Wie ist das europäische Stromnetz aufgebaut?
Übertragungsnetz (Höchstspannung 220/380 kV; EU-Transportnetz, Verbundnetz)
Übertragung elektrischer Energie von Großkraftwerken zu den Abnahmeschwerpunkten in ganz Europa
Verteilnetz (Hochspannung 110 kV, Mittelspannung 30, 20, 10 kV, Niederspannung 0,4 kV (230 V))
Hochspannungsnetze übernehmen die regionale Elektrizitätsversorgung. Sie werden aus Umspannstationen oder mittleren Kraftwerken gespeist und versorgen Großindustrie, Städte sowie größere Versorgungsgebiete
Mittelspannungsnetze werden aus dem Hochspannungsnetz über Transformatoren und/oder Kleinkraftwerken gespeist und versorgen Industriebetriebe und Stadt und Landbezirke
Niederspannungsnetze versorgen Wohngebiete und Gewerbebetriebe bis zu einer Gesamtleistung von rd. 1 MW
Aus welchen Komponenten besteht das Stromnetz?
Leitungen:
Je nach Spannungsebene werden unterschiedliche Leitungen bzw. Kabel für die Übertragung und Verteilung eingesetzt. Hochspannungsleitungen (380 & 220 kV): erde stellt den Nullleiter da. Ober verläuft ein Schutzleiter gegen Blitzeinschläge, wegen der Gefahr von Lichtbögen Sicherheitsabstand zu Bäumen und Gebäuden nötig. Längenänderung durch thermische Ausdehnung muss eingeplant werden Hochspannungsleitungen (110 kV): führen mehrere Stromkreise über Phasen getrennte Kabel. In verschiedenen Bauarten möglich Mittelspannungsleitungen und -kabel: Drei Phasen in einem Kabel Niederspannungskabel: Drei Phasen plus Nullleiter
Umspannwerke:
Die verschiedenen Spannungsebenen sind über Umspannwerke miteinander gekoppelt in denen die Spannung entsprechend runter- bzw. hochtransformiert wird. Sie bestehen aus Leistungstransformatoren, schaltlagen so wie Mess- und Regeltechnik. Umspannwerke sind automatisiert und werden zentral gesteuert. Umspannung von mittel auf Niederspannung wird in kompakten Umspannstationen gemacht. Umspannwerke liegen oft nah an Kraftwerken. Für Fotos siehe Vorlesung
Haustechnik:
400 V Drehstromsteckdose: drei Phasen plus Nullleiter und Schutzleiter, nur bei Elektroherd o.Ä. 230 V Steckdose: eine Phase plus Nullleiter und Schutzleiter
Rahmenbedingungen für den Netzbetrieb: Wie verhält sich die Last früher und zukünftig?
früher: tabil und gut vorherzusagen
zukünftig: Stabil und gut vorherzusagen, aber zukünftig höhere Last und neue, bisher unbekannte Belastung durch Elektromobilität
Rahmenbedingungen für den Netzbetrieb: Wie verhält sich die Einspeisung früher und zukünftig?
Früher: Geringe dezentrale Einspeisung
Zukünftig: Hoher Anteil dezentraler Einspeisung, Photovoltaik mit starker Fluktuation Einspeisung kann lokale Last im Netzbereich überschreiten
Rahmenbedingungen für den Netzbetrieb: Wie verhalten sich die UMSPANNWERKE & TRANSFORMATOREN früher und zukünftig?
früher: Transformation von oben nach unten
zukünftig: Transformation in beide Richtungen
Rahmenbedingungen für den Netzbetrieb: Wie verhält sich die Messtechnik früher und zukünftig?
früher: keine/ wenig Sensorik und Messtechnik
zukünftig: Zustand in kritischen Netzpunkten oder auf Sammelschiene muss messtechnisch erfasst und zur Steuerung herangezogen werden
Rahmenbedingungen für den Netzbetrieb: Wie verhält sich die Kommunikation früher und zukünftig?
früher: keine Kommunikation
zukünftig: Messdaten aus dezentraler Erzeugung erforderlich zur Netzsteuerung
Welche Plichten hat der Netzbetreiber gemäß Energiewirtschaftsgesetz (EnEG)?
„Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist.“
• „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche“ leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas
• „Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas und der Sicherung eines langfristig angelegten leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen“
Welche Plichten hat der Netzbetreiber gemäß erneuerbare Energien Gesetz (EEG)?
unverzüglich vorrangigen Netzanschluss am nächstgelegenen Netzverknüpfungspunkt —> gesamtwirtschaftlich günstigster Netzverknüpfungspunkt
Netzanschluss darf nicht wegen fehlender Netzkapazitäten vom Netzbetreiber verweigert werden
unverzügliche und vorrangige Abnahme von EE-Strom
Optimierung, Verstärkung und Ausbau der Netze, wenn dies für EE erforderlich —> sofern dies wirtschaftlich zumutbar ist
Schadensersatz ggü. Anlagenbetreiber wenn Netzbetreiber seine Pflichten mit Absicht nicht erfüllt
Kosten der Optimierung, Verstärkung und des Ausbaus trägt der Netzbetreiber
Dürfen Netzbetreiber Erzeugung und last steuern?
Sofern die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems in der jeweiligen Regelzone gefährdet oder gestört ist, sind die Betreiber der Übertragungsnetze berechtigt und verpflichtet, die Gefährdung oder Störung zu beseitigen durch
• netzbezogene Maßnahmen, insbesondere durch Netzschaltungen,
• marktbezogene Maßnahmen, insbesondere durch den Einsatz von Regelenergie, vertraglich vereinbarte abschaltbare und zuschaltbare Lasten, Information über Engpässe und das Management von Engpässen sowie
• zusätzliche Reserven, insbesondere die Netzreserve nach § 13d und die Kapazitätsreserve nach § 13e.
—> Einsatz von Redispatchmaßnahmen (mit finanzieller Entschädigung für die Anlagenbetreiber) oder Reservekraftwerken
Wer kontrolliert die Netzbetreiber?
Regulierung durch die Bundesnetzagentur:
Energieregulierung = Überwachung der Betreiber von Energieversorgungsnetzen durch die Bundesnetzagentur und die Landesregulierungsbehörden
Ziel der Regulierung ist die Schaffung von Voraussetzungen für mehr Wettbewerb auf den Märkten für Energieerzeugung, Energiehandel und Energielieferungen
Welche Aufgaben hat die Bundesnetzagentur als die zentrale Regulierungsbehörde?
Genehmigung der Netzentgelte für die Durchleitung von Strom und Gas
Verhinderung bzw. Beseitigung von Hindernissen beim Zugang zu den Energieversorgungsnetzen für Lieferanten und Verbraucher
Standardisierung der Lieferantenwechselprozesse
Verbesserung von Netzanschlussbedingungen für neue Kraftwerke
—> Netzbetreiber werden von der BNetzA kontrolliert hinsichtlich des sicheren Netzbetriebs und des diskriminierungsfreien Netzzugangs, der Kosten und Renditen
Warum sind Netzentgelte regional unterschiedlich?
unterschiedliche Auslastung der Netze
Ansteigende Erzeugung in den unteren Spannungsebenen
Alter der Netze
Qualität der Netze
Integrationskosten EE
Kosten durch Netzausbau und Versorgungssicherheit (Redispatch, Reservekraftwerke)
im Netzgebiet aufgetretene Kosten für vermiedene Netzentgelte
—> Kosten für Bau, Betrieb und Instandhaltung der Stromnetze werden durch due Netzentgelte pro durchgeleiteter kWh gedeckt, Regulierung der Netzentgelte erfolgt durhc die BNetzA
Warum sehen sich die Netzbetreiber in einer neuen Rolle als „Systemdienstleiter“?
• Betriebsführung: Gewährleistung eines sicheren Betriebs des Gesamtsystems, alle angeschlossenen Erzeugungseinheiten und lasten überwachen und steuern, zunehmende Komplexität erhöht informations- und steuerbedarf
• Versorgungswiederaufbau: Wiederherstellung der Stromversorgung bei Blackouts, zentrales Konzept für das Hochfahren schwarzstartfähiger Großkraftwerke auf übertragungsnetzebene
• Frequenzhaltung: Stabilisierung der Netzfrequenz auf die Sollfrequenz von 50 Hz durch Gleichgewichtshaltung von Erzeugung und Verbrauch —> hierfür sind ÜNB zuständig
• Spannungshaltung: Spannung muss auf einem Bereich von +/- 10% der Nennspannung beim Endverbraucher gehalten werden. —> hierfür sind VNB zuständig
Durch die Veränderung in der Erzeugung haben diese Aufgabenbereiche an Umfang gewonnen.
Welche Verantwortung haben welche Netzbetreiber?
