Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Bauvorhabens
3 Prüfungsschritte zur Feststellung der planungsrechtlichen Zulässigkeit eines Bauvorhabens
Schritt: Ist Bauplanungsrecht überhaupt zu beachten -> § 29 I BauGB
(+) bei Bauvorhaben, die die Einrichtung, Änderung, Nutzungsänderung baulicher Anlagen zum Inhalt haben.
Nur bei Anlass zu erörtern:
Errichtung: Erstmalige Herstellung eines Bauwerks, Wiederherstellung einer zerstörten Analge mit Hilfe von Baustoffen und Baumaterialien.
Änderung: Umbau, Ausbau, Erweiterung oder Verkleinerung einer bestehenden baulichen Anlage.
Nutzungsänderung: Die Anlage bleibt baulich unverändert, enthält aber eine von der bisherigen Nutzung abweichende Zweckbestimmung.
Der Begriff der baulichen Anlage wird sowohl in § 29 I BauGB als auch in § 2 der Landesbauordnung verwandt.
Schritt: Zuordnung des Grundstücks zu den §§ 30- 35 BauGB
Bedeutung der Zuordnung: Mit der Zuordnung eines Grundstücks zu den §§ 30-35 BauGB erfolgt die Bestimmung, nach welcher dieser Normen sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet. Es geht also um die Frage, welcher der §§ auf das Vorhaben anwendbar ist.
Systematik der §§ 30-35 BauGB: Zu klären ist, ob das Grundstück in einem bereits beplanten Gebiet (insbes. im Geltungsbereich eines (qualifizierten oder einfachen) Bebauungsplans) oder in einem noch nicht beplanten Gebiet (und dann: im Innenbereich oder im Außenbereich) liegt. Die für die Zuordnung erforderlichen Angaben enthält der Sachverhalt (zwingend).
Schritt: Liegen die Voraussetzungen des einschlägigen § vor?
Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung
I. Anspruchsgrundlage: § 71 I 1 BauO Bln
aber nur, wenn Vorhaben genehmigungspflichtig, § 59 I BauO Bln
Anlage, § 2 I BauO Bln
Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung
keine Ausnahmen: §§ 60-62, 76, 77 BauO Bln
§ 60 BauO Bln: Vorrang anderer (spezieller) Gestattungsverfahren
§ 61 BauO Bln: verfahrensfreie Vorhaben; Beachte: § 61 II BauO Bln (Nutzungsänderung) und § 61 III BauO Bln (Beseitigung von Anlagen)
§ 62 BauO Bln: Genehmigungsfreistellung durch die Behörde
§ 76 BauO Bln: “Fliegende Bauten”, zB Achterbahn
§ 77 BauO Bln: nur bauaufsichtliche Zustimmung bei Vorhaben öffentlicher Bauherren
II. Formelle Anspruchsvoraussetzungen
Bauantrag an zuständige Behörde (§ 68 I BauO Bln); wegen Aufhebung des Schriftformerfordernisses künftig auch elektronisch möglich (das Nähere wird in einer Rechts-VO auf Grundlage des § 86 III BauO Bln geregelt). Bauvorlagen (§ 68 II BauO Bln).
III. Materielle Anspruchsvoraussetzungen
Keine entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften (soweit sie in dem für das konkrete Vorhaben jeweils einschlägigen bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind).
Welche öffentlich-rechtlichen Vorschriften das konkret sind, hängt davon ab, üb über die Erteilung der beantragten Baugenehmigung entschieden wird
(wie regelmäßig) im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (§ 63 BauO Bln) - nur eingeschränkte Prüfung
im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren speziell für Werbeanlagen (§ 63a BauO Bln) - nur eingeschränkte Prüfung
(ausnahmsweise) im (“klassischen”) Baugenehmigungsverfahren (§ 64 BauO Bln) - mit umfassender Prüfung. Diese Verfahren kommt nur noch bei den sog. Sonderbauten (-> Auflistung in § 2 IV BauO Bln) zu Anwendung.
