Bloße Konkurrenz zwischen Glück und Moral
Das Streben nach Glück als universelles menschliches Ziel
Glück als grundlegendes menschliches Bedürfnis: Jeder Mensch strebt nach Glück, unabhängig von den unterschiedlichen Auffassungen, was Glück genau bedeutet. Ob es sich dabei um das Verständnis von Freud handelt, der Glück als die Befriedigung aufgestauter Gefühle ansieht, oder um Kants Auffassung von Glück als die „Befriedigung aller unserer Neigungen“, oder um die ältere philosophische Tradition, die Glück als ein gelungenes Leben definiert – das Streben danach ist universell und bedarf keiner äußeren Gebote oder Verbote.
Selbstinteresse und Glück: Das Streben nach Glück liegt im Selbstinteresse jedes Menschen. Es ist die höchste Erfüllung aller persönlichen Interessen.
2. Moral und ihre Forderungen
Moral als Gegenpol zum Selbstinteresse: Moral hingegen beinhaltet Gebote und Verbote, die oft im Widerspruch zum Selbstinteresse stehen. Beispiele sind das Gebot, nicht zu lügen, selbst wenn man dadurch Nachteile erleidet, oder das Gebot, Bedürftigen zu helfen, auch wenn es einem selbst keinen Nutzen noch Spaß bringt.
Problemstellung: Was können dann Glück und Moral miteinander zu tun haben?
3. Widerspruch zwischen Glück und Moral
Kleist - Glück als natürlicher Wunsch: Nach Kleist bleibt trotz der moralischen Gebote das Streben nach Glück das natürliche Ziel des Menschen. Dieses Streben begleitet uns ein Leben lang, von den ersten kindlichen Gedanken bis ins hohe Alter.
Kants Sicht auf Glück: Auch Kant, der ein scharfer Kritiker der Verbindung von Glück und Moral ist, räumt ein, dass das Streben nach Glück ein unvermeidliches Bedürfnis jedes vernünftigen Wesens ist. Er sieht Glück jedoch nicht als etwas, das unmittelbar mit Moral verknüpft ist, sondern als ein Problem, das durch die menschliche Bedürftigkeit entsteht.
4. Kritik an der Verbindung von Glück und Moral
Kants Ablehnung des Glücksprinzips als Moralgrundlage: Kant kritisiert die Idee, das eigene Glück als Grundlage moralischen Handelns zu nehmen. Er hält dieses Prinzip für verwerflich, da es die Tugendhaftigkeit untergräbt und die Beweggründe zur Tugend mit denen zum Laster gleichsetzt. Für Kant ist es falsch, Moral auf das Streben nach Glück zu gründen, da Moral und Glück zwei grundlegend verschiedene Dinge sind.
5. Der Mensch als „Fehlkonstruktion“?
Zwischen Glücksstreben und Moral: Wenn das Streben nach Glück für jeden Menschen notwendig ist, die Moral aber fordert, dieses Streben teilweise aufzugeben, könnte man den Menschen als eine „Fehlkonstruktion“ betrachten. Denn er soll etwas tun (dem Glücksverlangen entsagen), das seiner Natur widerspricht.
Nachwirkung Kants auf die Philosophie: Da Kant die eigene Glückseligkeit als prinzip menschlichen Handelns als unvereinbar mit der Moral ansieht, hat das Glück in der nachkantischen Philosophie kaum noch als moralphilosophisches Thema eine Rolle gespielt.
Eudämonie in der antiken Philosophie
Prinzip der Eudämonie: In der antiken griechischen Philosophie galt „Eudämonie“, also das Streben nach Glück oder Glückseligkeit, als grundlegendes Prinzip der Ethik. Glück wurde als höchstes Ziel des menschlichen Lebens angesehen, das durch ein tugendhaftes Leben erreicht werden kann.
2. Kants Kritik am Eudämonismus
Ablehnung des Eudämonismus: Im Gegensatz zu den Griechen wurde der sogenannte Eudämonismus in der Neuzeit, insbesondere durch Immanuel Kant, stark kritisiert. Kant sah die Eudämonie als ungeeignetes Fundament für die Moral.
Autonomie statt Eudämonie: Kant führte eine „Revolution“ in der Moralphilosophie ein, indem er die Autonomie des Willens, also die Selbstbestimmung, als den Ursprung der Moral betrachtete. Dieser Wandel von der Eudämonie zur Autonomie führte zu einer Verschiebung des ethischen Diskurses: Die Frage nach einem glücklichen Leben trat in den Hintergrund, während das moralische „Sollen“ ins Zentrum rückte.
Philosophie der Pflicht: Anstelle der bisherigen Philosophie der Lebenskunst, die sich mit der Frage nach einem gelungenen Leben (Könnensethik) beschäftigte, trat eine Philosophie der Lebenspflicht (Deontologie), die sich mit den moralischen Pflichten und Geboten (Sollensethik) auseinandersetzte.
3. Die Folgen der moralphilosophischen Revolution
Eudämonie bleibt relevant: Trotz der Verschiebung in der Moralphilosophie wurde die Eudämonie durch die Betonung der Autonomie nicht vollständig verdrängt. Kant selbst erkannte, dass der Mensch als vernünftiges Wesen „mit Naturnotwendigkeit“ nach Glückseligkeit strebt. Er argumentierte jedoch in seiner wissenschaftstheoretischen These, dass objektiv gültige Aussagen über das Glück im Gegensatz zu moralischen Geboten nicht möglich seien.
Nihilismus im 19. Jahrhundert: Im 19. Jahrhundert erlebte Europa die Erfahrung des Nihilismus, die durch den Verlust traditioneller sittlich-politischer Grundsätze gekennzeichnet war. Dieser Nihilismus führte zu einem Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit, das in den Werken großer Denker wie Schopenhauer, Nietzsche und Dostojewski thematisiert wurde. Diese Phase des Nihilismus hatte vier Hauptphasen: Skepsis, Trotz, Klage und Nostalgie.
Skesis: Dasein ein Sinn?
