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Grundrechte Schemata

AL
von Ann-kathrin L.

Freiheitsrechte - Verletzung durch Parlamentsgesetz

Obersatz: Das Gesetz könnte gegen Art. … GG verstoßen. Das ist der Fall, wenn das Gesetz in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingreift und der Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist.

I. Eingriff in den Schutzbereich

  1. Schutzbereich betroffen

    a) sachlicher Schutzbereich

    aa) Leitbegriff des Freiheitsrechts; ggf. sachliche Begrenzungen?

    bb) ggf.: Feststellung des geschützten Verhaltens (positiv/ negativ)?

    b) persönlicher Schutzbereich

  2. durch Eingriff (unmittelbar/mittelbar)

II. Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt?

Obersatz: Der Eingriff ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er den Anforderungen genügt, die das GG an gesetzliche Eingriffe dieser Art stellt.

  1. Einschränkungsmöglichkeit des Freiheitsrechts feststellen (“Schranken”)

    • Freiheitsrecht unter (schlichtem oder qualifizierten) Gesetzesvorbehalt

    • Freiheitsrecht ohne Gesetzesvorbehalt? Feststellen (nicht prüfen), dass ein solchen Grundrecht dennoch zum Schutz (im Interesse) kollidierenden Verfassungsrechts eingeschränkt werden kann.

  2. Grenzen der Einschränkungsmöglichkeit eingehalten? (“Schranken-Schranken”)

    wenn Gesetz verfassungsmäßig

    Verstoß gegen Bestimmungen außerhalb der Grundrechte?

    a) Gesetz formell verfassungsmäßig (Gesetzgebungszuständigkeit, -verfahren)?

    b) Gesetz materiell verfassungsmäßig?

    aa) Kein Verstoß gegen spezielle Regelungen des GG (zB Art. 80 GG)

    bb) Kein Verstoß gegen Verfassungsprinzipien (Art. 20, 28 GG)

    ggf. Parlamentsvorbehalt/ Bestimmtheitsgrundsatz. Regelt das Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen selbst und bestimmt genug?

    Grundrechtsspezifische Anforderungen eingehalten

    cc) Kein Verstoß gegen Grundrechte

    Hier idR nur noch fraglich; Grundrechtsspezifische Anforderungen eingehalten?

    1. besondere Anforderungen zu beachten und eingehalten?

      (a) Freiheitsrecht unter qualifiziertem Gesetzesvorbehalt?

      Beachtet das Gesetz die besonderen Anforderungen?

      (b) Vorbehaltlos gewährleistetes Freiheitsrecht?

      Ergeht das Gesetz zum Schutz (im Interesse) kollidierenden Verfassungsrechts (=Umsetzung einer “immanenten Grundrechtsschranke”)

    2. allgemeine Anforderungen (grds. bei allen Freiheitsrechten) eingehalten?

      (a) Art. 19 I 1 GG (Verbot des Einzelfallgesetzes)?

      (b) Art. 19 I 2 GG (Zitiergebot)?

      (c) Art. 19 II GG (Wesensgehaltgarantie)? (Nur bei Anlass prüfen)

      (d) Verhältnismäßigkeit?

Individualverfassungsbeschwerde - Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 Nr. 8a - 90, 92 ff. BVerfGG

A. Zulässigkeit

I. Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG: Jedermann

= jeder der grundrechtsfähig ist

  • abstrakt (+) bei natürlichen Personen und juristischen Personen des Privatrechts

  • erörtern bei Organen und juristischen Personen des öffentlichen Rechts

II. nur bei Anlass: Prozessfähigkeit (ungeregelt)

  • Minderjährige

  • juristische Personen

III. Tauglicher Beschwerdegegenstand

§ 90 I BVerfGG: Akt der öffentlichen Gewalt

Es muss sich um einen Akt der deutschen Staatsgewalt handeln. Im Unterschied zu Art. 19 IV GG, der nach verbreiteter Auffassung nur Maßnahmen der Exekutive erfasst, sind Maßnahmen der öffentlichen Gewalt iSv Art. 93 I Nr. 4a GG/ § 90 I BVerfGG auch Maßnahmen der Legislative (Parlamentsgesetze, vgl. § 93 III, IV, 94 IV, 95 III BVerfGG) und der Judikative (vgl. § 94 III, 95 II BVerfGG). In Betracht kommen Handlungen und Unterlassungen (§§ 92, 95 I BVerfGG).