Bauplanungsrechtliche Vorschriften (Vorgaben)
Übereinstimmung mit den Vorschriften über die planungsrechtliche Zulässigkeit baulicher Anlagen nach den §§ 29-38 BauGB
In allen Baugenehmigungsverfahren, § 63 S. 1 Nr. 1; § 63a S. 1 Nr.1; § 64 S. 1 Nr. 1 BauO Bln
Einhaltung der Vorschriften im (Bau-) Gestaltungsverordungen (-> § 12 AGBauGB)
Nur im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren für Werbeanlagen, § 63a S. 1 Nr. 2 BauO Bln
ggf.: Bauordnungsrechtliche Vorschriften (Vorgaben)
Einhaltung (sämtlicher) Anforderungen nach und auf Grund der BauO Bln
Nur im (“klassischen”) Baugenehmigungsverfahren, § 64 S. 1 Nr. 2 BauO Bln
Beantragte Zulassungen von Abweichungen iSd § 67 I, II 2 BauO Bln
In beiden vereinfachten Genehmigungsverfahren, § 63 S. 1 Nr. 2; § 63a S. 1 Nr. 3 BauO Bln
Überinstimmung mit den Anforderungen des § 6, § 9 I, II, § 10 und § 16 II BauO Bln
Nur im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren für Werbeanlagen, § 63a S. 1 Nr. 3 BauO Bln
In begrenztem Umfang: Einhaltung sonstiger öffentlich-rechtlicher Anforderungen
in allen Baugenehmigungsverfahren, § 63 S. 1 Nr. 3, § 63a S. 1 Nr. 4; § 64 S. 1 Nr. 3 BauO Bln
jedoch nur, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird.
IV. Anspruchsinhalt: grds. gebunden; Ermessen ua in den Fällen des § 31 I, II BauGB
Rechtmäßigkeit von Bauordnungsverfügungen
I. Ermächtigungsgrundlage
Einschreiten wegen baurechtswidriger Errichtung, Änderung oder Nutzung einer baulichen Anlage: § 79 I 1 BauO Bln (Stillegung = Einstellung der Bauarbeiten/ Baustopp); § 80 S. 1 BauO Bln (Beseitigung); § 80 S. 2 BauO Bln (Nutzungsuntersagung)
Beachte: Nur in diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Anlage formell und/oder materiell illegal ist
Sonstige Befugnisse: § 58 I 5 BauO Bln (Generalklausel idR einschlägig bei Verstößen gegen §§ 3 ff. BauO Bln, zB fehlende Standsicherheit; § 58 III BauO Bln (Betretungsrecht); § 81 II BauO Bln (Anpassung bestehender Anlagen an neue Vorschriften); § 82 I BauO Bln (Bauüberwachung); § 83 I BauO Bln (Anforderung von Bauzustandsanzeigen)
II. Formelle Rechtmäßigkeit: Zuständigkeit (§ 2 IV 1 ASOG Bln iVm Nr. 15 ZustKat Ord) - Verfahren - Form
III. Materielle Rechtmäßigkeit
Voraussetzungen der EGL (hier für den baurechtlichen Standardfall eines Einschreitens §§ 79, 80 BauO Bln)
a) Anlage (§ 2 BauO Bln)
b) Errichtung, Änderung oder Nutzung
c) unter Verstoß gegen (im Widerspruch zu) öffentlich-rechtlichen Vorschriften (soweit diese von der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen sind)
aa) Vorhaben bereits formell illegal?
Vorhaben genehmigungspflichtig (§ 59 I BauO Bln)?
Erforderliche Baugenehmigung fehlt, zB nicht beantragt, unwirksam (nichtig, aufgehoben, erloschen), abweichende Bauausführung?
bb) Vorhaben materiell illegal?
Ist es überhaupt erforderlich, dass das Vorhaben auch materiell illegal ist?
Prüfung nur, wenn unter aa) festgestellt wurde, dass das Vorhaben bereits formell illegal ist.
Grund: Der erforderliche Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften ist schon bei formeller Illegalität gegeben. Es handelt sich aber um einen “bloßen Formalverstoß”, der möglicherweise wegen Art. 14 I 1 GG und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für ein Einschreiten allein nicht ausreicht. Die Lösung hängt von der Art des Eingriffs ab:
Für eine Stilllegung ist formelle Illegalität ausreichend.
Eine Beseitigungsverfügung setzt im Regelfall zusätzlich auch materielle Illegalität voraus. Das folgt schon aus § 80 S. 1 BauO Bln, der fordert, dass “nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.” Ausnahme: Beseitigung ist ohne Substanzverlust zB durch schlichte Demontage möglich.