Trotz: Camus Sinngebung des Sinnlosen Vorbild: Sisyphos
Klagephase: Beklagen des Sinnverlustes
Nostalgie: frühere Zeiten hatten es besser, weil sie noch ohne Skepsis auf einen Sinn vertrauten
4. Glück und Sozialstaat
Neues Märchen vom „Glück durch den Sozialstaat“: In der modernen Diskussion über das Glück hat sich eine neue Erzählung etabliert, die das alte Märchen von „Hans im Glück“ durch die Vorstellung ersetzt, dass der Sozialstaat das Glück bringen könne. Diese Sichtweise betont, dass das Glück nicht nur im Individuum selbst liegt, sondern auch von wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen abhängt. Allerdings besteht die Gefahr, dass dadurch ein Anspruchsdenken entsteht, bei dem die Verantwortung für das eigene Glück auf andere übertragen wird.
5. Ausnahmen in der Glücksethik
Saint-Just und der Utilitarismus: Trotz der dominanten kantischen Tradition, die Glück und Moral als sich ausschließende Prinzipien ansieht, gibt es Ausnahmen, wie Louis-Antoine-Léon Saint-Just in Frankreich, der das Glück als moralische Kategorie beibehielt. Auch der Utilitarismus fordert, dass alle Handlungen auf das Glück aller Betroffenen ausgerichtet sein sollten, obwohl er die Definition des Glücks weitgehend jedem Einzelnen überlässt. Somit ist in einem gewissen Sinne auch für den Utilitarismus das Glück kein zentraler Diskussionspunkt.
6. Rückblick auf die vorkantische Ethik
Glück als zentrales Thema: In der vorkantischen Philosophie war die Frage nach dem Glück zentral. Aristoteles und viele andere Philosophen vertraten die Ansicht, dass Glück ein fundamentales Prinzip der Ethik sei. Saint-Justs Behauptung, dass Glück ein neuer Gedanke in Europa sei, wird dadurch widerlegt.
Epikur: Verlangte Bemühung um die Glückseligkeit
Augustinus: Nennt als Ursache für das Philosophieren den Wunsch nach Glückseligkeit
Leibniz: Weisheit ist Wissenschaft der Glückseligkeit
Thomas von Aquin und Cicero
Normative Bedingungen des Glücks
1. Unterschiede zwischen Eudämonistischer und Imperativen-Ethik
Verbindlichkeit in der Ethik: Eine eudämonistische Ethik, die dem menschlichen Streben nach Glück verpflichtet ist, unterscheidet sich von einer Sollens- oder Imperativen-Ethik durch die Art der Verbindlichkeit, die sie fordert. Während die Imperativen-Ethik kategorische Gebote und Verbote aufstellt, bietet die eudämonistische Ethik Möglichkeiten und Chancen an, deren Verwirklichung zu einem gelungenen und lebenswerten Leben führen kann.
Objektebene vs. Metaebene: Der Unterschied zwischen Glücks- und Imperativen-Ethik bezieht sich auf die Objektebene (Typus der moralischen Verbindlichkeit) der Moralphilosophie. Auf der Metaebene, also der Art der philosophischen Argumentation, gibt es diesen Unterschied jedoch nicht. Aristoteles, der als Vertreter der Glücksethik gilt, hat in seiner „Nikomachischen Ethik“ eine letzte Rechtfertigung seines Prinzips des Glücks geliefert, das zwar nicht auf Kants „kategorischem Imperativ“ basiert, aber dennoch keine unbewiesene Voraussetzung ist. Sie basiert auf dem Glück.
2. Glück als philosophisches Prinzip bei Aristoteles
Philosophische Reflexion des Glücks: Das Glück ist bei Aristoteles das Ergebnis einer tiefgehenden philosophischen Reflexion. Er argumentiert, dass alles menschliche Handeln auf ein Ziel gerichtet ist und dass die letzte Erfüllung dieses Strebens im Glücks liegt, wie er es in seinen Begriffsbestimmungen des Glücks ausführt.
3. Normative Elemente in der klassischen Glücksphilosophie
Normativ-kritische Aspekte: Der Unterschied zwischen Glücks- und Imperativen-Ethik wird bei näherer Betrachtung auch auf der Objektebene weniger deutlich. In der klassischen Glücksphilosophie von Platon und Aristoteles gibt es ebenfalls normativ-kritische Elemente. Schon in der Antike neigten Menschen dazu, das Glück hauptsächlich in materiellen Gütern (wie Reichtum, Ehre, Macht, Schönheit) und körperlichen Genüssen zu suchen. Allerdings erkannte die Philosophie, dass die materiellen Güter dem Zufall unterworfen sind. Das Nachjagen schaffe oft Zwänge, die uns vom eigentlichen Glück abhalten können.
Beispiel bei Kleist: Großen dieser Erde und armen Tagelöhner
4. Unterschiedliche Begriffe von Glück
Glück trotz widriger Umstände: In der klassischen griechischen Philosophie wurde versucht Wege zu finden, die Menscen ein glückliches Leben ermöglichen, ohne vom Zufall abhängig zu sein.
Veränderung des Glücksbegriffes: Ältere Begriffe für Glücks wie “olbios”, was glücklich im Sinne von gesegnet oder reich bedeutet, wichen dem philosophischen Begriff der “eudaimonia”, was Glückseligkeit als Qualität eines gelungen, erfüllten Lebens bedeutet.
5. Rolle der natürlichen Antriebskräfte im menschlichen Streben nach Glück
Glück steht Menschen nicht von Geburt an offen.
Natürliche Bedürfnisse und Leidenschaften: Menschen haben von Geburt an natürliche Triebe, Bedürfnisse und Leidenschaften, die für ihr Überleben und letztlich auch für ein glückliches Leben notwendig sind. Dazu zählen Grundbedürfnisse wie Hunger, Durst, Schlaf, Geborgenheit sowie Ansätze von Leidenschaft wie Zorn. Erst später kommen andere Bedürfnisse und Leidenschaften wie Neid, Eifersucht, Antipathie oder Sympathie hinzu.
