Ist bei der Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Zahlungsansprüche durch die Behörde im Wege eines Leistungsbescheids über die materielle Regelung der Zahlungspflicht hinaus eine ausdrückliche Ermächtigung zum Handeln durch VA erforderlich, wie dies z.B. in § 49a I 2 VwVfG geschehen ist?
m.M.:
Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gilt auch für die Handlungsform “VA”.
Grund: Regelungs- und Titelfunktion des VA stellen eine selbstständige Belastung für den Bürger dar.
h.Rspr.:
Im Über-/ Unterordnungsverhältnissen ist die Behörde gewohnheitsrechtlich befugt, Regelungen durch VA zu treffen.
Grund: Der VA ist hier die typische Handlungsform zur Konkretisierung öffentlich-rechtlicher Pflichten und damit der Hoheitsverwaltung “immanent”. Dafür spricht überdies: Das Vorgehen durch VA hat für den Bürger nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile, da der Bürger vor Erlass des VA angehört werden muss (§ 28 VwVfG), der VA zu begründen ist (§ 39 VwVfG) und ggf. vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung im Widerspruchsverfahren (§ 68 VwGO) verwaltungsintern überprüft werden muss.
Beachte: Dabei ist stets zu prüfen, ob auch tatsächlich ein Über-/ Unterordnungsverhältnis vorliegt, wobei die Überordnung gerade in Bezug auf den konkreten Anspruch bestehen muss, der durch VA geregelt werden soll. Eine generelle Über-/ Unterordnung wird nur im Beamten- und Soldatenverhältnis sowie vergleichbaren Rechtsverhältnissen angenommen.
Einen Sonderfall bildet die in diesem Zusammenhang von der Rspr. entwickelte sog. Kehrseitentheorie: Wird eine Leistung aufgrund eines VA gewährt, so kann die Leistung (z.B. wenn der VA später aufgehoben wird) auch durch VA zurückgefordert werden (vgl. auch § 49a I 2 VwVfG).
Kann eine Verfristung durch die gleichwohl ergangene Entscheidung der Widerspruchsbehörde in der Sache geheilt werden? (Widerspruch ist verfristet, Behörde weist ihn aber nicht deswegen, sondern aus sachlichen Gründen zurück)
e.A. (-):
Gegen eine solche Heilungsmöglichkeit könnte man einwenden, dass die Regelung des § 70 VwGO nicht zur Disposition der Widerspruchsbehörde steht, weil das Vorverfahren auch der Entlastung der Verwaltungsgerichte dient und die Verwaltungsbehörde in diese Entlastungsfunktion nicht eingreifen dar. Auch kann auf § 70 II VwGO verwiesen werden, wonach eine Verfristung nur durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO überwunden werden kann. Gegen eine Heilung der Fristsäumnis durch sachliche Bescheidung könnte zudem der aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gedanke der Rechtssicherheit sprechen. Kann nämlich die schlichte sachliche Bescheidung des verfristeten Widerspruchs die Fristversäumnis heilen, so wird damit die bereits eingetretene formelle Bestandskraft des VA nicht auf Grundlage der für die Aufhebung von Verwaltungsakten geltenden Vorschriften, z.B. §§ 48, 49 VwVfG, sondern voraussetzunglos und formfrei beseitigt.
a.A. (+):
Diesen Bedenken ist entgegenzuhalten, dass das Vorverfahren - ungeachtet seiner Entlastungsfunktion - ein Verwaltungsverfahren ist, in dem die Behörde Herrin des Verfahrens bleibt und die Voraussetzungen für den anschließenden Verwaltungsprozess schafft. Anerkennt man diese Sachherrschaft, so dient die Widerspruchsfrist vornehmlich dem Schutz der Behörde selbst. Ihr steht es deswegen frei, sich entweder mit dem Ergebnis der Unzulässigkeit des Widerspruchs auf die Fristversäumung zu berufen oder aber unter Außerachtlassung der Fristversäumnis zur Sache selbst zu entscheiden. Auch kann das Argument der Bestandskraft in dieser Allgemeinheit nicht überzeugen, weil Verwaltungsakte, anders etwa als Urteile, auch nach Eintrtt der Bestandskraft wieder aufgehoben werden können und die Aufhebungjedenfalls bei rechtswidrigen adressatbelstenden Verwaltungsakten von keinen besonderen Voraussetzungen abhängig ist.
