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Komparatistische Imagologie

AG
von Adele G.

Begriffbestimmungen

1. Komparatistische Imagologie

  • Spezialgebiet der Vergleichenden Literaturwissenschaft:

    • Gegenstand: Analyse von Fremd- und Selbstbildern in Literatur, Medien und Kultur.

    • Untersucht die Darstellung fremder Länder, Völker und Kulturen, die die Auffassung vom Eigenen widerspiegelt.

2. Images und Imagotypen

  • Beziehen sich auf Großgruppen oder Nationen.

    • „Image“ steht für eine historische Gesamtheit von Einzel- und Kollektivaussagen, die das komplexe Zusammenwirken von Vorstellungen über fremde Nationen widerspiegeln.

    • Sie sind durch Merkmalszuschreibungen geprägt (z.B. Aussehen, soziale Verhältnisse, Sitten, Religion).

    • Diese Zuschreibungen heben das Fremde gegenüber der autozentrierten Perspektive hervor und sind oft mit positiven oder negativen Urteilen verbunden.

3. Mehrdeutigkeit von Bildern und Imagotypen

  • Der Begriff der „Bilder“ oder „Imagotypen“ umfasst:

    • Nationalcharaktere, Mentalitäten, Stereotype, Vorurteile, Klischees, rhetorische Topoi und Darstellungsmuster.

  • Gemeinsame Merkmale:

    • Wiederkehr und Stabilität: Sie zeigen eine konstante inhaltliche Ausprägung.

    • Ihr Bedeutungsraum kann sich mit veränderten historischen und sozialen Bedingungen verschieben.

  • Unter literarischen Gesichtspunkten dienen sie der Traditionsbildung:

    • Sie sind ein Element sozialer oder kultureller Vorzeitigkeit in einer fiktiven Welt.

4. Auto- und Heterostereotype

  • Komparatistik untersucht die Wechselseitigkeit von Selbstbildern (Autostereotypen) und Fremdbildern (Heterostereotypen).

    • Kulturelle Konstruktionen: Es geht nicht um die Authentizität oder Wahrheit der Stereotype.

    • Diese Konstruktionen sind geprägt durch die Vorgaben und Konventionen des literarischen oder medialen Genres.

5. Vermeidung von Essentialisierungen

  • Bilder vom Anderen sollten als kulturelle Konstruktionen verstanden werden, um Essentialisierungen zu vermeiden.

    • Fehlerhafte Gleichsetzungen von individuellen Auffassungen und Verhaltensmustern mit kollektiven Identitäten können so vermieden werden.


Kurze Fachgeschichte der Komparatistischen Imagologie

1. Komparatistische Imagologie als interdisziplinäres Forschungsfeld

  • Die Imagologie bezieht Anthropologie, Ethnologie, Kulturgeschichte und Sozialpsychologie mit ein.

  • Sie hat Wurzeln in der Völkerpsychologie des 19. Jahrhunderts, die den „Volksgeist“ eines Volkes in Sprache, Religion, Kunst, etc. untersuchte.

  • Entwickelte sich in der französischen Literaturkritik des frühen 20. Jahrhunderts und wurde um 1950 in der Vergleichenden Literaturwissenschaft institutionalisiert.

2. Historische Entwicklung und zentrale Figuren

  • Jean-Marie Carré und Marius-François Guyard prägten die frühen Arbeiten mit einem oft „patriotisch“ gefärbten Blick auf Fremdwahrnehmungen, speziell das Bild der Deutschen in der französischen Literatur.

  • Daniel-Henri Pageaux führte die Imagologie weiter und entwickelte ein Programm zur Analyse kulturell konnotierter Bilder (Imagerie culturelle).

    • Diese Bilder entstehen aus dem Verhältnis zwischen dem Ich und dem Anderen, was in kollektive Beziehungen (Wir vs. Ihr) übertragen wird.

3. Weiterentwicklung und Institutionalisierung

  • Seit den 1960er Jahren entwickelte sich die Imagologie unter dem Einfluss von Migration und zunehmender Fremdheitserfahrungen.

    • Ziel: Verstehens- und Integrationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Ländern und Nationen zu erkunden.

  • Viele Studien analysierten Deutschland- und Frankreichbilder sowie andere nationale Bilder (England, Italien, Polen) in Literatur und Medien.

4. Das Aachener Programm

  • Manfred S. Fischer und Hugo Dyserinck entwickelten 1967 das „Aachener Programm“, welches einen kritisch-rationalistischen und ideologiekritischen Ansatz verfolgte.

