1. Was ist Völkerrecht?
Völkerrecht:
Rechtliches System, das die Rechte und Pflichten von Völkerrechtssubjekten (Staaten, internationale Organisationen, Individuen) sowie die Beziehungen zwischen Staaten und anderen Akteuren des internationalen Rechts regelt. Es umfasst sowohl verbindliche als auch nicht verbindliche Normen, die sich aus Verträgen, Völkergewohnheitsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben. Ziel ist die Schaffung einer stabilen und geordneten internationalen Gemeinschaft.
Vorlesung 1
2. Was sind die Völkerrechtssubjekte des Völkerrechts?
Völkerrechtssubjekte des Völkerrechts sind jene, die Rechte und Pflichten nach dem Völkerrecht haben und am internationalen Rechtsverkehr teilnehmen können.
Staaten:
Primären Völkerrechtssubjekte; gelten als „geborene Völkerrechtssubjekte“; besitzen Souveränität und können int. Verträge abschließen
Besitzen als einziges Völkerrechtssubjekt volle int. Rechtsfähigkeit (alle anderen Völkerrechtssubjekte, insb. Int. Organisationen, besitzen nur teilweise int. Rechtsfähigkeit)
Vrrs.: Territorium, Bevölkerung, effektive Regierung (Drei-Elemente-Lehre)
Internationale Organisationen:
Z.B. UN oder EU: Sekundäre Völkerrechtssubjekte mit eingeschränkten Rechten und Pflichten, die sich aus ihren Gründungsverträgen ableiten
Individuen:
Können im Bereich des int. StR (z. B. Kriegsverbrechen, Völkermord) und der Menschenrechte Rechte und Pflichten haben (Bsp.: Anklagen gegen Kriegsverbrecher wie Charles Taylor vor dem Sondergerichtsh. f. Sierra Leone)
Sonstige Akteure:
Völker, die ihr Selbstbestimmungsrecht geltend machen, z. B. Kurden oder Palästinenser (PLO)
Aufständische Gruppen, die im humanitären Völkerrecht Beachtung finden, Rebellen oder Freiheitsbewegungen (ANC, SWAPO)
Atypische/ historisch gewachsene Völkerrechtssubjekte wie der Heilige Stuhl, das internationale Komitee vom roten Kreuz und der Malteser Ritterorden
Keine Völkerrechtssubjektivität besitzen NGOs. Sie können jedoch eine bedeutende Rolle im internationalen Rechtssystem spielen.
Vorlesung 4 "Subjects of Public International Law" & V7
3. Was sind die Quellen des Völkerrechts?
—> rechtliche Grundlagen, aus denen sich die Regeln und Prinzipien des int. Rechts ableiten.
Primäre Quellen (s.a. Art. 38 IGH-Statut):
Verträge: Schriftliche und verbindliche Abkommen zwischen Staaten, z. B. die UNCh
Völkergewohnheitsrecht: Allgemeine Praxis der Staaten, begleitet von opinio iuris.
Allgemeine Rechtsgrundsätze: Gemeinsame Prinzipien nationaler Rechtssysteme, z. B. Treu und Glauben.
—> Sind alle als gleichrangig zu betrachten.
Sekundäre Quellen:
Gerichtsentscheidungen: Urteile internationaler Gerichte wie des IGH oder ICC, die als Auslegungshilfen dienen.
Lehre: Beiträge von anerkannten Völkerrechtsexperten.
—> Sind als Hilfsquellen neben den Primären Quellen heranzuziehen
Weitere Quellen:
Einseitige Akte von Staaten oder Staatsoberhäuptern
Bindende Entscheidungen internationaler Organisationen
Vorlesung 3 "Sources of Public International Law"
4. Was ist der Unterschied zwischen bilateralem und multilateralem Vertrag?
Bilateraler Vertrag:
Vertrag zw. 2 Staaten, der spezielle Angelegenheiten oder Beziehungen regelt
Ziel ist oft die Regelung spezifischer Interessen, z. B. Handel, Grenzfragen oder Investitionen.
Ihre Wirkung ist auf die beteiligten Staaten begrenzt.
Beziehen sich oft auf spezifische Themen wie Handelsbeziehungen, Grenzregelungen, Verträge über diplomatische Beziehungen, Investitionsschutzabkommen oder militärische Kooperation.
Beispiele:
Deutsch-Französischer Freundschaftsvertrag (1963).
Bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und Indien.
Multilateraler Vertrag:
Vertrag zw. drei oder mehr Staaten, oft mit globaler oder regionaler Reichweite.
Sie schaffen universelle oder regionale Standards, z. B. im Menschenrechtsschutz, Umweltschutz oder in der Sicherheitskooperation.
Ihre Wirkung kann über die Vertragsparteien hinausgehen (z. B. in Form von erga omnes-Verpflichtungen).
Pariser Klimaabkommen (2015).
UN-Seerechtskonvention (1982).
Die UN-Charta oder die Genfer Konventionen.
5. Was besagt das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten?
—> Souveränität bedeutet die Fähigkeit eines Staates, seine inneren und äußeren Angelegenheiten unabhängig zu regeln.
—> Souveräne Gleichheit schließt die territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit und die Freiheit, internationale Beziehungen zu gestalten, ein. Nach dem Prinzip der souveränen Gleichheit sind alle Staaten rechtlich gleichgestellt, unabhängig von ihrer Größe, Macht oder Bevölkerung. Es basiert auf Art. 2 (1) UNCh und dem Völkergewohnheitsrecht.
Bedeutung:
Prinzip sichert Unabhängigkeit der Staaten & fördert Stabilität im int. System
Es garantiert, dass keine Diskriminierung zwischen Staaten basierend auf ihrer Macht oder ihrem Einfluss erfolgt
Grenzen:
Tatsächliche Machtverteilung unter den Staaten führt zu einer Diskrepanz zwischen formaler Gleichheit und realer Ungleichheit
Institutionen wie der UN-Sicherheitsrat untergraben das Prinzip durch das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder
Vorlesung 4 "Subjects of Public International Law"
6. Was ist die Drei-Elemente-Lehre?
Die Drei-Elemente-Lehre (Jellinek) beschreibt die Voraussetzungen für die Staatlichkeit im Völkerrecht. Ein Gebilde muss drei Kriterien erfüllen, um als Staat anerkannt zu werden. Sie ist ein zentraler Ansatz zur Definition von Staatlichkeit im Völkerrecht, wobei die politische Anerkennung oft entscheidend für die praktische Wirksamkeit ist.
Elemente:
Staatsgebiet: Ein abgrenzbares Gebiet, das Grundlage der staatl. Herrschaft ist. Es kann auch umstritten sein, solange effektive Kontrolle besteht.
Staatsvolk: Ständige Bevölkerung, unabhängig ihrer Größe oder Homogenität
Staatsgewalt: Eine effektive Regierung, die Autorität über das Territorium und die Bevölkerung ausübt. Umfasst die, Gebiets-, Personal- und ggf. Flaggenhoheit. Die Staatsgewalt liegt vor, wenn sie grundsätzlich effektiv, dauerhaft und unabhängig/ souverän ist.
(Souverän ist ein Staat, wenn die Staatsgewalt rechtlich keiner anderen Macht untergeordnet ist, die sich im Innen- und Außenverhältnis frei (abgesehen von den Bindungen des Völkerrechts) entfalten kann.)
Rechtsgrundlage:
Montevideo-Konvention über die Rechte und Pflichten der Staaten (1933)
Allgemeines Völkerrecht
Lehre stellt sicher, dass Staaten über eine Mindeststruktur verfügen, um als eigenständige Akteure im int. Recht zu agieren
Sie ist auch relevant für die Anerkennung neuer Staaten
Grenzfälle:
Somaliland: Erfüllt die Kriterien der Lehre, wird jedoch int. kaum anerkannt
Palästina: Anerkannt von vielen Staaten, aber mit eingeschränkter Kontrolle über sein Territorium
Vorlesung 4 "Subjects of Public International Law"
7. Was ist das Interventionsverbot?
—> Grundprinzip des Völkerrechts, das Staaten untersagt, in die inneren oder äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates einzugreifen. Es dient der Wahrung der Souveränität und Unabhängigkeit der Staaten. Es basiert auf Art. 2 (7) UNCh und ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt.
Inhalt:
Verbietet Androhung oder Anwendung von Gewalt, wirtschaftlichen Zwang, Subversion oder Unterstützung von Aufständen
Umfasst politische, wirtschaftliche und militärische Bereiche
Ausnahmen:
Zustimmung des betroffene Staates: “Interventionen auf Einladung” sind erlaubt
Mandat des UN-Sicherheitsrats: Interventionen, die der Friedenssicherung dienen, sind nach Kap. VII UNCh zulässig
Humanitäre Interventionen: Rechtlich hoch umstritten, aber zunehmend diskutiert.
Verstoß: Einmischung Russlands in den Konflikt in der Ostukraine (2014)
Erlaubt: NATO-Intervention im Kosovo (1999), umstritt. rechtlicher Status
Vorlesung 10 "Ius contra bellum" und Dokument "10. Peacekeeping, Use of Force"
8. Was sind ius cogens-Normen?
—> Zwingende Normen des Völkerrechts, die von der int. Gemeinschaft als unverzichtbar anerkannt werden. Sie stehen an der Spitze der Normenhierarchie und dürfen durch keine andere Regelung verdrängt werden. Sie gewährleisten höchste ethische und rechtliche Standards im Völkerrecht und dienen der Sicherung grundlegender Werte der internationalen Gemeinschaft.
Merkmale von ius cogens-Normen:
Universelle Gültigkeit: Sie gelten für alle Staaten und sind unveräußerlich
Keine Abweichung: Jede entgegenstehende Regel oder Vereinbarung ist nichtig
Rechtsgrundlagen:
Art. 53 WVK: Definition und rechtliche Folgen von Verstößen
Völkergewohnheitsrecht
Beispiele für ius cogens-Normen:
Verbot von Völkermord, Folter und Sklaverei.
Verbot der Aggression und der Gewaltanwendung (Art. 2 (4) UNCh)
Rechtsfolgen:
Verträge, die gegen ius cogens-Normen verstoßen, sind ungültig
Verstöße können universelle Gerichtsbarkeit auslösen
Vorlesung 2 "Normativity of Public Int. Law" und Doc.3 „Sources of Public Int. Law"
9. Was ist das Prinzip der Nichtdiskriminierung im Völkerrecht?
—> Garantiert die Gleichbehandlung aller Menschen und Staaten im Völkerrecht und schützt vor Diskriminierung aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht oder anderer Merkmale.
Art. 14 EMRK: Verbot von Diskriminierung bei Anwendung der Konventionsrechte.
Art. 26 IPBPR: Allgemeines Diskriminierungsverbot
WTO-Recht: Prinzip der Meistbegünstigung und Inländerbehandlung im internationalen Handel.
Staaten dürfen keine diskriminierenden Maßnahmen gegenüber Individuen, Gruppen oder anderen Staaten ergreifen.
Positive Maßnahmen zur Förderung benachteiligter Gruppen sind erlaubt (Affirmative Action).
Bedeutung im Völkerrecht:
Förderung von Gleichheit und Gerechtigkeit in internationalen Beziehungen.
Schutz der Menschenrechte und Förderung des freien Handels.
Verbot rassistischer Gesetze, z. B. Apartheid
Diskriminierungsverbot im Handelsrecht, z. B. WTO-Regeln zur Meistbegünstigungsklausel
Vorlesung 5 "Rights of the Individual – Human Rights" und Doc. "6. Subjects of Public Int. Law - Individuals, Human Rights"
10. Was bedeutet das Gewaltverbot im Völkerrecht?
—> Zentrales Prinzip des Völkerrechts, das die Anwendung oder Androhung von Gewalt in internationalen Beziehungen untersagt; schützt territitoriale Integrität und politische Unabhängigkeit der Staaten. Es basiert auf Art. 2 (4) UNCh und ist völkergewohnheitsrechtlich universell anerkannt.
Selbstverteidigung (Art. 51 UNCh)
Maßnahmen des UN-Sicherheitsrats: Gewalt kann autorisiert werden, wenn Frieden und Sicherheit gefährdet sind (Kap. VII UNCh)
Umstrittene Konzepte:
Humanitäre Intervention: Eingreifen ohne Zustimmung des betroffenen Staates zum Schutz der Zivilbevölkerung
Responsibility to Protect (R2P): Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft, bei schweren Menschenrechtsverletzungen einzugreifen
Erlaubt: NATO-Operation zur Verteidigung der Türkei während des Golfkriegs (1990–1991)
Verboten: Annexion der Krim durch Russland (2014)
Vorlesung 10 "Ius contra bellum"
11. Was ist der Unterschied zwischen ius ad bellum und ius in bello?
—> Zwei getrennte Bereiche des Völkerrechts, die sich auf unterschiedliche Aspekte bewaffneter Konflikte beziehen:
Ius ad bellum (Recht zum Krieg; „OB“):
Regelt, unter welchen Bedingungen ein Staat Gewalt anwenden darf
Legitimiert oder verbietet den Beginn eines Krieges
Art. 2 (4) UNCh (Gewaltverbot)
Art. 51 UNCh (Selbstverteidigung)
Maßnahmen des UN-Sicherheitsrats nach Kapitel VII
Zweck: Schutz der int. Sicherheit und Verhinderung unrechtmäßiger Kriege
Ius in bello (Recht im Krieg; „WIE“):
Regelt Verhalten der Konfliktparteien während eines bewaffneten Konflikts
Regelt die Art und Weise der Kriegsführung
Genfer Konventionen und Zusatzprotokolle
Zweck: Schutz der Zivilbevölkerung und Minimierung von Leid
—> Ein Staat kann ein ius ad bellum haben, aber gegen ius in bello verstoßen, z. B. durch Kriegsverbrechen.
Ius ad bellum: Irak-Krieg (2003) wurde als Verstoß gegen das Gewaltverbot kritisiert
Ius in bello: Einsatz von Streubomben ist völkerrechtlich umstritten
Vorlesung 10 "Peacekeeping, Use of Force"
12. Was sind die Pflichten von Individuen im Völkerrecht?
Pflichten im Strafrecht:
Verbot von Verbrechen: Individuen dürfen keine internationalen Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Aggressionshandlungen begehen.
Verantwortung: Individuen können vor internationalen Strafgerichten wie dem ICC oder Ad-hoc-Tribunalen angeklagt und verurteilt werden.
Pflichten im humanitären Völkerrecht:
Beachtung der Regeln: Kombattanten müssen die Genfer Konventionen einhalten.
Verantwortung für Verstöße: Individuen, die Kriegsverbrechen begehen, können strafrechtlich verfolgt werden.
Nürnberger Prozesse
Verurteilungen durch den ICC, z. B. gegen Bosco Ntaganda (Kongo)
Vorlesung 6 "Duties of the Individual – Development of International Criminal Law"
13. Was ist das Recht auf Selbstverteidigung und was bedeutet kollektives Selbstverteidigungsrecht?
—> Ausnahme vom Gewaltverbot des Art. 2 (4) UNCh und in Art. 51 UNCh geregelt. Es erlaubt Staaten, sich gegen bewaffnete Angriffe zu verteidigen bis der Sicherheitsrat Maßnahmen nach Kap. VII der Charta ergreift. Das kollektive Selbstverteidigungsrecht erweitert diese Befugnis auf den Beistand anderer Staaten.
Individuelles Selbstverteidigungsrecht:
Jeder Staat hat das Recht, sich gegen einen bewaffneten Angriff zu verteidigen, bis der UN-Sicherheitsrat Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens ergreift.
—> Voraussetzungen:
a. Bewaffneter Angriff: Es muss ein tatsächlicher bewaffneter Angriff vorliegen.
aa. rechtswidrig: Nach den Maßstäben des Völkerrechts rechtswidrig
bb. unmittelbar: Angriff hat bereits begonnen und setzt sich noch fort
b. Notwendigkeit: Keine mildere, aber ebenso wirksame Verteidigungsmaßnahme
c. Verhältnismäßigkeit: Gegenmaßnahme darf nicht in einem Missverhältnis zur Schwere des ursprünglichen Angriffs stehen.
Kollektives Selbstverteidigungsrecht:
Ein Staat kann Hilfe von anderen Staaten anfordern, um sich gegen einen bewaffneten Angriff zu verteidigen.
a. Anforderung: Der angegriffene Staat muss explizit um Beistand bitten
b. Gleiche Regeln wie beim individuellen Recht auf SV:
Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit gelten auch hier.
—> Beispiel: NATO-Bündnisfall wurde nach 9/11 erstmals als kollektive Selbstverteidigung im Rahmen eines Vertragsbündnisses ausgerufen. -> OSCE/ OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa)
14. Was sind die Voraussetzungen für die Gültigkeit eines internationalen Vertrags?
Ein int. Vertrag ist nur gültig, wenn er bestimmte formelle und materielle Voraussetzungen erfüllt, die insbesondere in der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) geregelt sind.
Formelle Voraussetzungen:
Freiwillige Einwilligung aller Vertragsparteien (Art. 11 WVK)
Kompetenz: Unterzeichner müssen die Befugnis haben, den Staat zu vertreten (Art. 7 WVK)
Schriftform (Art. 2 WVK)
Materielle Voraussetzungen:
Rechtskonformität: Vertrag darf nicht gegen ius cogens-Normen verstoßen (Siehe Art. 53 WVK – zur Nichtigkeit; & Art. 64 WVK – zur Beendigung des Vertrags)
Gegenstand: Vertrag muss sich auf völkerrechtl. zulässige Themen beziehen
Schritte:
I. Vertragsverhandlungen: Staaten handeln die Vertragsinhalte aus und einigen sich auf den finalen Text
II. Unterzeichnung: Der Vertrag wird von bevollmächtigten Vertretern der Staaten unterzeichnet, was die Absicht zur späteren Bindung signalisiert
III. Ratifikation: Formeller Akt, durch den ein Staat seine völkerrechtliche Zustimmung gibt, an den Vertrag gebunden zu sein
Der Vertrag wird in das nationale Recht eingebracht und vom zuständigen Organ (oft das Parlament) genehmigt
Nach der innerstaatlichen Zustimmung hinterlegt der Staat die Ratifikationsurkunde beim Depositar des Vertrags (z. B. bei der UN)
Mit Hinterlegung wird Vertrag für den Staat völkerrechtlich verbindlich
IV. Inkrafttreten: Ein Vertrag tritt gemäß seinen Bestimmungen in Kraft, entweder nach der Ratifikation durch eine festgelegte Mindestanzahl von Staaten oder zu einem festgelegten Datum.
Nichtigkeit: Verträge sind nichtig, wenn sie durch Zwang oder Betrug zustande kommen (Art. 52 WVK)
Bedeutung für Dritte, Art. 34 WVK: Pacta tertiis nec nocent nec prosunt/ „Verträge schaden weder Dritten noch nützen sie ihnen.“
Pariser Klimaabkommen (2015): Nach der Ratifikation durch eine bestimmte Anzahl von Staaten trat es 2016 in Kraft.
Nichtiger Vertrag: Der Molotow-Ribbentrop-Pakt (1939) verstieß gegen ius cogens.
Vorlesung 3 "Sources of Public International Law" und WVK
15. Wer kann Diplomat sein? Was sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Diplomaten?
Diplomat: Offizieller Vertreter eines Staates, der im Ausland oder in internationalen Organisationen tätig ist, um die Interessen seines Heimatlandes zu vertreten und die zwischenstaatliche Kommunikation zu fördern. Die Rechtsstellung von Diplomaten wird vor allem durch das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961 geregelt.
Berufsdiplomaten:
Botschafter (Ambassador): Der höchste Vertreter eines Staates in einem anderen Staat. Botschafter sind oft Leiter von Botschaften.
Gesandte und Geschäftsträger: Diplomaten mit niedrigerem Rang als Botschafter.
Konsuln: Vertreten die Interessen eines Staates in wirtschaftlichen und konsularischen Angelegenheiten, insbesondere für die Betreuung von Staatsbürgern.
Ad-hoc-Diplomaten:
Sonderbeauftragte, die für bestimmte Missionen ernannt werden, wie bei Verhandlungen oder Konferenzen.
Vertreter bei internationalen Organisationen:
Diplomaten, die ihren Staat bei Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der EU vertreten.
Ehrenkonsuln:
Privatpersonen, die ohne Berufsstatus bestimmte konsularische Aufgaben übernehmen. Sie genießen jedoch nicht denselben diplomatischen Schutz wie Berufsdiplomaten.
Akkreditierung: Diplomaten müssen vom Gastland offiziell anerkannt werden, was in der Regel durch ein Akkreditierungsschreiben oder eine Bestätigung erfolgt.
Diplomatische Immunität: Diplomaten genießen Schutz vor straf- und zivilrechtlicher Verfolgung im Gastland, gemäß dem Wiener Übereinkommen.
16. Was ist das Prinzip der effektiven Kontrolle? (Allgemein)
—> Konzept spielt eine zentrale Rolle bei der Zurechnung von Handlungen, der Anerkennung von Staaten und der Beurteilung von Besatzungssituationen.
Effektive Kontrolle bei der Staatenbildung:
Ein Staat muss über ein Territorium und dessen Bevölkerung effektive Kontrolle ausüben, um als solcher anerkannt zu werden. Dies umfasst die Fähigkeit, grundlegende staatliche Funktionen wie Gesetzgebung, Verwaltung und Sicherheit durchzusetzen.
Effektive Kontrolle bei der Zurechnung:
Staaten können für Handlungen nichtstaatlicher Akteure verantwortlich gemacht werden, wenn sie über diese Akteure effektive Kontrolle ausüben.
Effektive Kontrolle in Besatzungssituationen:
Eine Besatzungsmacht muss effektive Kontrolle über ein Gebiet ausüben, um als Besatzungsmacht nach dem humanitären Völkerrecht anerkannt zu werden.
Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH)
Anerkennung: Die internationale Anerkennung Palästinas wird oft mit fehlender effektiver Kontrolle über das beanspruchte Territorium begründet
Zurechnung: Russland wird vorgeworfen, in der Ostukraine effektive Kontrolle über Separatistengruppen auszuüben
Zurechnung: Der USA konnte 1986 im Nicaragua-Fall keine effektive Kontrolle über Rebellengruppen (Contras) nachgewiesen werden.
Vorlesung 4 "Subj. of Pub. Int. Law" und Vorlesung 6a “Jurisdiction - Israel/Pal., Russia/Ukraine"
17. Was sind die Voraussetzungen für das Recht auf Sezession, und wie steht es zum Prinzip der territorialen Integrität?
—> umstrittenes Konzept im Völkerrecht, das das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes mit der territorialen Integrität eines bestehenden Staates in Einklang bringen muss. Es lässt sich aus Art. 1 UNCh, dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, und dem allgemeinen Völkergewohnheitsrecht herleiten. Es bleibt als Sonderfall des Selbstbestimmungsrechts rechtlich und politisch stark umstritten.
Voraussetzungen für eine rechtmäßige Sezession:
a) Ernsthafte Verletzungen: Schwere Menschenrechtsverletzungen oder Unterdrückung durch den Mutterstaat können eine Sezession rechtfertigen.
b) Kein alternativer Schutz: Das Volk muss alle anderen Optionen ausgeschöpft haben, um seine Rechte im bestehenden Staat zu sichern.
c) Volk als Rechtssubjekt: Nur klar definierte Völker können das Recht auf Sezession geltend machen.
Spannung zur territorialen Integrität:
UN-Charta schützt die territoriale Integrität der Staaten (Art. 2 (4))
Sezessionsbewegungen nur zulässig, wenn sie das Selbstbestimmungsrecht gegen systematische Unterdrückung durchsetzen wollen.
Erfolgreich: Südsudan (2011), nach langjährigem Konflikt & int. Vermittlung
Umstritten: Unabhängigkeitserklärung von Katalonien (2017), die von Spanien nicht anerkannt wurde.
Vorlesung 4 "Subjects of Pub. Int. Law"
18. Was bedeutet das Prinzip der Nichtanwendung von Gewalt im Weltraum?
—> völkerrechtliche Regel, die die friedliche Nutzung des Weltraums sicherstellen soll.
Weltraumvertrag (1967): Verbot militärischer Nutzung von Himmelskörpern.
Völkergewohnheitsrecht: Unterstützt das Prinzip der friedlichen Nutzung.
Inhalt des Prinzips:
Der Weltraum darf nicht für aggressive oder militärische Zwecke genutzt werden.
Verbot von Waffenstationierungen auf Himmelskörpern, insbesondere Atomwaffen.
Förderung internationaler Zusammenarbeit bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums.
Grenzen und Herausforderungen:
Die Entwicklung von Waffen, die aus dem Weltraum eingesetzt werden können, stellt eine rechtliche Grauzone dar.
Die Militarisierung des Weltraums durch Satelliten bleibt ein kontroverses Thema.
Internationale Raumstation (ISS): Symbol der friedlichen Zusammenarbeit im Weltraum.
USA und China: Kritisiert wegen der Entwicklung von Technologien zur Neutralisierung gegnerischer Satelliten.
Vorlesung 7 "Environmental Protection and International Responsibility".
19. Was regeln die Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle?
Die Genfer Konventionen (verabschiedet am 12.08.1949) und ihre Zusatzprotokolle (1977) sind die Kerninstrumente des humanitären Völkerrechts, das darauf abzielt, die Leiden in Kriegszeiten zu minimieren, indem es grundlegende Rechte und Schutz für diejenigen bietet, die nicht oder nicht mehr an den Feindseligkeiten teilnehmen. Die Genfer Konventionen wurden von fast allen Staaten der Welt ratifiziert.
Grundlagen:
Die vier Genfer Konventionen behandeln den Schutz von:
a. verwundeten und kranken Soldaten sowie medizinischem Personal auf dem Schlachtfeld (Landkrieg)
b. Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte auf See (Seekrieg)
c. Behandlung von Kriegsgefangenen, einschließlich ihrer Rechte und des Verbots unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung
d. Schutz von Zivilpersonen, insbesondere in besetzten Gebieten, und Bestimmungen zur Behandlung von Zivilpersonen während eines bewaffneten Konflikts
Die drei Zusatzprotokolle erweitern den Schutz auf moderne Konfliktsituationen, einschließlich nicht-internationaler Konflikte:
a) Erstes Zusatzprotokoll (1977) erweitert den Schutz auf Opfer int. bewaffneter Konflikte
b) Zweites Zusatzprotokoll (1977) bezieht sich auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte, wie Bürgerkriege
c) Drittes Zusatzprotokoll (2005) führt zusätzliches Schutzzeichen ein: der "Rote Kristall"
Grundprinzipien:
Unterscheidung: Zivilpersonen und militärische Ziele (darunter auch Kombattanten: Personen, die rechtmäßig an Feindseligkeiten teilnehmen) müssen voneinander unterschieden werden.
Verhältnismäßigkeit: Die eingesetzten Mittel und Methoden dürfen nicht unverhältnismäßige Verluste verursachen.
Humanität: Menschliche Behandlung von Gefangenen und Verwundeten
Verbote:
Einsatz von Waffen, die unnötiges Leid verursachen (z. B. chemische Waffen, Streumunition)
Angriffe auf Zivilpersonen, medizinische Einrichtungen und kulturelle Objekte
Durchsetzung:
Staaten sind verpflichtet, Verstöße zu verfolgen und zu ahnden
Internationale Organisationen wie das IKRK überwachen die Einhaltung der Konventionen
Verurteilung von Kriegsverbrechern durch den Internationalen Strafgerichtshof (ICC).
Schutzmaßnahmen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung in Konfliktgebieten.
Vorlesung 10 "Peacekeeping, Use of Force" und "6. Subjects of Public Int. Law“
20. Was bedeutet der Begriff „Soft Law“ im Völkerrecht?
—> Soft Law bezeichnet rechtlich nicht bindende Normen, die dennoch eine wichtige Rolle in der Entwicklung und Anwendung des Völkerrechts spielen. Sie können Standards setzen, die später in Hard Law überführt werden.
Merkmale von Soft Law:
Rechtlich nicht verbindlich, aber normativ einflussreich
Entsteht oft durch internationale Konferenzen, Resolutionen oder Absichtserklärungen
Rolle im Völkerrecht:
Normbildung: Soft Law kann Standards schaffen, die später in bindende Verträge einfließen.
Flexibilität: Staaten können sich auf gemeinsame Ziele verständigen, ohne rechtliche Bindungen einzugehen.
Brücke zum Hard Law: Viele Regelungen beginnen als Soft Law und werden später kodifiziert.
Beispiele für Soft Law:
Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung (1992)
UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (2011)
Vorteile und Herausforderungen:
Ermöglicht schnelle internationale Einigungen
Kann Unsicherheiten schaffen, da es rechtlich nicht durchsetzbar ist
21. Was ist das Prinzip der souveränen Immunität, und wie wird es im Völkerrecht angewandt?
—> Das Prinzip der souveränen Immunität schützt Staaten vor der Gerichtsbarkeit anderer Staaten. Es gewährleistet die Gleichheit und Unabhängigkeit der Staaten im internationalen System.
Staaten sind grundsätzlich immun gegenüber der Rechtsprechung anderer Staaten.
Immunität gilt vor allem für hoheitliche Handlungen (acta jure imperii), jedoch nicht für private oder kommerzielle Handlungen (acta jure gestionis).
Völkergewohnheitsrecht.
UN-Konvention über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens (2004, noch nicht allgemein in Kraft).
Einschränkungen der Immunität:
Kommerzielle Handlungen: Staaten können vor Gericht gestellt werden, wenn sie wie ein privater Akteur handeln (z. B. Handelsverträge).
Schwere Menschenrechtsverletzungen: Gerichte diskutieren zunehmend, ob Immunität bei Verbrechen wie Folter oder Genozid eingeschränkt werden sollte.
