Buffl

Strafrecht BT II/ Nichtvermögensdelikte Streitstände

AL
von Ann-kathrin L.

Kann der Aussteller einer Urkunde selbst den Tatbestand des “Verfälschens” erfüllen?

T.d.Lit.:

Nach einem Teil der Lit. liegt bei der nachträglichen Inhaltsänderung durch den Aussteller kein Verfälschen vor. Nach dieser Ansicht stellt die Verfälschungsmodalität einen Spezialfall des Herstellens einer unechten Urkunde dar, sodass eine solche auch durch den Verfälschungsvorgang hervorgebracht werden müsse. Der Aussteller könne durch seine nachträgliche Veränderung das durch § 267 StGB geschützte Rechtsgut - das Vertrauen des Rechtsverkehrs, dass hinter jeder Erklärung derjenige steht und für sie haftbar gemacht werden kann, der als Erklärender erscheint - nicht verletzen. Schließlich stamme die Erklärung auch nach der Änderung noch von dem Aussteller und sei mithin echt; die Veränderung selbst führe lediglich zu einer straflosen schriftlichen Lüge. Das Interesse am unveränderten Bestand einer Urkunde sei nicht durch § 267 StGB, sondern durch § 274 StGB geschützt.

h.M.:

Nach hM ist auch die nachträgliche Änderung durch den Aussteller als Fälschung anzusehen, wenn dieser die Abänderungsbefugnis verloren hat. Das sei dann der Fall, wenn der aussteller die Urkunde abgegeben habe, sie also in den Rechtsverkehr gelangt sei, oder wenn ein Dritter einen Anspruch auf unversehrten Bestand der Urkunde erworben habe.

Stellungnahme:

Wie es typisch für die Verfälschungsmodalität ist, erweckt der Täter mit der Urkunde den Eindruck, als weise sie noch ihre ursprüngliche Gestalt und den üblichen Inhalt auf. Diesen Eindruck zu vermeiden ist gerade Schutzzweck des § 267 I, 2. Mod. StGB. Zudem steht auch der Aussteller der Urkunde nach Verlust der Abänderungsbefugnis wie ein Dritter gegenüber, sodass eine andere Behandlung des Ausstellers nicht gerechtfertigt ist. Schließlich zeigt auch der Wortlaut des § 267 I StGB, dass nicht jede verfälschte Urkunde zugleich unecht sein muss, denn im Rahmen der 3. Mod. ist von “unecht oder verfälscht” die Rede. Der hM ist somit zu folgen.

Stellt das Überkleben eines Kennzeichens mit einer “Antiblitzfolie” ein Verfälschen einer Urkunde dar?

z.T. (OLG Düsseldorf):

Die Zulassung eines Kraftfahrzeugs zum Betrieb auf öffetnlichen Straßen geschieht durch Erteilung der Betriebserlaubnis UND durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens. Bestandsteil des Zulassungsverfahrens (…) ist auch die amtliche Abstempelung dieses Kennzeichens durch Aufkleben des Dienststempels der Zulassungsstelle in Gestalt einer Siegelmark. Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Zulassungsstelle gem. § 23 IV 4 StVZO zu prüfen, ob das Kennzeichen, insbesondere seine Ausgestaltung und Anbringung vorschriftsgemäß ist. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens überprüft die Zulassungsstelle u.a. auch, ob das zur Abstempelung vorgelegt Kennzeichen diesen Anforderungen entspricht und vescheinigt mit Erteilugn der Behördenplakette, dass diese Prüfung eine ordnungsgemäße Form und Gestaltung des Kennzeichens ergeben hat. Die Beweisrichtung geht daher auch dahin, dass das Kennzeichen den technischen Vorschriften über seine Ausgestaltung entspricht.