    • Fokus: Untersuchung der Entstehung, Historie und Wirkung von nationenspezifischen Auto- und Heterostereotypen.

    • Es betonte eine stärker literaturwissenschaftliche Ausrichtung im Gegensatz zu den kulturhistorischen Ansätzen von Pageaux.

5. Ethnoimagologie

  • Dyserinck versuchte später, das Forschungsfeld durch den Begriff „Ethnoimagologie“ zu erweitern, wobei er an Ideen der Völkerpsychologie anknüpfte.

    • Dieser Ansatz konnte sich jedoch nicht durchsetzen, da alternative Forschungsfelder wie Interkulturalität, Postkoloniale Studien und die Hermeneutik des Fremden theoretisch präziser waren.

6. Wichtiges Zentrum in Amsterdam

  • In den späten 1980er Jahren etablierte Joep Leerssen in Amsterdam ein bedeutendes Zentrum der imagologischen Forschung.

    • Leerssen und Manfred Beller veröffentlichten 2007 ein umfassendes Handbuch zur Imagologie, das die kulturelle Konstruktion und literarische Repräsentation von Nationalcharakteren beleuchtet.

    • Das Handbuch umfasst Bilder von Ländern und Regionen (z.B. Afrika bis Türkei) und deckt verschiedene Textsorten wie Reiseberichte, Autobiografien, Filme und elektronische Medien ab.

7. Verbindung zur Stereotypenforschung

  • Die Imagologie knüpft stark an die sozialpsychologische Stereotypenforschung an, was die Begriffsbildung und Zielsetzung dieses Forschungsfeldes prägt.


Wurzeln in der sozialpsychologischen Stereotypenforschung

1. Definition von Stereotypen in der kognitiven Sozialpsychologie

  • Stereotype werden als verfestigte, schematische und objektiv oft unrichtige kognitive Formeln definiert.

    • Sie dienen als Entscheidungshilfe in der Bewältigung der Umwelt und ermöglichen eine schnelle Einordnung von Menschen und Situationen.

    • Sie sind zentral für die Umweltassimilation ins eigene Bezugssystem.

2. Stereotype als kognitive Formeln (Klaus Roth)

  • Roth beschreibt Stereotype als verfestigte Überzeugungen, die zur Lebensbewältigung beitragen, jedoch die Frage nach ihrer Richtigkeit ausschließt.

    • Sie funktionieren als Klassifizierungssystem, das unbekannte Menschen und neue Situationen mit Vertrautem vergleicht und so einordnet.

3. Wissensvorrat und soziale Erfahrung (Alfred Schütz und Thomas Luckmann)

  • In Begegnungssituationen wird ein „Wissensvorrat“ verwendet, der die gesammelte Erfahrung (soziales Wissen) über Motivationen, Handlungsmuster und Ausdrucksschemata enthält.

    • Dieser Vorgang verdeutlicht, wie Menschen in neuen Situationen auf frühere Erfahrungen zurückgreifen, um diese einzuordnen.

4. Funktionen von Stereotypen in der Literatur (Ruth Florack)

  • Florack hebt zwei Funktionen von Stereotypen in der Literatur hervor:

    • Kognitive Funktion: Stereotype vermitteln kulturelle Orientierungsmuster.

    • Appellative Funktion: Sie können für ideologisch-politische Zwecke genutzt werden.

      • Beispiel: Der Schriftsteller Ernst Moritz Arndt verwendete deutsch-französische Stereotype während der Napoleonischen Kriege, um Feindbilder zu verfestigen und patriotische Gefühle zu stärken (z.B. französische Raffinesse vs. deutsche Redlichkeit).


Grundannahmen und Ziele der komparatistischen Imagologie

Grundannahmen der komparatistischen Imagologie:

  1. Bilder in literarischen Texten:

    • Literarische Texte entwerfen Bilder von anderen Ländern und deren Völkern, wobei angenommen wird, dass diese Bilder kohärent sind, also zusammenhängend und widerspruchsfrei erscheinen.

  2. Kollektivvorstellungen durch Bilder:

    • Die Verwendung dieser Bilder durch einen Autor erlaubt Rückschlüsse auf die Kollektivvorstellungen über ein Land zu einer bestimmten Zeit oder über zeitliche Grenzen hinweg.

