4a - Erläutern Sie die juristischen Auslegungsmethoden zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe.
Grammatikalische Auslegung: Bedeutung des Begriffs wird nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bestimmt (z. B. „Wohnung“ = abgeschlossener Raum zum Wohnen).
Systematische Auslegung: Begriff wird im Zusammenhang mit anderen Rechtsnormen / der gesamten Rechtsordnung interpretiert (z. B. „öffentlich“ im Kontext eines Gesetzes).
Teleologische Auslegung: Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm, um die dahinterstehenden Interessen zu verwirklichen (z. B. Verkehrsregeln zur Sicherheit).
Historische Auslegung: BerĂĽcksichtigung des Willens und der Motive des Gesetzgebers bei Erlass der Norm (z. B. Protokolle zur Gesetzesentstehung).
4b - Erläutern Sie die Staatsstrukturprinzipien der europäischen Union.
Bundesstaat: Teil-Souverinität; Primat liegt bei den Mitgliedsstaaten (“Staatenbund”)
Republik: Staatsoberhaupt (Präsident) wird mittelbar demokratisch gewählt
Demokratie: Parlament(tarische) wird direkt vom Staatsvolk gewählt; Bürgerinitiativen ermöglichen Gesetzesvorschläge.
Rechtsstaat: Normenpyramide; EU-Primärrecht, Verhältnismäßigkeit, Grundrechte, Rückwirkungsverbot, effektiver Rechtsschutz, Gewaltenteilung.
Sozialstaat: primär Aufgabe der Mitgliedstaaten (soziale Marktwirtschaft und sozialer Fortschritt als Ziele)
Staatszielbestimmung: Binnenmarkt (Förderung von Frieden, wirtschaftlicher Zusammenarbeit und kultureller Vielfalt
4c - Nennen Sie die Organe der europäischen Union und ordnen Sie diese den Staatsgewalten zu.
Exekutive: Europäische Kommission (inkl. Präsident und Kommissare), Europäischer Rat (inkl. Präsident).
Legislative: Europäisches Parlament, (Minister-)Rat; Kommission unterstützt Gesetzgebung.
Judikative: Europäischer Gerichtshof (EuGH, Luxemburg).
Hinweis: Nicht zu verwechseln mit dem Europarat oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, Straßburg).
4d - Erläutern Sie die Zusammensetzung des europäischen Parlaments und des (Minister-)Rates der europäischen Union.
Europäisches Parlament:
Zusammensetzung: max. 750 Abgeordnete (degressiv-proportionale Verteilung: min. 6 Sitze/Mitgliedsstaat, max. 96 fĂĽr Deutschland). Direktwahl durch UnionsbĂĽrger alle 5 Jahre.
Rechte der Abgeordneten: Freies Mandat, Immunität, Indemnität, Bildung von Fraktionen (min. 25 Mitglieder aus 1/4 der Mitgliedsstaaten).
Funktionen: Gesetzgebung, Haushaltsrecht, Wahl und Kontrolle der Kommission, Repräsentation der Unionsbürger.
Rat der Europäischen Union.
Zusammensetzung: Minister der Mitgliedsstaaten, je nach Sachmaterie. 10 Ratsformationen (z. B. Wirtschaft, Umwelt).
Vorsitz: Rotierendes System (alle 6 Monate), außer für Auswärtige Angelegenheiten.
Abstimmung: Qualifizierte Mehrheit (55 % der Mitglieder, 65 % der EU-Bevölkerung müssen vertreten sein), teils Einstimmigkeit (z. B. Außenpolitik).
Funktionen: Gesetzgebung, Budgetrecht, Koordination und Lenkung der EU-Politik.
4e - Erläutern Sie die Rechtsakte der europäischen Union.
Anwendungsvorrang des EU-Rechts
Verordnungen: Allgemein verbindliche Gesetze (materiell + formell), unmittelbar anwendbar ohne nationale Umsetzung. (z. B. Datenschutzgrundverordnung - DSGVO)
Richtlinien: Verbindliche Vorgaben fĂĽr Mitgliedsstaaten, Umsetzung durch nationale Gesetze erforderlich. Ausnahmen: unmittelbare Wirkung, wenn nicht fristgerecht umgesetzt. (z. B. Verbraucherschutzrichtlinie)
BeschlĂĽsse: Individuell-konkret, verbindlich nur fĂĽr Adressaten (z. B. Staat oder BĂĽrger). Vergleichbar mit Verwaltungsakten.
Empfehlungen/Stellungnahmen: Rechtlich unverbindlich, faktisch oft bindend (z. B. EU-Beihilfenrecht).
4f - Erläutern Sie die wesentlichen Schritte des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens der europäischen Union.
Initiative: Nur durch EU-Kommission; Vorlage an EP und Rat.
1. Lesung: EP und Rat beraten; Zustimmung beider → Gesetz angenommen.
2. Lesung: Änderungen/Abstimmung; Ablehnung → Verfahren scheitert; sonst Vermittlungsausschuss.
Vermittlung: Einigung zwischen EP und Rat; falls scheitert → Verfahren endet.
Abschluss: Unterschrift durch EP- und Ratspräsident; Veröffentlichung im Amtsblatt.
4g - Erläutern Sie die Warenverkehrsfreiheit (Grundfreiheit)
Schutzbereich: Für EU-Bürger, Drittstaatsangehörige & juristische Personen; umfasst alle Handelswaren und Verwertungsstadien
Eingriff: Zölle, Abgaben oder Beschränkungen, die Handel zwischen Mitgliedsstaaten behindern (Dassonville), außer neutrale Verkaufsregeln (Keck). Staat muss private Handelsbeschränkungen verhindern.
Rechtfertigung: Keine bei Zöllen. Beschränkungen/ Diskriminierungen nach Art. 36 AEUV oder zwingende Allgemeinwohlgründe.
4h - Erläutern Sie die Personenfreizügigkeit (Grundfreiheit)
Schutzbereich: Nur für EU-Bürger. Arbeitnehmerfreizügigkeit für unselbstständige Tätigkeiten, Niederlassungs & Selbstständigkeit. Ausnahme: hoheitliche Tätigkeiten
Eingriffe: Diskriminierung oder Beschränkungen. Staatliche Maßnahmen müssen grenzüberschreitenden Bezug haben.
Rechtfertigung: Öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit. Bei Beschränkungen auch zwingende Gründe des Allgemeinwohls oder kollidierende Unionsgrundrechte.
4i - Erläutern Sie die Dienstleistungsfreiheit (Grundfreiheit)
Schutzbereich: Schützt EU-Bürger; Dienstleistungserbringer (aktive Freiheit) und -empfänger (passive Freiheit). Subsidiär zu anderen Grundfreiheiten (z. B. Warenverkehrsfreiheit).
Eingriff: Diskriminierung oder Beschränkung, die den freien Dienstleistungsverkehr behindert.
Rechtfertigung: Bereichsausnahme für hoheitliche Tätigkeiten; (Öffentlichen Ordnung, Sicherheit, Gesundheit), Beschränkungen aufgrund Allgemeininteresses und kollidierende Unionsgrundrechte möglich.
Zuletzt geändertvor 3 Monaten