Nutzungsuntersagung str.: § 80 S. 2 BauO Bln fordert materielle Illegalität nicht; uU aber wegen Art. 14 I 1 GG erforderlich. Sachgerecht erscheint es, auf die Auswirkungen der Maßnahme im Einzelfall abzustellen: Nein bei einer nur vorübergehenden Nutzungsuntersagung ohne irreparable Schäden. Ja bei einer auf Dauer angelegten Nutzungsuntersagung und/oder irreparablen Schäden.
Verstößt das Vorhaben jetzt gegen (materielle öffentlich-rechtliche) Vorschriften
des Bauplanungsrechts
des Bauordnungsrechts oder
gegen sonstige vorhabenbezogenen öffentlich-rechtliche Vorschriften
Richtiger Adressat (ggf. Rückgriff auf ASOG Bln)
Allgemeine Rechtmäßigkeitsanforderungen
Bestimmtheit
Möglichkeit
Rechtsfolge
Ermessen
Ermessensfehler, insbes. Grenzen überschritten
a) Verstoß gegen Art. 14 I 1 GG (passiver Bestandsschutz)?
Frage: War die bauliche Anlage (oder Nutzung) früher zu irgendeinem Zeitpunkt für einen bestimmten Zeitraum (Faustregel: 3 Monate, vgl. § 75 VwGO) materiell legal?
b) Verstoß gegen Art. 3 I GG?
Beachte: Der Grundsatz “Keine Gleichheit im Unrecht” ist iRv Ermessensentscheidungen NICHT anwendbar! Daher kann die Prüfung von Art. 3 I GG nicht unter Hinweis auf diesen Grundsatz unterbleiben.
c) Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (ggf.: § 11 ASOG Bln)?
d) Verlust des Rechts zum Einschreiten? (Verwirkung - Zeitmoment und Umstandsmoment)
abstraktes Normenkontrollverfahren § 47 VwGO
A. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (Spezialzuweisung, sonst: § 40 I 1 VwGO)
II. Statthaftigkeit des Antrags, § 47 I VwGO: Entscheidung über die Gültigkeit von
Nr.1: Satzung nach BauGB/ Rechts-VOen aufgrund § 246 II BauGB - Grds. nicht: Flächennutzungsplan (FNP)
Sonderfall: Ein FNP kann ausnahmsweise analog, § 47 I Nr. 1 VwGO angegriffen wernde, wenn mit der Ausweisung von (Konzentrations-)Flächen für Vorhaben nach § 35 I Nr. 2-6 BauGB deren Zulässigkeit auf anderen Flächen gem. § 35 III 3 BauGB ausgeschlossen werden soll. Grund: In diesem Sonderfall entfaltet der FNP ausnahmsweise Außenwirkung wie ein B-Plan.
Nr. 2: Normen im Rang unter einem Parlamentsgesetz des Landes - wenn Landesrecht das Verfahren vorsieht
Unter Nr. 2 fallen Rechts-VOen/ Satzungen von Landesbehörden sowie juristischen Personen, die ihre Hoheitsgewalt vom Land ableiten (wie zB die Gemeinden). Das Verfahren nach Nr. 2 ist in Berlin nicht vorgesehen.
III. Sachliche Zuständigkeit, § 47 I VwGO: OVG
IV. Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen
Antragsbefugnis, § 47 II 1 VwGO
Natürliche und juristische Personen (auch des öffentlichen Rechts) müssen geltend machen können, durch die Rechtsnorm oder deren Anwendung in eigenen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (Möglichkeitstheorie).
Antragsbefugnis in Verfahren gegen einen B-Plan:
Unproblematisch wegen Art. 14 I GG: Jeder Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, der sich gegen eine sein Grundstück betreffende Festsetzung wendet.
Wegen § 1 VII BauGB, der ein formelles subjektives Recht auf ordnungsgemäße Abwägung begründet: Auch jeder, der eine unterlassene Einbeziehung oder falsche Gewichtung ihn betreffender privater Belange geltend machen kann. Danach kann uU auch antragsbefugnt sein: Der Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, der sich gegen Festsetzungen wenden, die sein Grundstück nicht unmittelbar betreffen, der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets liegenden Grundstücks und selbst der obligatosich Berechtigte (Mieter/Pächter), obwohl Nachbarrechte im Übrigen nur dem dinglich Berechtigten zustehen.