Antriebskräfte: Diese Antriebskräfte lenken den Menschen in bestimmte Richtungen und bringen Freude und Zufriedenheit, wenn sie erfüllt werden, oder Unlust und Schmerz, wenn sie verfehlt werden.
6. Herausforderung der Harmonie zwischen Antriebskräften
Konflikte zwischen Antriebskräften: Die natürlichen Antriebskräfte können in Konflikt miteinander stehen oder haben teilweise keinen inneren Zusammenhang, der eine harmonische Verwirklichung der verschiedenen Ziele eines Individuums oder einer Gemeinschaft garantiert. Ebenfalls tendieren sie dazu, auf das Konkrete und Angenehme im Moment fokussiert zu sein, ohne die langfristigen Folgen oder Nebenwirkungen zu berücksichtigen. Daher ist das Streben nach Glück bedroht, wenn man seinen augenblicklichen Impulsen ungefiltert folgt.
7. Vernünftiges Handeln und gelungene Existenz
Vernunft und Kontrolle: Ein Leben, das jedem Impuls der natürlichen Antriebskräfte folgt, ohne Überlegung und Kontrolle, widerspricht dem Ziel des Glücks. Dieser Menschen handelt im Widerspruch zu seinem Leitziel, dem Glück, und handelt demnach unvernünftig. Das Leben gelingt erst dann, wenn der Mensch sich von den unmittelbaren natürlichen Antriebskräften distanziert und nur solche Ziele verfolgt, die in Einklang miteinander stehen und so ein harmonisches, glückliches Leben ermöglichen.
8. Die Ordnung der natürlichen Antriebskräfte
Keine angeborene Ordnung: Die harmonische Ordnung der natürlichen Antriebskräfte ist dem Menschen nicht angeboren. Sie entwickelt sich nicht einfach durch biologische Prozesse oder Wachstum. Diese Ordnung, die die impulsiven und oft widersprüchlichen Antriebe des Menschen kontrolliert, muss durch einen längeren Lernprozess erworben werden.
Lernprozess und Übung: Dieser Lernprozess beginnt in der frühen Kindheit durch Fürsorge, Erziehung, Nachahmung, Lob und Tadel. Später, im Erwachsenenalter, beinhaltet er Elemente der Selbsterziehung. Durch kontinuierliche Übung wird die Vernunft zur dominierenden Kraft, die diese Antriebskräfte ordnet und die richtige Balance zwischen Lust und Schmerz, Vorsicht und Zuversicht, etc. findet. Diese geordnete Struktur der Antriebskräfte wird dann zu einer stabilen Grundhaltung.
9. Moralische Tugenden in der klassischen Moralphilosophie
Grundhaltung einer Person: In der klassischen Moralphilosophie werden diese Grundhaltungen einer Person “moralische Tugenden” genannt. Diese sind verbindlich für ein harmonisches und glückliches Leben.
Harmonie von Fähigkeiten und Interessen: Ein Mensch wird dann glücklich, wenn er Pläne verfolgt, die seine verschiedenen Fähigkeiten und Interessen harmonisch erfüllen, und wenn er in diesen Plänen Fortschritte macht. Ein glückliches Leben bedeutet, das zu tun, was man gerne und gut tut, und es so vollkommen wie möglich auszuführen.
10. Vielfalt der Lebensformen und Lebensstrategien
Verschiedene Lebensformen: Menschen unterscheiden sich in ihren Begabungen, Interessen, ihrer Erziehung und ihren Erfahrungen. Daher können sie das Glück nicht in einer einzigen Lebensform finden. Es gibt eine Vielzahl von Lebensformen oder Lebensstrategien, die Glück versprechen.
Philosophische Überlegungen und Relativismus: Eine gründliche philosophische Überlegung lässt diese Vielfalt der Lebensformen jedoch nicht in Relativismus ausarten. Es wird gefragt, was die „wahre“ oder „eigentliche“ Fähigkeit des Menschen ist, und seit den Anfängen der Philosophie lautet die Antwort: Sprach- und Vernunftbegabung.
11. Die Bedeutung von Sprach- und Vernunftbegabung
Natürliche Neugier: Die Sprach- und Vernunftbegabung des Menschen zeigt sich in der natürlichen Neugier, die schon bei Säuglingen vorhanden ist und sich im Laufe der Kindheit und Jugend weiterentwickelt. Diese Neugier und Wissbegierde kann auf die Notwendigkeiten des Lebens gerichtet sein, aber auch um ihrer selbst willen entwickelt werden.
Neugier gerichtet auf Notwendigkeiten des Lebens: Verletzt die eigentliche Bedingung des Glücks, den Selbstzweckcharakter.
Aufsteigende Wissensformen: Die Entfaltung der Sprach- und Vernunftbegabung zeigt sich in einer aufsteigenden Reihe von Wissensformen. Sie beginnt mit der Wahrnehmung des Einzelnen und Momentanen, führt über Erinnerung und Erfahrung zur Erforschung grundlegender Strukturen und Prinzipien, wie sie in der Wissenschaft und Philosophie erarbeitet werden.
12. Die theoretische Existenz und die moralisch-politische Existenz
Theoretische Lebensform: Die Philosophie fordert den Menschen auf, eine theoretische Existenz zu führen, d.h., sich der kontemplativen Wissenschaft und Philosophie zu widmen. Dabei strebt der Mensch seine Sonderstellung in der Natur an, die in seiner Sprach- und Vernunftbegabung liegt, und erreicht dadurch eine Form der Selbstverwirklichung.
Grenzen der theoretischen Lebensform: Allerdings können oder wollen nicht alle Menschen die erforderlichen intellektuellen Fähigkeiten für diese theoretische Lebensform entwickeln. Selbst Wissenschaftler und Philosophen haben Bedürfnisse und pflegen soziale Beziehungen, weshalb eine Ergänzung oder Alternative zur theoretischen Existenz notwendig ist.
13. Moralisch-politische Existenz als Ergänzung
Zweite Grundform des glücklichen Lebens: Neben der theoretischen Existenz gibt es die moralisch-politische Existenz, die sich auf die soziale Natur des Menschen konzentriert. Für die antiken Philosophen Platon und Aristoteles waren diese beiden Lebensformen (theoretische und moralisch-politische Existenz) die einzigen, die Glück versprechen.
