammengefasst.
a. Adelsdifferenzierung
Reichsfürsten: Die Großen und Mächtigen des Reiches, die auch die Königswahl bestimmten.
Kurfürsten: Spitzengruppe, die den König wählte, mit besonderen Aufgaben und Ämtern.
Niedere Adel: Grafen, Freie Herren, Edelherren, Ritter, unterstanden entweder einem Reichs- oder Landesfürsten oder direkt dem König.
b. Einfluss des Königs
Königsamt: Der König gründete seine Macht auf Familienbesitz und Reichslehen.
Lehnserneuerungen: Reichslehen und Privilegien mussten bei jeder Veränderung der Herrschaft neu vergeben werden, was eine wichtige Einnahmequelle darstellte.
Adel und König: Der Adel wählte den König, während der König Einfluss auf den Adel nahm.
a. Frühes Bildprogramm
Antike Körpermetapher: Das Reich wurde als ein Körper dargestellt, bei dem der König das Haupt und die Reichsfürsten die Glieder waren. Dies symbolisierte die gottgewollte Einheit des Reiches.
b. Bildprogramm nach der Goldenen Bulle (1356)
Kaiser und Kurfürsten: Das Bildprogramm betonte Kaiser und Kurfürsten als Vertreter einer friedenssichernden Ordnung.
Beispiel: Männleinlauf an der Frauenkirche in Nürnberg (1509).
Kurfürsten als Säulen: Die Kurfürsten wurden als die Säulen des Reiches dargestellt.
c. Quaternionendarstellung (15. Jahrhundert)
Darstellung des Reiches:
Gesamtheit der Reichsglieder: Das Reich wurde durch zehn Gruppen dargestellt, jede mit vier Vertretern eines sozialen Standes:
Herzöge
Markgrafen
Landgrafen
Burggrafen
Grafen
Freiherren
Ritter
Städte
Dörfer
Bauern
Zweck: Diese Darstellung verdeutlichte das Reich als genossenschaftlichen Verband, zusammengesetzt aus verschiedenen Gliedern.
d. Debatte und Erweiterung
Forschungskontroversen: Der Ursprung und die genaue Bedeutung der Quaternionendarstellung sind noch nicht vollständig geklärt. Insbesondere das Fehlen der geistlichen Stände wird diskutiert.
Erweiterung: Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Kurfürsten in den Quaternionendarstellungen berücksichtigt. Auch andere Stände wie Äbte und Knechte wurden hinzugefügt (z.B. im Wappenbuch des Conrad von Grünberg).
e. Verbindung mit dem Reichsadler (um 1470)
Erste Verbindung: Um 1470 wurden die Quaternionen mit dem Symbol des Reichsadlers kombiniert.
Hans Burgkmair d. Ä. (1510): Übernahm das Motiv in einem Holzschnitt. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde diese Darstellung populär (z.B. auf Trinkhumpen).
Darstellung des Kreuzes: Die Einbettung der hierarchischen Ordnung in den göttlichen Heilsplan wird durch das Kreuz Jesu auf dem Reichsadler verdeutlicht.
a. Funktion des Reichstags
Einrichtung: Um 1500 war der Reichstag als politischer Ort für geregelte Verhandlungen etabliert.
Hauptaufgabe: Die Bewilligung von Steuern zur Finanzierung von Kriegen. Steuern waren eine flexible Einnahmequelle und mussten zweckgebunden erhoben werden.
b. Teilnahme am Reichstag
Reichsstandschaft: Wer am Reichstag teilnahm, musste die Reichsstandschaft besitzen, ein vom König verliehenes Privileg.
Teilnehmer: Alle weltlichen und geistlichen Reichsfürsten, die seit dem 15. Jahrhundert in Reichssteuer- und Reichstagslisten geführt wurden, sowie ausgewählte Vertreter des reichsunmittelbaren Adels.
Unterschied zu Reichsunmittelbarkeit: Reichsunmittelbarkeit bezeichnet die direkte Unterstellung zum König, während Reichsstandschaft die formelle Teilhabe am Reichstag darstellt.
c. Reichsstädte
Erhebung zur Reichsstandschaft: Viele Reichsstädte erhielten um 1500 die Reichsstandschaft und damit Sitz und Stimme auf den Reichstagen.