Ohne Erfordernis einer Antragsbefugnis jede Behörde (ieS, nicht die hinter ihr stehende juristische Person); die Zulässigkeit des Antrags setzt jedoch ein objektives Kontrollinteresse voraus, was nur gegeben ist, wenn die Behörde mit dem Vollzug der Norm befasst ist oder bei der Erfüllung ihrer Aufgaben durch sie betroffen wird.
Antragsfirst, § 47 II 1 VwGO: 1 Jahr nach Bekanntmachung
Antragsgegner, § 47 II 2 VwGO: Körperschaft, die die Rechtsnorm erlassen hat
V. Beteiligten-/ Prozessfähigkeit, §§ 61, 62 VwGO
VI. Keine anderweitige rechtskräftige Entscheidung, § 121 VwGO
Entscheidung nach § 47 VwGO: Allgemeinverbindlich ist nur eine dem Antrag stattgebende Entscheidung (§ 47 V 2 Hs. 2 VwGO). Die Zurückweisung eines Normenkontrollantrags wirkt nur inter partes.
Das Ergebnis einer inzidenten Überprüfung des B-Plans im Rahmen einer Anfechtungs-/ Verpflichtungsklage nimmt als bloße Vorfrage schon nicht an der Rechtskraft des daraufhin ergehenden Urteils teil und ist auch nicht allgemeinverbindlich.
VII. Rechtsschutzbedürfnis (RSB)
Kein RSB für ein Verfahren gegen einen B-Plan, wenn durch die Unwirksamkeitserklärung des B-Plans die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessert werden kann.
B. Begründetheit
Der Antrag ist begründet, wenn die Norm (wegen Verstoßes gegen höherrangiges Bundes- oder Landesrecht) unwirksam ist, vgl. § 47 V 2 VwGO. Es erfolgt eine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung, da das Normenkontrollverfahren (trotz Notwendigkeit einer Antragsbefugnis) ein objektives Kontrollverfahren ist. Der Antrag ist daher auch dann begründet, wenn die Norm lediglich gegen objektives (nicht drittschützendes) Recht verstößt.
Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans
A. Rechtsgrundlage, §§ 1 III, 2 I, 10 I, § 246 II BauGB iVm § 6 V 1 AG BauGB
Aufgrund der Ermächtigung in § 246 II iVm § 6 V 1 AG BauGB ergeht der Bebauungsplan in Berlin nicht in Form einer Satzung sondern in Form einer Rechtsverordnung.
B. Formelle Rechtmäßigkeit
I. Zuständigkeit, §§ 1 III, 2 I BauGB; §§ 1, 6 AG BauGB bzw. §§ 7-9 AG BauGB
Gem. § 1 AG BauGB werden Angelegenheiten, für die nach dem BauGB die Gemeinde zuständig ist, von den Bezirken wahrgenommen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Der Erlass von Bebauungsplänen liegt grundsätzlich in der Zuständigkeit der Bezirke, § 6 AG BauGB. Ausnahmsweise liegt die Zuständigkeit beim Senat, §§ 7-9 AG BauGB (Bebauungspläne bei dringedem Gesamtinteresse Berlins, zur Verwirklichung von Erfordernissen der Verfassungsorgane des Bundes oder von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung).
II. Ordnungsgemäßes Planaufstellungsverfahren (Verfahren/ Form)
§ 2 I 2 BauGB: Aufstellungsbeschluss (Fassung und Bekanntmachung, § 6 I 1 AG BauGB)
Vor Fassung des Aufstellungsbeschlusses hat der Bezirk gem. § 5 AG BauGB seine Planungsabsicht der zuständigen Senatsverwaltung mitzuteilen. - Der Aufstellungsbeschluss ist bundesrechtlich keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den B-Plan. Grund: Er wird in den weiteren Vorschriften über das Aufstellungsverfahren und auch in § 214 I BauGB nicht mehr erwährt. Er ist aber zB relevant für die Wirksamkeit einer Veränderungssperre, § 14 I BauGB.
