1. Was sagt das Hebammengesetz-HebG über die Ziele des Hebammenstudiums aus?
2. Was ist eine chronische Krankheit?
Unter chronischer Krankheit versteht man das irreversible Vorhandensein beziehungsweise die Akkumulation oder dauerhafte Latenz von Krankheitszuständen oder Schädigungen, wobei im Hinblick auf unterstützende Pflege, Förderung der Selbstversorgungskompetenz, Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und Prävention weiterer Behinderung das gesamte Umfeld des Patienten gefordert ist.
3. Was ist die Definition von „Behinderung“?
- Menschen mit Behinderungen sind nach dem Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) „Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.
- Als langfristig gilt ein Zeitraum, der mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert“ (§ 3 BGG)
4. Welches Gesetz schützt Schwangerschaft und Behinderung?
Artikel 23 Absatz 1b der UN- Behindertenrechtskonvention schützt das Recht behinderter Menschen auf eine freie und verantwortungsbewusste Entscheidung darüber, ob, wann und wie viele Kinder sie bekommen möchten.
5. Wie ist die Prävalenz von Schwangerschaft und chronischer Erkrankung/
Behinderung?
- Anteil der Schwangeren mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen in den Industrienationen ansteigend
➢ Daten aus Deutschland
„SniP Study“: 21,4 % der Schwangeren chronisch erkrankt
Mutterpass: kontinuierlicher Anstieg aller auf Chronizität und Behinderung verweisenden anamnestischen Parameter
➢ Die Kinderzahl bei Frauen mit chronischer Erkrankung und/oder Behinderung entspricht soweit bekannt dem Durchschnitt
Hintergrund für den Anstieg:
Kontinuierlich steigendes Alter der Schwangeren
Fortschritte in Therapie führen zu höherer Überlebenschance und
Lebensqualität von Betro enen (➢ Frauen wagen die Realisation des
Kinderwunsches)
Weiterentwicklung und Verfügbarkeit unterstützender reproduktionsmedizinischer Maßnahmen
Was ist bei der Betreuung Schwangere mit chronischer Erkrankung oder Behinderung zu beachten?
- sind medizinisch gut versorgt und verfügen meist über langjährige und gut etablierte ärztliche Bezüge
- nutzen gesundheitsfördernde und präventive Angebote nur in geringerem Maße
- haben einen größeren Unterstützungsbedarf aufgrund von möglichen komplexen Überforderungen und Risiken
- schildern erschwerte Zugänge zu Hebammenleistungen
- haben weniger explizites Wissen über das Angebot und Tätigkeitsfelder der Hebammen
Welche Faktoren nehmen Einfluss auf das Schwangerschaftserleben der Frauen?
- Expertin oder Novizin im Krankheitserleben
- Spezifisches Krankheitsbild
Konsequenzen einer Schwangerschaft für eigenen Körper (Änderung Therapie? Schmerzen? Veränderte langfristige Prognose?)
Konsequenzen für die Gesundheit des Kindes (Vererbbar? Mögliche
Schädigungen durch Medikamente bzw. Therapien?)
Konsequenzen einer Schwangerschaft für Schwangerschaftsverlauf
- Gesellschaftliche Dimensionen
Krankheit stigmatisiert oder nicht? (scheinbar „verschuldet“ oder nicht?)
Sichtbar oder nicht?
Körperbild
- Kalkulierbarkeit des Krankheitsverlaufs
- Vorurteile, Unterstellung einer Überforderung und Verantwortungslosigkeit
gegenüber dem Kind sowie eines Kostenfaktors für die Gesellschaft
- Skepsis bzw. Ablehnung basierend auf einem engen Gesundheitsverständnis gegenüber Frauen und Mütten