Gewährte Immunität: Ausländische Botschaften und diplomatische Missionen.
Einschränkungen: Ferrini-Fall (Italien, 2004), wo Deutschland für Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs verklagt wurde.
Kritik:
Die Immunität hoheitlicher Handlungen wird oft als Hindernis für die Ahndung schwerer Menschenrechtsverletzungen angesehen.
Sie kann Machtungleichgewichte zwischen Staaten verstärken.
Vorlesung 4 "Subj. of Pub. Int. Law" & Doc."6. Subjects of Pub. Int. Law – Ind., Human Rights"
22. Was bedeutet das Prinzip der gerechten Meeresnutzung im Seerecht?
—> Das Prinzip der gerechten Meeresnutzung zielt darauf ab, die Meeresressourcen fair und nachhaltig zwischen den Staaten zu verteilen. Es ist ein wesentlicher Bestandteil der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS) und verbindet nationale Souveränität mit globaler Verantwortung und Nachhaltigkeit.
Allgemeines Völkerrecht.
Nationale Rechte: Staaten haben das exklusive Recht zur Nutzung der Ressourcen in ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ, 200 Seemeilen).
Gemeinsames Erbe der Menschheit: Ressourcen in der Tiefsee dürfen nur unter internationaler Aufsicht genutzt werden.
Herausforderungen:
Konflikte über Seegrenzen und Ansprüche auf Gebiete wie im Südchinesischen Meer.
Überfischung und Umweltverschmutzung gefährden die Nachhaltigkeit der Ressourcennutzung.
Die Internationale Meeresbodenbehörde regelt die Nutzung von Tiefseebodenschätzen.
Regelungen zur nachhaltigen Fischerei durch regionale Fischereiorganisationen.
Vorlesung 7 "Env. Protection and Int. Responsibility" & Doc."10. Peacekeeping, Use of Force"
23. Was bedeutet universelle Gerichtsbarkeit im Völkerrecht?
Die universelle Gerichtsbarkeit ermöglicht es Staaten, schwere internationale Verbrechen unabhängig vom Tatort, Täter oder Opfer zu verfolgen. Sie dient der Bekämpfung von Straflosigkeit (Zuständigkeit für Verbrechen ohne territorialen Bezug).
Anwendungsbereich:
Gilt für Verbrechen, die die gesamte int. Gemeinschaft betreffen, wie:
Völkermord
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Kriegsverbrechen
Piraterie (historisch erster Anwendungsfall)
Internationale Abkommen wie das Römische Statut des ICC
Vorteile:
Bekämpfung von Straflosigkeit
Sicherstellung, dass Täter nicht vor internationaler Gerechtigkeit fliehen können
Politische Instrumentalisierung: Gefahr des Missbrauchs durch Staaten
Souveränitätskonflikte: Verfahren können Spannungen zwischen Staaten auslösen
Praktische Umsetzbarkeit: Probleme bei der Beweisführung und Verfügbarkeit von Angeklagten
Verhaftung und Verfahren gegen Augusto Pinochet in London (1998)
Verfahren in Deutschland gegen syrische Kriegsverbrecher aufgrund des Völkerstrafgesetzbuches (VStGB)
24. Was bedeutet das Prinzip des Schutzes der gemeinsamen Umwelt im Völkerrecht?
—> verpflichtet Staaten, grenzüberschreitende Umweltschäden zu verhindern und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen zu gewährleisten.
Grundsatz 21 der Stockholmer Erklärung (1972): Staaten haben das Recht, ihre Ressourcen zu nutzen, müssen aber Umweltzerstörung verhindern.
UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC, 1992 - Rahmenwerk zur Bekämpfung des Klimawandels) und Pariser Klimaabkommen (2015)
Völkergewohnheitsrecht: Verpflichtung zur Schadensvermeidung
Vorsorgeprinzip: Präventive Maßnahmen zur Vermeidung potenzieller Umweltschäden
Verursacherprinzip: Verursacher von Umweltverschmutzung tragen die Kosten der Schadensbeseitigung
Nachhaltigkeitsprinzip: Sicherstellung, dass Ressourcen auch künftigen Generationen erhalten bleiben
Unterschiedliche Verantwortlichkeiten von Industrie- und Entwicklungsländern
Mangelnde Durchsetzung internationaler Umweltabkommen
Kyoto-Protokoll zur Reduktion von Treibhausgasen
Internationale Kooperation bei der Bekämpfung der Plastikverschmutzung in Ozeanen
Vorlesung 7 "Env. Protection and Int. Responsibility" & Doc. "10. Peacekeeping, Use of Force"
25. Was sind die Hauptaufgaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK)?
—> Das IKRK ist unabhängige humanitäre Organisation, die den Schutz und die Unterstützung von Opfern bewaffneter Konflikte sicherstellt. Es spielt eine zentrale Rolle im humanitären Völkerrecht.
Hauptaufgaben:
Schutz der Opfer: Sicherstellung der Einhaltung des humanitären Völkerrechts und Schutz von Zivilisten, Verwundeten und Kriegsgefangenen.
Humanitäre Hilfe: Versorgung mit Nahrung, Wasser, medizinischen Gütern und anderen lebensnotwendigen Mitteln.
Überwachung der Genfer Konventionen: Überprüfung der Einhaltung und Dokumentation von Verstößen.
Vermittlung: Vermittlung zwischen Konfliktparteien, z. B. bei Gefangenenaustausch oder Waffenstillständen.
Genfer Konventionen (1949) und Zusatzprotokolle (1977)
Mandat des IKRK als neutrale, unabhängige Organisation
Besonderheiten:
Zugang zu Konfliktgebieten, die anderen Organisationen oft verschlossen bleiben
Strikte Neutralität, um Vertrauen bei allen Konfliktparteien zu gewährleisten
Humanitäre Einsätze im Syrien-Konflikt
Vermittlung bei der Freilassung von Kriegsgefangenen in der Ukraine
Vorlesung 10 "Peacekeeping, Use of Force" & Vorlesung 6 “Subj. of Pub. Int. Law – Indiv., Int. Crim. Law"
26. Welche UN-Organe gibt es und was sind ihre Funktionen?
Die Vereinten Nationen (UN) verfügen über sechs Hauptorgane, die in Art. 7 UNCh festgelegt sind:
Generalversammlung:
Diskussionsforum für alle UN-Mitgliedstaaten. Verabschiedet Resolutionen (nicht bindend) und wählt Mitglieder für andere UN-Organe.
193 Mitgliedstaaten
Entscheidungen durch 2/3 Mehrheit -> nicht verbindlich
„One State – One Vote“
Treffen jährlich
Wichtigstes Forum für multilaterale Verhandlungen
Beispiel: Wahl der nicht-ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats
Sicherheitsrat:
Verantwortlich für die Wahrung des Weltfriedens und der int. Sicherheit. Kann bindende Resolutionen verabschieden und Sanktionen verhängen.
15 Mitglieder (5 ständige mit Vetorecht, 10 nicht-ständige).
Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC):
Koordiniert die Arbeit der UN-Sonderorganisationen und fördert internationale Zusammenarbeit in wirtschaftlichen und sozialen Fragen.
54 Mitgliedstaaten
Wird jährlich durch die Generalversammlung gewählt
Hauptziel: Verringerung von Entwicklungslücken zwischen den Nationen
Beispiel: Zusammenarbeit mit der WHO oder der UNESCO.
Internationaler Gerichtshof (IGH):
Hauptrechtsprechungsorgan der UN
entscheidet Streitigkeiten zwischen Staaten und erstellt Gutachten zu rechtlichen Fragen
auch beratend tätig
15 Richter, die für 9 Jahre gewählt werden
Sitz: Den Haag.
Sekretariat:
Führt die laufenden Aufgaben der UN aus und unterstützt die Arbeit der anderen Organe. Er ist zudem der oberste Verwaltungsbeamte der UN.
Beispiel: Umsetzung von Beschlüssen der Generalversammlung.
Treuhandrat:
Ursprünglich zur Überwachung der Verwaltung von Treuhandgebieten. Seine Aufgaben sind seit 1994 weitgehend abgeschlossen.
Quelle: UN-Charta
27. Wie ist der UN-Sicherheitsrat zusammengesetzt?
—> wichtigstes Organ der Vereinten Nationen zur Wahrung des Weltfriedens und der int. Sicherheit. Seine Zusammensetzung spiegelt historische Machtverhältnisse wider.
Mitglieder:
Ständige Mitglieder: Fünf Staaten mit Vetorecht: China, Frankreich, Russland, USA und Großbritannien.
Nicht-ständige Mitglieder: Zehn Staaten, die für jeweils zwei Jahre von der UN-Generalversammlung gewählt werden.
Kriterien für die Wahl nicht-ständiger Mitglieder:
Geografische Verteilung:
3 Mitglieder aus Afrika.
2 Mitglieder aus Asien.
2 Mitglieder aus Lateinamerika und der Karibik.
1 Mitglied aus Osteuropa.
2 Mitglieder aus Westeuropa und anderen Staaten.
Entscheidungsfindung:
9 von 15 Stimmen sind erforderlich, einschließlich der Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder.
Repräsentationsproblem: Schwellenländer wie Indien oder Brasilien sind nicht vertreten.
Machtungleichheit: Das Vetorecht gibt den ständigen Mitgliedern überproportionale Macht.
Deutschland war zuletzt 2019–2020 ein nicht-ständiges Mitglied.
Russland hat sein Vetorecht mehrfach genutzt, um Resolutionen zu Syrien zu blockieren.
28. Was ist das Vetorecht, und warum gilt es als reformbedürftig?
Das Vetorecht der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats (China, Frankreich, Russland, USA und Großbritannien) erlaubt es diesen Staaten, jede Resolution zu blockieren, unabhängig von der Mehrheit der anderen Mitglieder.
Funktion des Vetorechts:
Verhindert Maßnahmen, die gegen die Interessen eines ständigen Mitglieds gerichtet sind.
Soll sicherstellen, dass die Großmächte im internationalen System kooperieren.
Kritikpunkte:
Blockaden: Das Vetorecht führt häufig zu politischen Lähmungen des Sicherheitsrats (z. B. Syrien-Konflikt).
Ungleiche Machtverteilung: Fünf Staaten haben überproportionalen Einfluss, während große Regionen wie Afrika und Südamerika nicht repräsentiert sind.
Missbrauch: Vetos werden oft genutzt, um nationale oder geopolitische Interessen zu schützen, statt Frieden zu fördern.
Reformvorschläge:
Abschaffung des Vetos: Eine radikale, aber unwahrscheinliche Option.
Einschränkung: Vorschläge, das Vetorecht bei schweren Menschenrechtsverletzungen auszusetzen.
Erweiterung: Hinzufügung neuer ständiger Mitglieder ohne Vetorecht, z. B. Indien oder Brasilien.
Einführung eines Mehrheitsvotums: Das Veto könnte durch eine Supermehrheit ersetzt werden, um Blockaden zu verhindern.
Russland und China haben wiederholt Resolutionen zu Syrien blockiert.
Die USA blockieren regelmäßig Resolutionen zu Israel-Palästina.
Quelle: "Fassbender Reform UN-Sicherheitsrat FW 2020"
29. Was regelt das Prinzip des gemeinsamen Erbes der Menschheit?
—> bezeichnet Gebiete und Ressourcen, die keiner staatlichen Souveränität unterliegen und im Interesse aller genutzt werden müssen. Es schützt Ressourcen und Gebiete von globalem Interesse und stellt sicher, dass sie nachhaltig und fair genutzt werden.
Keine staatliche Aneignung von Gebieten oder Ressourcen
Nutzung erfolgt zugunsten der gesamten Menschheit und unter internationaler Aufsicht
Ressourcen dürfen nur nachhaltig genutzt werden, um künftige Generationen zu schützen
Anwendungsbereiche:
Tiefseeboden: Ressourcen in der Tiefsee unterliegen der Verwaltung durch die Internationale Meeresbodenbehörde.
Weltraum: Himmelskörper wie der Mond dürfen nur für friedliche Zwecke genutzt werden.
Antarktis: Der Antarktisvertrag regelt die wissenschaftliche Nutzung und verbietet militärische Aktivitäten.
UN-Seerechtskonvention (UNCLOS, Artikel 136)
Weltraumvertrag (1967)
Antarktisvertrag (1959)
Internationale Zusammenarbeit bei der Tiefseebergbauforschung
Nutzung der Antarktis für Klimaforschung
30. Was ist der Unterschied zwischen friedlicher Streitbeilegung und Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht?
—> Die friedliche Streitbeilegung und Zwangsmaßnahmen sind zwei Mechanismen, mit denen das Völkerrecht auf internationale Konflikte reagiert. Sie unterscheiden sich grundlegend in ihrer Zielsetzung und den eingesetzten Mitteln.
Friedliche Streitbeilegung:
Definition: Verfahren, um Konflikte zwischen Staaten ohne Gewalt zu lösen. Völkerrechtlich bevorzugter Ansatz zur Lösung von Konflikten.
Rechtsgrundlagen: Art. 2 (3) und Art. 33 UNCh verpflichten Staaten, Streitigkeiten friedlich beizulegen.
Methoden:
Verhandlungen: Direkte Gespräche zwischen den Parteien.
Vermittlung: Ein neutraler Dritter unterstützt die Parteien (z. B. der UN-Generalsekretär).
Schiedsgerichtsbarkeit: Einrichtung eines Ad-hoc-Tribunals mit bindendem Urteil.
Gerichtliche Verfahren: Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH).
Zwangsmaßnahmen:
Definition: Maßnahmen, die ohne Zustimmung der Konfliktparteien durchgesetzt werden. Greifen, wenn Frieden und Sicherheit akut bedroht sind.
Rechtsgrundlagen: Kapitel VII der UN-Charta erlaubt Sanktionen oder militärische Einsätze bei Bedrohung des Weltfriedens durch den UN-Sicherheitsrat.
Wirtschaftliche Sanktionen (z. B. gegen Nordkorea).
Militärische Interventionen mit Sicherheitsratsmandat (z. B. im Irak 1991).
Unterschiede:
Freiwilligkeit: Friedliche Streitbeilegung basiert auf Zustimmung; Zwangsmaßnahmen werden gegen den Willen der Konfliktparteien durchgesetzt.
Ziel: Friedliche Beilegung sucht Einigung, Zwangsmaßnahmen erzwingen Verhaltensänderungen oder beenden Gewalt.
31. Was regelt der Internationale Gerichtshof (IGH)?
—> Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen. Er befasst sich mit der Beilegung von Streitigkeiten zw. Staaten und der Klärung völkerrechtlicher Fragen.
Kompetenzen/ Hauptaufgaben:
Streitbeilegung: Der IGH entscheidet bindend über völkerrechtliche Streitigkeiten zwischen Staaten.
Gutachten: Er gibt unverbindliche Rechtsgutachten für UN-Organe ab, z. B. zur Legalität von Gewaltanwendung.
IGH-Statut, das integraler Bestandteil der UN-Charta ist.
Nur Staaten können Parteien sein. Individuen und internationale Organisationen haben kein Klagerecht.
Entscheidungen sind nur für die beteiligten Parteien bindend.
Unterschiede zu anderen Gerichten:
Internationaler Strafgerichtshof (ICC): Behandelt Individuen für Völkerrechtsverbrechen.
Ad-hoc-Tribunale: Sind auf bestimmte Konflikte beschränkt (z. B. Ruanda-Tribunal).
Verbindlich: Grenzstreitigkeiten zwischen Burkina Faso und Mali (1986).
Gutachten: Rechtsgutachten zur israelischen Mauer im Westjordanland (2004).
Vorlesung 3 "Sources of Public International Law" und Doc. "9. State Responsibility - Cases"
32. Was ist das Prinzip der Guter-Glaube-Verpflichtung im Völkerrecht?
Das Prinzip des guten Glaubens verpflichtet Staaten, ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen ehrlich und fair zu erfüllen. Es gilt als Grundsatz für die Umsetzung internationaler Verträge und Normen. Es basiert auf Art. 26 WVK und dem allgemeinen Völkerrecht (Guter Glaube ist ein anerkanntes Prinzip). Das Prinzip ist eine ethische und rechtliche Grundlage für die Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen und fördert Vertrauen und Stabilität im internationalen System.
Staaten dürfen ihre Verpflichtungen nicht missbrauchen oder sich auf formale Fehler berufen, um ihre Pflichten zu umgehen.
Umfasst Prinzipien wie venire contra factum proprium (Widerspruch zum eigenen Verhalten).
Vertragsrecht: Verträge müssen ehrlich erfüllt werden.
Diplomatie: Verpflichtung zur Kooperation bei der Konfliktlösung.
33. Was ist die Responsibility to Protect (R2P), und wie wird sie im Völkerrecht umgesetzt?
Die Responsibility to Protect (R2P) ist ein umstrittenes Konzept des Völkerrechts, das die internationale Gemeinschaft verpflichtet, Bevölkerungen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen.
Inhalt des Konzepts:
Prävention: Staaten müssen Bedingungen schaffen, die Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnische Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhindern.
Reaktion: Die internationale Gemeinschaft kann eingreifen, wenn ein Staat diese Pflicht nicht erfüllt.
Wiederaufbau: Nach einer Intervention sind Maßnahmen zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau erforderlich.
UN-Weltgipfel 2005: Politische Erklärung zur Anerkennung von R2P.
Kapitel VII UNCh: Erlaubt Zwangsmaßnahmen bei Bedrohung des Friedens.
Umsetzung:
Interventionen müssen vom UN-Sicherheitsrat autorisiert werden.
Staaten sind primär selbst für den Schutz ihrer Bevölkerung verantwortlich
Erfolg: NATO-Einsatz in Libyen (2011) zum Schutz der Zivilbevölkerung
Versagen: Untätigkeit während des Genozids in Ruanda (1994)
Politische Blockaden durch Vetorechte im Sicherheitsrat
Missbrauchsgefahr für geopolitische Interessen
34. Was sind die Vor- und Nachteile der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC)?
Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) verfolgt Einzelpersonen für schwerste Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Er ist ein zentraler Akteur im internationalen Strafrecht.
Bekämpfung der Straflosigkeit: Der ICC verfolgt Täter schwerster Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, auch wenn nationale Gerichte versagen.
Stärkung des internationalen Rechts: Der ICC setzt Standards für die strafrechtliche Verantwortlichkeit und trägt zur Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts bei.
Universelle Geltung: Der ICC bietet ein Forum für globale Gerechtigkeit, unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Täter oder dem Ort des Verbrechens.
Präventive Wirkung: Die potenzielle Strafverfolgung durch den ICC kann abschreckend wirken.
Nachteile und Kritik:
Mangelnde Akzeptanz: Wichtige Staaten wie die USA, China und Russland sind nicht Vertragsparteien.
Voreingenommenheit: Der ICC wird oft beschuldigt, sich unverhältnismäßig auf afrikanische Staaten zu konzentrieren.
Eingeschränkte Zuständigkeit: Der ICC kann nur Verbrechen verfolgen, die nach dem Römischen Statut begangen wurden.
Abhängigkeit: Der ICC ist auf die Kooperation der Staaten angewiesen, z. B. bei der Festnahme von Angeklagten.
Langwierige Verfahren: Die Prozesse vor dem ICC sind komplex und können Jahre dauern, was die Effizienz des Gerichts in Frage stellt.
Politische Einflussnahme: Der ICC wird gelegentlich beschuldigt, politischen Interessen zu dienen, anstatt unabhängig zu agieren.
Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (1998)
Erfolg: Verurteilung von Thomas Lubanga wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten.
Kritik: Fehlende Verfolgung von Verbrechen in Syrien wegen politischer Blockaden im UN-Sicherheitsrat.
Fall Omar al-Bashir: Der ICC stellte Haftbefehle gegen den ehemaligen Präsidenten des Sudan aus, doch viele Staaten kooperierten nicht bei seiner Festnahme.
Fall Afghanistan: Die Untersuchung von Verbrechen durch US-Soldaten stieß auf Widerstand der USA und wurde zeitweise ausgesetzt.
35. Welche völkerrechtlichen Rechtfertigungsgründe gibt es für einen Normenverstoß nach den ILC Draft Articles?
Einwilligung, Art. 20 ILC Draft Articles
Selbstverteidigung, Art. 21 ILC Draft Articles
Gegenmaßnahme, Art. 22 ILC Draft Articles
Art. 23 ILC Draft Articles (Force Majeur/ Höhere Gewalt) – die Einhaltung einer internationalen rechtlichen Verpflichtung wird unmöglich
Art. 24 ILC Draft Articles (Notlage) - der Urheber der betreffenden Handlung hat in einer Notlage keine andere zumutbare Möglichkeit, sein Leben oder das ihm anvertrauter Personen zu retten
Art. 25 ILC Draft Articles (Notstand)
36. Was ist das Prinzip der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, und welche Mechanismen existieren dafür?
—> zielt darauf ab, die Verbreitung von Nuklearwaffen zu verhindern und gleichzeitig die friedliche Nutzung der Kernenergie zu fördern. Es ist ein zentraler Baustein der globalen Sicherheitspolitik, steht jedoch vor politischen und praktischen Herausforderungen.
Atomwaffensperrvertrag (NPT, 1968): Regelt die Verpflichtungen zur Nichtweiterverbreitung, Abrüstung und friedlichen Nutzung von Kernenergie.
Allgemeines Völkerrecht: Unterstützt die Reduzierung nuklearer Bedrohungen.
Inhalt des NPT:
Nichtweiterverbreitung: Nuklearwaffenstaaten dürfen keine Waffen oder Technologie an andere Staaten weitergeben, und Nichtkernwaffenstaaten dürfen keine solchen Waffen entwickeln.
Abrüstung: Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung.
Friedliche Nutzung: Förderung der zivilen Nutzung von Kernenergie unter strikter Kontrolle.
Mechanismen:
IAEA-Überwachung: Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) überwacht die Einhaltung des Vertrags.
Verifikationssysteme: Regelmäßige Inspektionen und Berichte.
Staaten außerhalb des NPT (z. B. Indien, Pakistan, Israel) unterliegen keiner direkten Kontrolle.
Nordkorea zog sich aus dem NPT zurück und entwickelte Atomwaffen.
Iran-Atomabkommen (2015): Ziel war die Einschränkung des iranischen Nuklearprogramms.
Abrüstungsverhandlungen zwischen den USA und Russland (z. B. START-Verträge).
Vorlesung 7 "Envir. Protection and Int. Responsibility" & Doc. "10. Peacekeep., Use of Force"
37. Was bedeutet das Prinzip der „exklusiven Wirtschaftszone“ im Seerecht?
Die exklusive Wirtschaftszone (AWZ) ist ein maritimes Gebiet, in dem Küstenstaaten exklusive Rechte zur Nutzung der Ressourcen haben, ohne volle Souveränität über die Zone auszuüben. Es basiert auf der UN-Seerechtskonvention (UNCLOS, 1982), Artikel 55–75.
Ausdehnung: Die AWZ erstreckt sich bis zu 200 Seemeilen von der Basislinie des Küstenstaats.
Rechte des Küstenstaats:
Nutzung und Kontrolle der natürlichen Ressourcen (Fischerei, Bodenschätze).
Errichtung von künstlichen Inseln und Anlagen.
Pflichten des Küstenstaats:
Schutz der Umwelt und nachhaltige Nutzung der Ressourcen.
Unterschiede zur Hoheitszone:
Der Küstenstaat übt keine volle Souveränität aus, sondern hat nur wirtschaftliche Rechte.
Die freie Durchfahrt für andere Staaten bleibt gewährleistet.
Konflikte im Südchinesischen Meer: Überlappende Ansprüche auf AWZ und Ressourcen.
Fischereiabkommen in der Nordsee zur gemeinsamen Nutzung der Ressourcen.
Vorlesung 7 "Envir. Protection and Int. Responsibility" & Doc. "10. Peacekeep., Use of Force"
38. Erläutere kurz, worum es in dem Fall Chorzow ging und warum er völkerrechtlich relevant ist!
Der Chorzów-Fall ist ein wegweisender Fall im Völkerrecht, der vom StIGH entschieden wurde.
Hintergrund:
Im Jahr 1922 wurde ein Stickstoffwerk in Chorzów (Oberschlesien) von Polen verstaatlicht. Dieses Werk war ursprünglich im Eigentum eines deutschen Unternehmens (Bayerische Stickstoffwerke AG), das im Rahmen eines deutsch-polnischen Abkommens bestimmte Rechte hatte.
Polen berief sich auf das Versailler Vertragswerk und die Regelungen der Gebietsübergabe von Oberschlesien, während Deutschland die Verstaatlichung als Verstoß gegen das deutsch-polnische Abkommen betrachtete, das private Eigentumsrechte schützen sollte.
Klagegrund:
Deutschland erhob Klage gegen Polen, weil es die Verstaatlichung als unrechtmäßige Enteignung ansah und Schadensersatz verlangte.
Entscheidung:
StIGH entschied 1928, dass die Verstaatlichung durch Polen eine völkerrechtswidrige Handlung darstellte, weil sie gegen internationale Verträge verstieß.
StIGH stellte fest, dass Polen verpflichtet sei, "Wiedergutmachung in natura" zu leisten oder andernfalls eine finanzielle Entschädigung zu zahlen.
Grundsatzentscheidung:
Der Gerichtshof formulierte den berühmten Satz: „Eine Verletzung eines internationalen Rechtsanspruchs verpflichtet zur Wiedergutmachung.“ Dies legte den Grundstein für das Prinzip der Staatenverantwortlichkeit und der völkerrechtlichen Wiedergutmachung.
Staatenverantwortlichkeit:
Der Fall etablierte den Grundsatz, dass Staaten für völkerrechtswidriges Verhalten zur Wiedergutmachung verpflichtet sind. Dies ist heute in den Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts (ILC, 2001) kodifiziert.
Wiedergutmachung:
Der Fall präzisierte die verschiedenen Formen der Wiedergutmachung (Restitution, Kompensation, Genugtuung) und betonte die Bedeutung der Wiedergutmachung in natura als primäre Form.
Rechtsstaatlichkeit im Völkerrecht:
Der Chorzów-Fall war ein Meilenstein für die Durchsetzung des Rechtsprinzips und die Stärkung des Vertrauens in internationale Gerichte.
Dieser Fall hat bis heute eine zentrale Bedeutung in der Völkerrechtsdogmatik und dient als Referenz für Fragen der Staatshaftung und Wiedergutmachung.
—> Aus der Primärpflicht zur Befolgung geltender Völkerrechtsnormen muss auch zwingend die Sekundärpflicht zur Wiedergutmachung bei Veerletzung jener Normen folgen.
39. Was ist das Prinzip der friedlichen Streitbeilegung im Völkerrecht?
—> verpflichtet Staaten, internationale Konflikte ohne Gewaltanwendung zu lösen. Es ist ein Grundpfeiler der UN-Charta und basiert auf Art. 2 (3) UNCh. Zudem listet Art. 33 UNCh friedliche Methoden zur Konfliktlösung auf.
Vermittlung/ Mediation: Ein neutraler Dritter unterstützt die Konfliktlösung (z. B. durch einen anderen Staat oder den UN-Generalsekretär).
Schiedsgerichtsbarkeit: Parteien einigen sich auf ein Ad-hoc-Tribunal, das verbindlich entscheidet.
Gerichtliche Verfahren: Konflikte werden vor internationalen Gerichten (z. B. IGH) verhandelt.
Vergleich: Entwicklung unverbindlicher Lösungsvorschläge durch neutrale Instanzen.
Untersuchungskommissionen: Klärung von Sachverhalten durch unabhängige Experten.
Verhindert Eskalation von Konflikten
Erhält die Souveränität der Staaten
Fördert langfristige Lösungen durch Konsens
Stärkt die Stabilität und fördert das Vertrauen zwischen den Staaten
Keine Zwangsmittel: Friedliche Beilegung erfordert die Zustimmung der Parteien.
Politische Blockaden können Fortschritte behindern.
Grenzstreitigkeiten zwischen Eritrea und Äthiopien, gelöst durch Schiedsgerichtsbarkeit.
Gutachten des IGH zur Unabhängigkeit des Kosovo.
40. Was ist der Unterschied zwischen humanitärer Intervention und Responsibility to Protect (R2P)?
Humanitäre Intervention und Responsibility to Protect (R2P) sind Konzepte des Völkerrechts zur Verhinderung schwerer Menschenrechtsverletzungen, unterscheiden sich jedoch in ihrer rechtlichen Grundlage und ihrem Fokus.
Humanitäre Intervention:
Definition: Einsatz militärischer Mittel durch Staaten ohne Zustimmung des betroffenen Staates, um schwere Menschenrechtsverletzungen zu beenden.
Rechtslage:
Keine explizite Anerkennung durch UNCh
Oft als Verstoß gegen das Gewaltverbot (Art. 2 (4) UNCh) kritisiert.
Lediglich der Sicherheitsrat ist gem. Kap. VII UNCh autorisiert oder kann dazu Staaten ermächtigen, die territoriale Integrität eines Staates zu verletzten, wenn es eine ernsthafte Bedrohung für den Weltfrieden erkennt.
Beispiele: NATO-Intervention im Kosovo (1999)
Responsibility to Protect (R2P):
Definition: Konzept, das die internationale Gemeinschaft verpflichtet, schwerste Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, wenn der betroffene Staat versagt.
Politisch anerkannt durch UN-Weltgipfel 2005.
Maßnahmen erfordern ein Mandat des UN-Sicherheitsrats (Kapitel VII).
Beispiele: Libyen-Intervention (2011) mit Sicherheitsratsmandat.
Legitimität: R2P erfordert eine Sicherheitsratsresolution, während die humanitäre Intervention unilateral erfolgt.
