Schriftspracherwerb und Schreibentwicklung
Zwei Hauptfelder der Forschung
Die Forschung zur Entwicklung von Schreibfähigkeiten gliedert sich aus forschungspraktischen Gründen in zwei Hauptfelder:
Vorstufen des Schreibens und Erstschreiben:
Im angelsächsischen Raum als „Emergent Literacy“ bezeichnet.
Im deutschsprachigen Raum spricht man von „Schriftspracherwerb“.
Schreibentwicklung:
Umfasst die Entwicklung textorientierter Handlungs- und Ausdrucksfähigkeiten.
Emergent Literacy und Schriftspracherwerb:
Umfasst Kompetenzen für graphemisch-orthographische, visuelle und motorische Kontrolle des Schreibens.
Starker Einfluss durch spezifische Bedingungen des Schriftsystems und der Orthographie.
Begriffliche Abgrenzung und Forschungspraxis
Es gibt eine sinnvolle Abgrenzung zwischen „Schriftspracherwerb“ und „Schreibentwicklung“:
Schriftspracherwerb bezieht sich auf das Erlernen der grundlegenden Schreibfähigkeiten.
Schreibentwicklung bezieht sich auf die Entwicklung komplexerer, textbezogener Kompetenzen.
Die Zweiteilung in „Schriftspracherwerbsforschung“ und „Schreibentwicklungsforschung“ ist eher forschungspraktisch als theoretisch begründet.
Syntaktische, semantische und textuelle Interpretationen sind oft notwendig, um ortho-graphische Schreibleistungen angemessen einzuschätzen.
Konvergenz theoretischer Konzepte & Relevanz für die Aufsatzdidaktik
Konvergenz theoretischer Konzepte:
In jüngerer Zeit gibt es eine zunehmende Konvergenz zwischen Konzepten der Schriftspracherwerbs- und Schreibentwicklungsforschung.
Diese Annäherung wird im Kontext eines umfassenden Begriffs der Schreibhandlung betont.
· Relevanz für die Aufsatzdidaktik:
Theoretische Modelle zur textuellen Handlungskompetenz im Mittelschulunterricht (vgl. Fellke/Augst, 1989).
Integration von strukturellen und prozessualen Kompetenzen als Teil der umfassenden Schreibkompetenz.
Wissensbereiche und Kompetenzen
Schreibentwicklung umfasst verschiedene Wissensbereiche, darunter:
Sprachliches, enzyklopädisches Weltwissen.
Lexikalisches und syntaktisches Strukturwissen:
Entwicklung normativer Rahmenbedingungen und kommunikativer Werte (z. B. Objektivität, Aufrichtigkeit, Verständlichkeit).
Soziales Wissen:
Zusammenhang zwischen sozialem Wissen und Strukturwissen im Schreiben.
Makrostrukturelles, kommunikationsorientiertes Wissen:
Wissen über Kommunikationszwecke und Textfunktionen.
Praktisches Wissen:
Routinisiertes Wissen über Orthographie, Interpunktion und den Schreibprozess (literales Routinewissen).
· Wechselbeziehung der Wissensbestände:
Entwicklung von Weltwissen, sozialem Wissen und Strukturwissen im Schreiben stehen in enger Wechselbeziehung.
Schreiben fördert die bewusste Kontrolle der Textproduktion in all ihren Dimensionen
Probleme der begrifflichen Bestimmung von „Schreibentwicklung“
Fehlende Konsolidierung des Begriffs „Schreibentwicklung“:
Im Gegensatz zum „Schriftspracherwerb“ ist der Begriff „Schreibentwicklung“ nicht terminologisch gefestigt.
Dies ist bedauerlich, da eine didaktische Alternative zur traditionellen Aufsatzerziehung eine klare und empirisch fundierte Modellierung der „Schreibentwicklung“ erfordert.
Theoretische Unklarheiten:
Unterschiedliche Ansichten, was unter „Schreibentwicklung“ zu verstehen ist, aufgrund von:
Reifung, Lernen oder Sozialisationsprozesse:
Die Einordnung als Reifung, Lernprozess oder Sozialisationsprozess beeinflusst, welche Disziplinen (Linguistik, Psychologie, Soziologie) in die Modellierung einbezogen werden müssen.
Unterschiedliche theoretische Konzepte:
Je nach Konzept erfordert dies unterschiedliche Modellierungen der Schreibkompetenz.