EnWG §11: „Betreiber von Energieversorgungsnetzen sind verpflichtet, ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben, zu warten und bedarfsgerecht zu optimieren, zu verstärken und auszubauen, soweit es wirtschaftlich zumutbar ist.“
• ÜNB
o Überregionale Energieverteilung (Hoch- und Höchstspannung)
o Grenzüberschreitender Stromtransport (europäisches Verbundnetz ENTSO-E)
o Frequenzhaltung / Halten des Leistungsgleichgewichts o Einsatz von Regelleistung
• VNB:
o Verteilung bis zum Verbraucher (hauptsächlich Mittel- und Niederspannung)
o Spannungshaltung
Was muss der Netzbetreiber tun, um das System im Gelichgewicht zu halten?
• Waage zwischen Verbrauch und Erzeugung muss im Gelichgewicht sein
o Erzeugung oder Verbrauch bei Abweichung anpassen
• Frequenz auf 50 Hz +-200mHz halten
• Einsatz von Regelenergie
Welche Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen können/ müssen Netzbetreiber ergreifen?
Redispatch
Reservekraftwerke
Einspeisemanagement
Anpassungsmanagement
Haben ÜNB und VNB die gleichen Aufgaben und Kontrollgrößen?
• ÜNB:
o Überregionale Energieverteilung (Hoch- und Höchstspannung) o Grenzüberschreitender Stromtransport (europäisches Verbundnetz ENTSO-E)
o Frequenzhaltung / Halten des Leistungsgleichgewichts
o Einsatz von Regelleistung
Warum ist die Frequenz eine wichtige Regelgröße?
Aus Netzbetreibersicht
• Sinkt die Netzfrequenz, arbeiten netzgekoppelte Maschinen langsamer – Kraftwerke laufen langsamer und erzeugen weniger Energie
• Umgekehrt laufen Netzgekoppelte Maschinen bei zu hoher Frequenz zu schnell und Kraftwerke produzieren zu viel Energie
• Netz-Trennung von Kraftwerken jeglicher Art bei zu hoher Abweichung von 50Hz
Aus Verbrauchersicht
• Netzfrequenzabhängige Prozesse verändern sich
o Motoren laufen zu schnell oder zu langsam
Ist die aktuelle Netzfrequenz in Lissabon genauso hoch wie in Warschau
Ja, Lissabon und Warschau liegen im Gleich Verbundnetz und haben daher die gleiche Frequenz
Ist die aktuelle Netzfrequenz in Köln genauso hoch wie in Moskau?
Nein,, Köln und Moskau hängen nicht am gleichen Verbundnetz und haben daher auch nicht immer die gleiche Frequenz
Wie können Sie die Netzfrequenz messen?
• http://www.netzfrequenzmessung.de/verlauf.htm
• Drehzahl netzgekoppelter Maschinen hängt direkt mit der Netzfrequenz zusammen
• Messung ist an jeder netzgekoppelten Steckdose möglich
Müssen die Netzbetreiber bei Frequenzänderungen aktiv werden?
Es gibt einen Totbereich von +/- 10mHz in welchen keine Anpassung erfolgt
• Wird 49,99 Hz unterschritten oder 50,01Hz überschritten Greift die Primärregelleistung unverzögert ein.
• Die ÜNB sind für die Einhaltung der Frequenz verantwortlich
Im Netz wird eine Frequenzsenkung / -erhöhung gemessen. Was bedeutet das?
• Erhöhung = Zu viel Strom im Netz/Zu wenig Leistung am Netz • Senkung = Zu wenig Strom im Netz/Zu viel Leistung am Netz
Wie muss dagegen gesteuert werden?
Einsatz von Regelenergie
o Positive Regelenergie bei Frequenzabsenkung
▪ Erhöhung von Kraftwerksleistung / Abschaltung von Lasten
▪ Bsp. Ausspeichern von Pumpspeichern
o Negativer Regelenergie bei Frequenzerhöhung
▪ Absenken von Kraftwerksleistung / Zuschalten von Lasten
▪ Bsp. Einschalten von Pumpenleistung
Warum muss dagegen gesteuert werden?
Zu starke Frequenzabweichung führt zur Netztrennung von Kraftwerken
o Blackout ist eine mögliche Folge
o Enorme Schänden können entstehen
Die europäischen Übertragungsnetzbetreiber haben sich im Rahmen von Kooperationsverträgen verpflichtet, das europäische Stromnetz gemeinsam abzusichern
Wozu dient Regelenergie?
Ausgleich von Ungleichgewichten zwischen Erzeugung und Verbrauch.