Damit ist jedenfalls beim Adressatenwiderspruch eine Heilung der Verfristung durch Entscheidung in der Sache möglich.
Etwas anderes könnte nur bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung gelten.
Bei Verwaltungsakten, die eine Person begünstigen udn eine andere Person (zumindest faktisch) belasten, sind anders als im Zweipersonenverhältnis die Wirkungen der Bestandskraft des Verwaltungsakts auf den begünstigten Dritten zu beachten. Die Bestandskraft vermittelt dem durch die Genehmigung Begünstigten eine gesicherte Rechtsposition. Diese gesicherte Rechtsposition wird dem Begünstigten entzogen, wenn man eine Heilung der Verfristung durch sachliche Bescheidung der Widerspruchsbehörde zulässt und zwar ungeachtet der Frage, ob die Widerspruchsbehörde dem Widerspruch stattgibt oder ihn zurückweist. Denn bei Anerkennung einer Heilungsmöglichkeit wird zugelich die Klagemöglichkeit gegen den (ursprünglich unanfechtbar gewordenen) Verwaltungsakt wieder eröffnet. Der Entzu einer solchen Rechtsposition ist nur nach Maßgabe der hierfür einschlägigen materiell-rechtlichen Normen, etwa der §§ 48, 49 VwVfG, nicht aber aufgrund der bloßen Verfahrensregelungen in den §§ 68 ff. VwGO möglich.
Wie ist die Verweisungskette für die Fristberechnung bei der Widerspruchsfrist?
VwGO-Ansatz:
Nach einer Ansicht kommt § 188 II BGB über § 57 II VwGO i.V.m. § 222 I ZPO zur Anwendung. Für die Anwendung des § 57 VwGO spricht der Charakter des Widerspruchsverfahrens als Vorverfahren vor Erhebung der verwatlungsrechtlichen Klage.
VwVfG-Ansatz:
Nach anderer Ansicht kommt § 188 II BGB über § 79 i.V.m. § 31 VwVfG zur Anwendung. Für die Anwendung der Vorschriften des VwVfG spricht, dass in den fpr das Vorverfahren geltenden Vorschriften der §§ 68-73 VwGO, insbesondere in § 70 II VwGO, nicht auf die Vorschrift des § 57 II VwGO verwiesen wird und das Widerspruchsverfahren zugleich auch ein Verwaltungsverfahren ist.
Im Ergebnis bei beiden:
Der Streit muss indessen nicht entschieden werden, weil beide Ansichten zum selben Ergebnis kommen §§ 187 ff. BGB.
Kann das Fehlen eines Hinweises auf die Möglichkeit der Widerspruchseinlegung in elektronischer Form die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S.d. § 58 II VwGO machen, wenn auf die anderen Wege aber explizit hingewiesen wurde (schriftl. zur Niederschrift etc.)?
Das wird zum Teil mit folgenden Erwägungen verneint:
Dogmatisch gesehen handelt es sich bei der elektronischen Form lediglich um einen Unterfall der schriftlichen Rechtsbehelfseinlegung. Die Rechtsbehelfsbelehrung sei jedoch “keine Gebrauchsanweisung” hinsichltich der vielfältigen Möglichkeiten, wie die Schriftform gewahrt werden kann (z.B. per Telefax, Computerfax oder Funkfax).
Diese Argumente berücksichtigen jedoch nicht ausreichend, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur dann “unrichtig” i.S.d. § 58 II VwGO sein kann, wenn sie “falsch” ist, sondern auch dann, wenn sie “unvollständig” ist.
Insweit verkennt die Argumentation, die die elektronische Form lediglich als einen Unterfall der schriftlichen Rechtsbehelseinlegung ansieht, dass an anderer Stelle im Gesetz eigenständige Regelungen bezüglich der elektronischen Kommunikation bestehen. Zudem unterscheidet das Gesetz selbst, z.B. in § 58 I, 70 I 1 VwGO, ausdrücklich zwischen “schriftlich” und “elektronisch” (vgl. auch die Unterscheidung in § 126 und § 126a BGB).