Repräsentation: Städte hatten Vorrang vor Bauern in der Repräsentation des dritten Standes. Bauern waren nur in wenigen landständischen Versammlungen vertreten.
d. Struktur des Reichstags (ab 16. Jahrhundert)
Kurienaufteilung:
Erste Kurie: Kurfürsten.
Zweite Kurie: Fürsten, Prälaten, Grafen und Edelfreie.
Dritte Kurie: Reichsstädte.
Landtage: Ähnlich wie auf Reichstagen fanden in den Herrschaftsgebieten der Reichsfürsten Landtage statt, bei denen die Landstände mit den Fürsten Beratungen durchführten.
Veränderter Begriff: Ab dem Spätmittelalter bezeichnet der Begriff „Stände“ nicht nur soziale Großgruppen, sondern auch die institutionelle Teilhabe an der Herrschaft durch Vertreter aus Adel und Städten.
Keine moderne Repräsentation: Die Ständevertreter im Vormoderne hatten kein Mandat zur modernen verfassungsstaatlichen Vertretung, sondern setzten sich hauptsächlich für ihre eigenen Belange ein.
Antike Körpermetapher und Bildprogramm
Gottgewollte Einheit des Reiches: Im Spätmittelalter wurde die Einheit des Reiches zunächst durch die antike Körpermetapher veranschaulicht. Hierbei wurde der König als das Haupt und die Reichsfürsten als die Glieder des Reichskörpers dargestellt.
Goldene Bulle 1356: Nach der Verabschiedung der Goldenen Bulle 1356 kam ein neues Bildprogramm auf. Kaiser und Kurfürsten wurden als Garanten des Friedens dargestellt. Dies zeigte sich auch in Darstellungen wie dem „Männleinlauf“ an der Frauenkirche in Nürnberg von 1509. In diesen Darstellungen wurden die Kurfürsten als Säulen des Reiches abgebildet.
Quaternionendarstellung des Reiches
Entwicklung der Quaternionendarstellung: Im 15. Jahrhundert entwickelte sich die Quaternionendarstellung. In dieser idealisierten Form wurde das Reich durch zehn Gruppen mit je vier Vertretern eines sozialen Standes dargestellt:
Vertreter: Vier Herzöge, Markgrafen, Landgrafen, Burggrafen, Grafen, Freiherren, Ritter, Städte, Dörfer und Bauern.
Zweck der Darstellung: Die Quaternionendarstellung verdeutlichte das Reich als genossenschaftlichen Verband, der aus unterschiedlichen Gliedern bestand.
Diskussion und Erweiterung: Der Ursprung und die genaue Bedeutung der Quaternionendarstellung sind in der historischen Forschung umstritten. Besonders das Fehlen der geistlichen Stände ist ein ungelöstes Problem. Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Kurfürsten zunehmend in diesen Darstellungen aufgenommen oder ihnen vorangestellt. Manche Darstellungen erweiterten das Motiv um zusätzliche Stände wie Äbte und Knechte (z.B. im Wappenbuch des Conrad von Grünberg).
Symbolik des Reichsadlers und Popularität
Verbindung mit dem Reichsadler: Um 1470 wurden die Quaternionen erstmals mit dem Symbol des Reichsadlers verbunden. Hans Burgkmair d. Ä. übernahm dieses Motiv 1510 in einem Holzschnitt, und es wurde im 16. und 17. Jahrhundert zu einer populären Darstellung des Reiches, auch auf Alltagsgegenständen wie Trinkhumpen.
Darstellung des Kreuzes: Die Darstellung des Kreuzes Jesu auf dem Körper des Wappenvogels unterstrich die Einbettung der hierarchischen Ordnung von Reich und Gliedern in den göttlichen Heilsplan.
Politische Teilhabe und Reichstag
Anspruch auf Herrschaft: Die Quaternionendarstellung machte deutlich, welche Glieder im Reich Anspruch auf Teilhabe an der Herrschaft erhoben. Der Kern des Lehnswesens war das Treueverhältnis zwischen Lehnsherrn und Vasall. Der Lehnsherr, ob Reichsfürst oder König, sorgte für Ordnung und Recht, während die Vasallen Unterstützung leisteten.