8. Was sollte man als Hebamme für Hintergrundwissen bezüglich Betreuung von Frauen mit HIV haben?
2019 Anzahl Erkrankte 90.700: 87.000 erhalten medikamentöse HIV Therapie (lebenslange Einnahme notwendig)
Gruppe HIV-positiver Frauen sehr heterogen
Ca. 350-500 Schwangerschaften pro Jahr
- Ziel der Versorgung in der Schwangerschaft: Verhinderung einer Mutter-Kind Transmission = bei entsprechender Behandlung <1 %
- Möglichst keine invasive Pränataldiagnostik
- Geburtsmodus, Stillen abhängig von Viruslast
- Konsequente Diagnose und Therapie weiterer Infektionen
- HAART, Viruslastbestimmung alle 2 Monate (+CD4 Zellen)
- Blutbildkontrollen (monatliche Hb), Diagnostik Gestationsdiabetes
- Verhinderung von bzw. erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich vorzeitiger Wehentätigkeit
- Kompetente Hebammenversorgung bezüglich:
Still-/ Ernährungsberatung und Stillmanagement
Pflege des Kindes - Berührung und Körperkontakt
Ängste, Schuldgefühle und Befürchtungen der Mutter
Förderung der Kontakte zu Gruppenangeboten
Vorbereitung auf Geburt
Förderung des Mutter/Eltern Seins in allen Aspekten
9. Was sollte man als Hebamme für Hintergrundwissen bezüglich
Querschnittslähmung und Schwangerschaft haben?
- Deutschland: Prävalenzen unbekannt
- USA/Schweiz: 14-18% der Frauen mit QSL gebären ein Kind
- Frauen mit QSL sind bei der ersten Geburt ca. 2-3 Jahre älter als Durchschnitt
- Harnwegsinfektionen und Harninkontinenz häufigste Komplikationen im
Schwangerschaftsverlauf bei QSL
- Hospitalisierungsrate in der Schwangerschaft: 50%
- Medizinische Grundlagen und Präventionsmaßnahmen
Querschnittsyndrom (= teilweise oder vollständige Schädigung des
Rückenmarks)
Autonome Dysreflexie (= Erhöhung des Blutdrucks um 20-40 mmHg über dem systolischen Normalwert durch schmerzhafte, irritierende oder schädliche Reize unterhalb der neurologischen Läsionshöhe ausgelöst wird)
Thromboseprophylaxe
- Kompetente Hebammenversorgung:
Umgang mit Schmerzreduktion
Förderung günstiger Geburtspositionen zur Förderung der Geburtskräfte bei fehlendem Druckgefühl und eingeschränkter Bauchpresse
Beurteilung Rückbildungs- und Heilungsvorgänge bei eingeschränktem Schmerzempfinden
Stillpositionen
10. Was für eine Auswirkung hat die Erkrankungen auf Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett?
- Meist Medikalisierung
- Ggfl. Hospitalisierung, enger Kontakt zur ärztlichen Versorgung unterschiedlicher
Disziplinen
- Begrenzte Zeitressourcen aufgrund der engmaschigen medizinischen Betreuung
- Begrenzte Möglichkeit der Einflussnahme auf Entscheidungen zum Geburtsmodus,
Geburtsort, Stillen
- Gefühl des „Anders seins“ in der Gruppe der Schwangeren und jungen Mütter/Eltern
- Hebammenbetreuung bei chronischer Erkrankung und Behinderung:
Unterstützung bei der Suche nach angepassten Informationen
Einzelgeburtsvorbereitung
Integration soziales Umfeld in die Betreuung und Versorgung
Berücksichtigung Körperbild der Frau (Body Image)
Stärkung der physiologischen Anteile von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett
11. Was sind Zugangsbarrieren zur Hebammenversorgung? Wie können wir diesen entgegenwirken?
- Formulierte Ziele der Hebammenbetreuung geben den Frauen das Gefühl, nicht angesprochen zu sein
- Verstärkt medizinische Maßnahmen geben den Hebammen das Gefühl, nicht zuständig zu sein
- Nicht erreichbare Ziele der Hebammenbetreuung erhöhen das Gefühl von Schuld bei den Frauen
- Impulse für eine angepasste Angebotsstruktur für Frauen mit chronischer
Erkrankung und/oder Behinderung:
Zugänge zu Leistungen prüfen (Barrierefreiheit)
Einrichtung der Praxis (z.B. rollstuhlgerecht?)
Kontaktaufnahme über verschiedene Kanäle möglich?
Bin ich bereit, mich auf die eingeschränkten zeitlichen Ressourcen der Frau einzustellen? Signalisiere ich die Bereitschaft, mich auf ihre besondere Situation einzustellen?
Gestaltung der Homepage
Erwähne ich Angebote für Frauen mit besonderen Bedarfen?
Berücksichtigung gesundheitlicher Diversität in Wort und
Bild?
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