Probleme bei der Bestimmung des Verhältnisses von sprachlichen und entwicklungspsychologischen Faktoren:
Schwierigkeit, das Verhältnis zwischen sprachlich/textuellen Aneignungsprozessen und allgemeinen entwicklungspsychologischen Faktoren (z. B. Zunahme des Weltwissens, Entwicklung der Perspektivenübernahme) zu bestimmen.
Mündliche vs. schriftliche Modalität:
Unsicherheit darüber, ob die Schreibentwicklung eine Umstrukturierung vorhandener gesprochener Sprachkompetenzen darstellt oder den Erwerb einer eigenständigen sprachlichen Struktur erfordert.
Die Debatte über die Dependenz und Autonomie der geschriebenen Sprache ist zentral für die Definition von „Schreibentwicklung“.
Heterogenität der methodischen Herangehensweisen:
Unterschiedliche methodische Ansätze beeinflussen die Definition von „Schreibentwicklung“:
Strukturelle Analyse:
Traditionell wurde die Schreibentwicklung primär durch die Analyse von sprachlichen Strukturen (lexikalische, syntaktische, textuell-kommunikative Eigenschaften) untersucht.
Prozessorientierte Ansätze:
Seit den 1970er Jahren zunehmende Bedeutung prozessorientierter Schreibforschung.
Forderung nach theoretischer Integration struktureller und prozessualer Ansätze.
Positive Entwicklungen in der Forschung
Optimismus bezüglich der Konsolidierung des Begriffs „Schreibentwicklung“:
Zwei Hauptgründe für Optimismus:
Prozessorientierte Forschung:
Seit Mitte der 1970er Jahre entwickelte sich eine forschungsspezifische Differenzierung der Untersuchungsdesigns.
Problemorientiertes Handeln als theoretisches Konzept etablierte eine spezifische Modellierung der Schreibentwicklung.
Vielfalt der Methoden:
Die Vielfalt der entwickelten Methoden fördert die theoretische Konvergenz der Ergebnisse, statt sie zu behindern.
Integration von strukturellen und prozessualen Ansätzen:
Zunehmende Interpretation von Textstrukturen im Licht prozessualer Konzepte.
Strukturen von Texten werden als Spuren von Problemlösungsprozessen im Schreiben betrachtet.
Mangelnde Sensibilität rein prozessualer Ansätze für strukturelle Aspekte wird durch diese Konvergenz ausgeglichen.
Linguistische Strukturansätze werden sensibilisiert für die kognitiven und kommunikativen Prozesse hinter Texten.
Überblick über Forschungsbereiche zur Schreibentwicklung
Historische Differenzierung der Forschungsprobleme:
Der Text bietet einen Überblick über verschiedene Forschungsbereiche zur Schreibentwicklung.
Im nächsten Abschnitt werden empirische Forschungsergebnisse zur Entwicklung von Prozesskompetenzen im Schreiben vorgestellt.
Untersuchungstypen und Inhalte bisheriger Forschungen zur Schreibentwicklung
Drei Typen von Untersuchungen:
Nationalstudien:
Quantitativ umfassendste Untersuchungen mit großen Stichproben (z.B. National Child Development Study mit 16.000 Teilnehmern).
Ziel: Messung schulischer Leistungen und Zielvorgaben.
Beispiele: National Assessment of Educational Progress (NAEP) 1977, 1980.
Kritik: Oft unbefriedigende wissenschaftliche Qualität, geringe theoretische Explizitheit.
Deskriptive Untersuchungen mit mittlerer Stichprobengröße (ca. 500-1000):
Theoretisch motiviert, oft mit didaktischen Interessen.
Beispiele: Studien von Britton et al. (1975), Loban (1976), Augst/Faigel (1986), Schneuwly (1988).
Spezifische und phänomenologische Untersuchungen:
Erforschung spezieller Aspekte der Schreibkompetenz oder Fallstudien.
Beispiele: Studien von Bereiter/Scardamalia, Bissex (1980), Dyson (1985), Himley (1988).
Kritik: Genaue Detailinformationen, aber geringe Verallgemeinerbarkeit.
Fokussierung auf generalisierende und quantifizierende Ansätze:
Ergebnisse dieser Studien bieten wertvolle Modelle und Normen, auch wenn sie individuelle Entwicklungsverläufe nicht detailliert abbilden können.