Hoftage und Reichstage: Anfangs fanden Beratungen unregelmäßig auf Hoftagen statt, die vom König einberufen wurden. Im Spätmittelalter wurden diese Versammlungen zunehmend institutionalisiert und als Reichstage etabliert. Ab 1500 war der Reichstag als politischer Ort für geregelte Verhandlungen fest etabliert, wobei es hauptsächlich um die Bewilligung von Steuern ging, die zur Finanzierung von Kriegen erforderlich waren.
Reichsstandschaft und Einfluss
Erhebung in die Reichsstandschaft: Um 1500 wurde genau festgelegt, wer Sitz und Stimme auf den Reichstagen hatte. Voraussetzung war die Reichsstandschaft, ein vom König verliehenes Privileg. Dies umfasste:
Weltliche und geistliche Reichsfürsten: Die Namen dieser Fürsten wurden seit dem 15. Jahrhundert in den Reichssteuer- und Reichstagslisten geführt.
Ausgewählte Vertreter des reichsunmittelbaren Adels: Ihre Machtverhältnisse und ihr Einfluss auf den Reichstag variierten stark.
Reichsstädte: Viele Reichsstädte erlangten ebenfalls Reichsstandschaft und erhielten Sitz und Stimme auf den Reichstagen. Die Städte hatten dabei den Bauern den Rang abgelaufen, da letztere nur selten auf landständischen Versammlungen vertreten waren.
Reichstag und Landstände
Kurien auf dem Reichstag: Ab dem 16. Jahrhundert wurden die Beratungen auf den Reichstagen in drei getrennten Kurien geführt:
Erste Kurie: Kurfürsten
Zweite Kurie: Fürsten, Prälaten, Grafen und Edelfreie
Dritte Kurie: Reichsstädte
Landstände: In den Herrschaftsgebieten der Reichsfürsten bildeten sich Landstände, die auf den Landtagen Beratungen mit den Fürsten durchführten.
Institutionelle Bedeutung der Stände
Stände als Institution: Ab dem Spätmittelalter bezeichnete der Begriff „Stände“ nicht mehr nur soziale Großgruppen, sondern auch die institutionelle Teilhabe an der Herrschaft durch Vertreter aus Adel und Städten. Diese Vertreter waren jedoch nicht im modernen Sinne von Repräsentation und politischer Vertretung tätig, sondern setzten sich hauptsächlich für eigene Belange ein.
Verfestigung der Ständeordnung: Die politische Ständebildung führte zur Verfestigung der sozialen und rechtlichen Kohäsion der Großgruppen. Die Zugehörigkeit zu den Ständen war erblich, wodurch auch längst ausgestorbene Fürstenhäuser oder Orden nominell vertreten waren. Das Zeremoniell der Versammlungen trug zur schärferen Abgrenzung und Verstetigung von Standes- und Rangunterschieden bei.
Einfluss des Adels: Der weltliche Adel gewann durch den Prozess der Ständeordnung erheblich an sozialem und rechtlichem Profil. Nach Joseph Morsels provokanter These wurde der Adel erst im 15. Jahrhundert als korporativer, landsässiger und durch Geburt bestimmter Gesamt-Stand „erfunden.“
Frühe Neuzeit gesellschaftliche Veränderungen
Mit dem Ende des Mittelalters um das Jahr 1500 – je nachdem welche genauere zeitliche Abgrenzung gewählt wird – setzen die Historiker den Anfang einer neuen Epoche. Es handelt sich um die Frühe Neuzeit.
Sie ist eine Art Inkubationszeit der Moderne mit noch ‚alteuropäischen’ Lebens- und Gesellschaftsformen und gleichzeitig Elementen, die bereits in die Moderne weisen.
Als Ende der Frühen Neuzeit wird das Jahr 1789 mit der Französischen Revolution oder auch die Zeit um 1800 mit der politisch-industriellen Doppelrevolution nach der Definition von Hobsbawm gesetzt.
Einige Faktoren, die die Historiker von einer erneuten Epochenwende sprechen lassen, sind:
die voranschreitende Industrialisierung (Industrielle Revolution) und damit das Ende der agrarischen Basis
die Abkehr von der Ordnung durch Ungleichheit – nach der Definition von Oexle - der Übergang von einer ständisch gegliederten Gesellschaft zu einer Klassengesellschaft
die Prägung der neuen Epoche durch bürgerliche Ideen (Nationalismus, Idealismus, Liberalismus)
der rasante Aufschwung der Naturwissenschaften - der Machtverlust der Kirche und - der Fortschrittsglaube.
