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Tötung auf Verlangen - Lernerfolgskontrolle

DL
von Denise L.

Grenzen Sie Täterschaft und Teilnahme im Rahmen des § 216 StGB ab!


Die Problematik zur Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme im Rahmen des § 216 StGB resultiert aus der Tatsache, dass eine Teilnahme am Suizid mangels vorsätzlich rechtswidriger Haupttat straflos ist. Zwar nennt § 212 StGB nur „einen Menschen“ als Tatopfer. Gemeint ist damit aber ein „anderer Mensch“. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte sowie der Systematik der Tötungsdelikte. Sähe man dies anders, so würde nämlich die (versuchte) Selbsttötung einer erheblich höheren Strafdrohung unterliegen als die versuchte Tötung auf Verlangen, was einen nicht begründbaren Wertungswiderspruch bedeutete. Rechtsprechung und Literatur grenzen nach den Kriterien der Tatherrschaft und des Tatherrschaftswillens ab, wobei aber der Fall des § 216 StGB nach der Literatur gerade deshalb zumindest eine Akzentuierung erfordert, weil der Getötete sich durch das Tötungsverlangen dem fremden Willen unterwirft.


a) Rechtsprechung

Die Rechtsprechung grenzt die straflose Suizidteilnahme von der einverständlichen Fremdtötung mit Hilfe der Grundsätze der strafrechtlichen Teilnahmelehre ab. Ursprünglich wurde nach der

subjektiven Theorie auf den Willen, die Tat als eigene durchzuführen, abgestellt1. Diesem

Lösungsansatz hat der BGH im Rahmen des sogenannten „Gisela-Falles2“ den Rücken gekehrt und entscheidet nunmehr anhand objektiv-materieller Erwägungen. Für die Beantwortung der Frage, wer das zum Tode führende Geschehen als Täter beherrscht hat, ist nach Ansicht der Rechtsprechung der Gesamtplan der Tatbeteiligten maßgeblich. Im Einzelfall sei entscheidend, in welcher Art und Weise der Lebensmüde über sein Schicksal verfügt habe. Die Abgrenzung von Suizidteilnahme und Tötung auf Verlangen hänge maßgebend davon ab, ob sich der Sterbewillige in die Hand des anderen begeben habe oder ob er bis zuletzt frei über seinen Tod habe verfügen können. Soll der Beitrag eines Beteiligten nicht bis zum Eintritt des Erfolges willensgesteuert fortdauern, sondern nur die Ursachenreihe so in Gang setzen, dass nach seinem Vollzug dem anderen Beteiligten noch die volle Freiheit verbleibe, sich den Auswirkungen zu entziehen oder sie zu beenden, so liege nur Beihilfe zur Selbsttötung vor. Dies gelte auch dann, wenn sich der Tatbeitrag des Opfers allein in bloßer Passivität nach Handlungsvollzug des anderen erschöpfe.


b) Literatur

Auch die herrschende Lehre bewertet die Abgrenzung von einer täterschaftlich begangenen Tötung

auf Verlangen und einer straflosen Beihilfe zum Suizid ebenfalls mit Tatherrschaftserwägungen3. Im Detail werden die argumentativen Schwerpunkte aber abweichend von der Sichtweise der Rechtsprechung gesetzt. Hier ist insbesondere auf die von Roxin entwickelte Konzeption abzustellen.