Wichtige Schwerpunkte der Schreibentwicklungsforschung
Drei zentrale Schwerpunkte:
Syntaktische Schreibfähigkeiten:
Dominierten die Forschung bis in die 1970er Jahre.
Fokus auf die Komplexität von Sätzen, Subordination und syntaktische Integration.
Textstrukturierung:
Untersuchung der Entwicklung von textuellen Strukturen und Mustern.
Schreibprozesskompetenzen:
Untersuchung der kognitiven und kommunikativen Prozesse beim Schreiben.
Entwicklung der Forschung zur syntaktischen Schreibfähigkeit:
Frühere Studien wie LaBrant (1933) konzentrierten sich auf die Subordination als Maß für syntaktische Komplexität.
Hunt (1965, 1970) zeigte, dass die syntaktische Komplexität ab 15-17 Jahren ein Plateau erreicht, während die Satzlänge weiter ansteigt.
Crowhurst/Piche (1979) und Rubin (1982) betonten die Abhängigkeit der syntaktischen Komplexität von der pragmatischen Situation (Adressat, Textsorte).
Verschiebung des Forschungsschwerpunktes
Von syntaktischen zu semantischen und pragmatischen Aspekten:
Ab den 1970er Jahren Verschiebung hin zur Untersuchung der semantischen und pragmatischen Struktur von Texten.
Der Text wird zur zentralen Einheit der wissenschaftlichen Modellierung des Sprachhandelns.
Bedeutung von Adressaten und kommunikativem Wissen:
Entwicklung textueller Kompetenz erfordert Berücksichtigung von Adressatenwissen, Weltwissen und emotionaler Beteiligung.
Ergebnisse der textorientierten Untersuchungen
Krisenhafte Entwicklungsprozesse:
Schreibentwicklung erfolgt nicht als Übernahme feststehender Textkategorien (z.B. Erzählung, Bericht), sondern als krisenhafter Prozess.
Entwicklung textueller Superstrukturen (z.B. Erzählung, Argumentation) konsolidiert sich erst im Verlauf.
Integration von Anforderungen im Schreiben:
Schreiber müssen persönliche Involviertheit, thematische Komplexität, formale Kohärenz und Adressatenerwartungen integrieren.
Textprobleme als Schreibprobleme:
Prozessorientierte Schreibforschung (ab Mitte der 1970er Jahre, USA) zeigt, dass Textprobleme als Schreibprobleme modellierbar sind.
Erhebliche didaktische Potenziale zur Förderung der Schreibfähigkeit werden durch diese Erkenntnisse sichtbar.
Die Entwicklung von Prozeßkompetenzen im Schreiben
Entwicklung der Schreibprozessforschung
Entstehung der Protokollanalysen:
Erste Protokollanalysen des Schreibprozesses Anfang der 1970er Jahre.
Ab etwa 1975 Fokuswechsel von Texten hin zur Untersuchung der Schreibprozesse, inspiriert durch kognitive Psychologie.
Kritik an der exklusiven Prozessforschung:
Frühe Prozessforschung betonte stark die Prozesse, vernachlässigte jedoch den kulturellen und textlichen Kontext.
Jüngere Ansätze versuchen eine Balance zwischen Prozessforschung und Textanalyse zu finden.
Bedeutung der Prozesskompetenzen:
Schreibkompetenz umfasst auch die Fähigkeit zur Problemlösung in Schreibprozessen.
Schreibprozesse werden als komplexe, lehr- und lernbare Teilhandlungen verstanden.
Planung und Überarbeitung als zentrale Prozesskompetenzen:
Planung und Überarbeitung sind wesentliche Bestandteile des Schreibprozesses.
Entwicklung dieser Fähigkeiten ist abhängig vom kulturellen und didaktischen Umfeld.
Entwicklung der Planungsfähigkeiten
Definition und Bedeutung der Planung:
Planung wird als konzeptuelle Vorbereitung zur Zielerreichung im Schreibprozess verstanden.
Planung erfolgt oft parallel zur Textproduktion, nicht nur in einer Vorbereitungsphase.
Empirische Erkenntnisse zur Planungsentwicklung:
Kinder unter 10 Jahren zeigen kaum Trennung zwischen Textproduktion und Planung.
Ab 10 Jahren erste Hinweise auf Planungsaktivitäten, die sich jedoch stark auf inhaltliche Aspekte konzentrieren.
Erst ab 14 Jahren klare Trennung von Planungsaktivitäten und Textproduktion.