§ 2 III BauGB: Ermittlung und Bewertung der “allgemeinen” abwägungsrelevanten Belange
Sog. Abwägungsmaterial. Zu den allg. Belangen siehe § 1 VI (ohne Nr.7) BauGB.
Umweltbelange (siehe § 1 VI Nr. 7, § 1a BauGB)
Die Ermittlung, Bewertung und Beschreibung der Umweltbelange ist kein besonderer Verfahrensschritt; vielmehr wird in § 2 IV BauGB die allgemeine Regelung des § 2 III BauGB aufgegriffen und für die Umweltbelange konkretisiert. Verstöße gegen § 2 IV BauGB sind in § 214 I 1 Nr. 1 BauGB nicht ausdrücklich erwähnt; soweit sie zugleich einen Verstoß gegen § 2 III BauGB darstellen, ergibt sich ihre Beachtlichkeit indirekt aus § 214 I 1 Nr. 1 BauGB.
a) Umweltprüfung
§ 2 III, IV 1 BauGB: Ermittlung der Umweltbelange (Fehlerfolge: § 213 I 1 Nr. 1; § 215 I Nr. 1 BauGB)
§ 2 IV 2 BauGB - Festlegung, in welchem Umfang und Detaillierungsgrad die Ermittlung der Belange für die Abwägung erforderlich ist (sog. Scoping).
b) Umweltbericht, § 2a S. 2 Nr. 2 iVm Anlage zu §§ 2 IV, 2a BauGB
Zutreffende Bewertung, § 2 III iVm IV 1 BauGB (Fehlerfolge: § 214 I 1 Nr. 1; § 215 I Nr. 1 BauGB)
Vollständigkeit der “Beschreibung”, § 2 IV 1 BauGB (Fehlerfolge: § 214 I 1 Nr. 3; § 215 I Nr. 1 BauGB)
§§ 3, 4a BauGB: Beteiligung der Öffentlichkeit (§ 6 I 2 AG BauGB), insbesondere Auslegung des Planentwurfs
a) Ggf. frühzeitige Beteiligung, § 3 I 1 BauGB (Fehlerfolge: unbeachtlich, weil in § 214 I 1 BauGB nicht erwähnt)
b) Formelle Beteiligung durch Auslegung des Planentwurfs inkl. der Begründung, § 3 II BauGB
Rechtzeitige ortsübliche Bekanntmachung (Amtsblatt für Berlin) von Ort/ Dauer der Auslegung mit Hinweis auf Stellungnahmemöglichkeit und mögliche Präklusion, § 3 II 2 BauGB (Fehlerfolge: § 214 I 1 Nr. 2; § 215 I Nr. 1 BauGB)
Öffentliche Auslegung für 1 Monat, § 3 II 1 BauGB (Fehlerfolge: § 214 I 1 Nr. 2; § 215 I Nr. 1 BauGB)
§§ 4, 4a BauGB: Beteiligung von Behörden (§ 6 II 1 AG BauGB)
a) Ggf. frühzeitige Beteiligung, § 4 I 1 BauGB (Fehlerfolge: unbeachtlich, weil in § 214 I 1 BauGB nicht erwähnt)
b) Formelle Beteiligung, § 4 II BauGB (Fehlerfolge: § 214 I 1 Nr. 2; § 215 I Nr. 1 BauGB)
Beschlussfassung, Anzeige und Festsetzung des Bebauungsplans (§ 6 III-V 1 AG BauGB)
§ 6 III AG BauGB: Beschlussfassung BVV. § 6 IV AG BauGB: Anzeige an zuständige Senatsverwaltung. § 6 V 1 AG BauGB: Festsetzung des B-Plans als Rechtsverordnung. (Fehlerfolge bei fehlendem Beschluss: § 214 I 1 Nr. 4 Fall 1 BauGB: “Ewigkeitsmangel”, weil in § 215 I BauGB nicht erwähnt)
§ 10 III BauGB: Ordnungsgemäße Bekanntmachung (§ 6 V 3, VI AG BauGB)
Es findet eine Ersatzverkündung statt, die aus 2 Elementen besteht:
Zu verkünden ist nicht der B-Plan selbst, sondern der Beschluss über den B-Plan (bzw. alternativ die Erteilung der Genehmigung). Aus der Bekanntmachung muss sich das Plangebiet ergeben (Hinweisfunktion der Bekanntmachung). (Fehlerfolge: § 214 I 1 Nr. 4, Fall 3; “Ewigkeitsmangel”, weil in § 215 I BauGB nicht erwähnt).