Fokus: Humanitäre Intervention betont den Eingriff, R2P die Prävention und Nachbereitung.
Rechtsgrundage: Humanitäre Intervention ist rechtlich umstritten, während R2P eine politisch anerkannte Weiterentwicklung des Schutzgedankens darstellt.
41. Was ist das Prinzip der Staatennachfolge im Völkerrecht?
—> Die Staatennachfolge regelt, welche Rechte und Pflichten ein neuer Staat übernimmt, wenn er aus einem bestehenden Staat entsteht oder einen Staat ablöst. Es basiert auf der Wiener Konvention über die Staatennachfolge von Staatenverträgen (1978, nicht allgemein in Kraft), dem allgemeinen Völkerrecht und Gewohnheitsrecht.
Vertragliche Pflichten: Ein Nachfolgestaat tritt in die völkerrechtlichen Verträge des Vorgängers ein (z. B. Abrüstungsverträge).
Territoriale Fragen: Grenzen des Vorgängers bleiben grundsätzlich erhalten (Grundsatz der uti possidetis juris – Grundsatz der territorialen Kontinuität).
Staatsvermögen und -schulden: Regelungen zur Verteilung von Vermögen und Schulden des Vorgängers.
Aufteilung der Verpflichtungen der Sowjetunion nach deren Auflösung (1991).
Sezession des Südsudan (2011) und seine Aufnahme in die UN.
Konflikte über die Anerkennung neuer Staaten.
Ungelöste Fragen bei der Verteilung von Vermögenswerten und Schulden.
42. Was ist das Prinzip der völkerrechtlichen Verantwortung von Staaten?
Verletzt ein Staat durch eine völkerrechtswidrige Handlung eine internationale Verpflichtung, muss er sich dafür auf völkerrechtlicher Ebene verantworten. Dies resultiert aus den ILC-Draft Articles von 2001, welche heute völkergewohnheitsrechtliche Anerkennung finden.
Elemente der Staatshaftung:
Zurechenbarkeit: Die Handlung muss einem Staat zugerechnet werden können
Bsp.: Handlungen von Regierungsorganen oder delegierten Akteuren
Verletzung einer Verpflichtung: Der Staat muss eine int. Norm verletzt haben
Wiedergutmachung: Umfasst Restitution (Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands), Entschädigung oder Genugtuung
Pflicht zur Unterlassung: Sofortige Beendigung der völkerrechtswidrigen Handlung
Repressalien: Opferstaaten dürfen verhältnismäßige Maßnahmen ergreifen, die völkerrechtskonform sind
Verantwortung der USA für die Minenlegung im Hafen von Nicaragua (IGH-Fall, 1986)
Reparationen Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg
Durchsetzung der Verantwortung bei mächtigen Staaten.
Politische Einflussnahme auf internationale Verfahren.
Vorlesung 8 "State Responsibility"
43. Was sind die Vor- und Nachteile der internationalen Gerichtsbarkeit durch den Internationalen Gerichtshof (IGH)?
Der Internationale Gerichtshof (IGH) ist ein wichtiges Instrument zur Lösung von zwischenstaatlichen Streitigkeiten, weist jedoch auch Schwächen auf.
Rechtliche Autorität: Der IGH schafft bindende Urteile auf Basis des Völkerrechts.
Unabhängigkeit: Die Richter agieren unabhängig von staatlichen Interessen.
Flexibilität: Der IGH bietet auch unverbindliche Rechtsgutachten an, die Orientierung für UN-Organe und Staaten schaffen.
Eingeschränkte Zuständigkeit: Staaten müssen der Gerichtsbarkeit zustimmen (z. B. durch ein besonderes Abkommen oder Erklärung).
Langsame Verfahren: Komplexe Fälle können Jahre dauern.
Fehlende Durchsetzungsmacht: Der IGH hat keine direkten Mittel, um Urteile zu vollstrecken.
Erfolg: Grenzstreit zwischen Burkina Faso und Mali (1986).
Schwierigkeiten: Die USA ignorierten ein IGH-Urteil im Fall Nicaragua (1986).
44. Was regelt das Prinzip der Nichtanwendung von Gewalt im Weltraum?
—> stellt sicher, dass der Weltraum ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt wird.
Weltraumvertrag (1967): Hauptdokument zur friedlichen Nutzung des Weltraums.
Verbot militärischer Nutzung: Waffenstationierungen auf Himmelskörpern, insbesondere Atomwaffen, sind verboten.
Friedliche Nutzung: Förderung der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erforschung im Rahmen internationaler Zusammenarbeit.
Entwicklung von Technologien zur Neutralisierung von Satelliten durch Staaten.
Fehlende Regelungen zu kommerziellen Aktivitäten im Weltraum.
Internationale Raumstation (ISS): Symbol der friedlichen Kooperation.
Nutzung des Weltraums durch private Unternehmen wie SpaceX, die neue rechtliche Fragen aufwerfen.
45. Was regelt das Prinzip der Immunität von Staatsoberhäuptern?
Das Prinzip schützt amtierende Staatsoberhäupter vor der strafrechtlichen Verfolgung durch ausländische Gerichte.
Fälle vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH), z. B. Arrest Warrant (Kongo gegen Belgien, 2002).
Absolute Immunität: Amtierende Staatsoberhäupter genießen Immunität vor ausländischen Gerichten, unabhängig von der Art der Straftat.
Funktionale Immunität: Bezieht sich auf Handlungen in offizieller Funktion; gilt auch nach Ende der Amtszeit.
Einschränkungen:
Internationale Gerichte wie der ICC können Staatsoberhäupter wegen Völkerrechtsverbrechen verfolgen.
Immunität gilt nicht für private Handlungen.
Gewährt: Immunität des sudanesischen Präsidenten Al-Bashir vor nationalen Gerichten.
Verfolgt: Verfahren des ICC gegen Al-Bashir wegen Völkermords in Darfur.
Vorlesung 6 "Duties of the Individual – Development of International Criminal Law"
46. Was regeln die einzelnen Artikel der ILC Draft Articles zur Staatenverantwortlichkeit?
—> Kapitel I: Allgemeine Grundsätze (Art. 1-3)
Art. 1: Verantwortlichkeit für völkerrechtswidrige Handlungen
—> Jeder Staat ist völkerrechtlich verantwortlich, wenn er eine völkerrechtswidrige Handlung begeht.
Art. 2: Elemente einer völkerrechtswidrigen Handlung
Eine Handlung ist völkerrechtswidrig, wenn:
Sie einem Staat zurechenbar ist.
Sie gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung verstößt.
Art. 3: Unabhängigkeit vom innerstaatlichen Recht
—> Die Einordnung einer Handlung als völkerrechtswidrig erfolgt unabhängig von ihrer Zulässigkeit nach innerstaatlichem Recht.
—> Kapitel II: Zurechenbarkeit (Art. 4-11)
Art. 4: Handlungen staatlicher Organe
—> Handlungen staatlicher Organe gelten als dem Staat zurechenbar, auch wenn sie ihre Befugnisse überschreiten.
Art. 5: Handlungen von Organen mit staatlichen Aufgaben
—> Handlungen privater Akteure, die staatliche Aufgaben ausüben, werden dem Staat zugerechnet.
Art. 6: Handlungen ausgeliehener Organe
—> Handlungen eines Organs eines anderen Staates, das unter der Kontrolle des handelnden Staates steht, sind diesem zurechenbar.
Art. 8: Handlungen unter Kontrolle eines Staates
—> Private Handlungen werden einem Staat zugerechnet, wenn sie unter dessen „effektiver Kontrolle“ erfolgen.
Artikel 11: Anerkennung und Übernahme
—> Ein Staat ist verantwortlich, wenn er eine ursprünglich private Handlung später als seine eigene anerkennt.
—> Kapitel III: Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen (Art. 12-15)
Art. 12: Verletzung einer Verpflichtung
—> Eine völkerrechtliche Verpflichtung ist verletzt, wenn sie nicht erfüllt wird.
Art. 13: Zeitpunkt der Verpflichtung
—> Verletzung liegt nur vor, wenn Verpflichtung zum Zeitpunkt der Handlung für Staat bindend war.
Art. 14-15: Fortdauernde und zusammengesetzte Handlungen
—> Fortdauernde Verstöße und Verstöße durch eine Reihe zusammenhängender Handlungen werden umfassend betrachtet.
—> Kapitel IV: Rechtfertigungsgründe (Art. 20-27)
Art. 20: Zustimmung
—> Handlungen, die mit Zustimmung des betroffenen Staates erfolgen, sind nicht völkerrechtswidrig.
Art. 21: Selbstverteidigung
—> Handlungen in Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) sind zulässig.
Art. 22: Repressalien
—> Rechtmäßige Gegenmaßnahmen (Repressalien) schließen die Völkerrechtswidrigkeit aus.
Art. 25: Notlage (necessity)
—> Staat kann sich auf Notlage berufen, wenn die Handlung notwendig ist, um wesentliche staatliche oder öffentliche Interessen zu schützen.
—> Kapitel V: Folgen der Staatenverantwortlichkeit (Art. 28-41)
Art. 30: Pflichten des verantwortlichen Staates
—> Verantwortlicher Staat muss die völkerrechtswidrige Handlung beenden und Garantien gegen Wiederholung geben.
Art. 31: Wiedergutmachung
—> Staat ist verpflichtet, vollständige Wiedergutmachung für Schaden zu leisten.
Art. 34-37: Formen der Wiedergutmachung
—> Restitution (Wiederherstellung), Entschädigung und Genugtuung sind mögliche Wiedergutmachungsformen.
Art. 40-41: Verletzung erga omnes-Verpflichtungen
—> Bei schwerwiegenden Verletzungen von Verpflichtungen gegenüber der int. Gemeinschaft (z. B. Verbot von Völkermord) bestehen besondere Pflichten, z. B. Nichtanerkennung.
—> Kapitel VI: Durchsetzung der Verantwortung (Art. 42-48)
Art. 42: Anspruchsberechtigung
Staaten, die direkt durch die völkerrechtswidrige Handlung verletzt wurden, können Ansprüche geltend machen.
Art. 48: Erga omnes-Verpflichtungen
Auch Staaten, die nicht direkt betroffen sind, können bei Verletzungen von Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft Ansprüche erheben.
47. Was ist das Prinzip der internationalen Solidarität im Flüchtlingsrecht?
Internationale Solidarität ist ein Grundsatz, der die Verantwortung der Staaten für den Schutz und die Unterstützung von Flüchtlingen betont.
Genfer Flüchtlingskonvention (1951).
Globale Flüchtlingspakte (2018). - Rahmen zur Verbesserung der internationalen Kooperation
Lastenteilung: Staaten sollen Flüchtlinge gemeinsam unterstützen und Schutzmaßnahmen koordinieren.
Kooperation: Förderung finanzieller, technischer und logistischer Unterstützung durch wohlhabendere Staaten.
Ungleichgewicht: Entwicklungs- und Transitländer tragen oft die Hauptlast.
Politische Widerstände gegen Verteilungsmechanismen.
Aufnahmeprogramme für syrische Flüchtlinge in der EU.
Unterstützung von Flüchtlingslagern durch UNHCR (UN-Flüchtlingshilfswerk) und andere Organisationen.
Zusammenfassung: Das Prinzip der internationalen Solidarität im Flüchtlingsrecht fördert die globale Verantwortungsteilung, bleibt jedoch durch politische und wirtschaftliche Interessen eingeschränkt.
Vorlesung 5 "Rights of the Individual – Human Rights" und Genfer Flüchtlingskonvention.
48. Was ist gem. Art. 2 (4) UNCh unter Gewaltandrohung zu verstehen? Wo gibt es unterschiedliche Meinungen zur Androhung von Gewalt?
—> GemäßArt. 2 (4) UNCh ist die Androhung von Gewalt, ebenso wie die Anwendung von Gewalt, untersagt, wenn sie gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet ist oder anderweitig mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist.
Bedeutung von „Gewaltandrohung“
Definition: Eine Gewaltandrohung liegt vor, wenn ein Staat erklärt oder impliziert, dass er Gewalt einsetzen wird, falls ein anderer Staat nicht bestimmte Forderungen erfüllt. Diese Drohung muss glaubhaft und auf eine bestimmte Art von Gewalt bezogen sein, wie militärische Angriffe oder andere Formen der Waffengewalt.
Gegenstand des Verbots: Die Androhung bezieht sich auf physische Gewalt zwischen Staaten, nicht auf wirtschaftlichen oder politischen Druck (diese können jedoch anderweitig völkerrechtlich problematisch sein).
Beispiele für Gewaltandrohung
Explizite Drohungen:
Eine öffentliche Ankündigung militärischer Maßnahmen, falls ein Staat eine bestimmte Handlung nicht unterlässt (z. B. Ultimaten).
Implizite Drohungen:
Militärmanöver in der Nähe der Grenzen eines anderen Staates, die als Signal verstanden werden können.
Mobilisierung von Truppen mit klarer Botschaft, Gewalt anzuwenden, falls keine Einigung erzielt wird.
Relevante Kriterien
a) Kontext: Umstände und Tonfall einer Äußerung oder Handlung entscheidend, um zu bestimmen, ob es sich um Gewaltandrohung handelt.
b) Absicht: Klare Botschaft muss gesendet werden, dass Gewalt eingesetzt wird, falls bestimmte Bedingungen nicht erfüllt werden.
c) Glaubwürdigkeit: Drohung muss ernsthaft und glaubwürdig sein.
Umstrittene Aspekte
a) Was zählt als Gewalt?
Unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Art von Gewaltandrohung erfasst wird:
Physische Gewalt: Konsens besteht, dass militärische Gewaltandrohung unter Art. 2 (4) fällt.
Andere Formen von Druck: Str., ob wirtschaftlicher oder politischer Druck als Gewaltandrohung zu verstehen ist.
—> Mehrheit der Staaten und Völkerrechtler verneint dies, aber es gibt Debatten über hybride Bedrohungen (z. B. Cyberangriffe).
b) Unterschied zwischen Drohung und zulässiger Abschreckung:
Einige Staaten argumentieren, dass Abschreckung (z. B. der Besitz und Einsatz von Nuklearwaffen als „Schutzschild“) keine Gewaltandrohung ist, solange keine konkrete Bedrohung ausgesprochen wird.
Kritiker sehen in der nuklearen Abschreckung (z. B. durch die Nuclear Posture Reviews bestimmter Staaten) eine permanente, völkerrechtswidrige Androhung von Gewalt.
c) Reichweite des Verbots:
Uneinigkeit darüber, ob jede Form von Gewaltandrohung verboten ist oder nur solche, die gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet ist.
Einige interpretieren Art. 2 (4) enger und argumentieren, dass nur Drohungen verboten sind, die sich spezifisch gegen die Kernbereiche eines Staates richten.
d) Gewaltandrohungen in internationalen Beziehungen:
Manche Staaten rechtfertigen Gewaltandrohungen, wenn sie der „Aufrechterhaltung des Friedens“ dienen sollen, z. B. durch Ultimaten zur Verhinderung von Aggressionen.
Die Drohung militärischer Maßnahmen durch die USA gegen den Iran wegen seines Atomprogramms.
NATO-Manöver nahe der russischen Grenze, die von Russland als Drohung interpretiert werden.
Völkerrechtliche Bewertung
—> Verbot als Bestandteil des Gewaltverbots: Gewaltandrohungen stehen im selben Rang wie die tatsächliche Anwendung von Gewalt und verletzen grundlegende völkerrechtliche Prinzipien.
—> Interpretationsspielräume:Praxis zeigt, dass viele Staaten Gewaltandrohungen nutzen, was eine klare Trennung zwischen legitimen Abschreckungsmaßnahmen und völkerrechtswidrigen Drohungen erschwert.
49. Darf ein Staat zum Schutze seiner eigenen Staatsbürger gegen den Willen eines anderen Staates, dessen territoriale Integrität verletzen und gegen das Interventionsverbot verstoßen?
Einige Staaten argumentieren, dass ein Eingriff zur Rettung eigener Staatsbürger unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein kann, insbesondere in Fällen akuter Gefahr. Dafür wird oft auf folgende Grundsätze Bezug genommen:
Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit
Analog zur Caroline-Formel kann ein Eingriff unter folgeden Voraussetzungen gerechtfertigt sein:
a) Die Gefahr: Unmittelbar und rechtswidrig
b) Notwendigkeit
c) Verhältnismäßigkeit
Schutzpflicht des Staates:
Staaten haben die völkerrechtliche Pflicht, ihre Staatsbürger zu schützen, auch im Ausland. Dies kann eine militärische Intervention rechtfertigen, wenn der Aufenthaltsstaat nicht in der Lage oder nicht bereit ist, diese Schutzfunktion zu gewährleisten.
Praxisbeispiele
Israel in Entebbe (1976):
Israel führte eine Militäraktion zur Befreiung entführter Geiseln in Uganda durch.
—> Wurde international teilweise als gerechtfertigt angesehen, da Uganda die Entführung unterstützte.
Deutschland in Libyen (2011):
Deutschland entsandte Bundeswehrflugzeuge zur Evakuierung eigener Staatsbürger aus Libyen während des Bürgerkriegs.
—> Dies geschah im Konsens mit den libyschen Behörden und verletzte somit nicht die territoriale Integrität.
Kritik und Gegenargumente
Missbrauchsgefahr: Eine großzügige Interpretation könnte dazu führen, dass Staaten das Prinzip der territorialen Integrität unter dem Vorwand des Schutzes ihrer Bürger umgehen. (Rückentwicklung zu einem bellum iustum)
Erforderliche Zustimmung: Ohne Zustimmung des betroffenen Staates bleibt ein Eingriff problematisch und könnte als Verletzung des Völkerrechts betrachtet werden.
UN-Sicherheitsrat: Eine internationale Autorisierung durch den Sicherheitsrat ist der rechtlich bevorzugte Weg, um Maßnahmen zur Rettung eigener Staatsbürger zu legitimieren.
—> “Gegen”-Gegenargument: Vetomächte könnten erforderliche Resolutionen blockieren.
50. Was bedeutet der Grundsatz der kollektiven Sicherheit, und wie wird er im Völkerrecht umgesetzt?
Kollektive Sicherheit meint, dass Staaten gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um den Weltfrieden zu sichern, Aggressionen zu verhindern und internationale Solidarität zu fördern.
Kap. VII UNCh: Ermächtigt den Sicherheitsrat, Maßnahmen zur Wahrung des Friedens zu treffen.
Artikel 5 des NATO-Vertrags: Verpflichtung zur kollektiven Verteidigung
Kollektive Reaktion: Angriff auf einen Staat wird als Angriff auf alle betrachtet
Maßnahmen: Sanktionen, militärische Interventionen, diplomatische Schritte
Maßnahmen gegen den Irak nach der Invasion Kuwaits (1990)
NATO-Bündnisfall nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 (Mechanismus zur kollektiven Verteidigung)
Politische Blockaden im Sicherheitsrat durch Vetorechte
Unterschiedliche Interessen der Mitgliedstaaten
51. Welche Rolle spielt das Völkerrecht im Cyberspace?
Das Völkerrecht bietet einen Rahmen zur Regelung von Aktivitäten im Cyberspace, obwohl spezifische Normen noch in der Entwicklung sind.
Anwendbarkeit des Völkerrechts:
Prinzipien wie Souveränität, Gewaltverbot und Nichtintervention gelten auch im Cyberspace
Streitfragen: Anwendung von Art. 2 (4) UNCh auf Cyberangriffe
Zurechenbarkeit: Es ist oft schwer festzustellen, welcher Staat für einen Cyberangriff verantwortlich ist
Mangelnde Regelungen: Es fehlen spezifische Verträge zur Cyberkriegsführung
Angriff auf die estnische Infrastruktur (2007), vermutlich durch russische Akteure
Stuxnet-Virus (2010): Zerstörung iranischer Nuklearanlagen durch mutmaßlich staatliche Akteure
Internationale Initiativen:
Talinn-Handbuch zur Anwendung des Völkerrechts auf den Cyberspace (Leitfaden zur Anwendung des Völkerrechts auf Cyberkonflikte)
Diskussionen im Rahmen der UN-Gruppe der Regierungsexperten (GGE).
52. Erläutere kurz, worum es in dem Teheraner Geiselfall ging und warum er relevant ist, wenn es um die Frage der Staatenverantwortlichkeit geht!
Der Teheraner Geiselfall (USA v. Iran, 1980) ist ein prägender Fall für die Frage der Staatenverantwortlichkeit im Völkerrecht.
Am 4. November 1979 stürmten iranische Studenten die US-Botschaft in Teheran und nahmen 52 US-Diplomaten und Mitarbeiter als Geiseln. Die Geiselnahme dauerte 444 Tage.
Die neue iranische Regierung unterstützte die Besetzung nachträglich und billigte die Handlungen der Geiselnehmer offiziell.
Die USA reichten Klage beim Internationalen Gerichtshof (IGH) ein und warfen Iran vor, gegen die Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen von 1961 und 1963 zu verstoßen.
Die zentrale Frage war, ob Iran durch eigenes Handeln oder Unterlassen völkerrechtlich verantwortlich gemacht werden kann.
Entscheidung des IGH:
a) Verletzungen durch Iran:
Unterlassungspflicht: Iran habe seine Verpflichtung verletzt, die Botschaft und die dortigen Diplomaten zu schützen. Diese Schutzpflicht ergibt sich aus den Wiener Übereinkommen, die Iran ratifiziert hatte.
Aktive Unterstützung: Die Billigung der Geiselnahme durch iranische Regierungsstellen bedeutete eine völkerrechtlich relevante Handlung, die Iran direkt verantwortlich machte.
b) Staatenverantwortlichkeit:
Der IGH stellte fest, dass ein Staat völkerrechtlich verantwortlich ist, wenn:
Er gegen internationale Verpflichtungen verstößt (hier: Schutz diplomatischer Vertretungen).
Staatliche Organe aktiv an einem Verstoß beteiligt sind oder diesen unterstützen.
Iran wurde daher sowohl für die Unterlassung als auch für die aktive Billigung der Geiselnahme verantwortlich gemacht.
Pflichten Irans laut Urteil:
Die Geiseln freizulassen.
Die Botschaft der USA unverzüglich an die Vereinigten Staaten zurückzugeben.
Entschädigung für die erlittenen Schäden zu leisten.
Relevanz für die Bedeutung der Staatenverantwortlichkeit:
a) Erweiterung der Verantwortlichkeit:
Der IGH betonte, dass ein Staat nicht nur für das Handeln staatlicher Organe direkt verantwortlich ist, sondern auch für das Unterlassen von Schutzmaßnahmen, wenn eine völkerrechtliche Verpflichtung besteht.
—> Hierzu zählt insbesondere der Schutz diplomatischer Missionen.
b) Billigung als staatliches Handeln:
Die nachträgliche Billigung der Geiselnahme durch iranische Regierungsstellen machte die vorher private Handlung der Studenten zu einer staatlich zurechenbaren Handlung.
c) Präzedenzfall: Der Fall klärte die Reichweite der Staatenverantwortlichkeit bei Verstößen gegen diplomatische Schutzpflichten und die Bedeutung der Zurechnung privater Handlungen, die durch staatliche Billigung "verstaatlicht" werden.
53. Was ist das Prinzip der Nichtdiskriminierung im internationalen Handelsrecht?
Das Prinzip der Nichtdiskriminierung ist ein Grundpfeiler des internationalen Handelsrechts und zielt auf Gleichbehandlung im Handel zwischen Staaten ab. Es fördert Fairness und Transparenz im Welthandel, ermöglicht aber Ausnahmen für besondere Interessen.
WTO-Abkommen (1995), insbesondere GATT (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen).
Zentrale Grundsätze:
Meistbegünstigungsklausel (Gleichbehandlung aller Handelspartner), Art. I GATT: Handelsvorteile, die einem Staat gewährt werden, müssen auf alle anderen WTO-Mitglieder ausgeweitet werden.
Inländergleichbehandlung (Art. III GATT): Importierte und einheimische Produkte müssen gleichbehandelt werden.
Regionale Handelsabkommen (z. B. EU, NAFTA).
Schutzmaßnahmen zur Wahrung der öffentlichen Gesundheit oder Umwelt (Art. XX GATT).
WTO-Fälle zur Diskriminierung von Produkten: Streit um hormonbehandeltes Rindfleisch zwischen der EU und den USA.
Präferenzsysteme für Entwicklungsländer (z. B. Generalized System of Preferences).
54. Was regelt die UN-Konvention gegen Folter?
Die UN-Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UNCAT, 1984) verpflichtet Staaten, Folter weltweit zu bekämpfen und Täter strafrechtlich zu verfolgen. Sie ist ein zentrales Abkommen zum Schutz vor Folter.
Definition von Folter (Artikel 1): Jede Handlung, die schwere körperliche oder seelische Schmerzen verursacht und von staatlichen Akteuren durchgeführt oder gebilligt wird
Verbot: Absolutes Verbot, auch in Notstandssituationen
Strafverfolgung: Staaten müssen Täter bestrafen oder ausliefern (Grundsatz aut dedere aut iudicare- Verpflichtung, Folterer zu verfolgen oder auszuliefern).
Staatenberichtverfahren vor dem Ausschuss gegen Folter
Möglichkeit individueller Beschwerden bei Zuständigkeit des Ausschusses
Verfahren gegen Pinochet in Großbritannien wegen Menschenrechtsverletzungen in Chile
Kritische Überprüfung der Folterpraktiken in Guantanamo durch UN-Organe
Vorlesung 6 "Rights of the Individual – Human Rights" und UN-Konvention gegen Folter
55. Worum geht es im Caroline Fall? Und was ist die Caroline-Formel?
Der Caroline-Fall (1837) ist ein bedeutender Präzedenzfall im Völkerrecht, insbesondere für das Recht auf Selbstverteidigung. Er entwickelte die Kriterien für eine rechtmäßige Selbstverteidigung in internationalen Konflikten.
Der Fall ereignete sich während eines Aufstands in Kanada (Rebellion von 1837), bei dem US-amerikanische Bürger die Rebellen unterstützten, die gegen die britische Kolonialherrschaft kämpften.
Die Rebellen nutzten das US-Schiff Caroline, um Waffen und Kämpfer über den Niagara-Fluss nach Kanada zu transportieren.
Britische Truppen überquerten in der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember 1837 die Grenze in die USA, setzten die Caroline in Brand und ließen sie die Niagarafälle hinuntertreiben. Dabei kamen mehrere Menschen ums Leben.
Die USA protestierten scharf gegen die Verletzung ihrer Souveränität und betrachteten die britische Aktion als völkerrechtswidrig.
Völkerrechtliche Bedeutung
Der Fall führte zu einem diplomatischen Austausch zwischen den USA und Großbritannien. Dabei wurden die Kriterien für eine rechtmäßige Selbstverteidigung formuliert:
a) Notwendigkeit („necessity“):
Selbstverteidigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Gefahr unmittelbar und überwältigend ist, sodass keine Zeit für Verhandlungen oder andere friedliche Mittel bleibt.
b) Verhältnismäßigkeit („proportionality“):
Die angewandte Gewalt muss im Verhältnis zur Bedrohung stehen und darf nicht über das hinausgehen, was zur Abwehr erforderlich ist.
—> Diese Kriterien wurden später als Caroline-Formel bekannt und gelten bis heute als grundlegende Prinzipien für das Recht auf Selbstverteidigung im Völkerrecht.
Spätere Entwicklungen
Die Caroline-Formel wurde in späteren völkerrechtlichen Diskussionen und Urteilen häufig zitiert, insbesondere zur Beurteilung von Fällen präventiver oder präemptiver Selbstverteidigung.
Sie bildet die Grundlage für die enge Auslegung des Rechts auf Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta.
56. Was ist der Unterschied zwischen Asylrecht und subsidiärem Schutz im Flüchtlingsrecht?
Asylrecht und subsidiärer Schutz sind Formen des internationalen Schutzes für Personen, die in ihrem Herkunftsland verfolgt werden oder Gefahr laufen, ernsthaften Schaden zu erleiden.
Asylrecht:
Rechtsgrundlagen: Genfer Flüchtlingskonvention (1951) und Artikel 16a des Grundgesetzes (Deutschland).
Kriterien: Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung.
Rechte: Recht auf Aufenthalt, Schutz vor Abschiebung und Zugang zu Sozialleistungen.
Subsidiärer Schutz:
Schutz für Personen, die nicht unter die Flüchtlingsdefinition fallen.
Rechtsgrundlagen: EU-Qualifikationsrichtlinie.
Kriterien: Gefahr ernsthafter Schäden, z. B. Todesstrafe, Folter oder willkürliche Gewalt in einem bewaffneten Konflikt.
Rechte: Ähnlich wie Asyl, jedoch oft eingeschränkt, z. B. befristete Aufenthaltsgenehmigung.
Grund: Asyl basiert auf individueller Verfolgung, subsidiärer Schutz auf allgemeiner Gefährdung.
Dauer: Asylstatus ist in der Regel stabiler als subsidiärer Schutz.
Asyl: Schutz für politisch Verfolgte aus Diktaturen.
Subsidiärer Schutz: Flüchtlinge aus Kriegsgebieten wie Syrien.
Vorlesung 5 "Rights o.t. Ind. – Human Rights" Genf. Flüchtl.konvention, EU-Qualifikations-RL
57. Was ist eine Präventivdoktrin, und wie wird sie völkerrechtlich bewertet?
Präventivdotrinen erlauben Staaten, militärische Gewalt anzuwenden, um einen bevorstehenden Angriff abzuwehren (Präventive Selbstverteidigung). Ihre Legitimität ist im Völkerrecht stark umstritten. Sie sind völkerrechtlich problematisch, da sie oft das Gewaltverbot verletzen. Sie müssen strengen Kriterien genügen, um als legitim anerkannt zu werden.