Fehlt eine eindeutige Begrifflichkeit, so ist bei einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zweifel vom allgemeinen Sprachverständnis auszugehen, da die Rechtsbehelfsbelehrung der Information gerade auch des rechtsunkundigen Bürgers zu dienen bestimmt ist. Nach allgemeinen Sprachverständnis meint “schriftlich” die Erstellung eines tatsächlich existierenden schriftlichen Dokumentes unabhängig davon, in welcher Form auch immer es dann letztendlich übermittelt wird.
Durch das Fehlen des HInweises auf die elektronische Form ist die Rechtsbehelfsbelehrung also unvollständig und kann daher unrichtig i.S.d. § 58 II VwGO sein, wenn der fehlende Hinweis auf die elektronische Form weiter geeignet ist, die Rechtsbehelfseinlegung zu erschweren.
Darf das Gericht bei Bejahung der Voraussetzungen des § 60 VwGO Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist selbst gewähren oder ist die Entscheidung der (Widerspruchs-) Behörde vorbehalten? (unverschuldetes Verpassen der Widerspruchsfrist)
e.A.:
Teilweise wird angenommen, das Gericht dürfe zwar Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewähren, bei zu Unrecht abgelehnter Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist sei das Gericht indes darauf beschränkt, die Behörde zur Wiedereinsetzung zu verpflichten. Nach § 60 IV VwGO entscheide über den Wiedereinsetzungsantrag das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Über die entsprechende Anwendung gem. § 70 II VwGO könne das nur heißen, dass die Behörde, die über den Widerspruch zu befinden hat, auch über die Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist entscheidet. Da das Verwaltungsgericht der Widerspruchsbehörde nicht vorgesetzt sei, könne es eine “Konnexität” des Verfahrens wie im Instanzenzug der Gerichte nicht geben. Da das Klageverfahren auch nicht das Widerspruchsverfahren fortsetze und mit ihm auch keine Einheit bilde, könne das VG die Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist nicht selbst gewähren. Der Widerspruchsführer könne daher nicht unmittelbar in der Sache klagen, sondern müsse zunächst Verpflichtungsklage auf Wiedereinsetzung erheben.
Nach h.Rspr. ist dagegen das Gericht uneingeschränkt auch für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist zuständig. Die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei eine rechtlich gebundene Entscheidung über eine Vorfrage, die nach Sinn und Zweck der §§ 60 IV, 70 II VwGO aus Gründen des Sachzusammenhangs von derjenigen Instanz beurteilt werden soll, die mit der Hauptfrage befasst ist, Wird deshalb vom Widerspruchsführer Klage in der Hauptsache erhoben, geht die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist auf das Gericht der Hauptsache über. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Frage, ob der Widerspruch rechtzeitig erhoben ist und ob, wenn dies nicht der Fall ist, dem Widerspruchsführer Wiedereinsetzung zu gewähren ist, die Zulässigkeit der Klage betrifft, die vom Gericht von Amts wegen zu prüfen ist.
Stellungnahme:
Für die h.M. sprechen vor allem prozessökonomische Gründe. Müsste der Kläger zunächst - unter Umständen über mehrere Instanzen - nur die Wiedereinsetzung erstreiten, so würde die Sachentscheidung auf unabsehbare Zeit verschoben. Außerdem stellt die Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist eine bloße Verfahrenshandlung dar, sodass einer isolierten Verpflichtungsklage § 44a VwGO entgegenstehen dürfte.
Kann ein rechtswidriger Dauer-VA durch Umstände die erst während des Verfahrens (also nach der letzten behördlichen Entscheidung) auftreten rechtmäßig werden?
Teilweise wird behauptet, dass ein rechtswidrig erlassener VA nicht mehr rechtmäßig werden könne, weil für die Beurteilung als rechtswidrig der gesetzeswidrige Erlassvorgang genüge, der nicht mehr rückgängig gemacht werden könne. Im Übrigen könne ein materiell rechtswidriger VA grds. nicht durch im gerichtlichen Verfahren eingetretene Gründen “geheilt” werden. Die nachträgliche Berücksichtigung von begründenden Tatsachen sei auch nicht als Nachschieben von Gründen zulässig, weil die Grundsätze über das Nachschieben von Gründen überhaupt nur anwendbar ist, wenn die Gründe spätestens bei Erlass des Widerspruchsbescheides vorlagen.