Der B-Plan ist mit der Begründung einschließlich Umweltbericht (§ 9 VIII iVm § 2a BauGB) (Fehlerfolge: § 214 I 1 Nr. 3; § 215 I Nr. 1 BauGB) und der zusammenfassenden Erklärung (§ 10 IV BauGB) (Fehlerfolge: unbeachtlich, weil in § 214 I 1 BauGB nicht erwähnt) zu jedermanns Einsicht bereits zu halten. In der Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, wo der B-Plan eingesehen werden kann. (Fehlerfolge: § 214 I 1 Nr. 4, Fall 1; “Ewigkeitsmangel”, weil in § 215 I BauGB nicht erwähnt).
C. Materielle Rechtmäßigkeit
I. Voraussetzung: Erforderlichkeit für die städtebauliche Ordnung, § 1 III 1 BauGB
Planungsbefugnis und Planungspflicht
Planungsbefugnis: Liegen die Voraussetzungen des § 1 III BauGB nicht vor, so ist ein gleichwohl aufgestellter Bauleitplan unwirksam (Verstoß gegen § 1 III und Art. 14 I GG).
Planungspflicht: § 1 III BauGB wird trotz des strikten Wortlauts wegen der Planungshoheit als Ermessensnorm interpretiert. Das Ermessen kann sich ausnahmsweise zu einer Planungspflicht verdichten. Dazu reicht es nicht, dass eine Planung “vernünftigerweise geboten” wäre; es muss wegen andernfalls eintretender Konflikte oder Missstände ein qualifizierter (gesteigerter) Planungsbedarf bestehen. Die Planungspflicht kann (nur) mit Mitteln der Bezirksaufsicht durchgesetzt werden (§ 12 f. AZG; Sonderregelungen in §§ 7 und 10 AG BauGB); ein Anspruch auf Planugn besteht nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 1 III 2 BauGB nicht.
Erforderlichkeit für die städtebauliche Ordnung
§ 1 III BauGB betrifft nur die generelle Erforderlichkeit der Planung, nicht hingegen die Einzelheiten der planerischen Lösung. Dafür ist das Abwägungsgebot gem. § 1 VII BauGB maßgeblich.
Die Planung muss städtebauliche Allgemeinbelange, vgl. insbesondere § 1 VI BauGB, verfolgen.
Keine sachfremden Motive. Unwirksamt ist zB ein B-Plan, der nur erfolgt, um den Eigentümern der Flächen aus wirtschaftlichen Gründen den Verkauf von Baugrundstücken zu ermöglichen.
Problem der Negativplanung. Ein generelles Verbot negativer Festsetzungen gibt es nicht, vgl. zB § 9 I Nr. 10 BauGB. Unzulässig sind aber Negativfestsetzungen, wenn ein B-Plan einer positiven Planungskonzeption entbehrt oder die Festsetzung nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern.
Unwirksam ist ein B-Plan, der vo vornherein aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen vollzugsunfähig ist, ebenso: wenn die Verwirklichung des B-Plans erst in mehr als 20 Jahren denkbar ist.
Einzelne Festsetzungen können nicht (mehr) erforderlich sein und damit unwirksam werden, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich beziehen, offenkundig so verändern, dass eine Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen ist. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die Funktionslosigkeit, deren Feststellung Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein kann, nur die einzelne Festsetzung oder den gesamten B-Plan erfasst.
II. Ordnungsgemäße Ausübung des Planungsermessens
Einhaltung der Grenzen des Planungsermessens (= Strikte Beachtungsgebote (Planungsleitsätze), die iRd Abwägung nicht überwunden werden können):
a) Anpassungspflicht, § 1 IV BauGB (Anpassung an Ziele der Raumordnung, § 3 Nr. 2 ROG)
b) Entwicklungsgebot, § 8 II 1 BauGB (Prinzip der Zweistufigkeit) (beachte § 214 II BauGB!)
c) Zulässige Festsetzung gem. § 9 I, § 9a BauGB iVm BauNVO
Beachte: Kein Festsetzungserfindungsrecht sondern Typenzwang; Ausnahme: § 12 III 2 BauGB (Vorhaben- und Erschließungsplan).