Urteils-VfB: (P) “Entscheidungskette”

Bei einer Urteils-VfB liegen, idR mehrere gerichtliche Entscheidungen vor (“Entscheidungskette”), weil der Rechtsweg erschöpft werden muss. Bei verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen kommen dazu uU noch der Ausgangs-VA und der Widerspruchsbescheid.

Macht der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten geltend, so ist jede Entscheidung anzugreifen, die auf dem gerügten Verfahrensfehler beruht, soweit der Fehler nicht durch das spätere Verfahren geheilt wurde.

Macht der Beschwerdeführer die Vereltzung von materiellen Grundrechten oder einen Verstoß gegen das Willkürverbot geltend, so reicht es grundsätzlich aus, die letztinstanzliche Entscheidung anzugreifen (auf die allein es auch für die Frage der Einhaltung der Frist des § 93 I BVerfGG ankommt). Etwas anderes gilt, wenn das Rechtsmittelgericht die materielle Rechtslage nicht mehr geprüft hat, sondern nur noch die Zulassungsfähigkeit des Rechtsmitteln. In diesem Fall ist es erforderlich, neben der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zugleich auch die Entscheidung der Vorinstanz anzugreifen. Im Zweifel ist es ratsam, alle Entscheidungen anzugreifen, die den Beschwerdeführer belasten, zumal hierdurch kein zusätzliches Kostenrisiko entsteht. In der Begründetheitsprüfung ist es regelmäßig nicht erforderlich, zwischen den einzelnen Entscheidungen zu differenzieren. Gegenstand der Überprüfung ist die Maßnahme so, wie sie letztinstanzlich bestätigt worden ist.

IV. Beschwerdebefugnis

  1. (Behauptung =) Möglichkeit der Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten, § 90 I BVerfGG

    Möglichkeitstheorie wie bei § 42 II VwGO.

Urteils-VfB: u.U. (P) Drittwirkung

Das Problem der Drittwirkung ist bereits im Rahmen der Zulässigkeit zu erörtern. Finden die Grundrechte zwischen Privaten gar keine Anwendung, so ist die Möglichkeit der Grundrechtsverletzung ausgeschlossen.

  1. Betroffenheit des Beschwerdeführers

    a) selbst

    b) gegenwärtig

    Rechtssatz-VfB: (P) Nur evt. in der Zukunft

    Sie fehlt, wenn der Beschwerdeführer nur irgendwann einmal in der Zukunft (“virtuell”) von der Gesetzesbestimmung betroffen sein könnte. Ausreichend ist es jedoch, wenn ein Gesetz die Normadressaten bereits gegenwärtig zu später nicht mehr korrigierbaren Entscheidungen zwingt. Ist es dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, die gegenwärtige Betroffenheit abzuwarten, so reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus, dass er von dem Gesetz betroffen werden könnte.

    c) unmittelbar

    Rechtssatz-VfB: Erforderlich: Self-executing-Norm

    Sie liegt vor, soweit einzelne Regelungen der angegriffenen Norm direkt in grundrechtlich geschützte Positionen eingreifen, dh ohne dass es noch einer Umsetzung der Norm durch einen Vollzugsakt der Exekutive bedarf (sog. self-executing Norm). Eine Ausnahme vom Erfordernis der Unmittelbarkeit gilt, wenn gegen einen denkbaren Vollzugsakt nicht oder nicht in zumutbarer Weise vorgegangen werden kann (zB der Vollzugsakt führt zu irreparablem Schäden oder erfolgt geheim; unzumutbar ist es auch, dass sich der Beschwerdeführer dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen muss).

V. Rechtswegerschöpfung

  1. Grundsatz, § 90 II 1 BVerfGG

    Ausschöpfung aller Rechtsschutzmöglichkeiten vor den Fachgerichten; im Einzelfall kann die Erschöpfung des Rechtswegs ausnahmsweise unzumutbar sein, zB wenn die Entscheidung auf einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung beruht.

    Rechtssatz-VfB: Prinzipale Normenkontrolle vor FachG (= § 47 VwGO) möglich?