Alle diese Einwände greifen im Ergebnis nicht durch: Dass die Behauptung, ein rechtswidrig erlassener VA könne nicht mehr rechtmäßig werden, unzutreffend ist, ergibt sich bereits zwanglos aus der Regelung des § 45 VwVfG. Die weiteren Argumente verkennen, dass es hier weder um den Fall der “Heilung” eines VA-Fehlers durch die Behörde, noch um einen Fall des “Nachschiebens von Gründen”, sondern allein um die Frage nach dem “entscheidungserheblichen Zeitpunkt” bei der Anfechtungsklage im Fall von Dauer-Verwaltungsakten geht.
a.A.:
Zum Teil wird auch die Ansicht vertreten, eine Anwendung der Grundsätze zum rechtswidrig werden von Dauer-VA durch später hinzutretende Gründe verstoße gegen den Grundsatz der Waffengleichheit im Prozess. Im Anfechtungsprozess gegen eine Gewerbeuntersagung werde nämlich dem Betroffenen die Geltendmachung der ihm günstigen Tatsachen (§ 35 VI GewO) verwehrt, während der Behörde die Einbringung ungünstiger Tatsachen gestattet sei.
Auch diese Einwände überzeugen nicht. Das Argument der “Waffengleichheit” geht schon deswegen an der Sache vorbei, weil es hier gar nicht um die Frage geht, welcher Beteiligter im Prozess noch ihm günstige Tatsachenveränderungen “nachschieben” darf, sondern um die Frage, welche Tatsachen das Gericht - ohne Rücksicht auf das Vorbringen der Beteiligten - bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss. Bei einem VA mit Dauerwirkung gehören dazu auch solche Umstände, die erst nach der letzten Verwaltungsentscheidung eingetreten sind. Auch der damit zugleich erhobene Vorwurd der “Ungleichbehandlung” verfängt nicht. Dass dem Betroffenen die Geltendmachung ihm günstiger Tatsachen im laufenden Prozess verwehrt ist, hat seinen sachlichen Grund allein in der gesetzlichen Regelung des § 35 VI GewO.
Für die Richtigkeit des Ergebnisses “Klageabweisung” sprechen zudem folgende Überlegungen:
Die Klageabweisung bewirkt in materieller Hinsicht im Ergebnis keine Schlechterstellung des Betroffenen: Würde das VG nämlich der Klage stattgeben und die angefochtene Gewerbeuntersagung aufheben, so müsste die Behörde umgehend eine neue Gewerbeuntersagung erlassen, weil die Voraussetzungen des § 35 I 1 GewO vorliegen und es sich bei § 35 I 1 GewO um eine gebundene Entscheidung handelt.
Die Klageabweisung ist - unabhängig von den erörterten Einzelproblemen - jedenfalls im Ergebnis auch prozessual richtig. Denn selbst bei Rechtswidrigkeit des VA und Rechtsverletzung wäre die Klage abweisungsreif, da zumindest der hinter der Anfechtungsklage stehende Aufhebungsanspruch des Klägers im Hinblick auf den “dolo-agit-Grundsatz” ausgeschlossen war, weil der Kläger die Aufhebung eines VA verlangt hat, den die Behörde umgehend und genauso wieder gegen ihn hätte erlassen müssen.
WICHTIG ALLE MEINUNGEN MÜSSEN BEHERRSCHT WERDEN
Ist die Beseitigung einer Nebenbestimmung mittels einer gegen die Nebenbestimmung gerichteten Anfechtungsklage oder einer auf Neuerteilung der Erlaubnis ohne die Nebenbestimmung gerichteten Verpflichtungsklage zu begehren?
Lit.:
Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung ist in den Fällen, in denen der Kläger eine von Belastungen freie Erlaubnis oder Genehmigung, mithin die Aufhebun einer Nebenbestimmung anstrebt, stets eine Verpflichtungsklage statthaft. Dem Kläger gehe es stets um einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt, also um eine Erweiterung seiner Rechtsposition. Die Klage sei deshalb auf die Verpflichtung der jeweiligen Behörde zum Erlass einer nebenbestimmungsfreien Genehmigung gerichtet.