Erweiterung der Möglichkeiten: Ein Blick in die Geschichte und die eigene Erfahrung zeigt jedoch, dass es viele weitere Möglichkeiten der Selbstverwirklichung gibt, wie etwa in der Religion, im Heldentum, in der Zivilcourage, als Arzt, Lehrer, Ingenieur oder Künstler. Jeder dieser Wege kann zur Selbstverwirklichung und damit zu einem glücklichen Leben führen.
Notwendigkeit der moralisch-politischen Existenz: Trotz der Vielfalt der Lebensformen bleibt die moralisch-politische Existenz eine notwendige Ergänzung für alle, da sie die Grundlage für ein harmonisches und glückliches Leben bildet.
Surrogate des Glücks und illusionäre Glückserwartungen
Mühe und Anstrengung: Der Prozess, eine Lebenshaltung zu entwickeln, die ein langfristiges Glück ermöglicht, ist mühsam und voller Herausforderungen. Diese Erziehung erfordert, dass sowohl die Erziehenden als auch die Heranwachsenden und Erwachsenen Frustration und Triebverzicht bewältigen.
Risiken des Scheiterns: Es ist nicht ungewöhnlich, dass dieser Prozess misslingt. Ursachen dafür können eine fehlerhafte frühkindliche Erziehung oder die Scheu vor den Anstrengungen der Selbsterziehung sein. Oft wird auch die Bedeutung der Selbsterziehung für das langfristige Glück unterschätzt oder ignoriert.
Natürlicher Wunsch nach Glück: Auch ohne eine gefestigte moralische Grundhaltung bleibt das Verlangen nach Glück bestehen. Menschen neigen dann dazu, den einfacheren Weg zu suchen, der oft in einem sofortigen Genuss besteht.
Chemische Beeinflussung als Abkürzung: Eine häufig gewählte "Abkürzung" zum Glück ist die chemische Beeinflussung des eigenen Organismus. Diese können unmittelbare Lustempfindungen hervorrufen und das Empfindungsleben so verändern, dass negative Gefühle unterdrückt werden.
Freud:
Intoxikation und ihre Mechanismen: Freud schreibet darüber, dass obwohl der genaue Mechanismus der Intoxikation unbekannt ist, ist es eine Tatsache, dass körperfremde Stoffe (Rauschmittel) sowohl Lustempfindungen erzeugen als auch Unlustgefühle abwehren können. Diese Doppelfunktion macht Rauschmittel attraktiv, aber auch gefährlich.
Abhängigkeit und Verlust von Ressourcen: Die Nutzung von Rauschmitteln zur Erreichung von Glück führt häufig zu Abhängigkeit. Diese Abhängigkeit verschlingt Ressourcen, die sonst zur Verbesserung des Lebens hätten genutzt werden können. Die Folge sind physische und psychische Schäden, die das eigentliche Ziel des Glücks zunichtemachen.
Das "Kater-Phänomen": Nach dem Abklingen der Wirkung von Rauschmitteln fühlt man sich oft noch schlechter als zuvor. Wer dauerhaft Glück durch chemische Mittel sucht, gerät in eine Spirale, die zu Sucht, körperlichem Verfall und der Zerstörung der Persönlichkeit führt.
Definition von Sucht: Sucht ist ein krankhaftes, unkontrollierbares Verhalten, das auf übermäßigen Lustgewinn ausgerichtet ist und andere Lebensbereiche verdrängt. Jede Art menschlichen Handelns kann süchtig machen, wenn sie zur übersteigerten Lustbefriedigung dient.
Spielsucht, Fernsehsucht, Arbeitswut, Herrschsucht, Freßsucht
Engerer Sinn von Sucht: missbräuchliche Konsum von Genussmitteln und Stimulanzien wie Alkohol, Drogen, Nikotin und Medikamente.
Gefährliche Surrogate: Rauschmittel sind gefährliche Ersatzmittel (Surrogate), die nicht zum echten Glück führen. Aber auch weniger gefährliche Surrogate, wie illusionäre Glückserwartungen, können das Streben nach echtem Glück untergraben.
Illusionäre Glückserwartungen: Das Streben nach Glück kann durch falsche Vorstellungen und Illusionen getrübt werden. Kleine Illusionen, wie das unrealistische Streben nach einem bestimmten Beruf, oder größere Illusionen, wie das Vertrauen auf falsche Lebensstrategien, die das Selbstzweckprinzip verletzen, führen letztlich zu Enttäuschung.
Verbindlichkeiten im Leben: Das Leben besteht aus verschiedenen Verbindlichkeitsstufen, wobei eine Gefahr darin besteht, dass niedrige Verbindlichkeiten sich absolut setzen oder als Höhere ausgegeben werden. Dies nennt man Verschiebungsgefahr.
Gefahr der Überbewertung: Instrumentale Normen wie Sparsamkeit, Pünktlichkeit oder Fleiß können so überbewertet werden, sodass sie wichtige Tugenden wie Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft oder Tapferkeit verdrängen.
Vermeidung der Perversion: Unter dem Aspekt eines glücklichen Lebens kann die Verschiebungsgefahr zu einer Perversionsgefahr führen, die vermieden werden sollte. Ziele, die als Zwischenziele sinnvoll sind, dürfen nicht als Endziele betrachtet werden, um die Chance auf das wahre Glück nicht zu verlieren.
Perversionsgefahr: Manche Lebensstrategien verfallen der „Perversionsgefahr“, bei der ursprünglich sinnvolle Ziele in falsche Endziele umgewandelt werden. Beispiele dafür sind das unermüdliche Streben nach Konsum oder Macht, die letztlich nur Ersatz für echte Lebensziele darstellen und deshalb als Surrogate bezeichnet werden.
Konsum und Macht als Surrogate: Konsum und Macht sind keine tragfähigen Lebenssinn-Quellen. Wer sein Lebensglück ausschließlich in ihnen sucht, verfängt sich in einer Illusion und verfehlt damit das eigentliche Ziel eines sinnerfüllten Lebens.