  3. Reziprokes Verhältnis von Fremd- und Selbstbildern:

    • Jedes Bild einer fremden Nation steht in einem wechselseitigen Verhältnis zu dem Bild, das über die eigene Nation existiert.

Ziele der komparatistischen Imagologie:

  • Untersuchung von Auto- und Hetero-Images (Selbst- und Fremdbilder) in der Literatur.

  • Erklärung der Genese und Wirkung dieser Bilder in Bezug auf ihre Historizität (Geschichtlichkeit) und ihre kontextuelle Gebundenheit.

  • Multinationale Wechselbeziehungen: Die Bilder eines Landes sind im Kontext von internationalen Wechselbeziehungen und ihrer Geschichtlichkeit zu analysieren.

Innovative Aspekte:

  • Es wird angenommen, dass die Funktionen von gleichbleibenden Stereotypen historisch wandelbar sind.

  • Die komparatistische Imagologie untersucht die Funktionen von Stereotypen im internationalen Literaturaustausch und ihr Verständnis sowie ihren Beitrag zum Zustandekommen nationaler Selbstbilder.

Ideologiekritik:

  • Die Aachener Schule verfolgt einen ideologiekritischen Ansatz bei der Analyse von nationalen Vorstellungsbildern.

    • Ziel ist die Entideologisierung dieser Bilder, indem sie im historischen und politischen Kontext rekonstruiert werden.

    • Dazu gehört die Aufdeckung von klimatheoretischen oder biologistischen Modellen als Image-Produzenten, die vermeintlich feststehende Nationalcharaktere prägen.

  • Langlebige Stereotype lassen sich jedoch nicht allein durch wissenschaftliche Aufklärung aus der Welt schaffen.

Forderung von Günther Blaicher:

  • Untersuchung der ästhetischen Funktionen von Stereotypen:

    • Blaicher fordert, dass die ästhetischen Funktionen von Stereotypen in literarischen Werken in ihrem jeweiligen literaturhistorischen Kontext beleuchtet werden sollten.

    • Ziel ist es, nicht nur auf das ideologisch problematische der Stereotypen und Vorurteile zu fokussieren, sondern deren literarische Funktionen zu verstehen.

  • Beispiele aus der Literatur:

    • Shakespeare:

      • In The Merchant of Venice wird der Jude Shylock zunächst als gängiges Stereotyp aufgenommen, jedoch durch die facettenreiche Charakterisierung aufgebrochen und zerstört.

      • In Othello wird das Bild des Schwarzen ebenfalls verwendet, aber durch die komplexe Darstellung des Protagonisten hinterfragt und dekonstruiert.

Stereotypisierende Figuren in literarischen Genres:

  • Stereotypisierung in der Komödie:

    • Komödien neigen dazu, erstarrte Denkmuster und Klischees aufzunehmen, um sie entweder zu durchbrechen oder zu übertreiben.

  • Beispiel: Lessings Minna von Barnhelm (1767):

    • Die Figur des französischen Offiziers Riccaut amalgamiert verschiedene Stereotype über Frankreich, z. B.:

      • Skrupelloser Glücksspieler und Betrüger.

      • Riccaut bettelt die ehrenwerte sächsische Dame Minna mit einem Schwall von Höflichkeitsfloskelnum Geld an.

    • Riccaut und seine Abwertung durch die Deutschen:

      • Minnas Kammerfräulein erkennt Riccaut sofort als „Spitzbube“, wodurch der Franzose gegenüber den moralisch integren Deutschen abgewertet wird.

    • Französische Sprache als falscher Adelsdünkel:

      • Minna entlarvt den Gebrauch der französischen Sprache im deutschen Raum als Zeichen eines falschen Adelsanspruchs.

      • Dies setzt die Auffassung der Gleichwertigkeit von deutscher und französischer Sprache voraus.

Historischer Kontext:

  • Emanzipation der Deutschen von der französischen Hegemonie:

    • In den 1760er Jahren begannen die Deutschen, sich von der geistigen Hegemonie der Franzosen in Literatur, Kunst und Philosophie zu lösen.

    • Durch diese Abgrenzung, besonders vom französischen Klassizismus, wurde der Wert der deutschen Sprache und Literatur neu bestimmt und gestärkt.

Stereotypisierungen in der Literatur:

  1. Genres mit starker Stereotypisierung:

    • Stereotypisierungen treten besonders in Genres auf, in denen Menschen unterschiedlicher Herkunft(Länder, Kulturen, Religionen, Stände oder Klassen) interagieren.