Eine andere Ansicht differenziert nach der Art der Nebenbestimmung und orientiert sich dabei am Wortlaut des § 36 II VwVfG. Als integrierte und damit unselbstständige Bestandteile des Haupt-VA seien Befristung, Bedingung und Widerrufsvorbehalt (§ 36 II Nr. 1-3 VwVfG) nicht isoliert anfechtbar. Die Formulierung “erlassen werden mit” spiegele die untrennbare Verknüpfung wieder. Insoweit komme nur die Erhebung einer Verpflichtungsklage auf nebengenehmigungsfreie Neuerteilung der Genehmigung in Betracht.
Dagegen erhalten Auflagen und Auflagenvorbehalte (§ 36 II Nr. 4, Nr. 5 VwVfG) nach dieser Auffassung eigenständige Regelungen (Ge- oder Verbote) und sind damit nach h.M. selbst Verwaltungsakte, die zwar in ihrem Bestand ihrerseits vom Haupt-VA abhängig sind, aber zumindest keinen unmittelbaren Einfluss auf die Regelung des Haupt-VA haben. Die Trennbarkeit werde durch den Wortlaut “verbunden werden mit” unterstrichen. Trotz der Verbindung sei auch eine teilweise Aufhebung der Erlaubnis möglich, wie der Wortlaut des § 113 I 1 VwGO bestätige (Aufheben eines Verwaltungsakts, “soweit” er rechtswidrig ist).
w.A.:
Eine andere Auffassung differenziert nach der Art des Haupt-VA. Nebenbestimmungen seien nur dann isoliert anfechtbar, wenn sie einem gebundenen Verwaltungsakt hinzugefügt würden. Eine isolierte Anfechtung bei einem Ermessens-VA scheide hingegen aus, weil sonst eine Teilüberprüfung einer einheitlichen Ermessensentscheidung ermöglicht würde. Zudem bestünde die Gefahr, dass der Ermessensspielraum der Behörde unzulässig verkürzt würde, wenn ihr ein “ungewollter” Restakt aufgedrängt würde.
h.M.:
Nach heute h.M. hängt die isolierte Anfechtbarkeit davon ab, ob Nebenbestimmungen und Haupt-VA im logischen Sinne teilbar sind (sog. Theorie vo nder logischen oder prozessualen Teilbarkeit). Nur für den Fall, dass eine isolierte Aufhebung der Nebenbestimmung von vornherein und offensichtlich ausscheide, sei eine Anfechtung ausnahmsweise unzulässig. Hierfür spreche zunächst § 113 I 1 VwGO, der eine isolierte Anfechtung zulasse. Der Ermessensvorrang der Behörde könne in ausreichendem Maße durch die Prüfung der materiellen Teilbarkeit im Rahmen der Begründetheit begegnet werden.
Der h.M. ist zu folgen. Gegen die erste Auffassung spricht, dass die Teilanfechtung von Verwaltungsakten aufgrund des Wortlauts von § 113 I 1 VwGO grundsätzlich möglich sein muss. Wenn bereits der Teil eines insgesamt belastenden Verwaltungsakts aufgehoben werden kann, ist nicht nachvollziehbar, warum dies bei bestimmten Nebenbestimmungen anders sein soll. Die zweite Auffassung lässt dagegen unberücksichtigt, dass auch bei der isolierten Aufhebung einer Auflage oder eines Auflagenvorbehalts ggf. in das Ermessen der Behörde eingegriffen wird. Gegen die dritte Auffassung spricht, dass die Teilaufhebung von Ermessensverwaltungsakten durch § 113 I 1 VwGO nicht eingeschränkt wird. Im Übrigen wird auch bei einer isolierten Aufhebung einer Nebenbestimmung zu einem gebundenen Haupt-VA etwas auseinandergerissen, was nach dem Willen der Behörde zusammengehört. Nur die h.M. schafft einen tragfähigen Ausgleich zwischen den prozessualen Möglichkeiten und dem Ermessen der Behörde und läasst darüber hinaus auch den im Fall einer Aufhebung verbleibenden Rest-Verwaltungsakt nicht unberücksichtigt.