Art. 51 UNCh: Selbstverteidigung nur bei einem bewaffneten Angriff
Völkergewohnheitsrecht: Strenge Kriterien für präventive Maßnahmen
Unmittelbarkeit: Angriff muss unmittelbar bevorstehen; nicht spekulativ sein
Notwendigkeit: Keine andere Möglichkeit, die Bedrohung abzuwenden
Verhältnismäßigkeit: Maßnahmen dürfen den Angriff nicht übertreffen
Hohe Gefahr des Missbrauchs zur Rechtfertigung aggressiver Handlungen
Israelischer Angriff auf irakische Nuklearanlagen (1981)
9/11 Bush-Doktrin – Rechtfertigung von Präventivschlägen gegen Terrorgruppen
Vorlesung 10 “Peacekeeping, Use of Force”
58. Was bedeutet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im humanitären Völkerrecht?
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im humanitären Völkerrecht schützt Zivilpersonen vor übermäßigen Schäden bei militärischen Operationen.
Artikel 51 Absatz 5(b) des Zusatzprotokolls I zu den Genfer Konventionen.
Verbot unverhältnismäßiger Angriffe: Schäden für Zivilpersonen dürfen nicht außer Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil stehen.
Schutz der Zivilbevölkerung: Verpflichtung, zivile Opfer und Sachschäden zu minimieren.
Unklare Definition des „militärischen Vorteils“.
Schwierige Abwägung in asymmetrischen Konflikten.
Kritik an Luftangriffen mit hohen zivilen Opfern, z. B. in Afghanistan.
Einsatz präzisionsgelenkter Waffen zur Minimierung von Kollateralschäden.
Vorlesung 10 "Peacekeeping, Use of Force" und Konventionen
59. Was versteht man unter dem Prinzip der territorialen Integrität und warum ist es völkerrechtlich bedeutsam?
Das Prinzip der territorialen Integrität schützt die Grenzen eines Staates vor unrechtmäßiger Einmischung oder Aggression durch andere Staaten. Es basiert auf Art. 2 (4) UNCh und dem allgemeinen Völkergewohnheitsrecht.
Grenzschutz: Grenzen eines Staates dürfen nicht gewaltsam verändert werden.
Unverletzlichkeit: Staaten dürfen sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten einmischen.
Konflikt mit dem Selbstbestimmungsrecht von Völkern (z. B. Sezessionsbewegungen).
Aggressionen oder Annexionen, wie die russische Annexion der Krim (2014).
Achtung: Internationale Anerkennung der bestehenden Grenzen nach dem Zweiten Weltkrieg.
Verstoß: Angriff auf Kuwait durch den Irak (1990).
Vorlesung 10 "Ius contra bellum" & Vorlesung 6a “Jurisdiction - Israel/Palestine, Russia/Ukraine"
60. Was sind die Voraussetzungen für die Anwendung von Sanktionen im Völkerrecht und welche Arten von Sanktionen gibt es?
Sanktionen im Völkerrecht sind Maßnahmen, die gegen einen Staat verhängt werden, um ihn zur Einhaltung völkerrechtlicher Verpflichtungen zu bewegen.
Kapitel VII UNCh: Sanktionen als Mittel zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens
Voraussetzungen:
Bedrohung des Friedens: Sicherheitsrat muss eine Bedrohung feststellen
Verhältnismäßigkeit: Sanktionen dürfen nicht unverhältnismäßig sein
Legitimität: Maßnahmen müssen durch den Sicherheitsrat autorisiert sein
Arten von Sanktionen:
Wirtschaftlich: Handelsbeschränkungen, Einfrieren von Vermögenswerten
Diplomatisch: Abbruch diplomatischer Beziehungen
Militärisch: Waffenembargos
Sanktionen gegen Nordkorea wegen seines Atomprogramms
Maßnahmen der EU gegen Russland nach der Annexion der Krim
Vorlesung 10 "Ius contra bellum" und UN-Charta.
61. Was ist die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts der Völker im Völkerrecht?
Das Selbstbestimmungsrecht der Völker erlaubt es Völkern, frei über ihren politischen Status und ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden. Es ist ein zentrales Prinzip des Völkerrechts, das den Willen der Völker schützt, aber in der Praxis oft politisch umstritten bleibt. Ableiten lässt es sich aus Art. 1 (2) UNCh und der allg. Erklärung der Menschenrechte (Artikel 1 ICCPR und ICESCR).
Internes Selbstbestimmungsrecht: Recht auf pol. Partizipation und wirtschaftl., soziale & kulturelle Entwicklung innerhalb eines Staates (Autonomie)
Externes Selbstbestimmungsrecht: Recht auf staatliche Unabhängigkeit (z. B. bei Kolonialisierung oder systemat. Unterdrückung); Recht auf Sezession?
Konflikt mit der territorialen Integrität bestehender Staaten.
Unsicherheit, welche Gruppen als „Völker“ anerkannt werden.
Erfolg: Unabhängigkeit von Namibia nach internationalem Druck (1990).
Kontroverse: Unabhängigkeitserklärung von Katalonien (2017), die von Spanien nicht anerkannt wurde.
Vorlesung 4 "Subj. of Publ. Int. Law" und Vorlesung 7 “Legal Subjects - Peoples + Miscellaneous"
62. Was ist der Unterschied zwischen Gewaltverbot und Interventionsverbot?
Gewaltverbot und Interventionsverbot sind zwei zentrale Prinzipien des Völkerrechts, die die Souveränität und Unabhängigkeit von Staaten schützen.
Gewaltverbot:
Rechtsgrundlagen: Art. 2 (4) UNCh
Inhalt: Verbot der Anwendung oder Androhung von Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates.
Ausnahmen: Selbstverteidigung (Art. 51 UNCh) und Sicherheitsratsmandate (Kapitel VII)
Interventionsverbot:
Rechtsgrundlagen: Völkergewohnheitsrecht und Urteil des IGH im Nicaragua-Fall (1986)
Inhalt: Verbot der Einmischung in die inneren oder äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates, einschließlich politischer, wirtschaftlicher und kultureller Bereiche.
Ausnahmen: Keine direkte Kodifikation, jedoch umstritten bei humanitären Interventionen.
Gewalt: Das Gewaltverbot betrifft hauptsächlich physische Gewalt; das Interventionsverbot auch andere Formen, wie politische Einflussnahme.
Umfang: Interventionsverbot ist breiter und umfasst nicht-physische Eingriffe wie wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen.
Verstoß gegen das Gewaltverbot: russische Invasion der Ukraine (2022).
Verstoß gegen das Interventionsverbot: Einmischung in Wahlen eines anderen Staates.
63. Was ist die Bedeutung der Doktrin „Responsibility While Protecting“ (RWP)?
Die Doktrin „Responsibility While Protecting“ (RWP - Verantwortung, Schutzmaßnahmen verantwortungsvoll durchzuführen) wurde von Brasilien als Ergänzung zur Responsibility to Protect (R2P - Verantwortung, Bevölkerungen vor schwersten Verbrechen zu schützen) vorgeschlagen, um Missbrauch und Exzesse bei Schutzmaßnahmen zu verhindern.
Klarheit der Ziele: Schutzmaßnahmen müssen eindeutig definiert sein.
Proportionalität: Maßnahmen dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung der Ziele notwendig ist.
Rechenschaftspflicht: Staaten und Organisationen müssen ihre Handlungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft rechtfertigen.
Akzeptanz durch Großmächte bleibt gering.
Potenzial, Schutzmaßnahmen politisch zu blockieren.
Kritik an NATO-Luftangriffen in Libyen (2011), die über die autorisierten Schutzmaßnahmen hinausgingen.
Debatten über die Begrenzung von UN-Missionen bei Friedenseinsätzen.
Vorlesung 11 "Ius contra bellum" und UN-Debatte zu R2P.
64. Was sind die Kernprinzipien der humanitären Hilfe im Völkerrecht?
Die humanitäre Hilfe im Völkerrecht basiert auf Prinzipien, die sicherstellen, dass sie neutral, unparteiisch und bedarfsgerecht geleistet wird.
UN-Resolution 46/182 (1991): Stärkt die Koordination der humanitären Hilfe
Kernprinzipien:
Menschlichkeit: Linderung von Leid steht im Mittelpunkt
Neutralität: Keine Parteinahme in Konflikten
Unparteilichkeit: Hilfe wird nur nach dem Bedarf geleistet, ohne Diskriminierung
Unabhängigkeit: Keine politischen oder wirtschaftlichen Ziele der Hilfe
Zugang zu Konfliktgebieten wird oft politisch blockiert
Gefahr der Instrumentalisierung humanitärer Hilfe
Internationale Hilfsmaßnahmen nach Naturkatastrophen wie dem Erdbeben in Haiti (2010)
Einsatz des Roten Kreuzes in Kriegsgebieten zur Versorgung von Zivilisten
Vorlesung 10 "Peacekeeping, Use of Force" und Genfer Konventionen
65. Wird die Bush Doctrine vom Recht auf Selbstverteidigung umfasst?
Die Bush-Doktrin, die unter der Präsidentschaft von George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September 2001 formuliert wurde, stellte eine neue sicherheitspolitische Strategie der USA dar.
Kernpunkte waren die Präventivkriegsführung und das einseitige Handeln im Namen der nationalen Sicherheit.
Völkerrechtliche Bewertung umstritten: Kann mit den Grundprinzipien des internationalen Rechts, insbesondere der UN-Charta, in Konflikt geraten.
Erweitert das traditionelle Selbstverteidigungsrecht, indem militärische Maßnahmen auch gegen potenzielle Bedrohungen oder Staaten, die künftige Angriffe vorbereiten könnten, gerechtfertigt werden. —> Bruch mit dem engen Rahmen von Art. 51 UNCh.
—> Beansprucht das Recht auf Prävention, auch wenn ein Angriff nicht unmittelbar bevorsteht.
—> Art. 51 hingegen bezieht sich nur auf Angriffe, die bereits erfolgt sind oder unmittelbar bevorstehen („necessity of self-defense, instant, overwhelming, leaving no choice of means“ – Caroline-Kriterium).
(Weitere Kritikpunkte:
Der Unilateralismus der Bush-Doktrin steht im Widerspruch zur UN-Charta, die kollektive Entscheidungen bei der Friedenssicherung vorsieht.
Die Auslegung des Selbstverteidigungsrechts gegen nichtstaatliche Akteure bleibt ein umstrittenes Thema im Völkerrecht.
Präventivkriege und die langfristige Besetzung von Ländern führten zu erheblichen humanitären und politischen Krisen, wie im Irak und Afghanistan.)
66. Was ist der Unterschied zwischen ius cogens und erga omnes-Verpflichtungen?
Ius cogens und erga omnes-Verpflichtungen sind zentrale Konzepte des Völkerrechts, die universelle Normen und Verpflichtungen darstellen, sich jedoch in ihrer Funktion und Tragweite unterscheiden.
Ius cogens:
Definition: Zwingendes Recht, von dem keine Abweichung erlaubt ist.
Rechtsgrundlagen: Art. 53 WVK
Beispiele: Verbot von Völkermord, Sklaverei, Folter und Aggression.
Folgen: Verträge, die ius cogens widersprechen, sind nichtig.
Erga omnes-Verpflichtungen:
Definition: Verpflichtungen, die gegenüber der gesamten internationalen Gemeinschaft bestehen.
Rechtsgrundlagen: Urteil des IGH im Barcelona-Traction-Fall (1970).
Beispiele: Verbot von Völkermord, Schutz vor schwerwiegenden Umweltkatastrophen.
Folgen: Jeder Staat kann deren Verletzung ansprechen.
Hierarchie: Ius cogens hat Vorrang und stellt zwingende Normen dar, während erga omnes-Verpflichtungen Pflichten mit allgemeiner Wirkung sind.
Durchsetzung: Erga omnes-Verpflichtungen können von jedem Staat geltend gemacht werden, ius cogens beeinflusst die Gültigkeit von Rechtsakten direkt.
Vorlesung 2 "Normativity of Public International Law" und WVK
67. Was bedeutet „effektive Kontrolle“ für die Zurechnung zur Staatenverantwortlichkeit im Völkerrecht?
—> Durch das Kriterium der effektiven Kontrolle wird ermittelt, wann die Handlungen eines nichtstaatlichen Akteurs einem Staat zugerechnet werden können.
Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) im Nicaragua-Fall (1986).
Artikel 8 der ILC-Draft Articles zur Staatenverantwortung.
Ein Staat haftet für Handlungen nichtstaatlicher Akteure, wenn er über diese „effektive Kontrolle“ ausübt.
Kontrolle umfasst Anweisungen, Unterstützung oder die direkte Führung der Operationen.
Zurechnung verneint: USA hatten im Nicaragua-Fall keine vollständige Kontrolle über die Contras.
Zurechnung bejaht: Russland wird vorgeworfen, in der Ostukraine Separatisten direkt zu kontrollieren.
Beweislast: Es ist oft schwierig, die Kontrolle nachzuweisen.
Politische Blockaden bei der Durchsetzung.
68. Was ist das Prinzip der „ex injuria jus non oritur“ im Völkerrecht?
Das Prinzip „ex injuria jus non oritur“ (aus Unrecht entsteht kein Recht) bedeutet, dass ein völkerrechtswidriger Akt nicht zur Schaffung rechtlicher Ansprüche oder Zustände führen kann.
Allgemeines Völkergewohnheitsrecht.
Urteile des Internationalen Gerichtshofs, z. B. Namibia-Gutachten (1971).
Ein Staat darf aus völkerrechtswidrigen Handlungen keine Vorteile ziehen.
Rechtswidrige Annexionen oder Aggressionen führen nicht zu legitimen Ansprüchen.
Die internationale Gemeinschaft erkannte die Annexion Kuwaits durch den Irak (1990) nicht an.
Russland beansprucht Legitimität für die Annexion der Krim, was international nicht anerkannt wird.
Manche Staaten versuchen, durch langfristige Besatzungen oder Demografieänderungen Fakten zu schaffen (z. B. Westjordanland).
Politische Interessen können die konsequente Anwendung des Prinzips beeinträchtigen.
Vorlesung 2 "Normativity of Public International Law" & Namibia-Gutachten des IGH.
69. Was sind Kriterien für die Bestimmung der Verhältnismäßigkeit der Selbstverteidigung nach Art. 51 UNCh?
Art und Intensität des Angriffs
Bei dem Angriff verwendete Waffen und Ausrüstung, Stärke und Taktik des Angreifers
Geopolitisches Umfeld des Angriffs
Schaden, der durch den Angriff verursacht wurde
Zu erwartende Schäden bei Handlungen, die in Notwehr (auf Seiten des Angreifers) begangen werden
Zivilie Opfer
Kollateralschäden allerdings sind hinzunehmen
70. Welche Rechtsgrundlage könnte es zur Ermächtigung von Peacekeeping Missions der UN geben?
Peacekeeping ist nicht ausdrücklich in der UN-Charta geregelt. Es hat sich vielmehr durch die Praxis der Vereinten Nationen als völkerrechtlich anerkannte Maßnahme entwickelt. Häufig werden Peacekeeping Missions im Zusammenhang mit Kapitel VI der UNCh (friedliche Streitbeilegung) interpretiert.
—> Rechtliche Grundlage und Entwicklung
Kapitel VI der UN-Charta:
Artikel 33–38 befassen sich mit der friedlichen Beilegung von Konflikten, z. B. durch Verhandlungen, Vermittlung oder Schiedsverfahren.
Traditionelle Peacekeeping-Missionen basieren oft auf dem Konsens der Konfliktparteien und werden als Erweiterung dieser friedlichen Mittel betrachtet.
Kapitel VII der UN-Charta:
Im Gegensatz zu Peacekeeping-Missionen sind Peace-Enforcement-Missionen in Kap. VII UNCh rechtlich kodifiziert (Ermächtigung zum Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung des Mandats (z. B. Schutz von Zivilisten)
Praxis der UN:
Die erste UN-Peacekeeping-Mission, die United Nations Emergency Force (UNEF I), wurde 1956 während der Sueskrise eingerichtet. Sie basierte auf einer Resolution der Generalversammlung, da der Sicherheitsrat durch ein Veto blockiert war.
Diese und nachfolgende Missionen schufen die Grundlage für die heutige Peacekeeping-Praxis.
71. Was ist das Prinzip der „uti possidetis juris“ im Völkerrecht?
Das Prinzip „uti possidetis juris“ stellt sicher, dass neue Staaten bei ihrer Unabhängigkeitserklärung bestehende koloniale oder administrative Grenzen übernehmen, um territoriale Streitigkeiten zu vermeiden.
Anerkannt durch den IGH im Burkina Faso/Mali-Fall (1986).
Grenzen ehemaliger Kolonialgebiete oder Provinzen werden bei der Gründung neuer Staaten beibehalten.
Ziel ist es, Stabilität zu schaffen und territoriale Konflikte zu verhindern.
Bejaht: Die Grenzen Afrikas nach der Dekolonisation wurden gemäß diesem Prinzip festgelegt.
Verstoß: Territorialstreitigkeiten zwischen Eritrea und Äthiopien trotz Anwendung des Prinzips.
Grenzen können historisch willkürlich sein und ethnische oder kulturelle Gemeinschaften trennen.
Einige Regionen fordern Grenzen nach kulturellen oder ethnischen Kriterien.
Vorlesung 4 "Subjects of Public International Law" und Burkina Faso/Mali-Fall.
72. Was ist das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung im Völkerrecht?
Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung fordert eine Balance zwischen ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen, um die Bedürfnisse gegenwärtiger und zukünftiger Generationen zu erfüllen.
Brundtland-Bericht (1987): Einführung des Begriffs.
Rio-Erklärung (1992 - Grundsatzdokument zur nachhaltigen Entwicklung): Prinzip 1 und Prinzip 3.
Integration: Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik müssen abgestimmt werden.
Zukunftsorientierung: Die Ressourcen der Erde dürfen nicht auf Kosten künftiger Generationen ausgebeutet werden.
Pariser Klimaabkommen (2015): Verbindet Klimaschutz mit wirtschaftlicher Entwicklung.
SDGs (Sustainable Development Goals): Globale Ziele der UN zur Förderung nachhaltiger Entwicklung bis 2030
Unterschiedliche Interessen von Industrie- und Entwicklungsländern
Fehlende Durchsetzbarkeit internationaler Verpflichtungen
Vorlesung 7 "Environmental Protection and International Responsibility" und Rio-Erklärung.
73. Was ist das Prinzip der „good offices“ im Rahmen der friedlichen Streitbeilegung?
Das Prinzip der „good offices“ bezeichnet die Rolle eines neutralen Dritten, der Konfliktparteien hilft, in Verhandlungen zu treten, ohne selbst aktiv zu vermitteln. „Good offices“ sind ein flexibles Instrument der Konfliktbeilegung, das Vertrauen zwischen Parteien fördert, ohne inhaltlich einzugreifen.
Art. 33 UNCh: Förderung der friedlichen Streitbeilegung
Ein neutraler Akteur bietet seine Dienste an, um Kommunikationskanäle zu öffnen.
Keine direkte Einflussnahme auf die Inhalte der Verhandlungen.
Schweiz als „good offices“ zwischen den USA und Iran in diplomatischen Angelegenheiten.
Rolle der UN bei der Eröffnung von Gesprächen zwischen Nord- und Südkorea.
Erfolg hängt von der Akzeptanz durch beide Konfliktparteien ab.
Neutralität des Dritten muss gewährleistet sein.
Vorlesung 10 "Peacekeeping, Use of Force" und Artikel 33 der UN-Charta
74. Was regelt das Prinzip der „equitable utilization“ im internationalen Wasserrecht?
Das Prinzip der „equitable utilization“ fordert, dass Staaten grenzüberschreitende Wasserressourcen fair und angemessen nutzen, ohne die Interessen anderer Anrainerstaaten unverhältnismäßig zu beeinträchtigen.
UN-Konvention über das Recht der nicht-schiffbaren Wasserläufe (1997).
Gerechte Verteilung der Wasserressourcen zwischen Anrainerstaaten.
Berücksichtigung von Faktoren wie:
Geografische und hydrologische Merkmale.
Bedürfnisse der Anrainerstaaten.
Vermeidbare Schäden.
Erfolg: Verträge zwischen Indien und Pakistan über die Nutzung des Indus-Flusses.
Konflikte: Streitigkeiten zwischen Ägypten, Sudan und Äthiopien über den Bau der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre.
Klimawandel und zunehmende Wasserknappheit verschärfen Nutzungskonflikte.
Unterschiedliche Entwicklungsniveaus der beteiligten Staaten.
Vorlesung 7 "Envir. Protection and Int. Responsibility" & UN-Konvention über Wasserläufe
75. Was sind die rechtlichen Grundlagen für den Einsatz von Blauhelmen?
Blauhelme sind UN-Friedenstruppen, deren Einsätze auf der Grundlage der UN-Charta und spezifischer Mandate des Sicherheitsrats erfolgen.
Sie sind primär mit Peacekeeping verbunden, können aber auch Elemente von Peace Enforcement enthalten, je nach Mandat des Sicherheitsrats.
Kapitel VI und Kapitel VII der UN-Charta: Friedliche Streitbeilegung und Maßnahmen bei Bedrohung des Friedens.
Sicherheitsratsresolutionen: Erteilen Mandate für Einsätze
Friedenssicherung: Überwachung von Waffenstillständen, Schutz von Zivilisten
Friedensaufbau: Unterstützung von Wahlen, Aufbau staatlicher Strukturen
Neutralität: Blauhelme agieren unparteiisch und dürfen nur in Selbstverteidigung Gewalt anwenden.
UNIFIL im Libanon zur Überwachung der Waffenruhe
MINUSMA in Mali zum Schutz von Zivilisten und zur Terrorbekämpfung
Mangelnde Ausrüstung und Finanzierung
Konflikte über die Einhaltung der Neutralität in komplexen Situationen
Vorlesung 10 "Peacekeeping, Use of Force" und UN-Charta
76. Was sind die „drei Generationen der Menschenrechte“ im Völkerrecht?
Die drei Generationen der Menschenrechte beschreiben die historische Entwicklung und Erweiterung von Menschenrechtskonzepten.
Erste Generation – Bürgerliche und politische Rechte:
„Freiheitsrechte“
Rechte auf Leben, Freiheit, Meinungsäußerung, Religionsfreiheit.
Rechtsgrundlagen: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948), ICCPR (1966)
Zweite Generation – Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte:
„Gleichheitsrechte“
Rechte auf Arbeit, Bildung, soziale Sicherheit, kulturelle Teilhabe.
Rechtsgrundlagen: ICESCR (1966)
Dritte Generation – Kollektive Rechte:
Recht auf Selbstbestimmung, wirtschaftl. und soz. Entwicklung, gesunde Umwelt, natürliche Ressourcen, Frieden und Teilhabe am kulturellen Erbe
Rechtsgrundlagen: Rio-Erklärung (1992), Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (1981).
Umsetzung und Durchsetzbarkeit der zweiten und dritten Generation.
Unterschiedliche Prioritäten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.
Vorlesung 5 "Rights of the Individual – Human Rights" & Allg. Erkl. der Menschenrechte.
77. Was sind die Grundprinzipien des Seerechts nach der UN-Seerechtskonvention?
Die UN-Seerechtskonvention (UNCLOS, 1982), seit 1994 in Kraft, legt die grundlegenden Prinzipien zur Nutzung und Verwaltung der Weltmeere fest und schützt die Rechte und Pflichten der Küsten- und Binnenstaaten.
Souveränität: Küstenstaaten haben Hoheitsgewalt über ihr Küstenmeer (bis zu 12 Seemeilen).
Exklusive Wirtschaftszone (AWZ): Küstenstaaten haben das Recht zur Nutzung der Ressourcen bis zu 200 Seemeilen.
Gemeinsames Erbe der Menschheit: Ressourcen der Tiefsee gehören allen Staaten und werden von der Internationalen Meeresbodenbehörde verwaltet.
Freiheit der Schifffahrt: Offene See bleibt für alle Staaten frei nutzbar.
Konflikte um territoriale Ansprüche im Südchinesischen Meer.
Nutzung der Arktis durch Anrainerstaaten.
Uneinigkeit über die Grenzen der AWZ in umstrittenen Regionen.
Umweltzerstörung und Übernutzung der Meeresressourcen.
Zusammenfassung: Die UNCLOS schafft einen umfassenden Rechtsrahmen zur Regelung von Nutzung, Schutz und Erhalt der Meere, steht jedoch vor Herausforderungen durch politische und ökologische Spannungen.
Vorlesung 7 "Environmental Protection and International Responsibility" und UNCLOS
78. Was sind die rechtlichen Grundlagen des Weltraumrechts?
Das Weltraumrecht regelt die friedliche Nutzung und Erforschung des Weltraums durch Staaten und private Akteure.
Weltraumvertrag (1967): Grundlage des internationalen Weltraumrechts.
Übereinkommen über die Registrierung von Weltraumobjekten (1975).
Mondvertrag (1979, von wenigen Staaten ratifiziert).
Friedliche Nutzung: Der Weltraum darf nur für friedliche Zwecke genutzt werden.
Keine nationale Souveränität: Staaten dürfen kein Hoheitsrecht über den Weltraum oder Himmelskörper beanspruchen.
Verantwortlichkeit: Staaten sind für ihre Aktivitäten und die ihrer Privatakteure im Weltraum verantwortlich.
Internationale Kooperation bei der ISS.
Kommerzielle Weltraumnutzung durch Unternehmen wie SpaceX.
Fehlen klarer Regelungen zur Ressourcennutzung auf Himmelskörpern.
Wachsende Bedrohung durch Weltraumschrott.
—> Das Weltraumrecht fördert die friedliche und kooperative Nutzung des Weltraums, muss jedoch mit neuen Herausforderungen wie der Kommerzialisierung umgehen.
Vorlesung 7 "Environmental Protection and International Responsibility" & Weltraumvertrag
79. Was sind die rechtlichen Grundlagen der int. Bekämpfung von Terrorismus?
—> Die internationale Bekämpfung von Terrorismus beruht auf einer Vielzahl von völkerrechtl. Instrumenten und Resolutionen, die eine Zusammenarbeit der Staaten fördern.
UN-Sicherheitsratsresolutionen (z. B. 1373/2001)
Internationale Konventionen, z. B. Übereinkommen zur Bekämpfung der Geiselnahme (1979)
Allgemeines Völkergewohnheitsrecht
Verpflichtung der Staaten, Terroristen zu verfolgen und ihre Finanzierung zu unterbinden.
Förderung der internationalen Zusammenarbeit durch Informationsaustausch und Auslieferung.
Gemeinsame Terrorismusbekämpfung im Rahmen von Interpol.
Einrichtung des Anti-Terrorismus-Ausschusses (CTC) durch die UN.
Keine einheitliche Definition von Terrorismus
Konflikte zwischen Sicherheitsmaßnahmen und Menschenrechten
—>Die internationale Terrorismusbekämpfung basiert auf multilateraler Zusammenarbeit und verbindlichen Regelungen, bleibt jedoch durch fehlende Einheitlichkeit in der Definition und politische Spannungen begrenzt.
80. Was sind die Voraussetzungen für das Bestehen von Völkergewohnheitsrecht?
Das Völkergewohnheitsrecht ist eine der Hauptrechtsquellen des Völkerrechts und ergibt sich aus der allgemeinen Staatenpraxis, die von einer rechtlichen Überzeugung getragen wird (opinio iuris).
Elemente des Völkergewohnheitsrechts:
Allgemeine Übung (staatliche Praxis): Diese muss von einer repräsentativen Anzahl von Staaten einheitlich und beständig ausgeübt werden. Beispiele sind innerstaatliche Akte, Verhaltensweisen in int. Beziehungen oder Beschlüsse int. Organisationen.
—> „die wiederholte, konsolidierte oder regelmäßige, einheitliche (allgemeine) Ausübung durch relevante (d. h. nicht unbedingt alle) Subjekte und Organe“ (Vitzthum)
Rechtsüberzeugung (opinio iuris): Staaten handeln aus der Überzeugung, dass ihre Praxis rechtlich geboten ist. Dies unterscheidet Völkergewohnheitsrecht von reinem Brauchtum.
Besondere Formen des Völkergewohnheitsrechts:
Universelles Gewohnheitsrecht: Gilt für alle Staaten, unabhängig von ihrer Zustimmung, z.B. Gewaltverbot Art. 2 (4) UNCh
Regionales Gewohnheitsrecht: Gilt nur für eine spezifische Gruppe von Staaten, z. B. diplomatisches Asyl in Lateinamerika
Persistent Objector: Ein Staat, der sich frühzeitig und konsequent gegen eine entstehende Gewohnheitsnorm wendet, ist an diese nicht gebunden.
—> Bedingungen:
(1) Klare und unmissverständliche Ablehnung der Norm.
(2) Dauerhafte Ablehnung, ohne nachträgliche Akzeptanz.
Neustaaten: sind grds. an bestehendes Völkergewohnheitsrecht gebunden.
Änderung oder Beendigung von bestehendem Völkergewohnheitsrecht:
o Durch regelmäßiges Zuwiderhandeln oder eben Nichthandeln basierend auf opinio iuris
Kodifizierung von Völkergewohnheitsrecht und seiner Entwicklung:
o Art. 13 (1) (a) UNCh
Nachweis der Rechtsüberzeugung kann schwierig sein
Konflikte über Anerkennung eines Persistent Objectors, insb. in multilateralen Kontexten.
Vorlesung 3
81. Welche Auslegungsregeln gibt es im Völkerrecht?
Im Völkerrecht dienen Auslegungsregeln dazu, den Inhalt und die Bedeutung von Verträgen, Normen und Prinzipien zu klären. Sie sind Art. 31-33 WVK kodifiziert und werden durch allgemeine Grundsätze des Völkerrechts ergänzt.
