Buffl

StPO Streitstände

AL
von Ann-kathrin L.

Wonach beurteilt sich ein Zugriff auf beim Provider gespeicherte E-Mails durch Ermittlungsbehörden?

e.A.:

Nach einer Auffassung ist der gesamte Vorgang der E-Mailübertragung als einheitliche Informationsübermittlung anzusehen, sodass ein Zugriff den Voraussetzungen des § 100a StPO unterliege. Der Betroffene vertraue auf die Unberührtheit des durch Art. 10 GG geschützten Übermittlungsvorgangs in seiner Gesamtheit.

a.A.:

Die Gegenauffassung differenziert zwischen dem Sende- und Empfangsvorgang sowie der Speicherung der E-Mails auf dem Server des Providers. Während des Sende- und Empfangsvorgangs finde Kommunikation statt, sodass ein Zugriff auf E-Mails in diesem Stadium an § 100a StPO zu messen sei. Sobald und solange die E-Mails auf dem Server des Providers gespeichert werden, sei der Kommunikationsvorgang abgeschlossen und der Anwendungsbereich des § 100a StPO damit verlassen. Nach dieser Ansicht sind die E-Mails gem. § 99 StPO zu beschlagnahmen: Unter Berücksichtigung des heutigen Kommunikationsverhaltens sei diese Maßnahme in jeder HInsicht vergleichbar mit der Beschlagnahme anderer Mitteilungen, die sich zumindest vorübergehend bei einem Post- oder Telekommunikationsdienstleister befinden. Hier ist davon auszugehen, dass der E-Mail-Provider geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste iSd § 3 Nr. 10 TKG erbringt und deshalb der Verpflichtung des § 99 StPO unterfällt.

Stellungnahme:

Der letztgenannten Ansicht ist im Ergebnis zuzustimmen. Die Auslegung der ersten Ansicht widerspricht dem technischen Telekommunikationsbegriff des § 100a StPO, der auf § 3 Nr. 22, 23 TKG abstellt. Während der Speicherung auf dem Server des Providers findet Telekommunikation in diesem Sinne gerade nicht statt. Während der Zwischenspeicherung leigt vielmehr eine “Aufbewahrung” vor. Folglich befinden sich Daten im Besitz des E-Mail-Providers, die als Beschlagnahmegegenstand anerkannt sind. Würde man dies anders sehen wollen, so wären zudem die Fälle, in denen Daten per Mail oder Internet auf externe Speichermedien “ausgelagert” werden, ggf. nur unter den Voraussetzungen von § 100a/b StPO zu erlangen, da auch sie sich in der Regel im “Gewahrsam” eines Telekommunikationsdienstleisters befinden.

Dürfen Daten-CDs als Beweismittel im Strafverfahren verwendet werden, wenn sie vom Besitzer in strafrechtlich relevanter Weise durch Diebstahl erlangt worden waren und deshalb auch die staatlichen Verfolgungsbehörden in strafbarer Weise erhältlich gemacht worden sein könnten? (Bsp.: Deutschland zum Kauf angebotene CDs mit Steuersündern)

T.d.Lit.:

Der Verwertbarkeit stehen grds. Bedenken entgegen: Zwar wird eine Zuständigkeit innerstaatlicher Organe für private Rechtsverletzungen von einer wohl hM bislang im Grundsatz abgelehnt - freilich nur im Grundsatz: Ein Beweisverbot kann in Frage kommen, wenn das Verhalten des Privaten dem Staat zurechenbar ist, wobei auch Eingriffe unterhalb der Schwelle des § 136a StPO einschlägig sein können. Eine Pflicht zur Zurückweisung des Beweismittels besteht ua aus dem Verbot der entlohnten Erlangung von Beweismitteln mittels Straftaten, gerichtet an die Strafverfolgungsbehörden. Bei Zulassung von Beweismitteln, due der Staat unter Verletzung von gewichtigen Rechtsnormen gewonnen hat, wird die Rechtsgemeinschaft den Einwand des “tu quoque” erheben - der Staat darf nicht den Anschein erwecken, mit dem Rechtsbrecher auf einer Stufe zu stehen.