Ist im Rahmen der allgemeinen Leistungsklage vor der Klageerhebung ein Antrag bei dem jeweilgen Hoheitsträger auf Vornahme des Realakts zustellen?
Teil der Lit.:
Ein Teil der Literaur fordert einen solchen Antrag. Leistungsansprüche einer Privatperson gegen den Staat würden üblicherweise erst eingeklat, wenn die Behörde den Antrag auf Leistungserbringung abgelehnt habe. Für eine Klage ohne vorherige Antragstellung würde deshalb in der Regel das Rechtsschutzbedrüfnis fehlen.
Die h.M. hält einen vorherigen Antrag hingegen nicht für erforderlich und verweist auf § 156 VwGO: Habe der Beklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben - also insbesondere einen vorherigen Antrag nicht abgelehnt - habe dies bei einem sofortigen Anerkenntnis lediglich Auswirkungen auf die Kostenentscheidung. Im Umkehrschluss müsse dies bedeuten, dass die Klage auch ohne Veranlassung zur Klageerhebung zulässig ist.
Ist eine Forsetzungsfeststellungsklage möglich, wenn sich ein Verpflichtungsbegehren bereits vor Klageerhebung erledigt hat? Kann § 113 I 4 VwGO also doppelt analog angewendet werden?
T.d.Lit.:
Ein Teil der Literatur verneint bereits die planwidrige Regelungslücke. Erledige sich das Verpflichtungsbegehren vor Klageerhebung, könne der Betroffene eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO erheben. Das feststellungsfähige Rechtsverhältnis liege in der Berechtigung der Behörde, den vormals beantragten Verwaltungsakt zu erlassen.
Obwohl das BVerwG in einer Entscheidung in Richtung der vorgenannten Auffassung tendierte, hält es mit der h.M. an dem Vorliegen der Analogievoraussetzungen fest und deshalb eine Fortsetzungsfeststellungklage auch für den Fall der Erledigung vor Klageerhebung für statthaft. Zwar werde durch den (begehrten) Verwaltungsakt ein Rechtsverhältnis begründet oder verändert, aber der Verwaltungsakt selbst sei eben selbst kein Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 I VwGO. Anderenfalls wäre die Sonderregelung in § 113 I 4 VwGO obsolet. Überdies betreffe die Berechtigung der Behörde zum Erlass eines Verwaltungsakts nur ein diesem vorgelagerten Rechtsverhältnis, dass durch den Verwaltungsakt selbst konkretisiert werde, sodass es auf die Berechtigung zumindest nicht in erster Linie ankommen dürfe.
Der zuletzt genannten Auffassung ist zu folgen. Hierfür spricht zum einen, dass die statthafte Klageart anderenfalls vom zufälligen Zeitpunkt der Erledigung abhinge. Dies hätte zur Folge, dass je nach Zeitpunkt unterschiedliche Anforderungen an die Zulässigkeit einer Klage gestellt würden, obwohl das Begehren des Klägers identisch ist. Zum anderen bestünde die Gefahr, dass Zulässigkeitsvoraussetzungen unterlaufen werden, da die Feststellungsklage unter anderen Voraussetzungen zulässig ist wie eine Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage und Fortsetzungsfeststellungsklage hingegen nicht, hier gelten dieselben Voraussetzungen analog für die Fortsetzungsfeststellungsklage. Statthaft ist damit eine Fortsetzungsfeststellungsklage.
Fortsetzungfeststellungklage -> Fortsetzungsfeststellunginteresse -> In welchen Fällen kann ein Präjudizinteresse angenommen werden?
Einigkeit besteht noch darüber, dass der Amthaftungs- oder Entschädigungsanspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen sein darf.
Ob es einer weiteren Einschränkung bedarf, wird unterschiedlich beurteilt.
Nach h.M. ist ein Präjudizinteresse nur für den Fall zu bejahen, dass die Erledigung des Verwaltungsakts bzw. des Verpflichtungsbegehrens erst nach Klageerhebung eingetreten ist. Im Amtshaftungsprozess ist der Zivilrichter auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen zuständig (vgl. § 17 II GVG). Die vorherige Einschaltung des Verwaltungsgerichtes würde deshalb lediglich zu einer prozessunökonomischen Prozessvermehrung führen.