Auslegungsregeln gemäß der WVK:
Wörtliche Auslegung (Artikel 31 Abs. 1):
Verträge sind nach dem gewöhnlichen Wortsinn der Begriffe auszulegen.
Systematische Auslegung:
Der Kontext umfasst den Vertrag, Präambel, Anhänge und Vereinbarungen, die zwischen den Parteien getroffen wurden.
Teleologische Auslegung:
Ziel und Zweck des Vertrags müssen berücksichtigt werden, um eine sinnvolle und effektive Interpretation sicherzustellen (effet utile).
Objektive und Subjektive Auslegung
Hilfsmittel zur Auslegung:
Ergänzende Mittel (Artikel 32 WVK):
Travaux préparatoires (Verhandlungsunterlagen, Entstehungsgeschichte und Umstände des Vertragsabschlusses werden herangezogen)
Subsequent practice: Die nachfolgende Praxis
Mehrsprachige Verträge (Artikel 33 WVK):
Sind mehrere Sprachen gleichermaßen verbindlich, müssen Abweichungen im Sinn harmonisiert werden.
Treu und Glaube/ Good Will
IGH im Pulp Mills-Fall: Berücksichtigung der Zweckbestimmung zur nachhaltigen Nutzung von Wasserressourcen.
Anwendung der Präambel der UN-Charta zur Auslegung von Kapitel VII.
Unterschiedliche Auslegungsmethoden können zu abweichenden Interpretationen führen.
Politische und kulturelle Unterschiede beeinflussen oft die Anwendung der Auslegungsregeln.
Vorlesung 3 und Wiener Vertragsrechtskonvention
82. Was sind die Grundprinzipien des Völkerrechts?
—> Grundlegende Normen, die das Verhalten von Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten regeln. Sie bilden die Basis des internationalen Rechtssystems und sind in der UN-Charta (Art. 2) und dem Völkergewohnheitsrecht verankert.
Souveräne Gleichheit der Staaten: Alle Staaten sind unabhängig und gleichberechtigt (Art. 2 (1) UNCh).
Gewaltverbot: Anwendung oder Androhung von Gewalt ist untersagt (Art. 2 (4) UNCh).
Interventionsverbot: Einmischung in die inneren oder äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates ist verboten.
Selbstbestimmungsrecht der Völker: Völker haben das Recht, frei über ihren politischen Status und ihre Entwicklung zu entscheiden (Art. 1 (2) UNCh).
Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung: Konflikte müssen ohne Gewalt gelöst werden (Art. 2 (3) & Art. 33 UNCh).
Achtung der Menschenrechte: Förderung und Schutz der fundamentalen Menschenrechte (Art. 1 (3) UNCh).
Pacta sunt servanda: Verpflichtung zur Einhaltung von Verträgen (Art. 26 WVK).
Territoriale Integrität und Unverletzlichkeit der Grenzen: Grenzen eines Staates dürfen nicht gewaltsam verändert werden.
Kooperationspflicht im internationalen System: Staaten sind verpflichtet, zusammenzuarbeiten, um internationale Herausforderungen zu bewältigen (z. B. Klimaschutz, globale Sicherheit).
Weitere Prinzipien aus Deklarationen und Urteilen:
Treu und Glauben: Staaten müssen ihre Verpflichtungen ehrlich erfüllen.
Reparationspflicht: Wiedergutmachungen bei Verletzungen von Völkerrechtsnormen
Equity
Verhältnismäßigkeit
Recht auf gerichtliches Gehör
Einrede höherer Gewalt (plea of force majeure)
Verbot des Rechtsmissbrauchs
Konflikte zwischen Grundsätzen, z. B. zwischen territorialer Integrität und Selbstbestimmungsrecht.
Politische Machtverhältnisse beeinflussen die Durchsetzung.
Vorlesung 1 "Definition and History" und Artikel 2 der UN-Charta.
83. Was bedeutet Estoppel im Völkerrecht?
—> Prinzip des Völkerrechts, das einen Staat daran hindert, eine Position einzunehmen, die im Widerspruch zu seinem früheren Verhalten oder seinen früheren Erklärungen steht, auf die sich andere verlassen haben. Auf diese Weise soll Konsistenz und Verlässlichkeit im Verhalten von Staaten gefördert werden.
IGH-Rechtsprechung, z. B. Temple of Preah Vihear-Fall (Kambodscha gegen Thailand, 1962)
Ein Staat, der durch Worte, Handlungen oder Unterlassungen bestimmte Erwartungen geweckt hat, kann diese nicht später negieren, wenn ein anderer Staat darauf vertraut hat und entsprechend gehandelt hat.
fördert die Konsistenz und Verlässlichkeit im internationalen Verhalten
Ein Staat, der die Grenzen eines Nachbarstaates offiziell anerkannt hat, kann diese später nicht infrage stellen (vgl. Temple of Preah Vihear-Fall)
Ein Verzicht auf territoriale Ansprüche kann Estoppel begründen, wenn andere Staaten darauf vertrauen
(1) Klare Aussage oder Handlung eines Staates
(2)Vertrauen eines anderen Staates auf diese Handlung
(3) Schaden oder Nachteil, wenn der ursprüngliche Standpunkt aufgegeben wird
Nachweis des Vertrauens und eines dadurch entstandenen Nachteils ist oft schwierig
Politische Interessen können das Prinzip beeinträchtigen.
Vorlesung 8 "State Responsibility" und Temple of Preah Vihear-Fall des IGH.
84. Was regelt Artikel 38 des IGH-Statuts?
Artikel 38 definiert die Quellen des Völkerrechts, die der IGH bei der Entscheidung von Streitigkeiten heranzieht:
Internationale Übereinkommen.
Internationales Gewohnheitsrecht.
Allgemeine Rechtsgrundsätze.
Gerichtliche Entscheidungen und die Lehren anerkannter Völkerrechtler als ergänzende Hilfsmittel.
Dieser Artikel ist von zentraler Bedeutung, da er die Grundlagen des modernen Völkerrechts beschreibt.
Quelle: Vorlesung 3 "Sources of Public International Law"
85. Welche Rechte haben Individuen im Völkerrecht?
Individuen können im Völkerrecht Rechte und Pflichten haben. Ihre Rechte umfassen insbesondere:
Menschenrechte: Schutz vor Folter, Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit.
Rechte auf internationalen Schutz: Z.B. das Recht auf Asyl. Ihre Pflichten ergeben sich vor allem im internationalen Strafrecht, z. B. bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen.
Vorlesung 5 "Rights of the Individual – Human Rights" und V. 6 "Duties of the Individual".
86. Welche Funktionen haben internationale Organisationen?
Internationale Organisationen erfüllen verschiedene Funktionen, darunter:
Koordination: Förderung der Zusammenarbeit zwischen Staaten (z. B. WHO für Gesundheitsfragen).
Friedenssicherung: Einsätze zur Stabilisierung von Konfliktregionen (z. B. UN-Friedensmissionen).
Entwicklungshilfe: Unterstützung bei wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung (z. B. Weltbank).
Rechtsdurchsetzung: Überwachung der Einhaltung internationaler Normen (z. B. durch den Sicherheitsrat).
87. Welche Rechtsfolgen können entstehen, wenn ein Staat eine völkerrechtliche Verpflichtung verletzt?
Staaten müssen sich verantworten, wenn sie eine völkerrechtliche Verpflichtung verletzt haben. Dies wird durch die Draft-Articles der ILC geregelt. Die Hauptformen sind:
Restitution: Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.
Entschädigung: Materielle oder finanzielle Wiedergutmachung für Schäden.
Genugtuung: Symbolische Maßnahmen wie Entschuldigung oder Anerkennung des Unrechts.
Vorlesung 8 "International Legal Responsibility"
88. Was ist die Definition von Gewalt im Sinne der UN-Charta?
Gewalt im Sinne von Art. 2 (4) UNCh umfasst jede Anwendung oder Androhung von physischer Gewalt, die gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet ist. Beispiele sind militärische Interventionen, Invasionen oder Bombardierungen. Nicht jede Form von Druck, z. B. wirtschaftliche Sanktionen, zählt als Gewalt im völkerrechtlichen Sinne.
Vorlesung 10 "Ius contra bellum".
89. Was regelt die Wiener Vertragsrechtskonvention und welche zentralen Prinzipien gelten für den Abschluss von Verträgen?
Die Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969 legt die Regeln für den Abschluss, die Anwendung, die Auslegung und die Beendigung internationaler Verträge fest.
Pacta sunt servanda: Verträge müssen eingehalten werden.
Ungültigkeit von Verträgen: Verträge sind ungültig, wenn sie durch Zwang geschlossen wurden.
Ius cogens: Verträge, die gegen zwingendes Völkerrecht verstoßen, sind nichtig (Art. 53 WVK; Art. 64 WVK).
Guter Glaube und venire contra factum proprium: Staaten müssen bei der Auslegung und Durchführung von Verträgen ehrlich und vertrauenswürdig handeln (Good Faith). Zudem dürfen sie sich nicht auf eine Vertragsverletzung berufen, die durch ihr eigenes widersprüchliches Verhalten verursacht wurde (Venire contra factum proprium).
90. Was ist das Hauptziel des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC)?
Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) verfolgt Einzelpersonen, die für die schwersten Verbrechen verantwortlich sind, wie:
Völkermord: Handlungen mit dem Ziel, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.
Kriegsverbrechen: Schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Systematische Angriffe auf Zivilpersonen.
Verbrechen der Aggression: Planung oder Durchführung eines Angriffskrieges.
—> Achtung! Komplementaritätsprinzip: Der ICC ist ein ergänzendes Gericht und kein Ersatz für nationale Justizsysteme.
—> D.h. ICC greift nur ein, wenn nationale Gerichte nicht in der Lage oder nicht willens sind, zu handeln.
Vorlesung 6 "Duties of the Individual"
91. Was regelt die UN-Charta bezüglich Friedenssicherung?
Die UN-Charta erlaubt kollektive Maßnahmen zur Friedenssicherung durch den Sicherheitsrat. Diese Maßnahmen umfassen:
Präventive Diplomatie: Vermittlung und Unterstützung vor Konflikteskalationen (Kap. VI)
Friedensmissionen: Einsatz von UN-Truppen zur Stabilisierung von Konfliktregionen.
—> “Peacekeeping, wird begründet mit Kap. VI - mit Zustimmung der Konfliktparteien
Militärische Maßnahmen: Einsatz von Gewalt, falls dipl. Mittel versagen (Kap. VII)
—> “Peace Enforcement” - auch ohne Zustimmung der Konfliktparteien
Vorlesung 10 "Peackeeping, Use of Force"
92. Was ist das Prinzip der komplementären Gerichtsbarkeit im ICC?
Das Prinzip der Komplementarität bedeutet, dass der Internationale Strafgerichtshof (ICC) nur dann aktiv wird, wenn nationale Gerichte nicht in der Lage oder nicht willens sind, internationale Verbrechen zu verfolgen. Dieses Prinzip respektiert die staatliche Souveränität und stellt sicher, dass der ICC nur als letzte Instanz agiert.
93. Was ist die Rechtsnatur der ILC-Entwürfe zur Staatenverantwortlichkeit? Und was regeln diese hauptsächlich?
Die Artikel zur Staatenverantwortlichkeit, erstellt von der International Law Commission (ILC), kodifizieren bestehendes Gewohnheitsrecht. Sie sind nicht bindend, doch Staaten und internationale Gerichte erkennen sie häufig als maßgebend an. Die Artikel regeln unter anderem:
Zurechnung von Handlungen: Wann Handlungen dem Staat zuzurechnen sind
Rechtsfolgen von Verstößen: Wiedergutmachung, Entschädigung und Genugtuung
Vorlesung 8 "International Legal Responsibility".
94. Was sind die Voraussetzungen für das Bestehen von ius cogens-Normen?
Ius cogens-Normen sind zwingende Normen des Völkerrechts. Voraussetzungen für ihr Bestehen sind:
Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft: Alle Staaten müssen die Norm als zwingend betrachten - Konsens aller Staaten über die Bedeutung der Norm.
Nicht-Abweichbarkeit: Kein Staat darf von der Norm abweichen, auch nicht durch Vereinbarung
Höherer Rang: Sie stehen über anderen Völkerrechtsnormen, einschließlich Verträgen. Beispiele sind das Verbot von Folter, Sklaverei und Völkermord
Vorlesung 2 "Normativity of Public International Law"
95. Was sind diplomatische Immunitäten und wie sind sie geregelt?
Diplomatische Immunitäten sind besondere Vorrechte, die Diplomaten und diplomatischen Missionen zustehen. Diese Vorrechte sind notwendig, um die unabhängige und ungestörte Ausübung ihrer Aufgaben im Gastland zu gewährleisten. Sie sind hauptsächlich in der Wiener Übereinkunft über diplomatische Beziehungen (WÜD, 1961) geregelt.
Unverletzlichkeit der Mission:
Die Gebäude der diplomatischen Mission sind unverletzlich und dürfen nicht betreten werden (Art. 22 WÜD).
Amtliche Korrespondenz und Kuriergepäck sind ebenfalls unverletzlich (Art. 27 WÜD).
Unverletzlichkeit der Diplomaten:
Diplomaten genießen persönliche Unverletzlichkeit (Art. 29 WÜD). Sie dürfen weder festgenommen noch in irgendeiner Weise verhaftet werden.
Sie sind vor der Strafgerichtsbarkeit sowie in der Regel vor der Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Empfangsstaates immun (Art. 31 WÜD).
Ausnahmen und Einschränkungen:
Diplomaten können bei privatrechtlichen Streitigkeiten wie Mietangelegenheiten teilweise verklagt werden (Art. 31 Abs. 1 WÜD).
Angehörige des Verwaltungs- und technischen Personals genießen begrenzte Immunität (Art. 37 WÜD).
Beendigung der Immunität:
Immunitäten enden mit der Abreise des Diplomaten aus dem Gastland. Für dienstliche Handlungen bleibt die Immunität jedoch bestehen (Art. 39 WÜD).
Diplomaten können zur persona non grata erklärt werden, was ihre Abberufung erfordert (Art. 9 WÜD).
Vorlesung „Völkerrecht I – Prof. Dr. Stefanie Schiedermair“, Seiten 53-55
96. Was ist der Unterschied zwischen positivem und natürlichem Völkerrecht?
Positives Völkerrecht: Basierend auf Vereinbarungen (Verträgen) und staatlicher Praxis (Gewohnheitsrecht). Es wird durch die Zustimmung der Staaten geschaffen.
Natürliches Völkerrecht: Beruht auf universellen moralischen und ethischen Prinzipien, die unabhängig von staatlicher Zustimmung gelten. Beispiele sind Menschenrechte. Das Spannungsverhältnis zeigt sich in der Debatte um ius cogens-Normen, die Elemente beider Ansätze verbinden.
97. Was ist die Funktion der ICJ-Gutachten?
Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) dienen der Klärung rechtlicher Fragen und haben beratenden Charakter. D.h. sie geben Orientierung, sind aber nicht rechtsverbindlich. Sie können von UN-Organen oder spezialisierten Agenturen angefordert werden. Ein bekanntes Beispiel ist das Gutachten zur Legalität der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo. Obwohl nicht bindend, haben sie oft erhebliche völkerrechtliche Bedeutung.
Vorlesung 10 "The International Judiciary".
98. Was bedeutet Souveränität im Völkerrecht?
Souveränität bedeutet die höchste Autorität eines Staates über sein Territorium und seine Bevölkerung. Es umfasst:
Innere Souveränität: Kontrolle über die eigenen Angelegenheiten, z. B. Gesetzgebung und Verwaltung.
Äußere Souveränität: Freiheit, unabhängige Entscheidungen in internationalen Angelegenheiten zu treffen, ohne Einmischung von anderen Staaten. Souveränität ist ein Grundprinzip des Völkerrechts und wird durch Art. 2 (1) UNCh geschützt.
99. Was sind die Rechte indigener Völker im Völkerrecht?
Die Rechte indigener Völker umfassen:
Recht auf Selbstbestimmung: Freie Wahl ihres politischen Status und ihrer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung.
Recht auf kulturelle Identität: Das Recht, die eigene Kultur frei auszuleben und zu bewahren. Schutz ihrer Traditionen, Sprachen und Gebräuche.
Recht auf Land und Ressourcen: Anspruch auf Gebiete, die sie traditionell nutzen oder bewohnen. Diese Rechte sind in der UN-Erklärung über die Rechte indigener Völker von 2007 (UNDRIP (United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples): Schlüsseldokument zum Schutz indigener Rechte) und anderen internationalen Instrumenten anerkannt.
Vorlesung 7 "Peoples and Miscellaneous Subjects"
100. Welche Rolle spielen NGOs im Völkerrecht?
Einfluss auf Normenbildung: Sie fördern die Entwicklung neuer Rechtsnormen, z. B. im Bereich Menschenrechte und Umwelt.
Überwachung: Sie dokumentieren Menschenrechtsverletzungen und fördern Transparenz.
Lobbyarbeit: NGOs wirken auf Regierungen und internationale Organisationen ein, um politische Veränderungen zu bewirken. Bekannte NGOs wie Amnesty International und Greenpeace sind in globalen Themen wie Menschenrechten und Umweltschutz aktiv.
Vorlesung 4 "Subjects of Public International Law"
101. Welche Bedeutung hat der Westfälische Frieden für das Völkerrecht?
Der Westfälische Frieden von 1648 markierte das Ende des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) und legte den Grundstein für das moderne Staatensystem. Wesentliche Prinzipien sind:
Staatensouveränität: Anerkennung der unabhängigen Autorität von Staaten.
Nichteinmischung: Verbot externer Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.
Territoriale Integrität
—> Gilt als Beginn des heutigen internationalen Systems souveräner Staaten.
Vorlesung 1 "Introduction, Fundamentals & History of Public International Law"
102. Welche Rolle spielt die Generalversammlung der UN?
Die Generalversammlung ist mit 193 Mitgliedern das zentrale Beratungsorgan der Vereinten Nationen. Ihre Hauptaufgaben sind:
Diskussion globaler Themen: Z.B. Abrüstung, Entwicklung und Menschenrechte
Verabschiedung von Resolutionen: Diese sind rechtlich nicht bindend, aber politisch einflussreich
Wahl von UN-Organen: Z. B. Ernennung nicht-ständiger Mitglieder des Sicherheitsrats
103. Was sind die Grundprinzipien der UN-Friedensmissionen?
UN-Friedensmissionen basieren auf drei Grundprinzipien:
Zustimmung der Konfliktparteien: Die Mission benötigt die Zustimmung der betroffenen Staaten.
Neutralität: Die UN-Truppen agieren unparteiisch und bevorzugen keine Konfliktpartei.
Gewaltanwendung nur zur Selbstverteidigung: Waffen dürfen nur zum Schutz des Mandats oder zur Selbstverteidigung eingesetzt werden.
—> Diese Prinzipien gewährleisten die Akzeptanz der Mission und minimieren Eskalationen.
104. Welche Verpflichtungen haben Staaten gegenüber Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention?
Staaten, die die Genfer Flüchtlingskonvention (1951) ratifiziert haben, sind zu Folgendem verpflichtet:
Non-Refoulement: Flüchtlinge dürfen nicht in ein Land zurückgeschickt werden, in dem sie verfolgt werden könnten.
Rechte gewähren: Zugang zu Bildung, Arbeit und grundlegenden Rechten.
Gleichbehandlung: Flüchtlinge dürfen nicht diskriminiert werden. Diese Verpflichtungen sollen den Schutz und die Würde von Flüchtlingen weltweit gewährleisten.
Vorlesung 5 "Rights of the Individual – Human Rights" und Vorlesung 6 “Subjects of Public International Law - Individuals, Human Rights"
105. Erläutere die Bedeutung von Monismus und Dualismus im Verhältnis von Völkerrecht zu nationalem Recht!
Monismus und Dualismus sind grundlegende Ansätze, die die Integration und Anwendung des Völkerrechts im nationalen Rechtssystem erklären. Ihre Bedeutung liegt in der Bestimmung, wie völkerrechtliche Normen innerhalb eines Staates wirksam werden:
Monismus:
Der Monismus betrachtet Völkerrecht und nationales Recht als Teil eines einheitlichen Rechtssystems. Völkerrechtliche Normen werden direkt in das nationale Recht integriert, ohne dass ein Umsetzungsakt erforderlich ist. Sie gelten unmittelbar und können Einzelpersonen direkt Rechte und Pflichten verleihen.
a) Radikaler Monismus (Kelsen): Im Kollisionsfall ist die nationale Norm nichtig!
b) Gemäßigter Monismus (Seidl; Hohenfeldern): Im Kollisionsfall tritt das nationale Recht zurück, doch in anderen Konstellationen ohne Kollisionsfall kann es weiter existieren.
Praktische Relevanz: Erleichtert die Anwendung internationaler Normen, da sie automatisch geltendes Recht sind.
Beispiel: In den Niederlanden haben völkerrechtliche Verträge Vorrang vor nationalem Recht.
Dualismus:
Der Dualismus trennt Völkerrecht und nationales Recht als eigenständige Rechtssysteme. Völkerrechtliche Normen müssen durch nationale Gesetzgebungsakte transformiert werden, um im innerstaatlichen Recht wirksam zu sein.
a) Radikaler Dualismus: Im Kollisionsfall geht die nationale Norm immer vor, sofern das Völkerrecht nicht transformiert wurde. Dadurch soll die staatliche Souveränität gestärkt werden.
b) Gemäßigter Dualismus: Im Kollisionsfall kann das Völkerrecht, je nach nationaler Rechtslage, Vorrang haben. (Völkerrecht kann in bestimmten Fällen unmittelbare Wirkung entfalten)
Praktische Relevanz: Sichert die Kontrolle des Parlaments über die Umsetzung internationaler Verpflichtungen, kann jedoch die schnelle Anwendung völkerrechtlicher Normen verzögern.
Beispiel: Deutschland verlangt die Transformation von Völkerrecht durch Gesetzgebung, bevor es innerstaatlich anwendbar ist.
—> „gemäßigter Dualismus“ (BVerfG): Art. 59 II GG als zentrale Norm; <-> dagegen Art. 25 GG klingt monistisch
Implementierung von internationalen Normen in nationales Recht durch:
—> Adoption:Norm des internationalen Rechts wird als unmittelbar im nationalen Recht anwendbar erklärt.
—> Transformation:Entwicklung von Parallelnormen im nationalen Recht.
—>Ratifikation: Verbindliche Zustimmung eines Staates zu einem internationalen Vertrag nach Abschluss der innerstaatlich erforderlichen Verfahren, wodurch der Vertrag endgültig in Kraft tritt
—> Die Wahl zwischen Monismus und Dualismus beeinflusst maßgeblich, wie schnell und in welchem Umfang internationale Normen in einem Staat Wirkung entfalten und welche Rolle die nationale Souveränität dabei spielt. Diese Ansätze prägen die Wechselwirkung zwischen nationalem und internationalem Recht.
Vorlesung 2 & Doc. "Denza, The Relationsh. betw. Int. & Nat. Law"
106. Erläutere den negativen und positiven Friedensbegriff!
Negativer Friedensbegriff:
Bedeutung: Der negative Friedensbegriff beschreibt die Abwesenheit von direkter Gewalt, insbesondere bewaffneter Konflikte und Kriege.
Relevanz im Völkerrecht: Dieser Begriff steht im Zusammenhang mit dem Gewaltverbot in Art. 2 (4) UNCh, das den Einsatz von Gewalt in internationalen Beziehungen grundsätzlich untersagt.
Beispiel: Waffenstillstände oder Abkommen, die kriegerische Auseinandersetzungen beenden.
Positiver Friedensbegriff:
Bedeutung: Der positive Friedensbegriff umfasst die Schaffung von Bedingungen, die Gerechtigkeit, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung fördern. Frieden ist hier nicht nur die Abwesenheit von Gewalt, sondern auch die aktive Verwirklichung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Stabilität.
Relevanz im Völkerrecht: Dieser Begriff spiegelt sich in den Menschenrechten und der Entwicklungszusammenarbeit der Vereinten Nationen wider, etwa in der Förderung von Bildung und Gleichberechtigung.
Beispiel: Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und struktureller Gewalt, wie UN-Missionen in Postkonfliktsituationen.
—> Zur UN-Charta: Während das Gewaltverbot (Art. 2 (4)) den negativen Frieden sichert, betonen die Ziele der UN (Präambel und Art. 1) die Verwirklichung des positiven Friedens durch Förderung von Menschenrechten und internationalen sozialen Fortschritt.
Quelle: „Völkerrecht I – Prof. Dr. Stefanie Schiedermair“, Abschnitt zu Art. 39 UNCh
107. Erläutere die deklaratorische und konstitutive Theorie der Anerkennung von Staaten!
—> Die Theorien beschreiben unterschiedliche Ansätze, wie ein neuer Staat im Völkerrecht anerkannt wird:
Deklaratorische Theorie:
Bedeutung: Ein Staat existiert unabhängig davon, ob er von anderen Staaten anerkannt wird. Die Anerkennung ist lediglich eine Bestätigung der bereits bestehenden Staatlichkeit.
Rechtsgrundlage: Diese Theorie basiert auf der Drei-Elemente-Lehre (Bevölkerung, Territorium, effektive Regierung) und der Montevideo-Konvention von 1933.
Praktische Relevanz: Ein Staat, der die Kriterien erfüllt, hat Anspruch auf Anerkennung, unabhängig von der politischen Haltung anderer Staaten.
Beispiel: Kosovo hat trotz begrenzter Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft nach dieser Theorie Anspruch auf Staatlichkeit.
Konstitutive Theorie:
Bedeutung: Ein Staat erlangt erst durch die Anerkennung durch andere Staaten seine völkerrechtliche Existenz. Die Anerkennung ist somit ein konstitutiver Akt.
Rechtsgrundlage: Diese Theorie betont die politische Dimension der Staatlichkeit und die Notwendigkeit, in die internationale Gemeinschaft integriert zu sein.
Praktische Relevanz: Ein Staat, der nicht anerkannt wird, kann keine internationalen Rechte und Pflichten wahrnehmen.
Beispiel: Taiwan wird von vielen Staaten nicht anerkannt und hat daher eine eingeschränkte Position im internationalen System.
—> Die meisten Staaten und Völkerrechtler favorisieren die deklaratorische Theorie, da sie auf objektiven Kriterien basiert und nicht von politischen Erwägungen abhängt. Die konstitutive Theorie bleibt jedoch in der Praxis relevant, da Anerkennung oft von geopolitischen Interessen beeinflusst wird.
108. Was sind „Failing States“ und welche Herausforderungen stellen sie dar?
„Failing States“ sind Staaten, deren Funktionsfähigkeit durch innere Krisen so stark beeinträchtigt ist, dass sie wesentliche staatliche Aufgaben nicht mehr erfüllen können. In extremen Fällen spricht man von „Failed States“, wenn staatliche Strukturen völlig zusammenbrechen.
Merkmale von Failing/Failed States:
Fehlende einheitliche Staatsgewalt: Zersetzung der zentralen Autorität.
Auflösung der Macht- und Ordnungsstrukturen: Anarchie und Gewalt herrschen vor.
Nicht-Erfüllung staatlicher Kernfunktionen: Sicherheit, öffentliche Dienstleistungen und Rechtsstaatlichkeit sind nicht mehr gewährleistet.
Beispiele: Somalia, Jemen, Südsudan, Afghanistan, Demokratische Republik Kongo.
Rechtsfragen:
Status im Völkerrecht:
Ein „Failed State“ bleibt grundsätzlich ein Staat, solange die Möglichkeit zur Wiederherstellung der staatlichen Strukturen besteht.
Bei dauerhaftem Wegfall der Staatsgewalt könnte ein „Failed State“ theoretisch als Nicht-Staat betrachtet werden, was jedoch in der Praxis nicht vorkommt.
Bedrohung des Weltfriedens:
Der Sicherheitsrat kann Maßnahmen gemäß Kapitel VII der UN-Charta ergreifen (z. B. UN-Sicherheitsratsresolution 794 (1992) für Somalia).
Rechtsvakuum: Fehlen einer verantwortlichen Regierung erschwert internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe.
Regionale Instabilität: Konflikte in benachbarten Staaten durch Fluchtbewegungen und grenzüberschreitende Gewalt.
Gefahr für globale Sicherheit: Rückzugsorte für Terrorismus, Piraterie und organisierte Kriminalität.
Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft:
Friedensmissionen und humanitäre Interventionen
Aufbau von Regierungs- und Verwaltungsstrukturen („State-Building“)
Unterstützung durch Entwicklungszusammenarbeit & wirtschaftl. Förderung
Vorlesung "Subjects of Public International Law" und UN-Sicherheitsratsresolution
109. Was bedeutet Overall Control?
Overall Control ist ein Begriff im Völkerrecht, der insbesondere in Bezug auf die Zurechenbarkeit von Handlungen bewaffneter Gruppen an einen Staat verwendet wird. Dieses Konzept spielt eine zentrale Rolle bei der Bewertung, ob ein Staat durch sein Verhalten die Kontrolle über nicht-staatliche Akteure ausübt und somit für deren Handlungen verantwortlich gemacht werden kann.
Bedeutung und Anwendung des Begriffs
Der Begriff wurde wesentlich im Tadić-Fall des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) definiert. Hierbei handelt es sich um einen Maßstab für die Zurechenbarkeit von Handlungen bewaffneter Gruppen an einen Staat:
Definition von "Overall control":
Der Staat muss nicht nur logistische Unterstützung oder Training bereitstellen, sondern auch eine gewisse Kontrolle über die strategischen Entscheidungen der Gruppe ausüben.