    Urteils-VfB: Vorläufiger Rechtsschutz ist eigener Rechtsweg

  2. Ausnahme, § 90 II 2 BVerfGG (“Vorabentscheidung”)

    • allgemeine Bedeutung oder

    • schwerer und unabwendbarer Nachteil

VI. Keine Subsidiarität (ungeregelt)

Grundsatz der Subsidiarität: Er wurde aus dem Grundsatz der Rechtswegerschöpfung entwickelt, aus dem sich bereits ergibt, dass es sich bei der VfB um einen außerordentlichen Rechtsbehelf handelt und es zunächst Aufgabe der Fachgerichte ist, Grundrechtsverletzungen auszuräumen. Er fordert, dass der Beschwerdeführer über die Rechtswegerschöpfung im engeren Sinn hinaus alle nach Lage der Dinge zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreift, um mit Hilfe der Fachgerichte die Korrektur der geltend gemachten Grundrechtsverletzung zu erwirken oder eine Grundrechtsverletzung zu verhindern.

(Ausnahme: Rechtgedanke des § 90 II 2 BVerfGG)

Rechtssatz-VfB: Vorrang der inzidenten Kontrolle?

Eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen eine Norm (sog. prinzipale Normenkontrolle) ist unzulässig, wenn es möglich, zumutbar und sinnboll ist, eine Inzidente-Kontrolle der Norm durch die Fachgerichte herbeizuführen.

  • möglich: zB durch Klage gegen Maßnahmen, die aufgrund des Gesetzes ergehen, oder auf Gewährung von Leistungen, die aufgrund des Gesetzes verweigert werden, oder auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten

  • zumutbar: zB nein, wenn sich Beschwerdeführer der Gefahr der strafrechtlichen Verfolgung aussetzen müsste

  • sinnvoll: in der Regeln, nein, wenn ein Fall von Art. 100 GG vorliegt. Ausnahme: Es besteht ein nicht unerheblicher Aufklärungsbedarf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht

Urteils-VfB: Wenn Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz: Vorrang des Hauptsacherechtsschutzes?

VII. Rechtsschutzbedürfnis (Problem: Erledigung)

Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht im Falle der Erledigung insbesondere bei Wiederholungsgefahr, bei grundsätzlicher Bedeutung oder besonderer Bedeutung von Eingriff und verletztem Grundrecht (ähnlich dem Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rahmen des § 113 I 4 VwGO).

VIII. Form, §§ 23 I, 92 BVerfGG (nicht per E-Mail)

Eine Einreichung per E-Mail, die - anders als ein Fax - nicht zum sofortigen Ausdruck bestimmt ist, reicht für eine formgerechte Einlegung nicht aus.

IX. Frist, § 93 BVerfGG (Wiedereinsetzung bei Urteils-VfB)

Rechtssatz-VfB: 1 Jahr, § 93 III BVerfGG (ggf. Doppelfrist)

Doppelfristproblematik:

Sofern bei einer Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde zunächst wegen der Subsidiarität fachgerichtlicher Rechtsschutz gesucht wird und das Verfahren endet in einem Sachurteil, so ist binnen der Frist des § 93 I 1 BVerfGG eine Urteilsverfassungsbeschwerde zu erheben. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann inzidenter auch die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes.

Einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung bedarf es aber dann, wenn in Rücksicht auf die Subsidiaritätsanforderungen gegenüber den unmittelbaren Wirkungen eines Gesetzes zunächst fachgerichtlicher Rechtsschutz gesucht wird, dieses Begehren aber von den Fachgerichten als unstatthaft oder aus anderen Gründen als unzulässig beurteilt wird (nur Prozessurteil). Einer Verfassungsbeschwerde, die dann anschließend unmittelbar gegen das Gesetz erhoben wird, kann dann die (nicht mehr eingehaltende) Frist des § 93 III BVerfGG nicht entgegengehalten werden, sofern die Person den fachgerichtlichen Rechtsschutz gegen das Gesetz innerhalb eines Jahres nach dessen Inkrafttreten anhängig gemacht hat (erste Frist). Bezogen auf die dann abschließende fachgerichtliche Entscheidung gilt nun die Monatfrist des § 93 I 1 BVerfGG für die Einlegung der Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde entsprechend (zweite Frist).