a.A. (Landgericht Bochum):

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen aus einer möglichen Straftat erlangte Beweismittel oder Kenntnisse einem Verwertungsverbot unterliegen, ist gesetzlich nicht geregelt. Dem geltenden Recht ist ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen - mögliche - Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd. Abgesehen von Fällen, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich die Verwertung fehlerhaft erhobener Beweismittel untersagt (absolute Beweisverwertungsverbote), stehen allgemeine Regeln, wann ein Beweiserhebungverbot ein Beweisverwertungsverbot zur Folge hat, nicht fest (Frage der relativen Beweisverwertungsverbote). Daher ist ein Verwertungsverbot jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbots, auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung “um jeden Preis” gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts einschränkt, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Maßgeblich mit beeinflusst wird das Ergebnis der demnach vorzunehmenden Abwägung vom Gewicht des infrage stehenden Verfahrensverstoßes.

Es geht in der vorliegenden Konstellation nicht um ein zunächst rechtswidrigesVerhalten der staatlichen Ermittlungsbehörden, sondern um ein strafrechtlich relevantes Verhalten einer Privatperson. Die Beweisgewinnung regelnden Vorschriften der StPO richten sich jedoch an die Strafverfolgungsorgane, nicht hingegen an Privatpersonen. Daraus folgt, dass Beweismittel, die durch Private in rechtswidriger Art und Weise gewonnen werden, grundsätzlich verwertbar sind.

Die rechtswidrige Erlangung eines Beweismittels durch eine Privatperson schließt seine Verwertung im Strafverfahren nämlich grundsätzlich nicht aus. Dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht ein zunächst rechtswidriges Verhalten der staatlichen Ermittlungsbehörden, sondern ein strafrechtlich relevantes Verhalten einer Privatperson vorliegt, das staatliche Behörden lediglich nachgelagert ausnutzen. Beweismittel, die durch Private in rechtswidriger Art und Weise gewonnen werden, sind grundsätzlich verwertbar.

Ist die Vernehmung des Ermittlungsrichters als Verhörperson zulässig, wenn sie der Zeuge im Hauptverfahren auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft?

Die Vernehmung - auch des Ermittlungsrichters könnte gem. § 252 StPO unzulässig sein. Der Wortlaut der Norm erfasst aber zunächst nur ein Verlesungsverbot.

Nach ganz hM muss § 252 StPO aber mehr verbieten, da ein Verlesungsverbot idR schon aus § 250 S. 2 StPO (Unmittelbarkeitsgrundsatz) foglt. Einigkeit besteht deshalb insofern, als über den Wortlaut des § 252 StPO hinaus auch die Vernehmung von Verhörpersonen ausgeschlossen ist. Streitig ist allerdings, ob dies für alle Verhörpersonen gilt:

e.A.:

Die bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussagen des Zeugen - gleichgültig, ob er damals bereits über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden war oder nicht und auch gleichgültig, ob die aussage vor einem Richter, Staatsanwalt oder Polizeibeamten gemacht worden ist - dürfen nicht, auch nicht mittelbar, über die Vernehmugn der Verhörperson als Zeuge verwertet werden.

h.M. (st. Rspr.):

§ 252 StPO enthält ein nur eingeschränktes Verwertungsverbot. Da das Gesetz der richterlichen Vernehmung ein höheres Vertrauen entgegenbringt, vgl. § 251 II StPO, ist eine Vernehmung der nichtrichterlichen Verhörperson über die Aussage schlechthin unzulässig. Dagegen ist die Vernehmung eines Richters über die vor ihm gemachte Aussage unter folgenden Voraussetzungen zulässig.