Nach a.A. ist ein Präjudizinteresse auch für den Fall der Erledigung vor Klageerhebung möglich. Der Verwaltungsrechtsweg stelle den sachnäheren Rechtsweg für die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts bzw. seiner Ablehnung oder Unterlassung dar.
Ist das Nachschieben einer Begründung im Verfahren nach § 80 V 1 VwGO zulässig?
Nach einer Auffassung besteht keinerlei Heilungsmöglichkeit im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, vielmehr führe das Fehlen einer hinreichenden Begründung zur formellen Rechtswidrigkeit der Vollziehungsanordnung. Begründet wird dies mit dem Sinn und Zweck des § 80 III VwGO: Die Behörde solle angehalten werden, die maßgeblichen Erwägungen zur Abweichung vom gesetzlichen Regelfall das § 80 I VwGO vor Erlass der Vollziehungsanordnung anzustellen, um sich des besonderen Charakters bewusst zu ewrden und zurückhaltend von der Möglichkeit Gebrauch zu machen. Sofern die Anrodnung ohne diese Prüfung und Begrüdnung erlassen werde, sei der Zweck nicht mehr erreichbar, sodass allenfalls eine vollständig neue Vollziehungsanordnung erlassen werden könne.
Nach der überwiegend vertretenen Gegenauffassung ist eine Heilung des Begründungsmangels durch Nachschieben einer anderweitigen Begründung möglich. Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachträglich gegebene Begründung zu ignorieren, stelle vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsakt auch nach der ersten Auffassung jederzeit mit einer neuen Vollziehungsanordnung versehen werden könne, einen unnötigen Formalismus dar.
Der zuletzt genannten Ansicht ist zu folgen. Für sie spricht zunächst die Prozessökonomie, da auch die neue Begründung unmittelbar durch das Verwaltungsgericht überprüft werden kann und es dafür nicht der Einleitung eines weiteren Verfahrens bedarf. Darüber hinaus entspricht diese Auslegung die parallele Heilung eines Begründungsmangels bei Verwaltungsakten: Fehlt eine Begründung dort vollständig, kann sie nach § 45 I Nr. 2, II VwVfG bis zum Ende der Berufungsinstanz nachgeholt werden und ist gleichwohl zu berücksichtigen. Auf die Begründung nach § 80 III VwGO kann dieser Regelungsgehalt übertragen werden, da es sich hierbei um ein formelles Begründungserfordernis handelt.
Ist ein Antrag nach § 80 V 1, 2. Alt. VwGO bereits aufgrund eines überwiegenden Vollziehungsinteresses unbegründet oder ist ein darüber hinausgehendes besonderes Vollziehungsinteresse erforderlich?
T.d.Rspr. u. Lit.:
Teile der Rechtsprechung und Literatur halten ein besodneres Vollziehungsinteresse nicht für erforderlich. Der Antrag nach § 80 V 1, 2. Alt. VwGO sei bereits dann unbegründet, wenn das Vollziehungsinteresse nach der Abwägung mit dem Aussetzungsinteresse überwiege. Begründet wird diese Auffassung damit, dass das Interesse des Antragstellers, die Verwirklichung des Verwaltungsakts durch offensichtlich unbegründete Rechtsbehelfe hinauszuschieben, nicht schutzwürdig sei.
a.A. in Rspr. u. Lit.:
Nach anderer Ansicht in Literatur und Rechtsprechung ist ein besonderes Vollziehungsinteresse erforderlich. Während der Gesetzgeber sich in den Fällen des § 80 II 1 Nr. 1-3a VwGO dazu entschlossen habe, dem öffentlichen Vollziehungsinteresse den Vorrang einzuräumen, fehle es an einem solchen Vorrang in den Fällen der behördlichen Vollziehungsanordnung. Dabei kommt dem Rechtsbehelf nach dem Gesetz aufschiebende Wirkung zu, die Behörde hat lediglich die Möglichkeit, hiervon abweichend die sofortige Vollziehung anzuordnen. Für diese Anordnung bedarf es aber dann eines besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses. Die voraussichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts begründe für sich allein kein besonderes Interesse an seiner sofortigen Vollziehung, da das Vollziehungsinteresse gerade über das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigende Interesse hinausgehen müsse.