Dies umfasst jedoch nicht zwangsläufig die Befehlsgewalt über jede einzelne Operation der Gruppe.
Abgrenzung von anderen Kontrollformen:
Im Vergleich zur "effektiven Kontrolle" (wie sie vom Internationalen Gerichtshof im Nicaragua-Fall angewendet wurde), die eine detaillierte, direkte Kontrolle über spezifische Handlungen fordert, ist "Overall control" weiter gefasst. Es reicht aus, dass der Staat allgemeine Kontrolle und Anleitung bietet.
Relevanz im humanitären Völkerrecht:
Diese Zurechnungsregel spielt eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Verantwortlichkeit von Staaten für Verstöße gegen das Völkerrecht, die durch verbündete Milizen oder andere bewaffnete Gruppen begangen werden.
Kritik und Diskussionen:
Das Konzept ist umstritten, da es möglicherweise zu einer weiten Zurechnung führen könnte. Der Internationale Gerichtshof bevorzugt dagegen die strengere "effektive Kontrolle", um Staaten für Handlungen von Dritten verantwortlich zu machen.
—> Das Konzept des "Overall Control" ist zentral in Fällen, in denen die Beteiligung von Staaten an internationalen Konflikten über Proxys untersucht wird, und spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewertung staatlicher Verantwortung im Rahmen des humanitären Völkerrechts.
110. Auf welche Probleme stößt das Konzept des Rechts auf Selbstverteidigung?
-> Aggression?
-> Verhältnismäßigkeit? (Humanitäres Völkerrecht)
-> Notwendigkeit? (Humanitäres Völkerrecht)
-> Präventivkrieg/ Präventives Recht auf Selbstverteidigung
Caroline-Fall 1837
Sechs-Tage-Krieg (Israel 05.-11.6.1967)
-> Preemptive War/ Präemptives Recht auf Selbstverteidigung
1981 Israel-Irak: Zerstörung eines Nuklearreaktors im Irak
Bush Doktrin (2001)
Irakkrieg (2003-2005)
Iran?
111. Was sind Beispiele für allgemeine Rechtsgrundsätze im Völkerrecht?
> Guter Glaube
> Estoppel
> Pacta sunt servanda
> Schadensersatz für Unrecht
> Beweispflicht des Anspruchsstellers
112. Was sind Beispiele für Einseitige Akte (Unilateral Acts)?
Formelle Unterscheidung:
—> Notification (Offizielle Erklärung)
—> Deklaration (z.B. Grenze)
Inhaltliche Unterscheidung:
—> Protest (z.B. Persistent Objector)
—> Anerkennung (z.B. eines Staates)
—> Versprechen
—> Verzichtserklärung
Herleitung für Wirksamkeit von einseitigen Akten: ICJ, Nuclear Test Case (Australia v. France, 1974)
„It is well recognized that declarations made by way of unilateral acts, concerning legal or factual situations, may have the effect of creating legal obligations.“
1. The Adenauer declaration to the Third Protocol to the 1945 Paris Agreements
2. Renunciation of ABC-Armaments by the Federal Republic of Germany, October 3rd, 1945
Vorlesung 3 Siehr
113. Gibt es eine Hierarchie der Völkerrechtsquellen und wenn ja, wie sieht diese aus?
Traditionell: Keine Hierarchie
—> Außnahmen:
Art. 103 UNCh
(“Im Fall eines Widerspruches zwischen den aus der vorliegenden Satzung sich ergebenden Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen und Verpflichtungen auf Grund irgendeines anderen internationalen Abkommens haben die Verpflichtungen auf Grund der vorliegenden Satzung den Vorrang.”)
Lex specialis derogat legi generali.
Lex posterior derogat legi priori.
Ius Cogens; Zwingendes Völkerrecht: Hat immer Vorrang.
114. Wie kommt ein völkerrechtlicher Vertrag zustande?
1. diplomatische Verhandlungen
2. Paraphierung des Vertrages (=Unterzeichnung mit Namenskürzel)
3. Unterzeichnung (mögliche Zustimmung, durch einen Vertrag gebunden zu sein, Art. 12 WVK)
4. Zustimmung des Parlamentes oder des Volkes durch Referendum
5. Ratifizierung durch das Staatsoberhaupt und Austausch (oder Hinterlegung) der Ratifikationsurkunden
6. Inkrafttreten, Art. 24 WVK
Bsp. int. Vertrag: Gesetz zu dem Int. Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. April 2005 zur Bekämpfung nuklearterroristischer Handlungen; Vertrag von Lissabon (2009)
115. Beschreibe die Geschichte des modernen Völkerrechts!
Eckdaten der Geschichte des modernen Völkerrechts:
—> 1648 - Westfälischer Frieden: Beendete den Dreißigjährigen Krieg und etablierte das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten und der territorialen Integrität als Basis für das moderne Völkerrecht.
—> 1776: Unabhängigkeitserklärung der USA von den Briten als Vorgänger des Prinzips des Selbstbestimmungsrechts.
—> 1789: Französische Revolution als weitere Wurzel des Selbstbestimmungsrechts. (Beginn des “langen 19. Jh” - endet mit Ausbruch des 1. Weltkriegs)
—> 1814-1815 - Wiener Kongress: Internationale Konferenz der europäischen Mächte, die nach den Napoleonischen Befreiungskriegen eine Neuordnung Europas anstrebte, um ein Gleichgewicht der Kräfte zu schaffen und dauerhaften Frieden durch territoriale und politische Stabilität zu sichern. (Hierzu wurden persönliche Treffen der Vertreter der Staaten zur Streitschlichtung etabliert.)
—> 1899, 1907: Haager Friedenskonferenzen (2) – Bemühungen um eine friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten
—> Nach dem ersten Weltkrieg (1914-1918): Idee eines internationalen Friedensbundes, insbesondere durch die 14-Punkte-Rede des US-Präsidenten Woodrow Wilson im Jahr 1918.
—> daraus folgte 1919: Vertrag von Versailles, St. Germain und Trianon, Gründung des Völkerbundes, 1920 – „in order to promote international cooperation and to secure international peace and security (…)“ (Preamble to the Covenant of the League of Nations)
—> 27.08.1928 Briand-Kellogg-Pakt in Paris – allgemeines Kriegsverbot! Das erste weltweite Verbot des (Angriffs-) Kriegs im Völkerrecht
“Die Vertragsparteien — darunter auch das Deutsche Reich (1871–1945) — erklären, dass sie den Krieg als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen und auf ihn als Werkzeug nationaler Politik in ihren gegenseitigen Beziehungen verzichten (Art. I).”
—> 1939 - 1945: Zweiter Weltkrieg
—> 24.10.1945: Gründung der Vereinten Nationen als ein bedeutender Wendepunkt für das Völkerrecht
Die Charta der Vereinten Nationen und die Weltordnungsverträge als Basisverträge für die Internationale Gemeinschaft
Allgemeines Verbot der Gewaltanwendung als eines der wichtigen Grundprinzipien (Art. 2 (4) UNCh)
Mehr Bedeutung von Rechten des Individuums ( -> ICCPR, ICESCR, 1966/ 1967)
—> insgesamte Entwicklung des internationalen Völkerrechts: Law of Coexistence -> Law of Cooperation -> Law of Constitutionalization
116. Was versteht man unter Weltordnungsverträgen?
—> C. Tomuschat: „Verträge, an deren Bestehen und Erfüllung die internationale Gemeinschaft ein großes Interesse hat“
—>Unter Anderem sind das folgende:
UN-Völkermordkonvention (Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, CPPCG), 1948
die beiden UN-Menschenrechtspakte, 1966/ 76:
-> UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte, ICCPR
-> UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, ICESCR
Das Römische Statut des internationalen Strafgerichtshofs, kurz: Römische Statut (1998/ 2002)
117. Wie lassen sich Handlungen internationaler Organisationen einteilen?
1. Primärrecht
Die Gründungsverträge
2. Sekundärrecht (Innerstaatliches Recht, basierend auf den Gründungsverträgen einer internationalen Organisation)
Normative Wirkung hängt formell von einer primären Quelle des int. Rechts ab
Externes Sekundärrecht
Konkretisierung der Pflichten, die aus den Gründungsverträgen entspringen
Internes Sekundärrecht
Interne Organisationsstrukturen
118. Wonach kann ein Staat zur Verantwortung gezogen werden, wenn er einen anderen Staat bei einer Völkerrechtsverletzung unterstützt?
—> Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit zur Unterstützung eines anderen Staates bei einer Völkerrechtsverletzung ist nach Art. 16 ILC-Artikel zur Staatenverantwortlichkeit wie folgt bestimmt:
„Ein Staat, der einen anderen Staat bei der Begehung eines völkerrechtswidrigen Handelns des letzteren Staates leitet und kontrolliert, ist völkerrechtlich für dieses Handeln verantwortlich, wenn:
a) dieser Staat dies in Kenntnis der Umstände des völkerrechtswidrigen Handelns tut; und
b) das Handeln völkerrechtswidrig wäre, wenn es dieser Staat begehen würde.“
—> Also: Eine Unterstützung anderer Staaten begründet eine Verantwortlichkeit nur dann, wenn sie in Kenntnis der Völkerrechtswidrigkeit fremden Handelns und zur Förderung der fremden Völkerrechtsverletzung erfolgt.
119. Was sind „Gentlemen’s Agreements“?
—> Informelle Absprachen zwischen Staaten oder anderen internationalen Akteuren, die im Gegensatz zu verbindlichen völkerrechtlichen Verträgen nicht rechtlich durchsetzbar sind. Solche Vereinbarungen basieren auf Vertrauen, politischem Willen und der Bereitschaft der Parteien, die Abmachungen einzuhalten, ohne dass eine rechtliche Verpflichtung besteht.
Merkmale:
Formlos. Oft mündlich oder in Form von unverbindlichen Dokumenten. Es fehlt die Absicht eine rechtliche Bindung einzugehen.
Politische, aber keine rechtliche Verbindlichkeit. Die Vereinbarung beruht lediglich auf politischem Vertrauen. Ein Bruch hat keine rechtlichen Konsequenzen, kann aber diplomatische oder politische Folgen haben
Flexibilität, da sie durch ihre informelle Natur oft leichter auszuhandeln und anzupassen sind
Einsatz in Bereichen, in denen die Parteien keine rechtliche Bindung eingehen möchten oder können, aber dennoch eine gewisse Zusammenarbeit anstreben
120. Wovon handelt der berühmte Lotus-Case (1927)? (zu extraterritorialen Kompetenzen)
—> Urteil des StIGH
—> Befasste sich mit grundlegenden Fragen der völkerrechtlichen Zuständigkeit und der Souveränität von Staaten. Es wird häufig als wegweisender Fall im internationalen Recht zitiert.
„International law governs relationsships between independent States“ (V.4)
—> Der Lotus-Fall betrifft einen Zusammenstoß im Jahr 1926 auf hoher See zwischen dem französischen Dampfer S.S. Lotus und dem türkischen Kohlendampfer Bozkurt, bei dem mehrere türkische Staatsangehörige getötet wurden.
—> Nach der Ankunft des Kapitäns der Lotus in der Türkei wurde dieser von den türkischen Behörden wegen Fahrlässigkeit angeklagt.
—> Frankreich argumentierte, dass die Türkei nicht berechtigt sei, die Strafverfolgung einzuleiten, da das internationale Recht ausschließlich den Flaggenstaat des Schiffes (in diesem Fall Frankreich) berechtigt, Straftaten, die auf hoher See begangen wurden, zu verfolgen.
Die zentrale Frage lautete: Hat die Türkei das Recht, einen französischen Staatsangehörigen wegen eines Vorfalls auf hoher See strafrechtlich zu verfolgen?
Entscheidung des StIGH (entschied mit knapper Mehrheit zugunsten der Türkei und stellte mehrere wichtige Grundsätze des Völkerrechts fest):
Souveränität der Staaten: Ein souveräner Staat darf jede Handlung vornehmen, die nicht durch int. Recht verboten ist.
Territoriale Zuständigkeit: Türkisches Schiff wird als türkisches Territorium aufgefasst.
Fehlen eines allg. Verbots: Das internationale Recht verbietet nicht ausdrücklich die türkische Strafverfolgung.
Bedeutung des Urteils:
Grundsatz der Freiheit der Staaten – Der Fall wird oft als Ausprägung des „positivistischen“ Völkerrechts zitiert: Staaten haben (bis zu den Grenzen des internationalen Rechts) die Freiheit zu handeln.
Stärkung des Territorialitätsprinzip
Kritik
—> Man kann die Auffassung vertreten, dass hier der Spielraum für staatliches Handeln zu weit gefasst wird und somit potenziell die internationale Ordnung gefährden könnte.
—> Moderne Entwicklungen im Völkerrecht, wie die Anerkennung universeller Menschenrechte und des Gewaltverbots, stehen teilweise im Gegensatz zu der weitgehenden Freiheit, die im Lotus-Urteil postuliert wurde.
—> Doch auch wenn einige seiner Prinzipien heute durch restriktivere Normen überlagert wurden, bildet das Urteil nach wie vor einen Ausgangspunkt für Diskussionen über die Grenzen staatlicher Befugnisse, Zuständigkeit und Souveränität im internationalen Recht. Somit bleibt der Lotus-Fall eine der bedeutendsten Entscheidungen des internationalen Rechts.
121. Worum geht es in der „Friendly Relations Declaration“ von 1970?
—> Eine bedeutende Resolution der UN-Generalversammlung (Resolution 2625 (XXV)), die die Prinzipien des Völkerrechts im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen konkretisiert.
—> Gilt als eine der wichtigsten Dokumente zur Weiterentwicklung des internationalen Rechts und der internationalen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg.
—> Verabschiedet am 24. Oktober 1970, anlässlich des 25. Jahrestags der UN im Konsensverfahren (-> bedeutet: Entscheidungen werden angenommen, indem festgestellt wird, dass eine Abstimmung nicht verlangt oder kein Einspruch eingelegt wird)
—> Ziel: Die in der UN-Charta niedergelegten Grundprinzipien klarer zu definieren und ihre praktische Anwendung in den internationalen Beziehungen zu fördern.
—> Nicht rechtsverbindlich, jedoch als Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts angesehen.
Inhalt und Grundprinzipien:
Verbot der Gewaltanwendung
Friedliche Streitbeilegung
Interventionsverbot
Souveräne Gleichheit der Staaten
Selbstbestimmungsrecht der Völker (Insbesondere bei Entkolonialisierung bedeutend)
Zusammenarbeit zwischen den Staaten (im Sinne von internationalem Frieden, Sicherheit, Menschenrechten, wirtschaftlicher Entwicklung)
Erfüllung von Verpflichtungen aus der UN-Charta und dem Völkerrecht (insb. nach dem Prinzip „pacta sunt servanda“)
—> Da die Prinzipien als Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts angesehen werden, binden sie auch Staaten, die die UN-Charta nicht unterzeichnet haben.
—> Die Deklaration unterstreicht das Ziel der UN, ein System internationaler Beziehungen zu schaffen, das auf Gleichheit, Respekt und Kooperation basiert.
—> Wird häufig als Interpretation der UN-Charta herangezogen und hat erheblichen Einfluss auf die Entwicklung des Völkerrechts genommen.
122. Worum geht es in der Montevideo-Konvention vom 26.12.1933?
—> Die Montevideo-Konvention über die Rechte und Pflichten der Staaten ist ein völkerrechtliches Abkommen, das am 26. Dezember 1933 auf der 7. Panamerikanischen Konferenz in Montevideo, Uruguay unterzeichnet wurde.
—> Definiert die Kriterien für die Staatlichkeit und regelt Rechte und Pflichten von Staaten im internationalen Recht.
—> Bleibt ein Eckpfeiler des Völkerrechts, insbesondere im Bereich der Staatenbildung und des Schutzes staatlicher Souveränität.
Die Montevideo-Konvention legt in Art. 1 insbesondere vier grundlegende Kriterien fest, die ein Staat erfüllen muss, um völkerrechtlich als solcher anerkannt zu werden.
Permanente Bevölkerung
Definiertes Staatsgebiet (Grenzstreitigkeiten unbeachtlich)
Regierung
Fähigkeit, unabhängig in internationale Beziehungen einzutreten
Weitere wichtige völkerrechtliche Prinzipien in der Konvention:
—> Souveräne Gleichheit der Staaten (Art. 3)
—> Interventionsverbot (Art.8)
—> Territoriale Integrität
—> Anerkennung eines Staates: Art. 6 und 7 besagen, dass die Anerkennung eines Staates keine Voraussetzung für dessen Staatlichkeit ist. Ein Staat existiert objektiv, wenn die vier Kriterien erfüllt sind, unabhängig von seiner Anerkennung durch andere Staaten. (—> dazu insb. Karte 107)
—> Relevanz in der Praxis: Palästina, Taiwan, Kosovo
Vorlesung 4, Subjects of Public International Law
123. Auf was erstreckt sich das Territorium eines Staates?
Land
Binnengewässer (Flüsse, Seen, Kanäle innerhalb des Staatsgebiets; Art. 8 UNCLOS)
Die an der Küste angrenzenden Hoheitsgewässer
höchstens 12 Seemeilen, Art. 3 UNCLOS
vorbehaltl. der Durchfahrtsrechte für ausl. Schiffe, Art. 17-32 UNCLOS
Luftraum über dem Staatsgebiet und dem Hoheitsgewässer
Unklar, wie weit es sich erstreckt, doch definitiv nicht ins Weltall; Art. 2 O.S. Treaty 1967
Meeresboden und Unterboden unter dem Küstenmeer
Quellen
Vorlesung: 4
124. Welche Arten der Staatenbildung gibt es und wie können Staaten untergehen?
Erstmalige Entstehung
Sezession: Ein Teil eines Staates spaltet sich vom ursprünglichen Staatsgebiet ab und bildet einen neuen Staat.
Dismembration: Ein Staat geht unter und sein Gebiet geht auf einen oder mehrere neue Staaten über.
Zession: Ein Staat tritt einen Teil seines Gebiets ab.
Entkolonisation: Ein vormals abhängiges Gebiet wird unabhängig.
Annexion: Einseitige und völkerrechtswidrige Eingliederung eines fremden Staatsgebiets in das eigene Hoheitsgebiet durch Gewaltanwendung oder Zwang, ohne Zustimmung des betroffenen Staates.
Eingliederng: Ein Staat gliedert einen anderen Staat ein, der infolgedessen ausstirbt.
Fusion: Zwei oder mehrere Staaten schließen sich zusammen.
125. Was gilt für die Staatennachfolge und was passiert mit davon betroffenen völkerrechtlichen Verträgen?
Generell gilt für Staatennachfolge: Änderungen an Territorium, Bevölkerung, Gesetz oder dem Namen der Regierung ändern nichts an der Identität des Staates.
Radizierte Verträge (Verträge mit Bezug zum Territorium eines Staates) gelten grds. fort
Für ehemalige Kolonien gilt mit Ausnahme der radizierten Verträge das tabula rasa Prinzip
Für Mitgliedschaften in internationalen Organisationen gilt der Grundsatz, dass die Mitgliedschaft neu beantragt werden muss
Hochpolitische Verträge gelten ebenfalls nicht fort
im Übrigen gilt einzig eine Pflicht, ernsthaft über die Fortgeltung der Verträge zu verhandeln
—> Alles hoch umstritten, aber dies sind zumindest die Grundsätze, die man aus der völkerrechtlichen Praxis extrahieren kann
126. Welche Rechte und Pflichten besitzt eine internationale Organisation?
Das Recht Verträge auf internationaler Ebene abzuschließen.
Das Recht diplomatische Abgeordnete zu empfangen und zu entsenden (Gesandtschaftsrecht).
die rechtliche Verantwortung für Delikte, als Opfer wie Verursacher (Deliktsfähigkeit).
nicht gegenüber Staaten, die die genannte Organisation nicht anerkennen
(P): Haftung der Mitgliedstaaten anstelle der Organisation oder neben der Organisation (Durchgriffshaftung)
a) e.A. (-): Mit Zuerkennung der Vertragsschlussfähigkeit zu Gunsten der Internationalen Organisation erklären MS konkludent Haftungsausschluss.
b) a.A. ausnahmsweise (+), wenn:
Organisation unterkapitalisiert ist
Berufung auf rechtl. Selbstständigkeit der Int. Organisation rechtsmissbräuchlich wäre
wenn MS dem satzungswidrigen Verhalten von Organen nicht entgegenwirken (Duldungshaftung)
Immunität (generell durch bestimmte Verträge geregelt)
—> Art. 105 (1) UNCh: Die Organisation genießt im Hoheitsgebiet jedes ihrer Mitglieder die Vorrechte und Immunitäten, die für die Erfüllung ihrer Zwecke erforderlich sind.
127. Welche Arten der Teilnahme gibt es an der UN-Generalversammlung neben den 193 regulären Teilnahmestaaten noch?
—> Beobachterstatus
freier Zugang zu den meisten Treffen und relevanten Dokumenten
Rederecht
Kein Wahlrecht/ Kein Recht Vorschläge einzureichen
—> Der Heilige Stuhl, Palästina, internationale Organisationen (bspw. African Union, EU, ICC, Arab League, etc.)
—> Beraterstatus
Art. 71 UNCh: ECOSOC (Economic and Social Council)
—> NGOs und internationale Organisationen
—> Aktuell ungefähr 3.400 NGOs
128. Aus welchen Gründen könnte der UN-Sicherheitsrat reformbedürftig sein? Und welche Reformvorschläge könnte es geben?
—> Hauptkritikpunkte sind:
Repräsentation der Machtverhältnisse, wie sie noch 1945 bestanden (veraltet)
Lateinamerika, Afrika & Asien sind keine ständ. Mitglieder (ungerechte Verteilung)
Probleme der Legitimität
Derzeitige Probleme: Kontrolle des Sicherheitsrats (Terrorismusbekämpfung!)
Das Vetorecht der 5 ständigen Mitglieder
—> Reformvorschläge durch die G4-Staaten (Brasilien, Deutschland, Japan, Indien):
6 neue ständ. Mitglieder (2 afrikanische, 2 asiatische, 1 lateinamerikanischer o. karibischer, 1 westeuropäischer o.a. Staat) und 4 neue nichtst. Mitglieder (1 afrik., 1 asiat., ein osteuropäischer, Staat und ein lateinamerikanischer o. karibischer Staat)
—> Kritik: Vetomächte würden dem nicht zustimmen wollen
10 neue nichtständige Mitglieder (Zusammensetzung wie oben)
—> Kritik: Würde zu Konflikten führen, was die nichtständigen Mitglieder aus den regionalen Gruppen angeht
15 neue nichtständige Mitglieder und Veto-Rechte für jedes ständige Mitglied
—> Kritik: Gefährdung von Effizient und Effektivität
—> Keine der drei Vorschläge überzeugt
—> Seit 2008: Formlose Arbeitsgruppe arbeitet anhaltend an einer Reform
129. Welche Rechtsquellen gibt es im Völkerrecht weltweit, die direkten Bezug zu Menschenrechten nehmen?
Allg. Erklärung der Menschenrechte
UN-Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR)
UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR)
In Europa: EMRK
Afrika: Banjul Charter, 1981
Amerikas: Charta v. 1969 (ohne USA) – Pact of San José
Arab Charter on Human Rights (ACHR), 2004
—> weitere:
CAT, 1984 – United Nations Convention against Torture and other cruel, inhuman or degrading Treatment or Punishment
ICERD, 1965 – International Convention on the Elimination of all Forms on racial Discrimination
CRC, 1989 – Convention on the Rights of the Child
CEDAW, 1979 – Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women
130. Beschreibe die historische Entwicklung der Menschenrechte!
—> Die Idee der Menschenrechte stammt aus dem Zeitalter der Aufklärung (17./18. Jh). Damals versteht man sie noch als bürgerliche und politische Rechte (Menschenrechte der 1. Generation).
—> erste Kodifizierungen z.B. „Virginia Bill of Rights“ von 1776, „Declaration des droits de l'homme et du citoyen“ von 1789
—> erste multilaterale Verordnung: Verbot der Sklaverei (Wiener Kongress, Schlussakte); Schutz von Individuen im Krieg (humanitäres Völkerrecht)
—> Auf der Ebene des Völkerrechts wurden lediglich die Staaten als Träger von Rechten und Pflichten und somit als Völkerrechtsubjekte anerkannt.
—> Bis hierher ist der Schutz des Individuums daher ein bloßer Rechtsreflex!
Folge: Nur Staaten konnten Verletzung von Menschenrechten gerichtlich geltend machen.
—> nach dem zweiten Weltkrieg: „Universal Declaration of Human Rights“ von 1948
nicht verbindlich, aber Vorbild für zukünftige universelle und regionale Menschenrechtserklärungen.
wird als Nachweis für Völkergewohnheitsrecht in Rechtssystemen verwendet, in denen das Völkerrecht unmittelbar anwendbar ist.
Art. 1: „All human beings are born free and equal in dignity and rights. They are endowed with reason and conscience and should act towards one another in a spirit of brotherhood.“
—> Verteidigung durch: ICCPR und ICESCR von 1966 (Geltung seit 1976)
—> zunehmend menschenrechtszentriertes Völkerrecht: Individuum soll zumindest partielle Völkerrechtssubjektivität zukommen (vgl. Crawford). (dabei wird streng zwischen Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit unterschieden.)
—> 1948 Genozidkonvention
—> 1951 Flüchtlingskonvention
—> 1984 Folterkonvention
= Es wird vertreten, dass durch die Konventionen teilweise Gewohnheitsrecht entstanden ist, sodass sie auch für Staaten, die diese nicht unterzeichnet haben, verbindlich sind (insb. Genozidkonvention);
Vorlesung 5
131. Erläutere kurz die Entwicklung des Völkerstrafrechts!
—> 17. Jh.: Piraterie wird weltweit geahndet
—> 19. Jh.: Sklavenhandel auf hoher See
—> 1815: Verurteilung von Napoleon Bonaparte durch die alliierten Mächte
—> nach WWI (1914-1918): Erster Versuch durch die damaligen Siegermächte (USA, Frankreich, UK, Italien), Wilhelm II wegen des Angriffsverbrechens anzuklagen
siehe Art. 227 Vertrag v. Versailles, 1919
—> nach WWII: Nürnberger Prozesse und Tokioter Prozess (1945-1948)
Bestrafung schwerster Kriegsverbrechen des 2. Weltkriegs
Richter aus UK, Frankreich, USA & USSR
bestraft wurden: Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit auf Basis des London Agreement v. 8.8.1945
Doch es gab auch Kritik: Selbstjustiz der Siegermächte; Verstoß gegen den Grundsatz nulla poena sine lege
—> weitere wichtige Entwicklungen:
ICTY, 1993-2017: International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia
ICTR, 1994-2015: International Criminal Tribunal for Rwanda
—> Beide Tribunale wurden durch den Sicherheitsrat auf Grundlage der Art. 39 und Art. 41 UNCh errichtet
„Hybride“ Strafgerichtshöfe: The Special Court of Sierra Leone (SCSL) 2002-2013, Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia (ECCC) 2003-heute, Special Tribunal for Libanon (STL) 2007-heute
—> Mischung aus internationalen und nationalen Gerichten
—> 2002: ICC, International Criminal Court
Rechtsgrundlage ist das Römer Statut mit Wirkung vom 01.01.2002
Sitz in Den Haag
18 Richter sollen die unterschiedlichen Rechtssysteme der Welt repräsentieren
123 Mitglieder (~60 % aller Staaten; USA, China & Russland sind keine Mitglieder)
Rechtspr. ratione temporis (Art. 11 Rom-Statut) (d.h. nur für Verbrechen ab 2002)
Verfolgt: Genozid (Art. 6 Rom-Statut), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Art. 7 Rom-Statut), Kriegsverbrechen (Art. 8 Rom-Statut), Angriffsverbrechen (Art. 8 (2) (b))
Quelle: Vorlesung 6
132. Nach welcher Rechtsgrundlage ist das ICC zuständig?
—> Voraussetzungen Zuständigkeit des ICC: Art. 12 Rom-Statut
das betreffende Verhalten hat auf dem Staatsgebiet eines Vertragsstaates stattgefunden (Territorialitätsprinzip)
die beschuldigte Person ist Staatsangehöriger eines Vertragsstaates (Grundsatz der aktiven Persönlichkeit)
ein Staat ist nicht Vertragspartei des Statuts, hat jedoch die Ausübung der Zuständigkeit des Gerichtshofs in Bezug auf bestimmte Straftaten akzeptiert (Ukraine)
—>Ergänzend: Art. 17 (1) (a) Rom-Statut – bei Unwille oder Unmöglichkeit eines Staates, selbst tätig zu werden
—>oder: Art. 13 Rom-Statut – Unterbreitung durch einen Vertragsstaat (Art. 12 (2) Rom-Statut), durch den Sicherheitsrat oder die Staatsanwaltschaft des ICC
133. Wie sind Minderheiten zu definieren, was sind Grundzüge des Minderheitenschutzes und welche rechtlichen Grundlagen gibt es dafür?