2. Systematische Ordnung der illusionären Glückserwartungen
Illusion des Genusslebens: Eine der radikalsten Illusionen ist das Streben nach einem Leben, das allein auf Genuss (bios apolaustikos) ausgerichtet ist. Diese Lebensstrategie wurde bereits in der Antike von Philosophen wie Platon und Aristoteles kritisiert.
Kritik am Genussleben:
Kein Askese-Ideal: Die Kritik am Genussleben ist keine Verteidigung von Askese, sondern eine Warnung vor der Verabsolutierung des Genusses.
Konflikte der Antriebskräfte: Die natürlichen Antriebskräfte des Menschen, wie Hunger, Durst, Schlafbedürfnis, Sexualität, etc., können einander widersprechen, verkümmern oder ungehemmt wachsen. Ohne Kontrolle drohen sie zu dominieren und führen zur „Katerstimmung“, wo kurzfristige Freude langfristigem Unglück weicht.
Fehlender Bezug zum Gesamtleben: Wer nur den momentanen Impulsen folgt, verfehlt ein gelungenes Leben und handelt unvernünftig. Seine Bedürfnisse und Leidenschaften entwickeln ein Eigenleben, dem die Instanzen der Vernunft nichts entgegensetzen können. Aristoteles beschreibt dieses Verhalten als „sklavenartig“, da sich der Mensch den Trieben und Leidenschaften unterwirft.
3. Kritik am Streben nach Reichtum
Kapitalismus und Lebenssinn: Ein weiteres Ziel, das kritisiert wird, ist das ausschließlich auf Gelderwerb gerichtete Leben, wie es von Max Weber beschrieben wird. Auch hier wird die Kritik nicht moralisierend vorgetragen, sondern als moralphilosophische Auseinandersetzung.
Geld und Reichtum als Mittel, nicht als Zweck:
Aristoteles Ansicht zu Geld: Aristoteles betrachtet den Besitz äußerer Güter als Teil eines glücklichen Lebens. Denn sie ermöglichen die Tugend der Freigebigkeit.
Instrumentaler Charakter des Geldes: Geld und Reichtum sind Tauschmittel und haben keinen Selbstzweckcharakter. Sie dienen dem Tausch von anderen Gütern oder Dienstleistungen, haben somit einen instrumentellen Charakter. Sie sind notwendig, um das Leben zu erleichtern und Vorsorge zu treffen, aber sie sollten nicht zum Endziel werden.
Perversion des Reichtumstrebens: Wo Reichtum und Geld zum alleinigen Lebenszweck werden, führt dies zu einer Pervertierung, die ein sinnerfülltes Leben verhindert.
Gefahren des materiellen Glücksstrebens:
Abhängigkeit von Umständen: Das Streben nach materiellem Besitz macht den Menschen abhängig von äußeren Umständen. Diese Abhängigkeit erzeugt Zwänge und hindert oft an den eigentlichen Freuden des Lebens.
Materielle Güter als Glückschancen, nicht als Glück: Materielle Güter schaffen lediglich Voraussetzungen für Glück, aber sie garantieren es nicht. Man muss sie als Glückschancen erkennen und in persönliches Wohlbefinden umsetzen.
4. Kritik am Streben nach Macht
Machtstreben als Lebensstrategie: Eine dritte kritisierte Lebensstrategie ist das rastlose Streben nach Macht. Dieses Streben, das auch als Karrierestreben auftreten kann, wurde in der Antike weniger thematisiert, erlangte aber durch Philosophen der Neuzeit wie Thomas Hobbes an Bedeutung.
Hobbes' Sicht auf Macht:
Macht als Mittel zum Glück: Hobbe definiert das Machtstreben als notwendige Bedingung für das menschliche Glücksverlangen.
Kritik: Er wurde kritisiert, dass er einem Vorzrteil ausgesessen hätte. Er habe das rastlose Erwerbsstreben des frühneuzeitlochen Kapitalismus zu einer anthropologischen Konstante verzerrt.
Hobbes Machtbegriff: Für Hobbes ist Macht nicht selbst das Ziel, sondern ein Mittel, um zukünftige Bedürfnisse und Ängste zu bewältigen. Sie ist notwendig, weil der Mensch fähig ist in die Zukunft zu schauen. Sie dient sowohl dem Genuss von morgen als auch der Überwindung der heutigen Angst.
Unterscheidung von Reichtum und Macht: Reichtum allein gilt für Hobbes nicht als Macht, sondern erst dann, wenn er durch Freigiebigkeit in soziale Beziehungen umgewandelt wird.
Machtstreben und Vernunft
Breite Definition von Macht: Macht ist nicht unvernünftig, wenn sie nicht nur als ökonomische, soziale oder politische Macht verstanden wird, sondern auch Fähigkeiten wie Klugheit, emotionale Anpassungsfähigkeit und Verzichtsfähigkeit umfassen.
2. Spannung zwischen Zukunftsangst und anderen Bedürfnissen
Hobbes' Perspektive: Thomas Hobbes sieht das Streben nach Macht als Mittel zur Überwindung von Zukunftsangst. Diese Angst ist jedoch nur eine von vielen menschlichen Leidenschaften.
Gefahr der Verabsolutierung: Wenn die Zukunftsangst überbetont wird, kann sie die gegenwärtige Befriedigung anderer Bedürfnisse und Interessen gefährden.
3. Konflikt zwischen Gegenwart und Zukunft
Unvereinbarkeit von Glück: Das Glück von heute kann im Konflikt mit dem Glück von morgen stehen. Ein "vollkommenes Glück" scheint daher unmöglich zu sein, es sei denn, man entwickelt normativ ein „vernünftiges“ Begehren, das sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft berücksichtigt.
4. Notwendigkeit der Optimierung
Grenzen des Genuss- und Machtstrebens: Weder ein grenzenloses Streben nach Genuss noch ein unbegrenztes Machtstreben sind ratsam. Beide müssen optimiert werden:
Verzicht auf übermäßigen Genuss: Um zukünftigen Mangel zu vermeiden, sollte das gegenwärtige Genussstreben rational eingeschränkt werden.