Entwicklung von globaler Planung:
Jüngere Kinder planen lokal (z.B. einzelne Sätze oder Absätze).
Jugendliche und Erwachsene entwickeln globale Planungsfähigkeiten, die textübergreifende Strukturen berücksichtigen.
Trennung von content space und rhetorical space:
Unterscheidung zwischen inhaltlicher (content space) und kommunikativer (rhetorical space) Planung.
Jüngere Schreiber konzentrieren sich auf inhaltliche Probleme; erst später wird der kommunikative Raum berücksichtigt.
Methoden zur Untersuchung von Planungsfähigkeiten:
Analyse von Protokollen „lauten Denkens“, Notizen, Schreibpausen und Planungsverhalten.
Fortschritte in der Planungskompetenz zeigen sich in der Segmentierung und Abstraktion von Planungsprozessen.
Superstrukturen und Textplanung:
Kenntnisse von Textstrukturen (z.B. Erzählung, Argumentation) sind bereits früh vorhanden, jedoch oft unbewusst.
Jugendliche entwickeln eine bewusstere Nutzung und Reflexion von Textstrukturen.
Erste explizite Planungen:
Ab der Adoleszenz (ca. 18 Jahre) wird eine abstrakte Planung möglich, die sowohl inhaltliche als auch kommunikative Aspekte integriert.
Vorher dominiert die inhaltliche Planung, ohne klare Unterscheidung von globalen Textstrukturen.
Fazit zur Planungsentwicklung:
Globale Planungsfähigkeit entwickelt sich erst spät und erfordert umfassendes Wissen über Textstrukturen und kommuni
Entwicklung des Überarbeitens im Schreibprozess
Bedeutung des Überarbeitens:
Überarbeiten ist ein zentraler Faktor der Schreibkompetenz.
Es ist ein ständiger Prozess der Rückkopplung und Kontrolle während der Textproduktion.
Das Überarbeiten kann auch ohne äußerlich erkennbare Änderungen stattfinden, z.B. durch ständigen Abgleich des produzierten Textes mit dem Textziel.
Theoretische Modelle:
Hayes/Flower (1980): Überarbeiten ist neben Planen und Versprachlichen ein Subprozess des Monitoring.
Scardamalia/Bereiter (1983): Überarbeiten wird zum Synonym für die Schreibhandlung, da diese durch kontinuierliche Rückkopplung fortschreitet.
Wichtige Erkenntnisse zur Entwicklung des Überarbeitens:
Überarbeiten zeigt die Entwicklung des Schreibens, insbesondere durch die Art der Änderungen (Ersetzen, Streichen, Hinzufügen).
Unterschiede in der Überarbeitung hängen stark vom Alter und der Schreibentwicklung ab.
Entwicklungstrends des Überarbeitens:
Übergang von lokalem Überarbeiten (Orthografie, Wortwahl) zu inhaltsorientiertem und textbasiertem Überarbeiten.
Texte werden durch Überarbeiten mit zunehmendem Alter besser, was mit der wachsenden Fähigkeit zur Perspektivenübernahme zusammenhängt.
Empirische Untersuchungen:
NAEP-Berichte von 1977 und 1980 lieferten umfassende quantitative Daten, jedoch mangelte es an theoretischer Fundierung.
Einzeluntersuchungen bieten spezifischere Einsichten, z.B. Fallstudien und Protokollanalysen (z.B. Graves 1984).
Fallstudien und Beobachtungen:
Kinder zwischen 6 und 9 Jahren überarbeiten Texte nur bei externen Anreizen (z.B. Schreibkonferenzen).
Überarbeitungen in jungen Jahren beschränken sich oft auf das Hinzufügen von Informationen ohne strukturelle Änderungen des Textes.
Altersabhängige Entwicklung des Überarbeitens:
Bei jüngeren Kindern bleibt das Überarbeiten meist auf oberflächliche Änderungen beschränkt.
Ab etwa 14 Jahren entwickeln sich „reflective strategies“ und die Fähigkeit, Texte strukturell und inhaltlich zu verbessern.
Ergebnisse von Untersuchungen zum Überarbeitungsprozess:
Die Fähigkeit zur effektiven Überarbeitung entwickelt sich erst mit der Adoleszenz.