Definition:
—> Gruppe von Menschen, die:
Staatsbürger eines Staates sind,
deren Zahl ggü. den anderen Staatsbürgern kleiner ist (nicht zwingend – Russen in Letl.),
die nicht maßgeblich an der Regierung beteiligt sind ( z.B. bei Hutu in Ruanda)
deren Mitglieder ethnische, religiöse oder sprachliche Besonderheiten aufweisen, die sie vom Rest der Bevölkerung unterscheiden und
die bezüglich ihrer Kultur, ihrer Tradition, ihrer Religion oder Sprache ein Zusammengehörigkeitsgefühl besitzen
Grundzüge des Minderheitenschutzes:
Schutz vor Diskriminierung (Nicht-Diskriminierung)
Pflicht zur Förderung von Kultur, Sprache usw.
kollektive Rechte auf Autonomie und politische Beteiligung
Rechtliche Grundlagen:
—> Gewährung von Menschenrechten: Art. 27 ICCPR
—> European Charter for Regional or Minority Languages 1992
—>Framework Convention for the Protection of National Minorities 1995
—> Bilaterale int. Verträge, z.B. Art. 20-22 der Polish-German Treaty of Good Neighbourship and Friendly Cooperation
134. Was ist die International Law Commission (ILC) und welche bedeutenden Ausarbeitungen hat sie hervorgebracht?
—> Nebenorgan der Vereinten Nationen
—> 1947 durch die Generalversammlung gegründet
—> Hauptaufgabe: Das internationale Recht zu kodifizieren und fortzuentwickeln
—> 34 unabhängige, von den Mitgliedsstaaten der UN gewählte Völkerrechtsexperten, die nicht als Vertreter ihrer Regierungen, sondern in persönlicher Eigenschaft handeln (5 Jahre).
—> beschäftigt sich mit internationalen Rechtsfragen, wie etwa der staatlichen Souveränität, den Menschenrechten, diplomatischen und konsularischen Beziehungen, wirtschaftlichen Beziehungen, Vertragsrecht, Seerecht und dem internationalen Strafrecht.
Bedeutende Ausarbeitungen:
—> Wiener Übereinkommen über Diplomatische Beziehungen, 1961
—> Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen, 1963
—> Genfer Seerechtskonvention, 1962-1964
—> Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, 1969
—> Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen, 1986
—> Römisches Statut des internationalen Strafgerichtshofs, 1998
—> Artikelentwürfe (Draft Articles) über die Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln, 2001 —> heute gewohnheitsrechtlich anerkannt
135. Was sind der Prüfungsaufbau und die Rechtsfolgen für die staatliche Verantwortlichkeit?
Deliktsfähigkeit:
—> Rechtsfähigkeit zur Begehung einer international rechtswidrigen Handlung (Delikt)
a) aktive Deliktsfähigkeit: Fähigkeit, Subjekt/ Täter eines völkerrechtlichen Delikts zu sein. Dies setzt Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit voraus.
Handlungsfähigkeit fehlt z.B. bei besetzten Staaten oder Failed States.
b) passive Deliktsfähigkeit: Fähigkeit Objekt/ Opfer eines völkerrechtlichen Delikts zu sein. Nur die Rechtsfähigkeit ist erforderlich, daher kann jedes Völkerrechtssubjekt passiv deliktsfähig sein.
Zurechenbarer Normverstoß:
a) zurechenbare Handlung oder Unterlassung
Hierzu Art. 4-11 ILC DA: Menschliches Verhalten führt nur zur Verantwortlichkeit, wenn es dem Deliktssubjekt zurechenbar ist.
b) Verletzung einer Norm des Völkerrechts
—> Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht, die dem Deliktssubjekt gegenüber dem Deliktsobjekt obliegt.
Kann sich aus Vertrag, Gewohnheitsrecht oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben, gem. Art. 38 IGH-Statut
bei mehreren in Betracht kommenden Rechtsquellen Grundsatz der Spezialität: Bilateraler Vertrag - Multilateraler Vertrag - Gewohnheitsrecht - allgemeine Rechtsgrundsätze
Auch Beihilfe, Effektive Kontrolle und Nötigung sind Verstöße (Art. 16-18)
Rechtswidrigkeit
—> keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich:
EInwilligung, Selbstverteidigung, Gegenmaßnahme, höhere Gewalt, Notlage, Notstand (Art. 20-25 ILC DA)
Rechtsfolgen: Wiedergutmachung (Restitution Art. 35 ILC DA, Schadenersatz/ Entschädigungspflicht Art. 36 ILC DA, Genugtuung Art. 37 ILC DA)
136. Was stellt einen Völkerrechtsbruch dar? Ist Gefährdungshaftung ein Völkerrechtsbruch?
—> jede Verletzung/jeder Verstoß gegen eine völkerrechtliche Verpflichtung/ Norm.
—> Bestimmung des entstandenen Schadens nicht erforderlich; Es genügt die Beeinträchtigung der Rechtssphäre.
—> Notwendigkeit der Feststellung eines Verschuldens?
Herrschende Meinung in der Literatur (-): unverschuldete Erfolgshaftung
andere Ansicht: Zumindest bei rechtswidrigem Unterlassen ist der objektive Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung erforderlich. Es ist auf die Vorwerfbarkeit der Nichteinhaltung von Schutzpflichten abzustellen.
—>Gefährdungshaftung: Legales, aber riskantes Verhalten, das Schaden verursacht.
H.M.: Haftung nur insoweit, als dass vertragliche Bestimmungen für solch eine Haftung vorhanden sind.
—> Bsp.: Art. 7 Outer Space Treaty von 1967 – Jeder Vertragsstaat, der ein Objekt in den Weltraum schickt oder dies veranlasst, ist gegenüber einem oder mehreren Staaten für Schäden haftbar, die von diesem Objekt ausgehen.
—> WICHTIG: ILC unterscheidet zwischen “International wrongful act” & “Haftung für risikobehaftetes Handeln”.
Also: Die ILC-Artikelentwürfe zur Staatenverantwortlichkeit behandeln als Unrechtstatbestand nur das rechtswidrige Verhalten. Die Gefährdungshaftung für nicht verbotenes, aber risikobehaftetes Handeln bildet demnach einen eigenen Komplex der Staatenverantwortlichkeit.
137. Wessen Verhalten ist einem Staat zurechenbar?
Staatsorgane (Art. 4 ILC Draft Articles)
De-facto-Organe (Art. 5 ILC Draft Articles)
—> Organ, das nach dem Recht dieses Staates befugt ist, Teile der Regierungsgewalt auszuüben
Organe, die einem Staat von einem anderen Staat zur Verfügung gestellt werden
—> Zurechenbarkeit selbst wenn das Organ ultra vires handelt (Art. 7 ILC Draft Articles)
privates Verhalten, das jedoch von einem Staat gelenkt oder kontrolliert wird (Art. 8 ILC- Draft Articles) (Trial-Smelter-Case)
a) Effective Control -> Staat kontrolliert das Verhalten privater Akteure im Detail
b) Overall Control -> grundlegende Planung, Organisation & Koordination durch Staat
—> (P): Anwendung der Safe-Harbour-Rule
Aufständische, die zur neuen Regierung werden (Art. 10 Draft Articles)
Verhalten, welches ein Staat als seine eigenen anerkennt und übernimmt (Art. 11 ILC DA) (Teheraner Geiselfall)
138. Was sind die Voraussetzungen für Gegenmaßnahmen (Countermeasures)?
Anhaltende Verstöße gegen das Völkerrecht
Gegenmaßnahme muss i.d.R. gegen den Staat gerichtet sein, der den zuvor entstandenen Schaden verursacht hat
Ziel der Gegenmaßnahme: Wiederherstellung des Zustandes der Übereinstimmung mit den betreffenden völkerrechtlichen Normen
Vorherige Ankündigung der Gegenmaßnahme (Art. 52 (1) ILC Draft Articles)
Keine Verstöße gegen ius cogens (Art. 50 (1) ILC Draft Articles)
Kein Vorrang/Überordnung der lex specialis-Sanktionen (Art. 50 (2) Draft-Articles)
Verhältnismäßigkeit der Gegenmaßnahme (Art. 51 ILC Draft-Articles)
139. Beschreibe kurz den Irak-Kuwait Krieg und warum er völkerrechtlich relevant ist!
—> Begann am 2. August 1990, als der Irak unter Saddam Hussein Kuwait überfiel und annektierte.
—> Der Krieg wurde durch wirtschaftliche und territoriale Spannungen ausgelöst, einschließlich Streitigkeiten über Ölförderung und Grenzfragen.
—> Die internationale Reaktion, angeführt von den Vereinten Nationen und einer von den USA geführten Koalition, führte zur Verabschiedung mehrerer UN-Resolutionen (z. B. Resolution 678), die den Irak zur sofortigen Rücknahme der Besetzung aufforderten. Nach der Weigerung des Irak begann im Januar 1991 die Operation Desert Storm, ein massiver militärischer Angriff, der die irakischen Truppen aus Kuwait vertrieb und den Konflikt beendete.
Völkerrechtliche Relevanz:
Verstoß gegen das Gewaltverbot (Art. 2 Abs. 4 UNCh): Die Invasion war eine eindeutige Verletzung der territorialen Integrität Kuwaits.
UN-Reaktion: Der Sicherheitsrat verurteilte die Invasion in Resolution 660 und autorisierte später mit Resolution 678 eine multinationale Militärkoalition, um Kuwait zu befreien (Operation Desert Storm).
Präzedenzfall für kollektive Sicherheit: Der Konflikt demonstrierte die Handlungsfähigkeit der UN zur Durchsetzung des Völkerrechts und die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gemäß Kapitel VII der UN-Charta.
Der Irak-Kuwait-Krieg bleibt ein wichtiger Fall in der Diskussion über die Wahrung des internationalen Friedens und die Durchsetzung des Gewaltverbots.
140. Welche Voraussetzungen hat der Notstand aus Art. 25 ILC Draft Articles?
Schwere und unmittelbare Gefahr für ein wesentliches staatliches Interesse
Der Bruch des Völkerrechts ist die einzige Möglichkeit, dieses Interesse zu wahren
Keine schwerwiegende Beeinträchtigung eines wesentlichen Interesses eines anderen Staates oder der internationalen Gemeinschaft
der Rückgriff auf die Notstandseinrede ist im Hinblick auf die betreffende völkerrechtliche Verpflichtung (insbesondere: Gewaltverbot) nicht ausgeschlossen
der Staat hat nicht zu der Notstandssituation beigetragen
141. Können internationale Organisationen zur Verantwortung gezogen werden? Müssen sich daneben auch die Mitgliedsstaaten der internationalen Organisation verantworten?
—> Gemäß den ILC Draft Articles in Responsibility of International Organizations von 2011 können auch internationale Organisationen zur Verantwortung gezogen werden.
—> Grundsätzlich sind die Regeln analog zu denen der Staatenverantwortlichkeit anwendbar
—> Dennoch gibt es einige Unterschiede:
Fähigkeit zur internationalen deliktischen Haftung: Entspricht der jeweiligen Subjektivität der Organisationen im Völkerrecht
—> reicht nur so weit, wie der Gründungsvertrag der Organisation solche Befugnisse einräumt (derivative oder partielle Völkerrechtssubjektivität)
Zurechenbares Verhalten von internationalen Organisationen: Bei Inanspruchnahme staatlicher Organe kann das Verhalten einer internationalen Organisation nur dann zugerechnet werden, wenn sie effektive Kontrolle über diese Organe hatte (Art. 7 ILC DA IO)
—> z.B. Einsatz von nationalen Streitkräften bei UN-Friedensmissionen
—> Gibt es eine Form der ergänzenden Haftung der Mitgliedsstaaten?
Gemäß Art. 62 ILC DA IO (-)
eine subsidiäre Haftung der Mitgliedsstaaten ist jedoch möglich, wenn diese der Organisation nicht ausreichend finanzielle Mittel zum Ausgleich der deliktischen Haftung zur Verfügung gestellt haben oder die rechtswidrig Handlung der internationalen Organisation nicht hinreichend kontrolliert haben (-> eigene Pflichtenverletzung des Mitgliedsstaates!)
Quelle: Vorlesung 8
142. Wie hat sich das Verbot der Gewaltanwendung seit der Antike historisch entwickelt?
Antike und Mittelalter: Lehre vom gerechten Krieg (bellum iustum)
Das Recht Krieg zu führen, wenn
(1) Ein legitimer Souverän/ Behörde den Krieg führt,
(2) aus einem gerechten Grund (ex iusta causa) und
(3) mit der richtigen Absicht (recta intentio)
Zeitalter der Aufklärung: Keine völkerrechtlichen Regeln für Krieg (Gleichgültigkeit des Völkerrechts)
19. Jh.: erste Bemühungen, den Rückgriff auf Krieg (zumindest) aus bestimmten Gründen zu ächten
1919 Völkerbund-Satzung: Verbot der Nationen, auf Krieg zurückzugriefen, bis sie nicht alles Mögliche zur friedlichen Streitbeilegung versucht haben (Art. 12)
27.08.1928: Briand-Kellogg-Pakt - Erster internationaler Vertrag, der ein Verbot der Kriegsführung festlegt
24.10.1945: Gründung der Vereinten Nationen, weitgehendes Gewaltverbot
Art. 2 (4) UNCh:
„Alle Mitglieder enthalten sich in internationalen Beziehungen der Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder der politischen Unabhängigkeit eines Staates oder in sonstiger Weise unvereinbar mit dem Ziele der Vereinten Nationen.“
143. Nenne Voraussetzungen dafür, wann Gewaltanwendung vorliegt und mögliche Ausnahmen dessen (Art.2 (4) UNCh)!
Gewalt und Androhung von Gewalt (Einsatz von physischem oder psychischem Zwang)
—> militärische Gewalt
nicht-militärische Gewalt umstritten, wahrscheinlich (+) bei physischen Zwangshandlungen mit vis absoluta
indirekte Gewalt: Gewaltanwendung durch Dritte
Anwendung von Gewalt gegenüber „territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates“ muss nicht unbedingt vorliegen
—> Androhung von Gewalt ist zumindest dann rechtswidrig, wenn die Anwendung derselbigen – egal in welchem Fall und aus welchem Grund – ebenfalls rechtswidrig sein würde (IGH-Gutachten 1996, 226, 246).
(P) Was ist Gewaltandrohung? —> Muss nachzuweisen sein.
In internationalen Beziehungen
—> Die Voraussetzungen gelten nur für den International bewaffneten Konflikt – siehe Art. 2 (4) UNCh
(≠ Nichtinternational bewaffneter Konflikt)
Ausnahmen
a) Maßnahmen des Sicherheitsrats
—> nach Kap. VII UNCh (Art. 42 i.V.m. Art. 39 UNCh),
—> in Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen nach Kap. VIII (Art. 53 UNCh)
b) individuelle oder kollektive Selbstverteidigung, Art. 51 UNCh
(Eine weitere Ausnahme vom Gewaltverbot gibt es im Fall der sog. humanitären Intervention [obwohl umstritten], welche auf Kap. VII UNCh gestützt ist.
Oder wenn in einem völkerrechtlichen Vertrag ein Recht zur Intervention eingeräumt wurde. [Interessant zu wissen, dass die Feindstaatenklauseln der UN in den Art. 53, 107 und als Halbsatz in Art. 77 UNCh, denen zufolge gegen Feinde des 2. Weltkrieges von den Unterzeichnerstaaten Zwangsmaßnahmen ohne weitere Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat ausgesprochen werden können, immer noch gültig ist, sollten diese Feindstaaten erneut eine aggressive Politik verfolgen. Konkret geht es um Deutschland, Japan und Italien.])
144. Nach welchen Voraussetzungen kann der Sicherheitsrat Maßnahmen nach Kap. VII UNCh bei Gefährdung des Friedens ergreifen? Welche Maßnahmen kann der Sicherheitsrat ergreifen?
—> Gefahr für den Frieden, Bruch des Friedens oder Angriffsakt:
—> (tradit.) Def. Frieden: Abwesenheit von Gewalt (negativer Friedensbegriff) insb. eines militärischen Konflikts zwischen Staaten
—> heute zunehmend auch innerstaatliche Konflikte davon umfasst, welche zu bewaffneten Konflikten führen könnten (Bürgerkrieg)
Mögliche Maßnahmen:
Vorläufige Maßnahmen gem. Art. 40 UNCh:
—> rechtlich bindende Maßnahmen: Z.B. Forderung zur Unterlassung bewaffneter Handlungen; Zulassung von UN-Beobachtern in ein Krisengebiet
Nichtmilitärische Zwangsmaßnahmen gem. At. 41 UNCh:
—> Ziel: Druck auf einen Staat ausüben für die Rückkehr zum rechtmäßigen Zustand;
z.B. durch vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, Eisenbahn-, See-, Luft-, Post-, Telegrafen-, Funk- und andere Kommunikationsmittel und Abbruch diplomatischer Beziehungen
Militärische Zwangsmaßnahmen gem. Art. 42 UNCh („Peace-Enforcement“)
—> Ursprünglich waren bei der Gründung der UNO Truppen unter Führung der UNO vorgesehen (s.a. Art. 43 UNCh)
—> übliche Praxis: Sicherheitsrat ermächtigt einen oder alle Mitgliedstaaten zur Gewaltanwendung
—> Militärische Zwangsmaßnahmen nur im Rahmen eines Mandats des Sicherheitsrats! (d.h. zeitliche und sachliche Begrenzung der Maßnahme)
—> Beispiele:
Einmarsch des Irak in Kuwait 1990, Zweiter Golfkrieg
Koreakrieg 1950 – 1953
Kosovokrieg 1999: SR autorisierte einzelne Militärakionen von NATO-Staaten
Afghanistan seit 2001: Autorisierung Aufbau von ISAF-Schutztruppen
145. Was ist die Uniting for Peace Resolution?
Die Uniting for Peace Resolution (Resolution 377(V) der UN-Generalversammlung) wurde am 3. November 1950 verabschiedet und legt fest, dass die Generalversammlung Empfehlungen entgegen der vorrangigen Zuständigkeit des Sicherheitsrates (siehe Art. 12 Abs. 1 UNCh) aussprechen kann, wenn der Sicherheitsrat aufgrund des Vetos eines ständigen Mitglieds nicht in der Lage ist, bei Bedrohungen des Friedens, Friedensbrüchen oder Angriffshandlungen entsprechend zu handeln.
—> wurde während Koreakrieg (1950–1953) verabschiedet, als der Sicherheitsrat wegen der (Veto-)Blockade der Sowjetunion in wichtigen Fragen handlungsunfähig war.
—> USA führten die Initiative an, um die Rolle der Generalversammlung bei der Friedenssicherung zu stärken und eine Alternative zum blockierten Sicherheitsrat zu schaffen.
Generalversammlung kann Empfehlungen an Mitgliedstaaten aussprechen, einschließlich Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung internationalen Friedens und Sicherheit.
Eine Dringlichkeitssitzung muss auf Antrag von 9 Mitgliedern des Sicherheitsrats oder einer Mehrheit der Mitglieder der Generalversammlung einberufen werden.
Rechtlich nicht bindend, können jedoch politischen Druck auf Mitgliedstaaten ausüben.
Beispiele: Sueskrise (1956), Afghanistan – sowj. Invasion (1980), Ukraine-Konflikt (2022)
Einige Staaten argumentieren, dass die Generalversammlung nicht befugt sei, in Fragen des internationalen Friedens und der Sicherheit tätig zu werden, die primär dem Sicherheitsrat vorbehalten sind.
Es gibt Bedenken, dass die Resolution das Gleichgewicht der UN-Charta verschiebt.
146. Was ist der Unterschied zwischen einem „internationalen bewaffneten Konflikt“ und einem „nicht-international bewaffneten Konflikt“?
International bewaffneter Konflikt
—> Konflikt zwischen mind. 2 Staaten bzw. zwischen staatl. Streitkräften (Art. 2 (1) GA I-IV).
—> Der bloße Einsatz militärischer Waffengewalt reicht aus.
Waffengewalt = alle technischen Instrumente, die geeignet sind, Gegner zu schädigen.
Cyber-Operation str.: H.M., die Cyber-Operationen müssen zumindest von der Auswirkung her entsprechend konventionelle Waffen eingesetzt worden sein.
—> Offizielle Kriegserklärung nicht notwendig
—> Auch Besatzungen erfasst (Art. 2 (2) GA I-IV)
Nicht-internationaler bewaffneter Konflikt
—> Art. 1 (1) ZP II: „im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei“.
—> Entweder Streitkräfte gegen nichtstaatliche organisierte Gruppen
—> oder nichtstaatliche organisierte Gruppen unter sich.
—> Gruppen stehen unter „verantwortlicher Führung“
—> Gruppen verfügen über territoriale Basis.
—> Gruppen sind in der Lage „anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen“ durchzuführen.
—> Die höhere Gewaltschwelle des NIBK:
Während ein international bewaffneter Konflikt bereits durch einen Schuss ausgelöst werden kann, setzt der nicht-international bewaffnete Konflikt eine höhere Gewaltschwelle voraus (Art. 1 (2) ZP II).
Nur Konflikte von gewisser Intensität und Dauer.
Innere Unruhen dürfen nur nach nat. Recht (unter Beachtung menschenrechtlicher Verpflichtungen) bekämpft werden.
Terroristische Handlungen Einzelner genügen nicht
Vorliegen eines NIBK bemisst sich also nicht nach Sicht der Regierung, sondern nach objektiven Kriterien
(P): Fälle mit ausländischer Beteiligung
Greift ein auswärtiger Staat in einen Bürgerkrieg ein, richtet sich die Konflikteinordnung nach dem Verhältnis der jeweiligen Konfliktparteien zueinander.
—> zwischen den Bürgerkriegsparteien handelt es sich um einen NIBK.
—> Greift der intervenierende Staat auf Seiten der Aufständischen gegen die staatl. Streitkräfte ein, dann liegt ein IBK vor.
—> Greift der intervenierende Staat auf Seiten der Regierung ein (sog. Intervention auf Einladung), dann liegt ein NIBK vor.
147. Was sind die Voraussetzungen des Rechts auf Selbstverteidigung (Art. 51 UNCh)?
Bewaffneter Angriff:
—> Angriff ist schwerwiegend genug, um eine Reaktion zu rechtfertigen
Notwendigkeit (Erforderlichkeit):
—> Es gibt kein milderes Mittel, um den Angriff abzuwehren
—> Diplomatische Lösungen oder Maßnahmen des SR müssen unzureichend oder nicht rechtzeitig umsetzbar sein.
Verhältnismäßigkeit:
—> Die Verteidigungshandlung muss im Verhältnis zum bewaffneten Angriff stehen
—> übermäßige Gewalt oder Vergeltungsmaßnahmen sind unzulässig
Unmittelbarkeit:
—> Die Selbstverteidigungsmaßnahme muss zeitnah auf den bewaffneten Angriff erfolgen
—> Eine verzögerte Reaktion kann als Vergeltungsmaßnahme oder Repressalie betrachtet werden, was völkerrechtlich nicht erlaubt ist
Meldung an UN-Sicherheitsrat:
—> Gem. Art. 51 muss die Verteidigungsmaßnahme unverzüglich dem SR gemeldet werden, um die Überwachung der int. Sicherheit zu gewährleisten
—> Selbstverteidigungsrecht endet, sobald SR eingreift und Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens trifft
(Zusatzvoraussetzung für Kollektive Selbstverteidigung:
angegriffener Staat muss einen oder mehrere andere Staaten um Unterstützung bitten oder ihr zustimmen)
148. Wie ist das Verhältnis zwischen Völkergewohnheitsrecht und Völkervertragsrecht zu bewerten?
Völkergewohnheitsrecht:
a) Handlungsweise von Staatsorganen mit völkerrechtlichem Bezug
b) Einer erheblichen Anzahl von Staaten
c) über einen längeren Zeitraum
d) Als Ausdruck einer rechtlichen Überzeugung
Völkervertragsrecht: Vertrag durch Übereinkunft/ Einigung der Vertragsabschließenden
—> P): Bei Kollision widersprechen sich VGR und VVR – Was gilt vorrangig?
Ansicht: Art. 53 WVK -> Unterscheidung des VGR in ius cogens und ius dispositivum
—> Nur ius cogens steht über dem Völkervertragsrecht
Ansicht: Auflistung in Art. 38 I IGH-Statut gibt die Reihenfolge vor, daher gilt VVR vor VGR
—> Arg.: Völkervertragsrecht kann man besser nachweisen
Ansicht: Kein Anwendungsvorrang – VGR und VVR stehen nebeneinander
—> siehe auch: Nicaragua-Fall
Ansicht: Entstehung neuen VGRs kann Vertrag jedenfalls auflösen (Desuetudo)
—> Allgemeiner „ius posterior“-Grundsatz legt Gleichwertigkeit nahe
Ansicht: Art. 25 GG – VVR gleichrangig mit Gesetzen, nur VGR steht drüber
Allgemeine Tendenz: Separate Feststellung VGR und VVR
Bei Unterschieden zunächst enge Auslegung des Vertragsrechts
Bei Abweichungen von VGR gilt Vertrag vorrangig, aber die Parteien müssen die bewusste Abweichung ausdrücklich benennen
149. Haben einseitige Erklärungen Bindungswirkung?
—> Einseitige Erklärungen stehen nicht in der Aufzählung de Art. 38 I IGH-Statut.
—> IGH (1974, Nuclear Test Case): Unter Umständen wegen Grundsätzen zu Treu und Glaube zu bejahen.
—> vielfach wird mittlerweile angenommen, dass sich die Geltung einseitiger Erklärungen bereits aufgrund Gewohnheitsrechts (consuetudo & opinio iuris) bereits manifestiert hat.
Indes müssen laut IGH folgende Voraussetzungen für eine Bindung vorliegen:
(1) Zuständige Stelle tätigt Äußerung
(2) Ernsthaftigkeit der Äußerung
(3) Hinreichend bestimmt
(4) Rechtsbindungswille
(5) (i.Ü. keine Formerfordernis)
150. Was versteht man unter derogierendem Gewohnheitsrecht und Desuetudo?
—> Derogierendes Gewohnheitsrecht:
Außerkraftsetzung von veraltetem Gesetzesrecht durch dauernde Nichtanwendung.
Heute gilt das Prinzip der formalgesetzlichen Derogation: Ein Gesetz bleibt danach so lange in Kraft, bis es durch ein neues Gesetz aufgehoben wird.
—> Desuetudo:
Aufhebung oder Änderung von Normen/ Vorschriften durch Völkergewohnheitsrecht.
151. Was sind die Voraussetzungen für das Bestehen einer internationalen Organisation?
Zusammenschluss von 2 oder mehr Völkerrechtssubjekten
idR von Staaten
auch int. Organisationen möglich (Bsp.: EU ist Mitglied der WTO)
NGOs als Gegensatz
Auf völkerrechtlichem Vertrag beruhend
nicht bei OSZE, Nebenorganen der UN (UNCTAP, UNDP)
Mit eigenen Organen ausgestattet
Handlungsfähigkeit!
Es ist mind. 1 handlungsfähiges Organ erforderlich
Verfolgt Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse
—> Organisationsinteresse
—> Basierend auf Völkergewohnheitsrecht
152. Erläutere die historische Entwicklung der kollektiven Friedenssicherung vom Mittelalter bis zur Entstehung des Völkerbundes!
Mittelalter
Lehre vom “gerechten Krieg” (bellum iustum)
ist nur aus gerechtem Grund zulässig, als Vergeltung für Rechtsverletzung und Durchsetzung des Glaubens
Theologische begründet durch Augustinus unter berufung auf antike Quellen (Cicero) von Thomas v. Aquin weiterentwickelt
Klassisches Völkerrecht
1623: Emeric Crucé - Der neue Kineas —> erster Entwurf eines Weltfriedensplans
—> Wirtsch. Entwicklung wird durch Frieden gefördert; Streitigkeiten der Herrscher durch Schiedsspruch beilegen
1648: Wesfälischer Friede
—> Markiert das Ende des 30-Jährigen Krieges
—> Entstehung des modernen Territorialstaats
—> kein System kollektiver Friedenssicherung
Prinzip der Souveränität: Jean Bodin & Thomas Hobbes
1758: Emer de Vattel: Droit de gens
—> Gleichheit der Staaten; Staatenwelt als Gemeinschaft (société des nations)
1795: Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden
—> Schrift dient als Vorlage zur Idee der Vereinten Nationen
Wiener Kongress 1815: Neuordnung Europas nach napoleanischen Kriegen
Heilige Allianz Bündnis zw. Österreich, Preußen & Russland) als erster Ansatz zu einem System kollektiver Friedenssicherung.
Europäisches Konzert - Pentarchie in Europa
<-> 1914 - Ausbruch des ersten Weltkriegs (20 Mio. Tote, 21 Mio. Verletzte, 70 Mio. kämpfende Soldaten)
Erste wichtige Wegmarke für die Entwicklung des Völkerrechts.
Entstehung des Völkerbundes (League of Nations)
10.01.1920 gegründet
ging aus dem Versailler Vertrag vom 28.06.1919 hervor
Gründung folgt der Idee des US-Präsidenten Woodrow Wilson zur Anstrebung einer internationalen Friedenssicherung nach dem ersten Weltkrieg (14-Punkte-Plan, 08.01.1918)
153. Nenne die wichtigsten Daten (Entstehung, Struktur, Steitbeilegung) zum Völkerbund (League of Nations)!
Entstehung
—> Selbstbestimmungsrecht der Völker wird zur Basis eines modernen Völkerrechts erklärt
—> Forderung öffentlicher Abwicklung int. Friedensverträge -> Transparenz
—> Freiheit der Schiffahrt auf den Weltmeeren (heute Seerecht)
—> Zunehmender Abbau wirtschaftl. Schranken, möglichst gleiche Handelsbedingungen für die Staaten (heute: Welthandelsrecht)
—> Rüstungsbeschränkungen für alle Nationen
—> “Verband der Nationen” soll durch gegenseitige Bürgschaften Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit nationaler Territorien aller Länder absichern (System kollektiver Sicherheit; Erstmals Verknüpfung von Theorie und Praxis)
Struktur
Bundesversammlung: Jedes Mitgl. hat eine Stimme; idR Einstimmigkeit für Beschlüsse erforderlich
Rat
ständ. Mitgl.: Brit. R., FR., IT., JAP., DT. Reich (1926 - 1933), UdSSR (1934 - 1939)
nichtst. Mitgl.: zunächst 4, später 12 (Art. 4 VBS)
Ständiges Sekretariat am Bundessitz in Genf: Ein Generalsekretär, Sekretäre und Personal
Streitbeilegung
Kern des Völkerbundes
Mechanismen zur Kriegsverhütung
—> Jeder Krieg gegen ein Mitgl. betrifft den VB insgesamt (Art. 11 VBS)
—> Jeder Angriff eines Mitgl. auf ein anderes Mitgl. betrifft den VB insgesamt (Art. 16 VBS)
—> Im Fall des Angriffs auf ein Mitgl. sind alle Mitgl. zum Abbruch der Handels- und FInanzbeziehungen verpflichtet
—> Rat konnte milit. Maßnahmen gegen den betroffnen Staat vorschlagen
Schwächen des Völkerbundes
Rat des VB konnte keine verbindlichen militärischen Zwangsmaßnahmen beschließen (Art. 16 II).