Roxin grenzt die Suizidteilnahme von Taten nach § 216 StGB mit Hilfe materiell -objektiver Tatherrschaftskriterien ab. Insoweit soll allerdings die Mitbeherrschung eines Geschehensabschnitts im Ausführungsstadium, die normalerweise Tatherrschaft begründe, für die Annahme einer täterschaftlichen Tötung auf Verlangen nicht ausreichen. Vielmehr führe die Betrachtung des Gesamtgeschehens unter Berücksichtigung des Grundgedankens von § 216 StGB dazu, dass Fremdtötung nur dann vorliege, wenn der Mitwirkende den kritischen Moment, bis zu dem der Getötete sein Leben in eigenen Händen halte, beherrsche. Den entscheidenden Augenblick beschreibt Roxin als den Zeitpunkt, jenseits dessen ein Zurück nicht mehr möglich sei (point of no return). Suizid begehe, wer diese Grenzlinie, die beim Eintritt der Handlungsunfähigkeit erreicht sei, selbst überschreite. Maßgeblich ist danach, ob dem Getöteten nach dem letzten Tatbeitrag des Dritten noch die freie Entscheidung über Leben und Tod verbleibt. Tötung auf Verlangen liege vor, wenn das Opfer den Vollzug des letzten irreversiblen Geschehensaktes auf einen anderen abschiebe, wenn es sich über die zum Tode führende Schwelle von fremder Hand hinüber stoßen lasse.

Welche Besonderheiten ergeben sich beim Unterlassungsdelikt im Rahmen des § 216 StGB?


In Fällen der von einem Garanten unterlassenen Rettungshandlung nach Kontrollverlust seitens des Suizidenten stellt sich die Frage nach der Einstandspflicht.

Beispiel: A möchte aus dem Leben scheiden, seine Frau akzeptiert diesen Wunsch schweren Herzens. Nachdem A sich eine tödlich wirkende Tablettendosis verabreicht hat, fällt er in eine tiefe Bewusstlosigkeit, F erkennt dieses und zudem die Tatsache, dass das sofortige Herbeirufen eines Krankenwagens das Überleben des A sichern würde. Aus Respekt vor dem Wunsch des Mannes entschließt sie sich, nicht einzuschreiten.

a) Rechtsprechung

Tötung auf Verlangen kann nach der Rechtsprechung auch durch pflichtwidriges Unterlassen begangen werden, wenn das ausdrückliche, ernstliche und bestimmt wirkende Verlangen des Opfers an einen Garanten dahinging, seinen Tod nicht zu verhindern. Der Garant, der vom Suizidenten zunächst seiner Handlungspflicht entledigt worden war, wird wieder zur Handlung verpflichtet, sobald der Lebensmüde die Möglichkeit zur Beherrschung des Geschehensablaufes verliert, etwa, wenn er bewusstlos oder sonst handlungsunfähig wird. Dann geht die Handlungsherrschaft auf den Garanten über, der im Fall weiteren Unterlassens nicht mehr straflos Selbstmordbeihilfe leistet, sondern täterschaftlich durch Unterlassen tötet.


b) Herrschende Lehre

Gegen den Ansatz zur Tatbegehung des Garanten durch Unterlassen ab dem Zeitpunkt des Übergangs der Handlungsherrschaft vom Sterbewilligen auf den Garanten bestehen Bedenken, weil sie dem Willen des Suizidenten und der Unterordnung des Garanten unter diesen Willen kaum Rechnung trägt.

Die Rechtsprechung ist insoweit inkonsequent, da der Wille des Suizidenten beachtet wird, soweit dieser handlungs- und entscheidungsfähig ist. Dessen Wille wird aber ignoriert, sobald der Suizident die Handlungsherrschaft verliert. Dann soll die Rettungspflicht des Garanten aufleben.

Der Garant darf den Suizidenten in diesem Fall also etwa in die Bewusstlosigkeit hinübergleiten lassen, muss dann jedoch unverzüglich Gegenmaßnahmen er ergreifen und den Sterbewilligen entgegen dessen Willen weiter am Leben erhalten. Damit wird das Selbstbestimmungsrecht unterlaufen. Es könnte theoretisch dazu führen, in denen der reanimierte Sterbewillige wiederholt in den Zustand der Entscheidungsunfähigkeit unter Beachtung seines Willens entlassen werden könnte, dann aber jedes Mal wieder daraus hervorgeholt werden müsste.

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Denise L.

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