§ 227 soll allein der mit der Körperverletzung verbundenen Gefahr des Eintritt der qualifizierenden Todesfolge entgegenwirken. Die Vorschrift erfasst deshalb nur solche Körperverletzungen, denen die spezifische Gefahr anhaftet, zum Tode des Opfers zu führen; gerade diese Gefahr muss sich im tödlichen Ausgang niedergeschlagen haben.
Fraglich ist aber der Umfang dieses allgemein anerkannten Erfordernisses - bei den §§ 226, 227 als “Unmittelbarkeitszusammenhang” oder “gefahrspezifischen Zusammenhang” bezeichnet.
e.A.:
Möglicherweise gehören nur solche Faktoren in den Unmittelbarkeitszusammenhang, die den Todeseintritt als Folge der vorsätzlich zurechenbaren Verletzungwunde ausgelöst und beschleunigt haben. § 227 spricht davon, dass “der Tod der verletzten Person eingetreten sein muss”. Damit wäre zwingend, dass die schwere Folge an den Erfolg das Grunddelikts der Körperverletzung anknüpft. Ist die Körperverletzung als Durchgangsstadium zum Tod dem Täter nicht als vorsätzlich begangen zurechenbar, scheidet eine Strafbarkeit aus § 227 aus. Die Konstruktion einer versuchten Körperverletzung mit Todesfolge wäre damit nicht möglich und verstieße gegen den Gesetzeswortlaut (so die sog. Letalitätstheorie).
a.A.:
Andererseits können außer den schon von der Verletzungswunde erfassten tödlichen Wirkungen der Verletzung auch weitere Ursachen zum gefahrspezifischen Zusammenhang gehören. Dies wären etwa solche, die den Todeseintritt nur beschleunigen, aber auch Handlungen, die als typsische Flucht-, Abwehr- und Ausweichhandlungen des Opfers anzusehen sind (so die Kausalitätstheorie).
Die Rspr. hat sich nach anfänglicher Ablehnung inzwischen dieser Auffassung angeschlossen. Ein durch eine Flucht “Hals über Kopf” geprägtes Opferverhalten sei bei den durch Gewalt und Drohung geprägten Straftaten geradezu deliktstypsisch und entspringe dem elementaren Selbsterhaltungstrieb des Menschen.
Stellungnahme:
Der zuletzt genannten Kausalitätstheorie ist der Vorzug zu geben. Dabei ist die Systematik des Gesetzes zu beachten. In § 227 heißt es zwar, dass der Täter “durch die Körperverletzung” den Tod des Opfers verursacht haben muss. Der Begriff der Körperverletzung wird aber an anderer Stelle im Strafgesetzbuch als Unrechtsakt unter Einbeziehung der auf die Verletzung gerichteten Handlung verstanden. Damit kann die Todesfolge auch schon durch die Versuchshandlung der Körperverletzung ausgelöst werden. Im Ergebnis kann bei der Körperverletzung mit Todesfolge der Tod also entweder Folge der Körperverletzunghandlung oder auch des Körperverletzungserfolges sein. Daher ist bei § 227 die Tatverwirklichung in Form eines erfolgsqualifizierten Versuchs zulässig. Die Letalitätstheorie verengt den Anwendungsbereich des § 227 dementgegen zu stark und steht damit im Widerspruch zu allen übrigen Erfolgsqualifikationen, bei denen auch der Versuch des Grunddeliktes die verschärfte Strafe auslösen kann.
Ist bei einem erfolgsqualifizierten Delikt, angesichts der tatsächlich eingetretenen schweren Folge das “Kombinationsdelikt” der Erfolgsqualifikation wie ein vollendetes Delikt zu behandeln, auch wenn das Grunddelikt nicht vollendet wurde? Dann wäre der Rücktritt ausgeschlossen.
Dafür lassen sich folgende Gedanken anführen: Der Grundsatz, dass bei Realisierung der tatbestandsspezifischen Gefahr im schweren Erfolg stets aus der Qualifikationsnorm bestraft werden muss, führt dazu, dass es von diesem Versuch keinen strafbefreienden Rücktritt geben kann. Denn das für die Erfolgsqualifikation wesentliches Teilstück ist mit der Vornahme der tatbestandsmäßigen Handlung und deren Manifestation in Gestalt der schweren Folge bereits vollstädnig abgeschlossen, also vollendet, sodass insoweit ein Rücktritt vom Versuch begrifflich ausscheiden muss.
Gesetzestechnisch sind zwar noch nicht alle zur Vollendung des Gesamttatbestandes gehörenden Merkmale erfüllt, sodass formal gesehen ein Versuchsfall vorliegt, doch materiell - unter dem Aspekt der Gefahrverwirklichung und im Hinblick auf die ratio legis der Erfolgsqualifikation - in diesem Versuch bereits ein vollendetes Delikt steckt.
Vorzugswürdig erscheint jedoch folgende Überlegung: Der Rücktritt vom Versuch einer Erfolgsqualifikation ist auch noch möglich, wenn die schwere Folge bereits eingetreten ist. Die Gegenauffasung verstößt in doppelter Hinsicht gegen das Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 II GG: zum einen wird durch die Annahme einer Vollendungstat das nur versuchte Grunddelikt in einen Unternehmenstatbestand umgewandelt. Zum anderen wird § 24 entgegen seinem klaren Wortlaut zum Nachteil des Angeklagten reduziert. Ebenso wenig wie die analoge Anwendung einer strafbegründenden Vorschrift über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus allein im Hinblick auf den Normzweck erlaubt ist, kann die Einschränkung einer die Strafbarkeit ausschließenden Vorschrift über ihren möglichen Wortsinn hinaus gestattet sein (so die h.M.).
Zuletzt geändertvor 7 Tagen