    • Beispiele:

      • Reise- und Abenteuerromane

      • Übersee- und Kolonialromane

      • Pikareske Romane

  2. Textverfahren zur Darstellung von Stereotypen:

    • Kontrastbildung und Antithesen sind grundlegende Verfahren zur Darstellung von Auto- und Heterostereotypen in solchen Genres.

  3. Beispiele für stereotype Darstellungen:

    • Friedrich Gerstäckers Amerika-Romane:

      • Europäer und Indianer werden schematisch entgegengesetzt dargestellt.

    • Karl Mays Reiseromane:

      • Heterostereotype von außereuropäischen Ländern und deren Einwohnern werden gezeigt, die auf zeitgenössischer Reiseliteratur basieren.

      • Diese vermitteln häufig eurozentrische Sichtweisen auf das Fremde.

Strukturelle Ebene der Stereotypisierung:

  1. Binäre Gegensätze:

    • Joep Leerssen betont, dass nationale Stereotype oft in binären Gegensätzen auftreten, z.B.:

      • Nord/Süd

      • Ost/West

      • Stark/Schwach

      • Zentrum/Peripherie

  2. Analyse von binären Schemata:

    • Leerssen schlägt vor, diese janusköpfigen stereotypen Schemata diachron (über Zeit hinweg) und historisch zu analysieren.

  3. Kritik:

    • Gefahr der Vereinfachung, wenn sich die Analyse nur auf binäre Strukturen konzentriert.

    • Mögliche andere Konstellationen könnten übersehen werden.

Komparatistische Imagologie:

  1. Fremdbilder als Spiegel des Selbst:

    • Fremdbilder lassen sich als Projektionen des Selbstbildes interpretieren.

    • Radikal gesagt: „Heterostereotype sagen mehr über den urteilenden Sprecher selbst aus als über das Fremdbild.“

  2. Selbstkritische Betrachtung:

    • Die Konstruktionen des Anderen sind als ethnozentrische oder eurozentrische Darstellungen zu verstehen.

    • Sie sind gruppenspezifisch geprägt und spiegeln oft Vorurteile der eigenen Gruppe wider.

Kritik an den Grundannahmen der komparatistischen Imagologie:

  • Die drei Grundannahmen der komparatistischen Imagologie wurden kritisch hinterfragt:

    1. Kohärenz der Bilder von anderen Ländern.

    2. Erkennung kollektiver Vorstellungen durch die Verwendung von Bildern.

    3. Reziproke Beziehung zwischen Selbst- und Fremdbild.


Kritik an der Komparatistischen Imagologie

Kritik von Ruth Florack am imagologischen Ansatz:

  1. Kritik am Begriff des "Bildes":

    • Problematischer Bild-Begriff: Der Begriff "Bild" wird kritisiert, weil er suggeriert, dass es sich bei den „images“ um mentale Bilder im Kopf eines Autors handelt.

    • Literaturwissenschaft sollte literarische Texte nicht als Wahrnehmungsprotokolle interpretieren.

    • Florack schlägt stattdessen vor, den Begriff durch den soziapsychologischen Begriff „Stereotyp“ zu ersetzen.

  2. Kritik an der Kohärenzannahme:

    • Kohärenz der Bilder: Florack kritisiert die Annahme, dass Texte kohärente Bilder von einem Land und dessen Bevölkerung entwerfen würden.

    • Totalisierung des Bildbegriffs: Die komparatistische Imagologie neigt dazu, diese Bilder als kollektive Mentalität eines Volkes darzustellen, was auf eine essentialistische Vorstellung von Nationen als Kollektivsubjekte hinausläuft.

    • Es ist fraglich, ob der Gebrauch nationaler Stereotypen in der Literatur Gruppenidentität widerspiegelt.

    • Zudem lässt sich oft nicht klar erkennen, ob Stereotype auf eine soziale Gruppe oder auf eine ganze Nation bezogen sind, daher müsse jede soziale Gruppe individuell betrachtet werden.

  3. Kritik an der Komplementarität von Auto- und Heterostereotypen:

    • Komplementarität: Florack hinterfragt die Annahme, dass Auto- und Heterostereotypen immer komplementär seien.

    • Beispielsweise können französische Stereotype auch in französischen Texten auftauchen, was auf einen gemeinsamen Stereotypenfundus jenseits nationaler Unterschiede hinweist.