Durch diese Faktoren wird ein Umbruch sichtbar. Trotzdem muss man sich klarmachen, dass nicht alle Strukturen plötzlich verschwinden und dass die Situation regional große Unterschiede zeigt.
Erstarrung der ständischen Gesellschaft im Ancien Régime
Unveränderte soziale Hierarchie
Stabilität der Stände: Die ständische Fixierung, die sich im Spätmittelalter herausgebildet hatte, blieb bis zur Französischen Revolution weitgehend unverändert. Besonders an der Spitze der Gesellschaft, bei Adel und Klerus, blieb die herausgehobene Position erhalten.
Festigung der Privilegien: Adel und Klerus konnten ihre soziale Stellung durch die Verteidigung ihrer Privilegien wie Steuerfreiheit und Herrschaftsrechte weiter festigen. Sie schotteten sich gegenüber dem Dritten Stand ab, etwa durch das Verbot „bürgerlicher“ Ehepartner.
Ökonomische Grundlage: Trotz des Reichtums, den Kaufleute und Gewerbetreibende erlangten, sicherten sich Adel und Klerus ihren Wohlstand durch umfangreichen Grundbesitz, der ihnen den größten Anteil an Vermögenswerten und Einkommensströmen sicherte.
Kulturelle Dominanz: Adel und Klerus bestimmten maßgeblich, was in Literatur, Bildender Kunst, Musik, Theater, Architektur und Gartenbau präsent war, da sie die Auftraggeber waren.
Veränderungen in den politischen Rahmenbedingungen
Stärkung der Zentralgewalt: Mit dem Aufstieg des modernen Staates und des fürstlichen Absolutismus wurde die politische Zentralgewalt des Königtums gestärkt. Dies geschah auf Kosten des Adels, dessen Einfluss als politische Vertretungskörperschaft sank.
Beispiel Frankreich: In Frankreich wurden die Generalstände letztmalig 1614 einberufen. Der König konnte seitdem ein stehendes Heer aufbauen, umfangreiche Kriege führen und eine Fachbürokratie einrichten, ohne die Stände zu konsultieren.
Veränderungen im Heiligen Römischen Reich
Machtverlust des Reichstags: Im Heiligen Römischen Reich büßten sowohl die Stände als auch der Herrscher ihre politische Rolle ein. Der König oder Kaiser und der Reichstag, der als ständisches Vertretungsorgan bestehen blieb, hatten nur noch symbolische Bedeutung. Souveräne Staaten bildeten sich auf Ebene der Territorien, wie in Preußen.
Beispiel Preußen: Ab 1701 konzentrierte sich die politische Macht in den Händen des Fürsten (ab 1701 König). Der Aufbau eines stehenden Heeres und einer Beamtenschaft führte zum Bedeutungsverlust der Landstände und zur politischen Entmündigung des Adels.
Politische Rolle des Adels im monarchischen Staat
Wachsender Einfluss als Funktionäre: Trotz der politischen Entmachtung behielt der Adel seinen Einfluss durch die Besetzung wichtiger Ämter in Diplomatie, Militär, Verwaltung und Kirche. Diese Positionen waren häufig nur für den Adel zugänglich, wobei auch bürgerliche Aufsteiger zu Adligen gemacht wurden.
Nobilitierung und Ämterkauf: In Frankreich konnten hohe Ämter, die einen Adelstitel verliehen, käuflich erworben werden. In Preußen und anderen Ländern wurden bürgerliche Aufsteiger in den Adelsstand erhoben, und das ordentliche Universitätsstudium wurde zur Voraussetzung für höhere Ämter.
Binnendifferenzierung des Adels: Innerhalb des Adels entstand eine Differenzierung zwischen Geburtsadel (noblesse d’épée) und Amtsadel (noblesse de robe). Der Geburtsadel bestand aus alteingesessenen Familien, während der Amtsadel auch aufstrebende Adelige umfasste.