Das überklebte Kennzeichenschild enthält aufgrund des unveränderten Dienststempels der Zulassungsstelle nach wie vor deren - nach der Manipulation allerdings unrichtige - Erklärung, das Kennzeichen sei vorschriftsmäßig ausgestaltet und angebracht, sodass seine uneingeschränkte Ablesbarkeit gesichert sei. Tatsächlich aber. ist die Ausgestaltung des Kennzeichens durch Aufkleben von reflektierenden Zeichen nachhaltig in der Weise verändert worden, dass bei Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungen eine Identifizierung des fotografierten Fahrzeugs unmöglich wird.

h.M. (BGH):

Das abgestempelte Kennzeichen kann jedenfalls keinen Beweis über seine fortdauernde Ablesbarkeit nach der Zulassung des Fahrzeugs erbringen. Das ergibt sich schon daraus, dass etwa die nach § 10 ZFV durch die Zulassungsstelle bei der Abstempelung vorzunehmende Prüfung, dass das Kennzeichen nicht verschmutzt ist, naturgemäß keine weitergehende Bedeutung haben kann als die, dass das Kennzeichen bei der Zulassung nicht verunreinigt war. (…) Hier wurde der Erklärungsgehalt der Urkunde durch das Besprühen des Kennzeichens mit dem farblosen Speziallack nicht verändert. Das Kennzeichen entsprach zwar nicht mehr den Anforderungen des § 10 ZFV, der Erklärungsgehalt blieb aber derselbe.

Stellungnahme:

Richtig ist, dass die Urkunde ihrer Beweisfunktion nur nachkommen kann, wenn sie erkennbar ist. Ihr Erklärungsgehalt und damit die Beweisrichtung geht aber entgegen der Auffassung des OLG nicht dahin, zu beweisen, dass das Kennzeichen genau in diesem “baulichen Zustand” angebrahct und von der Zulassungsstelle abgenommen worden wäre. Anderenfalls wäre jede nachträgliche Veränderung oder auch nur Verschmutzung eine tatbestandliche Verfälschung der Urkunde. Das Verhindern der Lesbarkeit fällt vielmehr tatbestandlich uter § 274 I Nr. 1 StGB.

Umstritten ist, wie das vorsätzliche Überschreiten einer zeitlich begrenzten Zutrittserlaubnis in § 123 StGB (Hausfriedensbruch) konstruktiv zu erfassen ist.

h.M.:

Die hM nimmt hier ein "Eindringen durch Unterlassen” nach §§ 123 I Alt. 1, 13 StGB an. Aus dem Dauerdeliktscharakter des § 123 StGB sei zu folgern, dass derjenige, der zunächst unvorsätzlich, gerechtfertig oder entschuldigt eingedrungen sei, nach Erkennen seines Irrtums/nach Wegfall der Rechtsfertigungsvoraussetzungen/nach Wegfall des Entschuldigungsgrundes aus Ingerenz verpflichtet sei, den widerrechtlichen Zustand zu beseitigen. Die gleichen Grundsätze müssten auch gelten, wenn die Erlaubnis zum Aufenthalt in den geschützten Räumen von vornherein zeitlich begrenzt sei. Hier ergebe sich die Verpflichtung zum Verlassen der geschützten Räumlichkeiten aus der tatsächlich übernommenen Verpflichtung, den Aufenthalt auf die gestatteten Zeiten zu begrenzen. § 123 I Alt. 2 StGB sei als echtes Unterlassungsdelikt demgegenüber subsidiär.

Lit.:

In der Lit. wird diese Unterlassungskonstruktion als Umgehung des gesetzgeberischen Willens kritisiert, der das “Verweilen” nur unter den Voraussetzungen der Alt. 2 - nämlich bei Aufforderung zum Verlassen - unter Strafe gestellt habe. Allerdings werden an die Aufforderung keine allzu hohen Anforderungen geknüpft. Diese könne konkludent und vorab in der Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis für einen bestimmten Zeitraum gesehen werden.

Stellungnahme:

Nur nach der erstgenannten Ansicht ist aus § 13 S. 2 StGB eine Strafmilderung möglich, weshalb eine Entscheidung erforderlich ist.

Vordergründig spricht gegen die erste Ansicht, dass die Tathandlung des “Eindringens” schwerlich ohne Aktivität vorstellbar ist. Andererseits gilt dies für jedes andere Begehungsdelikt auch und § 13 StGB enthält gerade die gesetzliche Erlaubnis, bei Erfolgsdelikten Tätigkeit durch garantenpflichtwidrige Untätigkeit zu ersetzen. Demgegenüber überzeugt die zweite Ansicht nicht, weil sie mit der “schlüssigen” Aufforderung letztlich eine tatsächlich fehlende nicht überwinden kann. Es ist daher der hM zu folgen.

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Ann-kathrin L.

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