    • Trotzdem bleibt die Unterscheidung zwischen Auto- und Heterostereotypen relevant, da es einen Unterschied macht, ob ein Stereotyp als Selbstbeschreibung oder Fremdbeschreibung verwendet wird.

  4. Funktion und Strategie des Stereotypengebrauchs:

    • Florack fordert, dass die Textstrategien untersucht werden, die den Gebrauch von Stereotypen steuern.

    • Polemische und satirische Verwendung von Stereotypen wird oft übersehen, dabei spielen diese eine wichtige Rolle in literarischen Texten.

  5. Kritik an der eurozentrischen Begrenzung:

    • Die komparatistische Imagologie wird für ihre eurozentrische Begrenzung kritisiert.

    • In den 1960er Jahren wurde die Forschung auf andere menschliche Gruppen (wie Stämme und Völker) ausgeweitet.

    • Die Imagologie sieht Europa als ein "Laboratorium" zur Untersuchung von Stereotypen, was als paradigmatisch für andere Länder und Kontinente gilt.

    • Das neue Handbuch von Beller/Leerssen dokumentiert eine Ausweitung der Perspektive auf außereuropäische Länder sowie auf Regionen und Bevölkerungsgruppen und reflektiert dabei die eurozentrische Perspektive.


Klimatheoretische Ansatzpunkte1

Komparatistische Imagologie und Klimatheorien:

  1. Ursprung der Klimatheorien:

    • Klimatheorien gehen auf die Säfte- und Temperamentenlehren der Antike zurück.

    • Diese Theorien besagen, dass das Klima die Mischung der Säfte im Körper beeinflusse und den Charakter der Menschen präge.

  2. Klimatheorien im 18. Jahrhundert:

    • Zwei unterschiedliche Klimatheorien dominierten im 18. Jahrhundert:

      1. Jean-Baptiste Dubos:

        • Der Nationalcharakter wird von Luft und Boden bestimmt.

        • Ein Volk ändert seinen Charakter, wenn es seinen Wohnsitz wechselt.

        • Beispiel: Portugiesen hätten sich physisch an die Schwarzen an der Westküste Afrikas angepasst.

        • Für Dubos ist die Bodenbeschaffenheit entscheidend, nicht Abstammung oder Rasse.

      2. Montesquieu:

        • Wärme und Kälte sind die Hauptfaktoren für nationale Unterschiede.

        • Montesquieu greift auf die Klimazonenlehre von Jean Bodin zurück und unterscheidet zwischen nördlichen, südlichen und gemäßigten Zonen.

        • Gesetze und Regierungsformen passen sich an den physisch determinierten Nationalcharakteran.

  3. Kritik der physisch begründeten Klimatheorien:

    • David Hume: Hume lehnt die physische Begründung ab und führt stattdessen moralische Ursachen für nationale Unterschiede an.

      • Diese moralischen Ursachen findet er in der Regierungsform, in den öffentlichen Angelegenheitenund den Umständen, in denen eine Nation lebt.

    • Immanuel Kant: Kant kritisierte das Konzept des Nationalcharakters als philosophisch unbefriedigend, erkannte es jedoch empirisch an.

  4. Moderne Kritik und Bedeutung des Nationalcharakter-Konzepts:

    • In den letzten 200 Jahren hat sich das Konzept durch politische und geografische Veränderungen diversifiziert.

    • Das Konzept wurde wegen seiner teilweise rassistischen Exklusionen zu Recht kritisiert, hat sich jedoch bis heute nicht erledigt.

    • Auf einer allgemeinverständlichen Ebene eignet sich das Nationalcharakter-Konzept weiterhin dazu, unterschiedliche Kulturphänomene zu vergleichen.

      • Es erfüllt eine Brückenfunktion zwischen Disziplinen wie Medizin, Geographie, Geschichte und Philologie.

      • Zudem stellt es kollektives Wissen über Völker und Nationen bereit.

Wesentliche Punkte der Klimatheorien:

  • Ursprünge in antiken Säfte- und Temperamentenlehren.

  • Unterschiedliche Ansätze von Dubos (Luft/Boden) und Montesquieu (Wärme/Kälte) im 18. Jahrhundert.

  • Humes und Kants Kritik an physischen Erklärungen des Nationalcharakters.

  • Trotz Kritik hat das Konzept des Nationalcharakters weiterhin Bedeutung für den Vergleich von Kulturen.


Author

Adele G.

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