Jahresfrist bei der Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde und Gesetzesänderung

Problematisch ist der Beginn der Frist bei einer Gesetzesänderung. Nicht jede Gesetzesänderung lässt diese Frist mit der Möglichkeit einer Rechtssatzverfassungsbeschwerde neu aus. Sollte die angegriffene Regelung bereits in identischer Form im vormaligen Gesetz vorhanden gewesen sein, so löst der (bloße) Neuerlass des Gesetzes, auch bei anderer Gesetzesbezeichnung, die Frist nicht erneut aus. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das materielle Gewicht der angegriffenen Regelung durch die Gesetzesänderung geändert hat oder durch die Normänderung eine zunächst nicht vorhandene Beschwer bewirkt wird.

Urteils-VfB: 1 Monat, § 93 I, II BVerfGG

B. Begründetheit

Rechtssatz-VfB

Obersatz:

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn der Beschwerdeführer durch das Gesetz in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt ist.

Aufbau:

“Normale Grundrechtsprüfung” (zB Verletzung eines Freiheitsrechts durch Gesetz)

Entscheidung:

  • in der Regel: Nichtigkeitserklärung, § 95 III 1 BVerfGG

  • Ausnahme: Unvereinbarkeitserklärung, §§ 95 III 3, 79 I, 31 II 2 BVerfGG

Urteils-VfB

Obersatz:

Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn der Beschwerdeführer durch die gerichtliche Entscheidung in spezifisch verfassungsrechtlicher Weise in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte verletzt ist.

Feststellung des Prüfungsumfangs:

Bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen ist zu berücksichtigen, dass die Auslegung und Anwendung einfach Rechts grundsätzlich den dafür zuständigen Fachgerichten obliegt. Das BVerfG ist keine Superrevisionsinstand. Es prüft nicht, ob die Entscheidung am Maßstab des einfachen Rechts rechtmäßig ist. Das Urteil muss vielmehr in spezifisch verfassungsrechtlicher Weise gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte verstoßen.

Hinweis: Es erfolgt also keine Subsumtion unter das einfache Recht, sondern (neben der Frage, ob die der Entscheidung zugrunde liegende Norm verfassungswidrig ist) nur ein Überprüfung dahingehend, ob ein Verstoß vorlieg gegen

  • Verfahrensgrundrechte

  • “materielle” Grundrechte

  • das Willkürverbot

Aufbau:

“Normale” Grundrechtsprüfung

Entscheidung:

  • in der Regel: Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung, § 95 II BVerfGG

  • evtl. wird die zugrunde liegende Norm für nichtig/unvereinbar erklärt, § 95 III 2 BVerfGG

Verletzung eines Freiheitsrechts als Abwehrrecht durch den Rechtsanwender

Prüfungsschema: “Begründetheit der Urteilsverfassungsbeschwerde”

I. Eingriff in den Schutzbereich durch Maßnahme des Rechtsanwenders

II. Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt

  1. Einschränkungsmöglichkeiten des Freiheitsrechts feststellen

    • Grundrecht unter Gesetzesvorbehalt: Einschränkungen durch oder aufgrund eines Gesetzes möglich

    • vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht: auch hier Einschränkung (nur) aufgrund eines Gesetzes möglich (entweder Erst-recht-Schluss gegenüber Grundrechten unter Gesetzesvorbehalt oder Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes)

  2. Grenzen der Einschränkungsmöglichkeit (= Vorgaben der Verfassung) eingehalten?

    a) Normprüfung

    aa) Gesetz vorhanden?

    bb) Gesetz wirksam? (“Rechtmäßigkeitsaufbau”)

    1. Gesetz formell verfassungsmäßig? (Gesetzgebungszuständigkeit und -verfahren)

    2. Gesetz materiell verfassungsmäßig? (Bsp. Bundesgesetz)

      • kein Verstoß gegen spezielle Artikel des Grundgesetzes

      • kein Verstoß gegen Art. 20, 28 GG (ggf.: Regelt das Gesetz den beabsichtigten Eingriffakt hinreichend bestimmt genug?)

      • kein Verstoß gegen Grundrechte (Einzelakt-unabhängige Grundrechtsprüfung!)

        1. Verletzt das Gesetz das durch den Einzelakt betroffene Grundrecht?

          • Greift auch das Gesetz (unabhängig vom Einzelakt) in den Schutzbereich des durch den Einzelakt betroffenen Grundrechts ein (“Eingriffsgesetz”)?