Der Dritte Stand und seine soziale Rolle
Heterogenität des Dritten Standes: Der Dritte Stand blieb auch in der Frühen Neuzeit eine Sammelkategorie für all jene, die nicht in die höheren Stände aufsteigen konnten. Er wies jedoch eine deutliche Binnendifferenzierung nach Besitz, Bildung und Einkommen auf.
Ökonomische Potenz: Der Dritte Stand umfasste etwa 80-90 Prozent der Bevölkerung und übertraf in seiner ökonomischen Potenz den Adel und Klerus. Trotz seines ökonomischen Beitrags blieb ihm die politische Partizipation verwehrt.
Der Weg zur politischen Veränderung
Aufstieg des Dritten Standes: Gegen Ende des Ancien Régime konnte der Dritte Stand politisch in Erscheinung treten. Als der staatliche Bankrott drohte, wurden die Generalstände wieder einberufen.
Revolutionäre Entwicklungen: Im Mai 1789 erklärte sich der Dritte Stand zur Nationalversammlung, hob alle ständischen Vorrechte auf und verabschiedete die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Dies markierte das Ende der ständischen Gesellschaft und leitete eine neue Ära ein.
Klausurfrage chat gpt: Skizzieren Sie die wichtigsten Formen und Modelle der ständischen Gliederung der Gesellschaften in Alteuropa. Achten Sie dabei sowohl auf epochenübergreifende Gemeinsamkeiten als auch auf Epochen-spezifische Unterschiede.
Einleitung
Die ständische Gliederung der Gesellschaften in Alteuropa stellt ein zentraler Aspekt der politischen und sozialen Ordnung bis zur Moderne dar. Diese Struktur, die sich im Wesentlichen im Mittelalter herausbildete, behielt ihre prägende Wirkung bis zur Französischen Revolution und beeinflusste bis weit ins 19. Jahrhundert die soziale und politische Landschaft Europas. Der folgende Text skizziert die wesentlichen Formen und Modelle der ständischen Gesellschaftsordnung in Alteuropa, beleuchtet epochenübergreifende Gemeinsamkeiten und untersucht epochen-spezifische Unterschiede.
Die Grundstruktur der Ständegesellschaft
Im Wesentlichen beruhte die ständische Gliederung auf der Einteilung der Gesellschaft in klar definierte Gruppen oder Stände, die jeweils unterschiedliche Rechte, Pflichten und soziale Positionen innehatten. Diese Einteilung beruhte auf historischen und rechtlichen Traditionen und wurde durch religiöse und politische Vorstellungen gestützt.
Der Adel: Der Adel nahm in der ständischen Gesellschaft die höchste Position ein. Seine Macht und Privilegien waren durch Erbansprüche und oft durch königliche Verleihungen legitimiert. Der Adel verfügte über großen Grundbesitz und genoss Privilegien wie Steuerfreiheit und exklusive Herrschaftsrechte. Er war der Hauptträger der politischen Macht und prägte die kulturelle und soziale Landschaft.
Der Klerus: Der Klerus, insbesondere die hohen kirchlichen Würdenträger, hatte ebenfalls eine herausgehobene Position. Er war sowohl religiöser als auch gesellschaftlicher Führer und stellte eine bedeutende Machtressource dar. Die Kirche besaß umfangreiche Ländereien und hatte großen Einfluss auf Bildung und Kultur.
Der Dritte Stand: Der Dritte Stand umfasste alle anderen sozialen Gruppen, die nicht dem Adel oder Klerus angehörten. Dieser Stand war heterogen und reichte von wohlhabenden Kaufleuten und Handwerkern bis zu armen Bauern und Tagelöhnern. Trotz seiner großen Zahl und ökonomischen Bedeutung hatte der Dritte Stand in der politischen Ordnung lange Zeit wenig Einfluss.
Epochenübergreifende Gemeinsamkeiten
Unabhängig von den zeitlichen und geographischen Unterschieden zeigten sich in der ständischen Gesellschaft mehrere epochenübergreifende Gemeinsamkeiten:
Hierarchische Struktur: Die Gesellschaft war stets hierarchisch gegliedert, wobei die Hierarchie durch Geburt und Erbe bestimmt wurde. Der Adel und der Klerus standen an der Spitze, während der Dritte Stand die unterste Schicht bildete. Diese Struktur spiegelte sich in allen gesellschaftlichen Bereichen wider, von politischen Machtverhältnissen bis zu sozialen Normen und rechtlichen Regelungen.