—> Regelleistung muss in beiden Richtungen verfügbar sein, positiv und negativ!
Wer managt den Einsatz von Regelenergie?
ÜNB zuständig für den Einsatz und die Ausschreibung von Regelenergie.
In welcher zeitlichen Reihenfolge werden welche Arten von Regelenergie eingesetzt?
Netzsystem besitzt eigene Trägheit (0 - 30 s)
-Momentanreserve: Rotationsenergie der Turbinen und Generatoren
-Netzselbstregeleffekt: Leistungsaufnahme direkt-gekoppelter Maschinen wird mit sinkender Frequenz geringer
-Rückgang dieser Effekte durch Rückbau von Kraftwerken und Einsatz von Frequenzwechselrichtern
Primärregelenergie (0 - 5 min)
-automatische vollständige Aktivierung innerhalb von 30 s
-Ausschreibung in Deutschland täglich für 1 Tag im voraus in 4h Blöcken, Mindestangebotsgröße 1 MW
Sekundärregelenergie (30 s - 15 min)
-vollständige Erbringung innerhalb von maximal 5 min
-Ausschreibung in Deutschland: täglich für 1 Tag im voraus in 4h Blöcken, Mindestangebotsgröße: 5 MW und 6x 4h Blöcke
Tertiärregelenergie/ Minutenreserve (15 min - 1h, mehrere Stunden bei mehreren Störungen)
-z.B. Start von Gasturbinen-Kraftwerken oder Änderung der Leistungsaufnahme industrieller Prozesse (abschaltbare Lasten)
-Ausschreibung in Deutschland: täglich (Vortag 10 Uhr), Mindestangebotsgröße 5 MW und 6x 4h Blöcke
Bilanzausgleich
Darf ein Netzbetreiber das Netz einfach so „ausschalten“?
Wenn ein Blackout droht, darf der Netzbetreiber Lasten abwerfen um einen Blackout zu verhindern. Zuvor müssen jedoch alle Maßnahmen wie der Einsatz von Regelenergie oder abschaltbare Lasten eingesetzt werden.
Was ist ein Blackout, was ist ein Brownout?
Brown-Out = gesteuerte Abschaltung
—> Kurzfristige Reduktion der Verbrauchsleistung oder nahezu kompletter Verzicht auf Strombezug ohne nachteilige Auswirkungen auf Produktionsprozess
Blackout = Folge von Netzüberlastungen und unvorhergesehenen Schadensfällen - ein letztes Mittel ist die Notabschaltung von Netzgebieten
Was sind abschaltbare Lasten und in welchem Umfang werden diese ausgeschrieben?
Abschaltbare Lasten sind Teil der Regelenergie geworden und werden von geeigneten Industriebetrieben angeboten
Pufferung des “Brownouts” im Unternehmen möglich durch Wärmespeicherung in Öfen, Kältespeicherung in Kühlhäusern, …
Aktivierung bei starkem Frequenzabfall
Vergütung über Leistungspreis, der aus Ausschreibung ermittelt wurde
allerdings gelten hier auch die Anforderungen der Mindestgröße, Präqualifikation etc.
Verordnung für Abschaltbare Lasten ist Juni 2022 ausgelaufen, abschaltbare Lasten sind jetzt in §13 EnWG integriert
Welche Maßnahmen können VNBs zur Spannunghaltung treffen?
Netzausbau
Regelung der Blindleistung (PV)
Regelbarer Ortsnetztrafo
Netzregler (Längsregler)
Inwiefern sind normale Ortsnetztransformatoren (ONT) regelbar?
Konventionelle ONT sind nicht Regelbar und haben ein starres Übersetzungsverhältnis
Wie erfolgt eine Umrüstung auf regelbare Ortnetztrafos?
RONT bestehen aus Transformator, Regler und Laststufenschalter zur Einstellung der Spannung unter Last ohne Versorgungsunterbrechung
—> Übersetzungsverhältnis wird durch den Laststufenschalter im RONT im laufenden Betrieb durch Veränderung der (ganzzahligen) Windungszahl per Schrittmotor verändert
Was muss bei der technischen Umrüstung auf RONT beachtet werden?
• RONT sollten in bestehende Ortsnetzstationen passen und daher nicht größer als normale, bereits vorhandene Transformatoren sein
• Wartungsfreier Betrieb über mehrere Jahre/Jahrzehnte
• Automatischer Betrieb mittels Messwerten aus lokalem Netz möglich, oder Fernsteuerung von Netzwarte
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