  • Der das Zeugnis Verweigernde muss auch bei seiner vorausgegangenen richterlichen Vernehmung als Zeuge gehört worden sein. Hat er die Aussage als Beschuldigter erstattet, ist sie - auch bei “vorsorglicher” Belehrung nach § 52 III 1 StPO (überflüssig wegen § 136 I 2 StPO) - absolut unverwertbar.

  • Das Zeugnisverweigerungsrecht muss zur Zeit der früheren Vernehmung existiert haben.

  • Der Zeuge muss seinerzeit wirksam belehrt worden sein. Er muss seinerzeit wirksam auf sein Zeugnisverweigerungsrecht verzichtet haben.

Stellungnahme:

Nach der ersten Meinung gilt danach ein umfassendes Verwertungsverbot bzgl. aller Verhörpersonen, daher ist auch eine Vernehmung der richterlichen Verhörperson generell unzulässig. Gegen die gleiche Behandlung von richterlicher und nichtrichterlicher Verhörperson spricht indessen die bereits vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung (vgl. §§ 251 II, 254 StPO), die auch im materiellen Recht ihren Niederschlag gefunden hat (§§ 153, 154 StGB). Für die von der hM befürwortete Bevorzugung eiener richterlichen Verhörperson lässt sich zudem anführen, dass der Ermittlungsrichter eine im Verhältnis zur StA und Polizei ‘neutralere’ prozessuale Stellung innehat. StA bzw. Polizei und Beschuldigter stehen in einem anderen Rollenverhalten als Richter und Beschuldigter. Eine gewisse Aussage- und Geständniserwartung lässt sich bei staatsanwaltschaftlichen/polizeilichen Vernehmungen nicht immer ausschließen. Schließlich ist auch ein schutzwürdiges Interesse des richterlich belehrten und gleichwohl zunächst aussagenden Zeugen nicht ersichtlich.

Mit der hM ist die Vernehmung der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Verhörperson generell unzulässig; die Vernehmung der richterlichen Verhörperson (= Ermittlungsrichter) bleibt dagegen möglich.

Wie ist eine Person prozessual zu beurteilen/ behandeln, die zunächst als Zeuge erfasst wird jedoch dann im Verdacht steht, eventuell an der Tat beteiligt zu sein, als Zeuge oder als Mitbeschuldigter?

h.M.:

Wer in einem Strafverfahren Beschuldigter ist, kann nicht zugleich Zeuge sein. Richtet sich die Strafverfolgung gegen mehrere Personen, so beginnt für jeden die Eigenschaft, Mitbeschuldigter zu sein, in dem Zeitpunkt, in dem die Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte ausdrücklich das Verfahren gegen einen Beschuldigten mit dem Verfahren gegen einen anderen verbinden. Die Eigenschaft als Mitbeschuldigter dauert nur so lange, wie diese Verbindung besteht. Werden die Verfahren - auch zeitweilig - abgetrennt, so endet die Beschuldigteneigenschaft und der eine kann Zeuge im Verfahren gegen den anderen sein. Allerdings ist es rechtlich unzulässig, die Verfahren gerade zu dem Zweck abzutrennen, um einen Mitbeschudligten als Zeugen im Verfahgen gegen den anderen auftreten zu lassen (gezielter Rollentausch). Rechtlich zu beanstanden ist die Abtrennung nur dann nicht, wenn sie vorgenommen wird, um einen Mitangeklagten als Zeugen zu selbstständigen Anklagepunkten zu vernehmen, an denen er nach der zugelassenen Anklage nicht beteiligt ist.

z.T.Lit.:

Beschuldiger ist jeder der Tatbeteiligung Verdächtige, gegen den wegen derselben Tat ermittelt wird. auf ide prozessuale Beteiligtenrolle kommt es nicht an. Durch bloße Verfahrenstrennung oder -verbinung kann die Rolle als Mitbeschuldigter nicht verändert werden.

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Ann-kathrin L.

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