Gilt die Regelwirkung des § 48 II 2 VwVfG auch für solche Verwaltungsakte, die ein ohne vorangegangenes Notifizierungsverfahren (EU-Recht für Beihilfen Art. 107 AEUV) festgesetzte Beihilfe gewähren?
Nach einer teilweise vertretenen Auffassung ist die Regelwirkung durch das Unionsrecht ausgeschlossen bzw. verdrängt, soweit die Bewilligung von Beihilfen ohne Notifizierungsverfahren stattfinde. Eine Rückabwicklung bereits ausgezahlter Beträge sei ansonsten nur bei Bösgläubigkeit des Empfängers möglich, was mit den in Art. 107, 108 AEUV niedergelegten Grundsätzen unvereinbar sei.
Nach überwiegender Auffassung wird die Regelwirkung auch bei unionsrechtswidrigen Beihilfen zunächst ausgelöst. Dies folge einerseits aus der Anerkennung der nationalen Vertrauensschutzregelungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Andererseits könne der Besonderheit der unionrechtswidrigen Beihilfe durch weite Auslegung der in § 48 II 3 VwVfG enthaltenen Ausschlusstatbestände Berücksichtigung finden.
Der zuletzt genannten Auffassung ist zu folgen. Für den Ausschluss der Regelwirkung besteht keine Notwendigkeit. Der Überlagerung durch das Unionrecht ist vielmehr dort durch eine europarechtskonforme Auslegung nachzukommen, wo nationales Recht der Aufhebung des unionsrechtswidrigen Bescheides tatsächlich entgegensteht. Der in der Regel bestehende Vertrauensschutz stellt nur ein Zwischenergebnis dar und markiert damit kein dem Ergebnis widerstreitendes nationales Recht.
Darf die Verwaltung öffentlich-rechtliche Forderungen (z.B. aus dem ungeschriebenen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch) auch ohne gesetzliche Grundlage durch VA (Leistungsbescheid) geltend machen?
Mindermeinung:
Nach einer Mindermeinung verstößt der Erlass von Leistungsbescheiden ohne gesetzliche Regelung gegen das Prinzip vom Vorbehalt des Gesetzes. Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gelte nicht nur für die materielle Inanspruchnahme des Bürgers, sondern auch für die “Handlungsform VA”, weil die sich besondere Möglichkeit einseitig verbindlicher Regelung als ein über die materielle Inanspruchnahme hinausgehender Eingriff darstelle. Durch Erlass des VA werde der Bürger zudem in eine nachteilige rechtliche Stellung gedrängt: Der VA zwinge ihn zur Gegenwehr und belaste ihn mit dem Risiko der Fristversäumung und dem Prozessrisiko. Schließlich seien mit der Titel- und Vollstreckungsfunktion des VA noch weitere belastende Wirkungen verbunden. Daher bedürfe das Vorgehen durch VA auch mir Rücksicht auf Art. 20 III GG einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung.
BVerwG:
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs durch Verwaltungsakt jedenfalls in den Fällen keine besondere gesetzliche Regelung erforderlich, in denen es um die Rückforderung solcher Leistungen geht, die zuvor durch Verwaltungsakt vergeben wurden. Was die Verwaltung eine Leistung durch Verwaltungsakt vergeben darf, dann muss sie auch dazu berechtigt sein, die Leistung durch Verwaltungsakt wieder zurückzufordern (sog. “Kehrseitentheorie”).
Streng genommen folgt aus der “Kehrseitentheorie” zunächst nur eine VA-Befugnis zur Aufhebung des erlassenen Verwaltungsaktes. Aus der VA-Befugnis zur Aufhebung des Verwaltungsaktes folgt die VA-Befugnis für den Erstattungsbescheid, da die eigentliche Belastung in der Aufhebung des Verwaltungsakts besteht, der den REchtsgrund für die Vermögensverschiebung bildet.
Zuletzt geändertvor einem Monat