Begrenzung des Machtstrebens: Das Machtstreben sollte so begrenzt werden, dass es nicht nur Mittel zur Überwindung von Angst schafft, also einen möglichen Genuss, sondern auch echten Genuss ermöglicht.
5. Philosophische Lebenskunst
Selbstverwirklichung und Gefahrenerkenntnis: Statt sich auf eine vollständige Kritik illusionärer Glückserwartungen zu konzentrieren, ist es wichtiger zu fragen, unter welchen Bedingungen der Mensch, insbesondere die Menschheit als Ganzes, Selbstverwirklichung erwarten kann.
Bestimmte Negation: Diese Bedingungen ergeben sich durch die Erkenntnis der Gefahren für die sittlich-politische Existenz, die Philosophen als „bestimmte Negation“ bezeichnen.
Besonnenheit und Gelassenheit
Sekundär: Abhängigkeit von äußeren Gütern und oberflächliche Befriedigung: Das Genussleben wird nicht primär wegen seiner Abhängigkeit von äußeren Gütern kritisiert. Der sinnliche Genuss bietet oft nur eine kurzfristige und oberflächliche Zufriedenheit.
Zwei Hauptkritikpunkte:
Pleonexia: Die tendenzielle Unersättlichkeit des Menschen, der immer mehr will.
Mangel an Überlegung: Das Fehlen von Reflexion und Selbstkontrolle im Genussleben.
Distanzierung von spontanen Antriebskräften: Um den Gefahren des Genusslebens zu entgehen, muss man sich von den spontanen und unmittelbaren Trieben distanzieren und diese kontrollieren.
Selbstkontrolle und Selbststeuerung: Diese Kontrolle erfordert ein bewusstes Verhältnis zu den eigenen Impulsen.
Doppelstrategie:
Verminderung der Glückserwartungen: Senkung der Erwartungen, um Enttäuschungen zu vermeiden.
Besonnenheit (Sophrosyne):
Steigerung der Glücksfähigkeit: Erhöhung der Fähigkeit, Glück zu empfinden, durch Selbstkontrolle.
Platon beschreibt dies als „Sich-selbst-überlegen-Sein“ oder auch als Besonnenheit, eine Form der Selbstkontrolle.
Grundhaltung der Besonnenheit: Besonnenheit wird erst dann erreicht, wenn Selbstkontrolle bzw. das Sich-selbst-überlegen- sein zu einer ständigen Charaktereigenschaft, einer Grundhaltung, geworden ist.
Tugendethik vs. Normenethik: Die Tugendethik, die auf Selbstkontrolle und Besonnenheit basiert, wird hier formuliert. Im Gegensatz zu einer Normenethik, die sich auf Gebote und Verbote stützt, richtet sich die Tugendethik gegen die Vorherrschaft einer Ethik moralischer Regeln.
Zusammenhang und Ordnung:
Verfolgung von Teil- und Einzelzielen, die zusammenhängend sind, eine Ordnung ergeben, um ein sinnerfülltes Leben zu ermöglichen.
Spontanreaktionen und sinnliche Freuden:
Besonnenheit betrifft alle spontanen Reaktionen, besonders aber den Umgang mit sinnlichen Freuden.
Selbstbeherrschung:
Angesichts menschlicher Pleonexie ist Selbstbeherrschung unerlässlich.
Griechisches Ideal des "mēden agan":
Besonnenheit rehabilitiert das Ideal des „Nichts im Übermaß“.
Keine Unterdrückung der Gefühle: Besonnenheit bedeutet nicht, ein bedürfnis- oder leidenschaftsloses Leben zu führen, das frei von Antrieben und Empfindungen ist.
Vermeidung von Extremem: Besonnenheit steht im Gegensatz sowohl zu maßlosen Begierden als auch zu völliger Gefühllosigkeit (Apathie).
Ziel: Eine harmonische Ordnung der natürlichen Antriebskräfte, ohne dass Vitalität, Sensibilität und Emotionalität kompromittiert werden.
Nicht angeboren: Besonnenheit ist keine natürliche Gabe und entwickelt sich auch nicht durch biologische Prozesse.
Langer Lernprozess: Sie wird durch einen langen Prozess des Einübens in richtiges Handeln erworben, der bereits in der frühen Kindheit beginnt.
Rolle der Erziehung: Fürsorge, Zuwendung, Lob und Tadel, Vorbilder und die Erfahrung des Scheiterns sind entscheidend für die Entwicklung von Besonnenheit.
Bedingung für Entwicklung: Selbst- und Weltvertrauen.
Entwicklungsstörungen bei Jugendlichen: In den USA und Europa kämpfen immer mehr Jugendliche mit Entwicklungsstörungen und Lebensschwierigkeiten, welche im späteren Leben zu Entscheidungsschwächen führen. Dies führt auch zu sinkenden Chancen auf ein sinnerfülltes Leben.
Notwendigkeit von Selbst- und Weltvertrauen: Um Besonnenheit zu entwickeln, brauchen junge Menschen Selbst- und Weltvertrauen, das ihnen hilft, Besonnenheit zu entwickeln und dadurch ihre natürlichen Antriebskräfte in eine vernünftige Ordnung zu bringen.
Allgemeinmenschliche Aufgabe und Gefahr: Obwohl die Pleonexie eine allgemeinmenschliche Gefahr und die Besonnenheit eine allgemeinmenschliche Aufgabe ist, liegt derzeit dennoch ein neues Maß an gesamtgesellschaftlicher, kollektiver Bedeutung vor.
Raubbau an Natur: Deswegen benötigt es heute nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Besonnenheit, die den ungehemmten Raubbau an der Natur bremsen kann.
Analogie und Selbstüberbeanspruchung: In Analogie dazu kann man in Anbetracht der persönlichen Perspektive auch von einem „Raubbau“ an den eigenen Ressourcen sprechen. Physische, psychische und intellektuelle Kräfte sind begrenzt.