Kein materielles Gewaltverbot
—> zwarBriand-Kellogg-Pakt (1928): (nur) Materielles Kriegsverbot, das für die meisten Mitgl. der damaligen Völkergemeinschaft galt, ABER es gab keine materiellen Durchsetzungsintrumente und der Pakt wurde auch nicht ausdrücklich in VBS aufgenommen.
Keine Universalität des VB
—> USA nie Mitglied
—> Austritt des DT. Reichs, 1933, JAP 1933, IT 1937, SP 1937
—> Ausschluss der Sowj.U. 1939 nach Angriff auf Finnland
(Koflikte)
—> Manschurei 1932 (China - Japan)
—> Äthiopien 1935 (Italien - Äthiopien)
—> Finnland 1939 (Sowj.Union - Finnland)
154. Wie definiert sich die Völkerrechtssubjektivität eines Staates?
—> Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten des Völkerrechts zu sein.
155. Was die historische Ausgangslage für die Gründung der UNO?
—> Historische Ausgangslage:
Völkerbund als System kollektiver Sicherheit gescheitert
Atlantikcharta 1941: Erklärung des amerik. Präsidenten Franklin D. Roosevelt und des brit. Premierministers Churchill: Schaffung eines “wider and permanent system of international security”.
Declaration by United Nations 1942: 26 Kriegsgegner der sog. Achsenmächte (DE., IT., JAP.) bekennen sich zu den Zielen der Atlantikcharta.
Moskauer Erklärung 1943: USA, Brit.Emp., Sowj.U. & China erkennen die Notwendigkeit an, zum frühesten Zeitpunkt eine allgemeine internationale Organisation zu gründen, die auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit aller friedlebenden Nationen beruht.
—> Entstehung der Carta der Vereinten Nationen:
Entwurf auf der Konferenz von Dumbarton Oaks in Washington am 07.10.1944.
Verabschiedung auf der Gründungskonferenz der vereinten Nationen in San Francisco (25.04.-26.06.1945).
—> 51 Gründungsmitglieder beteiligt
—> Ratifikation durch 5 Veto-Mächte & 24 weiteren Unterzeichnerstaaten
—> Inkraft am 24.10.1945, vgl. Art. 110 (3) UNCh
156. Welche Voraussetzungen müssen für den Beitritt eines Staates in die Vereinten Nationen gegeben sein?
—> Voraussetzungen des Beitritts nach Art. 4 (1) UNCh:
Staat
—> Drei-Elemente-Lehre
—> UND die Fähigkeit zur Aufnahme internationaler Beziehungen (Montevideo-Konvention)
—> Anerkennung durch andere Staaten erforderlich?
Deklaratorische Theorie (-)
Konstitutive Theorie (+)
Bei der Entscheidung über die Staatlichkeit eines aufzunehmenden Staates besitzen die Organe Ermessensspielraum (Art. 4 UNCh) - ABER: Ermessensreduktion, soweit Beitrittskandidat zuvor bereits von allen MS anerkannt wurde
(Es besteht eine eigens gegründete Kommission des SR zur Aufnahme neuer Mitglieder)
Wille und Befähigung, die Verpflichtung aus der Charta zu erfüllen
—> Befähigung setzt effektive Staatsgewalt voraus
—> Negativbeispiel: Apartheidstaat -> Verstößt gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker -> Antrag würde abgelehnt werden
Friedliebender Staat
—> Nicht friedliebend nach Vorstellung der Gründungsväter waren:
Die Feindstaaten und
Regime, die mit deren Hilfe an die Macht kamen.
(—> Beitrittsverfahren (vgl. Art. 4 (2) UNCh):
Generalsekretär legt Aufnahmegesuch den Vertretern im Sicherheitsrat vor.
Gesuch wird an einen Ausschuss des Sicherheitsrats überwiesen, in dem jedes Mitgl. des Rates vertreten ist.
Ausschuss prüft jedes ihm vorgelegte Gesuch und erstattet dem Rat über das Ergebnis dieser Prüfung spätestens 35 Tage vor einer ordentlichen Tagung der Generalversammlung Bericht)
157. Wovon handelt der ICJ Nuclear-Test-Case?
Hintergrund
—>Nuclear-Tests-Cases (1974) vor dem IGH bezeichnen zwei Verfahren, die Australien und Neuseeland gegen Frankreich eingeleitet hatten. Kern des Rechtsstreits war Frankreichs Durchführung von atmosphärischen Atomtests im Südpazifik, in Französisch-Polynesien.
—>Australien und Neuseeland waren besorgt über mögliche radioaktive Fallouts, die Gesundheit und Umwelt im Pazifik gefährden könnten.
—> Sie beantragten beim IGH, Frankreich möge die Tests einstellen und künftig unterlassen.
Verlauf vor dem IGH
—> 1973:Australien und Neuseeland reichten getrennte Klagen beim IGH ein.
—> IGH stellte zunächstvorläufige Maßnahmen in Aussicht, die Frankreich zur Einstellung der Tests auffordern sollten.
Urteil und Bedeutung
—> Frankreichs einseitige Erklärung:Noch während des Verfahrens gab Frankreich bekannt, es werde keine weiteren atmosphärischen Tests mehr durchführen und stattdessen auf unterirdische Tests umstellen.
—> Da der IGH den französischen Erklärungen vertraute und diese als verbindlich ansah, erklärte er das Verfahren 1974 für erledigt („moot“). -> Hauptziel der Klagen somit bereits erreicht.
Relevanz in der Völkerrechtsgeschichte
—> Unilaterale Erklärungen:Das Urteil machte deutlich, dass ein Staat durch eine unilaterale Erklärung völkerrechtlich gebunden sein kann, wenn sie eindeutig und öffentlich erfolgt.
—> Umwelt- und Gesundheitsaspekte:Die Fälle unterstrichen das wachsende Bewusstsein für den Umweltschutz und die gesundheitlichen Risiken von Atomwaffentests.
—> Völkerrechtliches Vorgehen:Sie zeigen, dass Staaten vor dem IGH Rechtsschutz suchen können, um Aktionen anderer Staaten, die Mensch und Umwelt gefährden, untersagen zu lassen – sofern die Gerichtsbarkeit des IGH anerkannt wird.
—> Obwohl die Verfahren durch Frankreichs Ankündigung quasi gegenstandslos wurden, gelten die Nuclear-Tests-Cases bis heute als wichtiger Meilenstein für das Völkerrecht, insbesondere im Hinblick auf die Bindungswirkung unilateraler Erklärungen und den Schutz vor grenzüberschreitenden Umweltgefahren.
158. Woraus ergibt sich die Zuständigkeit des IGH über den Art. 36 IGH-Statut hinaus noch?
Die Zuständigkeit des IGH ergibt sich über Artikel 36 IGH-Statut hinaus auch aus spezifischen Klauseln in völkerrechtlichen Verträgen, wie z. B. Art. IX der Genozid-Konvention. Dieser Artikel enthält eine spezielle Zuständigkeitsklausel, die besagt, dass Streitigkeiten zwischen Vertragsparteien über die Auslegung, Anwendung oder Erfüllung der Konvention, einschließlich der Verantwortung eines Staates für Völkermord, dem IGH vorgelegt werden können, ohne dass eine zusätzliche Zustimmung erforderlich ist.
Die Ratifizierung der Konvention gilt als implizite Zustimmung zur Zuständigkeit des IGH in solchen Fällen, sodass keine zusätzliche Zustimmung der Parteien erforderlich ist.
Ein Beispiel hierfür ist der Fall Ukraine gegen Russland, der auf Grundlage von Artikel IX der Genozid-Konvention verhandelt wird.
159. Erläutere den Begriff “Transitional Justice”!
—>Transitional Justice (deutsch: Übergangsjustiz) bezeichnet ein umfassendes Konzept von rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen, die darauf abzielen, in einem Staat oder einer Gesellschaft, die sich von Konflikten, autoritären Regimen oder systematischen Menschenrechtsverletzungen erholt, Gerechtigkeit, Versöhnung und Stabilität zu fördern.
—> spielt zentrale Rolle bei Bewältigung von Vergangenheit und beim Aufbau einer friedlichen und gerechten Gesellschaft. Sie stellt sicher, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht vergessen werden und schafft Grundlagen für nachhaltigen Frieden und Stabilität.
—> Wird typischerweise in folgenden Situationen angewendet:
Nach einem Bürgerkrieg oder bewaffneten Konflikt.
Nach dem Ende eines autoritären Regimes (z. B. Diktaturen in Lateinamerika).
Nach systematischen Menschenrechtsverletzungen oder staatlicher Repression.
Ziele:
Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen
Förderung von Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit
Versöhnung
Reparationen
Institutionelle Reform
Gerichtliche Aufarbeitung
Wahrheitskommissionen
Reparationsprogramme
Gedenk- und Erinnerungsarbeit
160. Wovon handelt der Barcelona Traction Fall?
—> bedeutender Fall des IGH, der am 5. Februar 1970 entschieden wurde.
—> behandelt zentrale Fragen der Völkerrechts in Bezug auf die Rechte von Staaten, ihre Staatsangehörigen diplomatisch zu schützen, und die rechtliche Stellung von Gesellschaften im Völkerrecht.
Die Barcelona Traction, Light and Power Company, eine in Kanada registrierte Gesellschaft, betrieb Energieunternehmen in Spanien.
Während des spanischen Bürgerkriegs wurde die Gesellschaft von spanischen Behörden für insolvent erklärt, und ihre Vermögenswerte wurden enteignet.
Belgien erhob Klage vor dem IGH, um die Rechte belgischer Anteilseigner der Gesellschaft zu schützen.
IGH:
Der Gerichtshof entschied, dass nur der Staat, in dem die Gesellschaft registriert ist (Kanada), diplomatischen Schutz geltend machen kann.
Belgien wurde das Recht verweigert, die Interessen seiner Staatsbürger, die Anteilseigner waren, vor dem IGH zu vertreten.
Der IGH betonte das Prinzip, dass Staaten das Recht haben, ihre Staatsangehörigen im Ausland zu schützen, dies aber nicht auf die Anteilseigner einer Gesellschaft ausgedehnt werden kann, wenn die Gesellschaft selbst eine andere Staatsangehörigkeit hat.
Dies führt zum wichtigen völkerrechtlichen Konzept der "diplomatischen Schutzrechte" und deren Begrenzung.
161. Wer war Vorgänger des Internationalen Gerichtshofs (IGH)?
—> Vorgänger des Internationalen Gerichtshofs (IGH) war der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH), der von 1922 bis 1946 bestand.
—> Einrichtung desVölkerbundes
—> Aufgabe: internationale Streitigkeiten auf rechtlicher Grundlage zu entscheiden und Gutachten zu völkerrechtlichen Fragen abzugeben.
Gründung:
wurde 1920 durch den Völkerbund geschaffen und nahm 1922 seine Tätigkeit auf.
Sitz: Den Haag; im Friedenspalast, dem heutigen Sitz des IGH.
Aufgaben:
Bindende Entscheidungen: Der StIGH entschied über Streitfälle zwischen Staaten, sofern diese seine Zuständigkeit anerkannten.
Gutachten: Er erstellte Gutachten zu Rechtsfragen, die ihm vom Völkerbund oder dessen Mitgliedstaaten vorgelegt wurden.
Wichtige Fälle:
Chorzów-Fabrik-Fall (1927): Grundlegend für das Prinzip der Wiedergutmachung bei völkerrechtswidrigem Verhalten.
Lotus-Fall (1927): Behandelte die Frage der völkerrechtlichen Zuständigkeit von Staaten und betonte die Souveränität der Staaten.
Ende des StIGH:
Der StIGH stellte seine Arbeit 1946 mit der Auflösung des Völkerbundes ein.
Er wurde durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) ersetzt, der ein Hauptorgan der Vereinten Nationen (UNO) ist und 1946 seine Arbeit aufnahm.
162. Was sind die Unterschiede zwischen StIGH und IGH?
Institutionelle Einbindung:
StIGH: War ein Organ des Völkerbundes.
IGH: Ist ein Hauptorgan der UNO.
Zuständigkeit:
Die Zuständigkeit des StIGH basierte auf freiwilliger Anerkennung durch die Staaten.
Beim IGH bleibt die Anerkennung freiwillig, jedoch haben mehr Staaten seine obligatorische Zuständigkeit gemäß Art. 36 Abs. 2 des IGH-Statuts akzeptiert.
Mitgliederzahl der Organisation:
Der StIGH war auf die Mitglieder des Völkerbundes beschränkt.
Der IGH steht allen Mitgliedern der UNO offen, was eine größere Reichweite und Relevanz bedeutet.
—> Der IGH hat die Tradition des StIGH fortgeführt und erweitert, indem er sich als zentraler rechtsprechender Organ der internationalen Gemeinschaft etabliert hat.
163. Wovon handelt der Injuries Suffered Case?
Der "Injuries Suffered in the Service of the United Nations"-Fall (auch bekannt als der Reparations for Injuries Suffered in the Service of the United Nations-Fall) wurde 1949 vom IGH entschieden. Dieser Fall war grundlegend für die Klärung der Rechtsstellung internationaler Organisationen, insbesondere der Vereinten Nationen (UNO), im Völkerrecht.
UN-Mediator, Graf Folke Bernadotte, wurde 1948 während seines Einsatzes im Konfliktgebiet Palästina ermordet.
Vereinten Nationen stellten die Frage, ob sie im Namen ihrer Mitarbeiter Schadensersatz von einem Staat fordern könnten, wenn diese bei der Erfüllung ihrer Aufgaben verletzt oder getötet werden.
Völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit der UNO:
Kann die UNO im internationalen Recht als eigenständige Person auftreten, unabhängig von ihren Mitgliedstaaten?
Recht auf Schadensersatz:
Kann die UNO für Verletzungen, die einem ihrer Mitarbeiter während der Erfüllung von UN-Aufgaben zugefügt wurden, Schadensersatz von einem Staat fordern?
Völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit:
IGH stellte fest, dass die UNO eine eigene völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit hat. Sie ist also Träger von Rechten und Pflichten im Völkerrecht und kann unabhängig von ihren Mitgliedstaaten handeln.
Rechtspersönlichkeit ist implizit aus der UN-Charta abzuleiten, da die UNO internationale Aufgaben und Befugnisse hat, die ohne eine solche Anerkennung nicht durchführbar wären.
UNO kann im Namen ihrer Mitarbeiter Schadensersatz fordern, wenn deren Verletzungen in Ausübung ihrer offiziellen Aufgaben entstanden sind.
Dieses Recht basiert auf der Notwendigkeit, dass die Organisation ihre Aufgaben ohne Eingriffe oder Behinderungen durch Staaten ausführen können muss.
Der Fall war wegweisend für die Entwicklung des internationalen Organisationsrechts. Er bestätigte, dass internationale Organisationen, wie die UNO, nicht nur auf ihre Mitgliedstaaten beschränkt sind, sondern als eigenständige Akteure im Völkerrecht auftreten können.
Er stärkte die Unabhängigkeit und Effektivität der Vereinten Nationen bei der Erfüllung ihrer Missionen.
164. Wovon handelt der Fall Görgülü?
—>Fall Görgülü bezieht sich auf eine Reihe von deutschen Familienrechtsstreitigkeiten, in denen Kazim Görgülü, ein in Deutschland lebender türkischer Staatsbürger, über mehrere Jahre hinweg um das Sorgerecht und das Umgangsrecht für seinen Sohn kämpfte.
Görgülü und die Mutter seines Sohnes waren nicht verheiratet. Nach der Geburt gab die Mutter das Kind ohne Görgülüs Wissen und Zustimmung zur Adoption frei.
Kind wurde in eine Pflegefamilie gegeben, während Görgülü versuchte, sein Recht als Vater geltend zu machen.
AG Wittenberg: Entschied zugunsten Görgülüs und sprach ihm Umgangsrecht zu.
Oberlandesgericht Naumburg: Hob mehrfach Entscheidungen des Amtsgerichts auf und verweigerte Görgülü das Umgangsrecht.
EGMR: Görgülü brachte den Fall vor den EGMR, der entschied, dass deutsche Gerichte sein Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt hatten.
BVerfG: In mehreren Entscheidungen betonte das BVerfG die Verpflichtung deutscher Gerichte, Urteile des EGMR zu berücksichtigen, und hob Entscheidungen des OLG Naumburg auf.
—> BVerfG bezog dabei die konventionskonforme Auslegung auf das Grundgesetz selbst!
Berücksichtigung von EGMR-Urteilen: Fall unterstrich die Pflicht nationaler Gerichte, Entscheidungen des EGMR in ihre Rechtsprechung einzubeziehen.
Rechtsstaatlichkeit: Der Fall betonte die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards in nationalen Gerichtsverfahren.
Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung! - Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind gem. Art. 25 GG als Teil des Bundesrechts anzuerkennen.
165. Wie sieht eine Resolution des Sicherheitsrats inhaltlich grob aus? (3 wesentliche Punkte)
Verurteilung des Handelns eines Staates, das als Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit gemäß Kapitel VII der UN-Charta angesehen wird.
Aufforderung an alle Mitgliedstaaten [und an die beteiligten Konfliktparteien] den Frieden zu bewahren, Friedensverhandlungen zu fördern und das Gewaltverbot einzuhalten.
Festlegung von Maßnahmen, die von Mitgliedstaaten, internationalen Organisationen oder spezifischen Akteuren umzusetzen sind.
—> Sanktionen, wie z. B. Reisebeschränkungen, Waffenembargos oder wirtschaftliche Maßnahmen.
166. Benenne mögliche Herausforderungen bei der Bewertung von Stellvertreterkriegen.
Ein Stellvertreterkrieg ist ein Konflikt, in dem Staaten oder andere Akteure nicht direkt gegeneinander kämpfen, sondern andere Parteien (z. B. nichtstaatliche Gruppen oder Drittstaaten) unterstützen, um ihre Interessen durchzusetzen. Dabei stellen sich zahlreiche völkerrechtliche Fragen, insbesondere im Hinblick auf Souveränität, Gewaltverbot und humanitäres Völkerrecht.
Umgehung des Gewaltverbots (Art. 2 (4) UNCh)
Teilnehmer nutzen oft indirekte Mittel, um das Gewaltverbot formal zu umgehen, z. B. durch Unterstützung nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen.
Es ist schwer nachzuweisen, ob ein Staat durch Waffenlieferungen, logistische Hilfe oder Ausbildung direkt Gewalt ausübt.
Die Abgrenzung zwischen rechtmäßiger Unterstützung und völkerrechtswidriger Gewaltanwendung bleibt oft unklar.
Souveränität und Interventionsverbots
Die Unterstützung von Rebellengruppen oder Oppositionsbewegungen in einem anderen Staat stellt in vielen Fällen eine Verletzung der Souveränität dar.
Die Frage der Legitimität von Regierungen kann genutzt werden, um militärische Unterstützung für Oppositionsgruppen zu rechtfertigen.
Beispiel: Die Unterstützung der syrischen Opposition durch externe Staaten während des Bürgerkriegs führte zu Vorwürfen der völkerrechtswidrigen Einmischung.
Zurechnung von Handlungen
Wenn Staaten nichtstaatliche Akteure wie Milizen oder Terrorgruppen unterstützen, bleibt oft unklar, in welchem Ausmaß diese Handlungen dem unterstützenden Staat zugerechnet werden können.
Die Kriterien für „effektive Kontrolle“ (wie im Nicaragua-Fall des IGH) sind schwer anzuwenden und nachzuweisen.
Folge: Staaten können schwer zur Rechenschaft gezogen werden, selbst wenn ihre Unterstützung zur Eskalation des Konflikts beiträgt.
Humanitäres Völkerrecht und Kriegsverbrechen
Nichtstaatliche Akteure, die oft als Stellvertreter fungieren, verletzen häufig grundlegende Regeln des humanitären Völkerrechts (z. B. Schutz von Zivilisten, Verbot von Folter).
Unterstützende Staaten können völkerrechtlich verantwortlich gemacht werden, wenn sie bewusst Gruppen unterstützen, die Kriegsverbrechen begehen.
Beispiel: Die Unterstützung von Gruppen wie der Hisbollah oder den Huthi-Rebellen hat wiederholt zu Vorwürfen von Kriegsverbrechen geführt.
Fragmentierung des Konflikts
Stellvertreterkriege führen oft zu einer Fragmentierung und Verlängerung des Konflikts, was die Umsetzung von Friedensverträgen und humanitären Maßnahmen erschwert.
Die Vielzahl an Akteuren macht es schwierig, Verantwortlichkeiten festzulegen und Friedensverhandlungen durchzuführen.
Unklare Legitimität und Rechtsgrundlagen
Staaten berufen sich oft auf unterschiedliche rechtliche Begründungen, z. B. Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) oder die Einladung einer Regierung, um ihre Unterstützung zu rechtfertigen.
Die Legitimität solcher Argumente ist oft umstritten, insbesondere wenn die betroffene Regierung international nicht anerkannt ist.
Schwache Mechanismen zur Durchsetzung des Völkerrechts
Internationale Kontrollmechanismen sind oft nicht in der Lage, Verstöße im Kontext von Stellvertreterkriegen effektiv zu sanktionieren.
Institutionen wie der Internationale Gerichtshof (IGH) oder der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) haben begrenzte Möglichkeiten, Staaten oder nichtstaatliche Akteure zur Verantwortung zu ziehen.
Politische und moralische Doppelmoral
Staaten interpretieren das Völkerrecht oft selektiv, um ihre eigenen Interessen zu rechtfertigen, was die Glaubwürdigkeit und Einheitlichkeit des Völkerrechts schwächt.
Die unterschiedliche Behandlung von Konflikten durch den UN-Sicherheitsrat, abhängig von den Interessen der ständigen Mitglieder, verstärkt dieses Problem.
167. Wovon handelte der Gabčikovo-Nagymaros-Fall?
—> Dem Fall lag ein im Jahr 1977 vertraglich vereinbartes Staudammprojekt zwischen Ungarn und der damaligen Tschechoslowakei zugrunde.
—> Ungarn stellte aufgrund ökologischer Bedenken den ungarischen Teil des Projekts ein, wogegen die Tschechoslowakei protestierte. Die Tschechoslowakei führte in weiterer Folge ihren Teil des Projekts fort.
—> IGH hatte unter anderem die Frage zu beantworten, ob der ungarische Vertragsbruch der Einstellung des Projekts durch Notstand gedeckt war und ob die Tschechoslowakai Gegenmaßnahmen (Countermeasures) ergreifen durfte.
IGH bejahte, dass Umweltbedenken ein wesentliches Interesse im Sinne des Notstands darstellen können. Allerdings lag nach Ansicht des IGH weder ein schwere und unmittelbar drohende Gefahr vor, noch war der Vertragsbruch die einzige Möglichkeit zur Abwendung der Gefahr, weshalb sich Ungarn nicht auf den Rechtswidrigkeitsausschließungsgrund des Notstands berufen konnte.
Zudem war das Handeln der Tschechoslowakai nicht gedeckt von den Vorschriften zur Vornahme von Gegenmaßnahmen.
—> Vertrag von 1977 sei nicht beendet worden; beide Parteien hätten nicht vertragsmäßig gehandelt, jedoch könne weder das rechtswidrige Handeln einer Partei noch ein „ökologischer Notstand“ die vertragswidrige einseitige Beendigung der Bauarbeiten rechtfertigen.
—>Folgen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit der Staaten:
Besteht das völkerrechtliche Unrecht in der Nichterfüllung eines Vertrages, so entsteht zusätzlich die Pflicht des Verletzers, Schutzmaßnahmen des Verletzten, wie die Auflösung oder Suspendierung des Vertrages, zu dulden.
168. Erläutere kurz, worum es im Nicaragua-Fall ging und warum er für die Frage der Staatenverantwortlichkeit relevant ist!
—> wegweisender Fall im Völkerrecht, der sich mit der Verantwortung von Staaten für die Unterstützung bewaffneter Gruppen in einem anderen Staat befasste. Der Fall wurde 1984 von Nicaragua gegen die USA vor dem IGH angestrengt.
Vorwürfe gegen die USA: Nicaragua warf USA vor, gegen das Gewaltverbot gem. Art. 2 (4) UNCh verstoßen zu haben, indem sie die Contra-Rebellen in Nicaragua unterstützten, militärische Aktionen durchführten und Minen in nicaraguanischen Häfen legten.
Gegenposition USA: USA entgegnete, sie würden in kollektiver Selbstverteidigung auf Seiten El Salvadors, Honduras’ und Costa Ricas handeln.
Relevanz des Gewohnheitsrechts: Da die USA den IGH nicht in vollem Umfang anerkannten, konnte der Gerichtshof keine Bestimmungen der UN-Charta prüfen. Stattdessen urteilte er auf Basis des Völkergewohnheitsrechts.
Staatenverantwortlichkeit: Der IGH stellte fest, dass die USA durch die finanzielle, logistische und militärische Unterstützung der Contras die Souveränität Nicaraguas verletzt und das Gewaltverbot missachtet hatten, insbesondere, da es an einem kollektiven Recht auf Selbstverteidigung mangele. Die Minenlegung wurde ebenfalls als rechtswidrig gewertet.
Fall präzisierte die Kriterien, wann ein Staat für Handlungen bewaffneter Gruppen verantwortlich ist. Dazu führte der IGH das "effektive Kontrolle"-Kriterium ein: Ein Staat ist für die Handlungen einer nicht-staatlichen Gruppe verantwortlich, wenn er eine tatsächliche und umfassende Kontrolle über deren Handlungen ausübt.
—> In diesem Fall verfügte die USA über keine effektive Kontrolle der Contras.
Dies setzte Maßstäbe für zukünftige Fälle, wie z. B. den Tadić-Fall vor dem Jugoslawien-Tribunal (ICTY —> entwickelte das Konzept des “Overall Control”), und beeinflusste die Entwicklung der Artikel zur Staatenverantwortlichkeit der ILC (siehe Art. 8 ILC DA).
Der Nicaragua-Fall ist somit ein Schlüsselurteil zur Präzisierung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Staaten und der Anwendung von Gewaltverboten.
Wenn man mit einem Staat eine Beziehung eingeht, den man nicht anerkennt, ist das eine automatische Anerkennung?
Nein, die Aufnahme von Beziehungen mit einem Staat bedeutet nicht automatisch dessen völkerrechtliche Anerkennung. Es kommt darauf an, welche Art von Beziehungen eingegangen wird und welche Absichten dahinterstehen. Die Anerkennung eines Staates ist ein bewusster, rechtlich bedeutender Akt, der in der Regel ausdrücklich erklärt wird.
Beziehungen ohne Anerkennung
Staaten können miteinander Beziehungen unterhalten, ohne dass eine völkerrechtliche Anerkennung vorliegt. Dies kann beispielsweise in folgenden Fällen vorkommen:
1. Pragmatische oder technische Beziehungen
Staaten können praktische Beziehungen eingehen, z. B. Handelsabkommen abschließen oder diplomatische Kontakte für bestimmte Themen pflegen, ohne den anderen Staat formell anzuerkennen.
Beispiel: Taiwan unterhält Handelsvertretungen in vielen Staaten, ohne dass diese Taiwan als Staat anerkennen.
2. Humanitäre Hilfe oder Verhandlungen
Auch bei Verhandlungen, Friedensgesprächen oder humanitärer Hilfe wird nicht automatisch ein Anerkennungsakt vorgenommen. Solche Kontakte dienen oft spezifischen Zwecken.
3. Implizite oder explizite Nichtanerkennung
Ein Staat kann ausdrücklich klarstellen, dass eine Zusammenarbeit oder Kontaktaufnahme nicht als Anerkennung verstanden werden soll. Dies ist oft bei politischen Konflikten der Fall.
Wann ist es eine Anerkennung?
Eine Anerkennung liegt vor, wenn ein Staat ausdrücklich oder durch Handlungen erkennen lässt, dass er den anderen Staat als eigenständige, souveräne Einheit im Sinne des Völkerrechts akzeptiert. Das kann durch:
• die Aufnahme diplomatischer Beziehungen (z. B. Botschaften),
• offizielle Erklärungen oder
• völkerrechtliche Verträge geschehen.
Fazit
Die bloße Aufnahme von Beziehungen bedeutet nicht automatisch eine Anerkennung. Entscheidend ist, ob der Staat eine solche Absicht durch Worte oder Handlungen klar macht.
Nenne weitere Quellen des Völkerrechts
Unilaterale Akte von Staaten
Bindende Akte von Organisationen (Bsp.: acts of the international seabet Art. 153 sea convention)
Was ist die Webster-Formel
Webster-Formel Voraussetzungen für präventive Selbstverteidigung:
unmittelbar bevorstehen
Überwältigend
Keine Wahl bezüglich der Mittel
Keine überlgungszeit
Zuletzt geändertvor 6 Tagen