§ 1 VII BauGB: Ordnungsgemäße Abwägung öffentlicher und privater Belange
a) Relevante Belange
§ 1 VI BauGB (Aufzählung der Belange)
§ 2 II BauGB (Interkommunales Abstimmungsgebot)
Abgestimmtsein der B-Pläne benachbarter Gemeinden (zum Abstimmungsverfahren siehe § 4 BauGB). - § 2 II BauGB steht heute an systematisch falscher Stelle, weil § 2 BauGB (nur noch) die wesentlichen Verfahrensvorgaben enthalten soll, während die materiellrechtlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwägung in §§ 1 und 1a BauGB “gebündelt” werden sollten.
§ 1a II 3 BauGB (Bodenschutzklausel)
§ 50 BlmSchG (Trennungsgebot)
Möglichst kein Nebeneinander von Wohnen und Industrie bzw. Gewerbe. Uneingeschränkte Geltung aber nur bei Neuplanung unbebauter Flächen.
Teilweise wird den Belangen eine unterschiedliche Wertigkeit zugeprdnet und wie folgt unterschieden:
Optimierungsgebote: Diese verlangen eine vorrangige Berücksichtigung sind aber je nach Einzelfall nicht abwägungsfest, Bsp.: Bodenschutzklausel, § 1a II BauGB; Trennungsgebot, § 50 BlmSchG.
Bloße Berücksichtigungsgebote (Planungsleitlinien): Diese Belange können im Einzelfall wegen Existenz eines höherwertigen Belangs völlig zurücktreten, Bsp.: § 1 VI BauGB.
Planungsziele, § 1 V 1 BauGB, die durch die Planungsleitlinien ergänzt werden.
b) Relevante Fehler
Abwägungsproportionalität
Sie liegt vor, wenn der Ausgleich zwischen den Belangen in einer Weise vorgenommen wurde, die zur objektiven Gewichtung der Belange außer Verhältnis steht.
Mangelnde (planerische) Konfliktbewältigung
Das Gebot der Konfliktbewältigung verlangt, dass alle der Planung zuzurechnenden Konflikte möglichst im Plan selbst einer Lösung zugeführt werden. Nicht erforderlich ist aber eine völlige Konfliktbeseitigung; zulässig ist es, die Klärung bestimmter Konflikte dem nachgelagerten Baugenehmigungsverfahren zu überlassen (“Konflikttransfer”), wenn die Konfliktbewältigung durch das spätere Verfahren gesichtert oder wenigstens wahrscheinlich ist.
D. Beachtlichkeit von Fehlern bei der Bauleitplanung (Grundsatz der Planerhaltung)
Im Prüfungsaufbau ist direkt im Anschluss an die Feststellung eines Fehlers dessen Fehlerfolge zu prüfen. Beachtliche Fehler führen zur Unwirksamkeit (nicht: Nichtigkeit) des Plans, § 47 V 2 VwGO. Im Einzelnen gilt folgendes:
I. Zuständigkeitsmängel sind immer relevant
II. Beachtlichkeit von Verfahrens- und Formfehlern §§ 214 I (215 I Nr. 1) BauGB/ § 214 III (§ 215 I Nr. 3 ) BauGB
Verfahrens- und Formfehler sind nur beachtlich, wenn sie entweder in § 214 I BauGB oder in der sog. Angstklausel des § 214 III 2 Hs. 2 BauGB als beachtlich aufgeführt sind. Diese Vorschriften benennen verschiedene Fehlertypen und erklären sie - uU nur mit weiteren Einschränkungen - für beachtlich. Danach beachtliche Fehler können unbeachtlich werden, wenn sie nicht rechtzeitig gerügt werden, § 215 I BauGB.