Wie die Erde für zukünftige Generationen bewahrt werden muss, so müssen wir unsere Ressourcen für die Zukunft erhalten und uns nicht selbst überbeanspruchen.
Verlust an Muße: In der modernen Gesellschaft sind wir von einem Verlust an Muße bedroht, was uns die Zeit zum Nachdenken und für persönliche Beziehungen raubt.
Blaise Pascal und Sokrates: Pascale schrieb, dass alles Unglück daher kommt, dass Menschen nicht in Ruhe in einem Zimmer bleiben können. Nach Sokrates ist besonnen, wer darüber staunen kann wie viele Dinge er nicht benötigt.
Neue Besonnenheit: Es bedarf einer „neuen Besonnenheit“, die Widerstandsreserven aufbaut, wie die Fähigkeit, sich selbst Grenzen zu setzen und auch anderen gegenüber nein zu sagen.
Kräftefeld des Lebens: Das menschliche Leben wird stark durch äußere Natur- und Sozialvorgaben beeinflusst, die unser Handeln fremdbestimmen.
Anerkennung der Begrenzungen: Um ein gelingendes Leben in dieser Fremdbestimmung zu führen, ist es notwendig, die Dinge und Menschen in ihrer Eigenart anzuerkennen und sie sein zu lassen. Wer dies als Grundhaltung verinnerlicht verfügt über Gelassenheit.
Weder Ungeduld noch Schwäche: Gelassenheit bedeutet, sich nicht ungeduldig auf eine Situation stürzen zu wollen, sich aber ihr auch nicht willenlos zu unterwerfen.
Balance zwischen Aktivität und Passivität: Gelassenheit bedeutet die natürliche Welt, die Mitmenschen und die eigene Person anzunehmen, ohne sich dabei als freie und schöpferische Person aufzugeben. Gelassenheit ist Ausdruck der Ich-Stärke.
Das rechte Maß: Gelassenheit bedeutet den rechten Zeitpunkt des Handelns abzuwarten und das rechte Maß des Tuns einzuschätzen.
Reichtum und Macht: Gelassenheit hilft, Zwischenziele wie Reichtum und Macht nicht zu Endzwecken zu machen.
Ursprüngliches Sicherheitsverständnis: Sie erinnert an die ursprüngliche Bedeutung von Sicherheit (securitas), die auf einer unbekümmerten, sorgenfreien und furchtlosen Lebensweise basiert, ohne Fahrlässigkeit.
Bedeutung von Beziehungen: Für ein gelungenes Leben sind tragfähige persönliche Beziehungen wie Freundschaft, Liebe und Partnerschaft entscheidend.
Deshalb gehört zur Glücksfähigkeit auch die Fähigkeit zu tragfähigen personalen Beziehungen.
Diese Beziehung leben von gegenseitiger Akzeptanz und von Respekt. Von Zuwendung, aber dem Seinlassen der Andersheit.
Transzendenz des Selbstinteresses: Nach der Psalmist benötigt es die Befreiuung aus der Enge des eigenen Herzens. Diese Befreiung erfolgt aus einem aufgeklärten Selbstinteresse.
Vergessene Tugenden: Besonnenheit, Gelassenheit und Selbstvergessenheit sind in der modernen Moralphilosophie weniger präsent, obwohl sie in der ethischen Tradition stark verankert sind.
Zeitkritischer Einwand: Es könnte argumentiert werden, dass diese Tugenden nicht mehr den "Nerv der Zeit" treffen.
Sinnkrise vs. Sinngewinn: Unter “Sinnkrise” wird vielmals “Sinnverlust” verstanden. Jedoch statt eines "Sinnverlustes" könnte heute auch von einem "Sinngewinn" gsprochen werden, bedingt durch die Vielzahl an neuen Möglichkeiten für ein sinnerfülltes Leben.
conditio humana: Dieser Fülle an Sinnmöglichkeiten spiegelt die condotio humane wider, die Weltoffenheit und Multikonpetenz des Menschen.
Kosten des neuen Sinnreichtums:
Relativierung bisheriger Lebensformen: Die Sicherheit, in welcher Lebensform Sinn gefunden werden kann, wird erschüttert.
Unübersichtlichkeit und Entscheidungsnot: Die Vielfalt der Möglichkeiten führt zu Komplexität und Entscheidungsschwierigkeiten, was bei vielen Menschen eine Sehnsucht nach Einfachheit und „Sinn-Nostalgie“ auslöst. Diese folgt jedoch dem Lustprinzip und ist somit untauglich als Mittel gegen die Unübersichtlichkeit.
Erhöhte Anforderungen: Die höhere Komplexität der Möglichkeiten erhöht die Ansprüche an die Individuen, die nun mit einer komplexeren Sinnlandschaft umgehen müssen.
Nutzen-Kosten-Analyse und Nietzsche: Diese Chancen und Gefahren erfordern eine ständige Abwägung, wie Nietzsche es provokant ausdrückte: Der Mensch ist aufgrund seiner Fähigkeiten und Ambitionen gleichzeitig das kränkste und gefährdetste Wesen.
Neue Dimension der Sinnfähigkeit: Angesichts der neuen Herausforderungen braucht es Zukunftsfähigkeit, also Offenheit für neue Sinnperspektiven.
Kleine Offenheit: Nach Enttäuschungen (z. B. in Freundschaften) sollte man offen für neue Beziehungen bleiben.
Mittlere Offenheit: Man muss sich den lebensalterbedingten Veränderungen anpassen (z. B. Verliebtsein, beruflicher Erfolg, Elternschaft).
Große Offenheit: Erkenntnis, dass gewisse Sinnentwürfe (für Individuen, Generationen oder Gesellschaften) sich verbrauchen können und neue Sinnquellen gefunden werden müssen.
Krise als Teil des Lebens: Niemand ist immun gegen Sinnkrisen; sie sind Teil des Lebens und Ausdruck von Menschlichkeit.
Umgang mit Krisen: Es ist notwendig, Risiken einzugehen und mit Niedergeschlagenheit zu leben, ohne zu verzweifeln.
Neue Gelassenheit: Eine „große Gelassenheit“ ist erforderlich, um auch in schwierigen Zeiten Hoffnung zu bewahren.