Jugendliche überarbeiten Texte oft lokal, ohne dass diese besser werden. Mangelndes Textstrukturwissen und die fehlende Fähigkeit zur abstrakten Repräsentation von Kommunikationszielen sind dabei hinderlich.
Peer-Interaktion als Einflussfaktor:
Untersuchungen zeigen, dass Peer-Gruppen Überarbeitungsprozesse verbessern können, indem sie eine externe Leserperspektive einbringen.
Ohne Peers bleibt das Überarbeiten oft lokal und ineffektiv.
Unterschiede zwischen unerfahrenen Schreibern und Experten:
Experten konzentrieren sich zu 65 % auf strukturelle Änderungen zur Verbesserung der Kohärenz, während unerfahrene Schreiber zu 88 % Oberflächenänderungen vornehmen.
Einfluss der Schreibbedingungen:
Schreibbedingungen und metakognitive Konzepte beeinflussen das Überarbeiten stark.
Untersuchungen zeigen, dass Anweisungen und spezifische Schreibaufgaben das Überarbeitungsverhalten signifikant beeinflussen können.
Herausforderungen beim Überarbeiten:
Viele junge Schreiber erkennen die Schwächen ihrer Texte nicht als strukturelle Probleme, was zu ineffektiven Überarbeitungen führt.
Eine wirksame Überarbeitung setzt die Fähigkeit zur Reflexion und das Verständnis von Textstrukturen voraus, die oft erst später entwickelt werden.
Fazit
Die Entwicklung der Überarbeitungskompetenzen ist ein komplexer Prozess, der stark von Alter, Erfahrung und den sozialen und kognitiven Bedingungen des Schreibens abhängt. Effektives Überarbeiten erfordert sowohl strukturelles Textwissen als auch die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme und Reflexion, die sich erst mit der Adoleszenz vollständig entwickelt.
Resumee und Versuch einer didaktischen Bewertung
Abgrenzung von Geniekonzept:
Schreibentwicklung kann nicht als etwas betrachtet werden, das „von selbst“ zum Schreibenkönnen führt, wie es das Geniekonzept nahelegt.
Das Diktum „Schreiben lernt man nur durch Schreiben“ ist zwar zutreffend, aber Schreiben allein genügt nicht.
Bedeutung der Randbedingungen:
Schreiben ist in viele kulturelle Randbedingungen eingebettet, die oft unkontrolliert und unreflektiert bleiben.
Diese Randbedingungen sollten kontrolliert und didaktisch gestaltet werden, um den Lernenden bessere Entwicklungschancen aufzuzeigen.
Forderungen für eine empirisch fundierte Schreibdidaktik:
Offenlegung eines klaren Schreibentwicklungsbegriffs.
Beschreibung von Schreibprozessen und -produkten, die sowohl verstehende als auch erklärende Perspektiven auf die Schreibprobleme der Lernenden eröffnen.
Organisation des Schreibens unter Bedingungen, die den Lernenden ihre Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen und verfügbar machen.
Ziel der Schreibdidaktik:
Das implizite und unbewusste Strukturbewusstsein, das Leser und Hörer von Texten besitzen, sollte auch den Schreibern zugänglich gemacht und bewusst gemacht werden.
Schreiben unter kontrollierten Bedingungen:
Untersuchungen zeigen, dass kontrollierte Schreibbedingungen ein erfolgversprechender Weg zu entfalteter Schreibfähigkeit sind.
Matsuhashi/Gordon (1985) beschreiben den Prozess als kulturell gelenkte Transformation von „knowing that“ zu „knowing how“.
Kritik an der Korrelation von externen Parametern:
Empirische Korrelationen zwischen Parametern wie Geschlecht, sozialer Status, Intelligenzquotient oder Lesehäufigkeit und Schreibfähigkeit tragen wenig zu einer Theorie der Schreibentwicklung bei.
Eine Theorie, die sich auch mit den prozessualen Bedingungen des Schreibens beschäftigt, kann hier wertvolle Einsichten liefern.
Für eine erfolgreiche Schreibdidaktik ist es entscheidend, die kulturellen Randbedingungen des Schreibens bewusst zu kontrollieren und didaktisch zu gestalten. Nur so können Lernende ihre Schreibfähigkeiten wirklich entwickeln. Eine empirisch fundierte Schreibdidaktik muss daher einen klaren Schreibentwicklungsbegriff formulieren, Schreibprozesse und -produkte verständlich beschreiben und das Strukturbewusstsein der Lernenden gezielt fördern.
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