Anwendungsberich von § 214 I 1 Nr. 1 und § 214 III 2 Hs. 2 BauGB (sog. Angstklausel)
§ 214 I 1 Nr. 1 BauGB betrifft Mängel im Abwägungsvorgang (§ 2 III BauGB). Diese liegen vor, wenn abwägungsrelevante Belange nicht ermittelt (Ermittlungsdefizit), nicht bewerte (Bewertungsausfall/-defizi) oder falsch bewertet wurden (Bewertungsfehleinschätzung) - § 214 III 2 Hs. 1 BauGB stellt dazu klar, dass diese Mängel nur als formelle Fehler (und nicht als materielle Fehler des Abwägungs-(Plan-)ergebnisses) geltend gemacht werden können.
Der Gesetzgeber geht davon aus dass als Mängel im Abwägungsvorgang (->§ 2 III BauGB) nur die in § 214 I 1 Nr. 1 BauGB genannten Fehler in Betracht kommen. Für den Fall, dass es nach der Rechtsprechung noch andere Fehler im Abwägungsvorgang geben sollte, werden diese von § 214 III 2 Hs 2 BauGB aufgefangen.
§ 214 I 1 Nr. 1 BauGB und § 214 III 2 Hs. 2 BauGB: Offensichtlich und von Einfluss auf das Abwägungsergebnis
Mängel im Abwägungsvorgang sind nach § 214 I 1 Nr. 1 bzw. § 214 III 2 Hs. 2 BauGB nur beachtlich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Offensichtlich sind Fehler, die auf objektiv fassbaren Umständen beruhen; nicht offensichtlich sind nur Fehler, die ausschließlich auf subjektiven, nicht dokumentierten Vorstellungen der Mitglieder der BVV beruhen. Von Einfluss auf das Abwägungsergebnis sind solche Fehler nur dann, wenn aufgrund konkreter Umstände die Möglichkeit besteht, dass das Abwägungsergebnis bei Vermeidung des Fehlers anders ausgefallen wäre.
Zur Bedeutung der Rüge(frist), § 215 BauGB
Der Fehler ist “schriftlich gegenüber der Gemeinde” (in Berlin ggü. dem Bezirksamt, § 6 VI 2 AG BauGB) geltend zu machen. Die Rüge muss substantiiert erhoben werden (“unter Darlegung des Sachverhaltes”). Die Rüge wirkt “inter omnes”, dh ausreichend ist es, wenn irgendjemand (also nicht notwendig der Kläger) den Fehler rechtzeitig gerügt hat. Bis zum Ablauf der Rügefrist sind die Fehler auch ohne vorherige Rüge ggü. dem Bezirksamt beachtlich.
Hinweispflicht, § 215 II BauGB: § 215 BauGB greift nur dann ein, wenn der Hinweis gem. § 215 II BauGB erfolgt ist. Ein unterbliebener Hinweis kann nachgeholt werden.
III. Unbeachtlichkeit materieller Fehler bei der Entwicklung des B-Plans §§ 214 II (215 I Nr. 2) BauGB
Materielle Fehler im Abwägungsergebnis (Planergebnis) sind grds. immer und ohne vorherige Rüge beachtlich, weil sie von §§ 214, 215 BauGB nicht erfasst werden (die allein in Betracht kommenden §§ 214 III 2 Hs. 2, 215 I Nr. 3 BauGB betreffen nur Mängel im Abwägungsvorgang). Eine Ausnahme bildet der Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des B-Plans aus dem Flächennutzungsplan. dieser Verstoß ist unter den Voraussetzungen des § 214 II BauGB ausnahmsweise unbeachtlich. Ein gleichwohl beachtlicher Fehler wird nach Ablauf der Rügefrist des § 215 I Nr. 2 BauGB unbeachtlich.
IV. Ergänzende Verfahren § 214 IV BauGB
Fehlerhafte Bauleitpläne können durch ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Dies gilt nach Aufhebung des nur Verfahrensfehler betreffenden § 215a BauGB auch für materielle Fehler. Nach der § 47 VwGO stellt das Gericht die “Unwirksamkeit” fest, § 47 V 2 VwGO; es muss nicht entscheiden, ob der Plan wegen eines nicht mehr behebbaren Mangels “nichtig” ist. Wie der Mangel zu beheben ist, hat der Bezirk zu entscheiden. Eine rückwirkende Inkraftsetzung kommt allerdingt nicht in Betracht, wenn der Mangel besonders schwerwiegend ist, zB wenn er die Grundzüge der Planung oder den Kern der Abwägungsentscheidung betrifft.
Zuletzt geändertvor einem Monat