Entwicklung von Hoffnung: Die Philosophie rät, die Fähigkeit zu entwickeln, auch in der Niedergeschlagenheit zur Hoffnung zurückzufinden, ähnlich wie in der mythologischen Figur des Sisyphos, der trotz aussichtsloser Lage immer wieder von Neuem beginnt.
Zur Reichweite des wohlverstandenen Selbstinteresses
Selbstüberwindung: Wie der Begriff der “moralischen Tugend” zeigt muss man für ein dauerhaftes Glück lernen, von der hemmungslosen Verfolgung eigener Interessen abzulassen.
Glück und Moral im Einklang: Diese Selbstüberwindung ist auch eine moralische Forderung. Glück und Moral stehen sich näher, als es zunächst den Anschein hat.
Einschränkung des Selbstinteresses: Moral erfordert, das natürliche Selbstinteresse im Sinne des Wohlergehens anderer Menschen einzuschränken.
Haltung des Wohlwollens in aufgeklärter Glücksphilosophie: Eine Haltung des Wohlwollens, die das Gute für andere um ihrer selbst willen anstrebt, kann auch dem eigenen Glück dienen. Zum Wesen des Menschen gehört die soziale Komponente. Es wurde bereits festgestellt das tragfähige soziale Beziehungen zum eigenen Glück beitragen. Diese Tragfähigkeit kann durch die Sicherstellung des Wohlergehens der Mitmenschen erreicht werden. Das Wohlergehen der anderen trägt also auch zum eigenen Wohlergehen bei. Zu einer aufgeklärten Glücksphilosophie gehört also auch eine Haltung des Wohlwollens.
Moderne Verflechtungen: In der heutigen Gesellschaft erstreckt sich der Handlungszusammenhang auf die ganze Menschheit, wodurch Solidarität eine globale Dimension erhält.
Abhängigkeit von anderen Regionen und Generationen: Wegen wirtschaftlicher, politischer und ökologischer Verflechtungen braucht es Solidarität mit fernen Regionen und zukünftigen Generationen.
Wirtschaft: Rohstoffquellen anderer Länder, ausländische Märkte
Politik: Überspringen von ausländischen Revolten
Künftige Generationen: Solidargemeinschaft: deutsches Rentensystem
Aristoteles: Bereits Aristoteles stellte diese Verknüpfung fest und behauptete die Abhängigkeit des Glücks von der der gesamten Polis, nicht nur vom engeren Freundes- und Familienkreis.
Umweltkrise als Beispiel: Die Umweltprobleme (Verschmutzung, Ressourcenverknappung) sind ein deutliches Beispiel dafür, wie ein enges und kurzsichtiges Selbstinteresse langfristige Schäden verursacht.
Weitsichtige Solidarität: Kurzfristiges Denken („Nach uns die Sintflut“) führt zu langfristigen Schäden, die durch eine solidarische und weitsichtige Haltung vermieden werden könnten.
Verlust der eudämonistischen Unschuld
Begrenzte Reichweite des Glücksprinzips
Soziale Dimension des Glücks: Das Prinzip Glück hat zwar eine normativ-kritische Kraft, die in soziale Zusammenhänge hineinwirkt, diese reicht aber nicht aus, um eine umfassende Solidarität mit allen Menschen und zukünftigen Generationen zu begründen.
Probleme bedrängen uns nicht so stark, dass sie das Glück gefährden.
Trotz Verknüpfung vom Wohlbefinden anderer und des eigenen ist eine parasitäre Haltung möglich, die den eigene Vorteil auf Kosten anderer zu vergrößern sucht.
Globale Verflechtungen werden häufig wirtschaftlich oder außenpolitisch gelöst.
2. Glück und moralisches Verhalten
Bedingte Einschränkung des Selbstinteresses: Während die Moral auffordert gegenüber den Mitmenschen grundsätzlich ehrlich und hilfsbereit zu sein, fordert das eigene Glück dies nur in bestimmten Fällen.
Gewissen als Maßstab: Wie es bereits Kleist beschreibt, kann das Gewissen moralisches Verhalten fördern.
Formbarkeit: Jedoch ist ein Gewissen auch formbar und kann beeinflusst werden, sodass es nicht immer ein zuverlässiger Indikator für moralisches Handeln ist.
Grundsätzlich prüft das Gewissen das beabsichtigte Handeln anhand der Grundüberzeugungen guten Handelns. Jedoch lässt es sich nicht ausschließen, dass wenn das ganze Leben auf das Glück gerichtet ist und das diese Richtung auch mit den psychischen, sozialen und kulturellen Einflüssen unterliegt, dann die Grundüberzeugungen für gutes Handeln sich vollständig mit den wohlverstandenen Selbstinteresse überschneiden.
3. Die Diskussion über den Zusammenhang von Moral und Glück
Platon: Platon behauptet, dass Moral (Gerechtigkeit) und Glück zusammenfallen. Diese Behauptung würde dazu führen, dass Glück und Unglück proportional zu Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit stehen.
Grenzen des Glücks: Jedoch zeigt die Erfahrung, dass nicht alles in der Reichweite sittlicher Entscheidungen liegt. Bereits Aristoteles argumentierte, dass Glück auch von äußeren Umständen abhängt, die nicht vollständig kontrolliert werden können, wie beispielsweise Krankheit oder Verlust.
4. Moralisches Handeln und Glück
Glück als natürlicher Lebenszweck: Da das Glück ein natürlicher Lebenszweck ist, kann die Moralphilosophie keine vollständige Entsagung vom Glück verlangen.
Radikale Selbstüberwindung: Da ein moralisches Leben nicht das gleiche Maß an Glück mit sich bringt, ist das Glücksverlangen auch kein ausreichendes Motiv für moralisches Handeln. Moral erfordert eine tiefere Selbstüberwindung, als es das wohlverstandene Selbstinteresse tut.
Kants Perspektive: Kant argumentiert, dass die Moral nicht dazu dient, uns glücklich zu machen, sondern uns würdig zu machen, Glück zu empfangen.
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