Feudalismus und Grundbesitz: Der Grundbesitz war ein zentrales Element der ständischen Gesellschaft, das den Reichtum und die Macht des Adels und Klerus sicherte. Die feudalen Beziehungen zwischen Grundbesitzern und abhängigen Bauern bildeten die ökonomische Basis der ständischen Gesellschaft.
Rechtliche Privilegien: Sowohl Adel als auch Klerus genossen spezielle rechtliche Privilegien, die ihre gesellschaftliche Stellung festigten. Steuerfreiheit, exklusive Herrschaftsrechte und das Recht auf bestimmte Ämter und Positionen waren typische Privilegien der oberen Stände.
Epochen-spezifische Unterschiede
Obwohl es grundlegende Gemeinsamkeiten gab, unterschieden sich die ständischen Systeme in den verschiedenen Epochen und Regionen erheblich. Diese Unterschiede sind besonders prägnant in den folgenden Bereichen:
Mittelalter: Im Mittelalter war die ständische Gliederung stark von feudalen Beziehungen geprägt. Der Adel dominierte die politische und soziale Ordnung, während der Klerus eine bedeutende, aber weniger umfassende Rolle spielte. Der Dritte Stand war vor allem durch die Rolle der Bauern und Handwerker geprägt, die unter der direkten Herrschaft des Adels standen.
Frühe Neuzeit: Mit dem Aufstieg des Absolutismus und der Konsolidierung des modernen Staates veränderten sich die politischen Rahmenbedingungen. Der absolute Monarch verstärkte seine Kontrolle über die Stände und reduzierte deren Einfluss. In Frankreich, zum Beispiel, wurden die Generalstände letztmalig 1614 einberufen, und der König konnte seine Macht ohne Rücksicht auf die Stände ausbauen. Im Heiligen Römischen Reich führte die Bildung souveräner Staaten auf der Ebene der Territorien zu einer ähnlichen Machtkonzentration in den Händen der Fürsten, was den Einfluss des Reichstags schwächte.
17. und 18. Jahrhundert: In dieser Zeit erlebte die ständische Gesellschaft weitere Veränderungen. Der Adel und der Klerus behielten ihre gesellschaftliche Dominanz, doch die politische Rolle des Adels wandelte sich. Die Positionen in Diplomatie, Militär und Verwaltung wurden zunehmend durch königliche Ernennungen besetzt. In Preußen und anderen Ländern stieg der Einfluss bürgerlicher Aufsteiger, die durch königliche Gunst in den Adelsstand erhoben wurden. Auch die Praxis der Ämterkäuflichkeit in Frankreich und die Förderung bürgerlicher Beamter in Österreich verdeutlichen diese Entwicklungen.
Der Weg zur Französischen Revolution: Gegen Ende des Ancien Régime gelang es dem Dritten Stand, politisch in Erscheinung zu treten. Als die Generalstände 1789 einberufen wurden, erklärte sich der Dritte Stand zur Nationalversammlung und schaffte die ständische Ordnung ab. Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 markierte das Ende der ständischen Gesellschaft und leitete die Ära der modernen Nationalstaaten ein.
Fazit
Die ständische Gliederung der Gesellschaften in Alteuropa war durch eine klare hierarchische Struktur geprägt, die die sozialen und politischen Beziehungen lange Zeit bestimmte. Obwohl die Grundstruktur in verschiedenen Epochen weitgehend konstant blieb, variierte die spezifische Ausgestaltung je nach Zeit und Region erheblich. Die Veränderungen im politischen System, insbesondere die Stärkung der Zentralgewalt und der Aufstieg des Bürgertums, führten schließlich zur Auflösung der ständischen Gesellschaft und ebneten den Weg für moderne politische und soziale Strukturen.
Stand, Ständemodell, moderne Forschung
Stand = soziale Realität Alteuropa, diese waren ständisch gegliedert
Begriff Stand bzw. ordo wurde bereits in Alteuropa in sog. Ständemodellen, also Reflexionen über Gesellschaft verwendet von der schriftkundigen Elite
wollte ständische Gliederung als gottgewollt verkaufen
Zuletzt geändertvor 4 Monaten