          • Wenn ja: Beachtet das Gesetz die Anforderungen des betroffenen Grundrechts?

            1. besondere Anforderungen?

              • Grundrecht mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt? -> Qualifikation eingehalten?

              • Vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht? -> Dient das Gesetz dem Schutz kollidierenden Verfassungsrechts?

            2. allgemeine Anforderungen?

              Kein Einzelfallgesetz (Art. 19 I 1 GG)/ Zitiergebot (Art. 19 I 2 GG)/ Wesensgehaltsgarantie (Art. 19 II GG)/ Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

        2. Verletzt das Gesetz andere Grundrechte?

    cc) ggf.: Ist das Gesetz für den Eingriff des Rechtsanwenders in das Grundrecht ausreichend?

    • Ist für die Einschränkung ein ausdrückliches “Eingriffsrecht” erforderlich? (uU vorziehen vor bb))

    • Wenn kein “Eingriffsgesetz” vorliegt: Genügt das Gesetz den Anforderungen des betroffenen Grundrechts?

      Grund: Der Rechtsanwender darf den Eingriff in das Grundrecht nur auf solche Gesetze stützen, die ihrerseits geeignet sind, den Anforderungen des Grundrechts gerecht zu werden.

    b) Urteil grundrechtskonform (nur Einhaltung der grundrechtsspezifischen Anforderungen)

    aa) Berücksichtigt der Einzelakt die besondere Anforderungen des Grundrechts?

    • Grundrecht mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt. Genügt die Maßnahme des Rechtsanwenders den Qualifikationen?

    • vorbehaltloses Grundrecht. Ergeht auch die Maßnahme des Rechtsanwenders zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts?

    bb) Verhältnismäßigkeit des Einzelakts?

Art. 2 I GG - Freie Entfaltung der Persönlichkeit - (1) Allgemeine Handlungsfreiheit

I. Anwendbarkeit

  1. Grundsatz

    jedenfalls (-), wenn die Maßnahme einen Eingriff in den Schutzbereich eines speziellen Grundrechts darstellt; zunehmend bereits dann (-), wenn die Maßnahme in den Schutzbereich eines speziellen Grundrechts fällt.

  2. Sonderproblem

    Rückgriff auf Art. 2 I GG möglich, wenn das Handeln zwar in den Regelungsbereich, wegen persönlicher oder sachlicher Beschränkungen aber nicht den Schutzbereich des speziellen Grundrechts fällt.

    a) Ausländer beruft sich auf Deutschengrundrecht

    h.M. Art. 2 I GG als Auffanggrundrecht anwendbar

    b) “Unfriedliche Versammlung”

    h.M. wohl (-), weil Verfassung solche Verhaltensweisen ausdrücklich nicht schützt

II. Eingriff in den Schutzbereich

  1. Schutzbereich

    • Anknüpfend an Entstehungsgeschichte und Entwurfsfassung “Jeder kann tun und lassen was er will” schützt Art. 2 I GG die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinn (std. Rspr. seit Elfes-Urteil)

    • Zudem schützt das Grundrecht vor der Belastung mit Nachteilen

      (Merke: hier liegt der Ansatz für die “Adressatentheorie” zur Bejahung der Klagebefugnis bei Anfechtungsklagen, § 42 II VwGO)

    • Bsp. unter anderem Ausreisefreiheit aus der BRD, da nach hM nicht von Art. 11 GG erfasst

  2. Eingriff

    • unmittelbar durch Gebote, Verbote etc.

    • faktisch/mittelbar problematisch, da wegen des weiten Schutzbereichs jede faktische/mittelbare Belastung zu einer Beeinträchtigung, der allgemeinen Handlungsfreiheit führt

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

  1. Einschränkungsmöglichkeit

    • Die allgemeine Handlungsfreiheit ist nur insoweit gewährleistet, als dadurch nicht Rechte Dritter verletzt bzw. gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen wird. Bei dieser sog. Schrankentrias handelt es sich nicht um eine Beschränkung des Schutzbereichs, sondern um Einschränkungsmöglichkeiten.

    • Praktische Bedeutung kommt nur der verfassungsmäßigen Ordnung zu. Dazu gehören die formell und materiell rechtmäßigen Rechtsnormen jeder Rangstufe (nach hL auch Gewohnheitsrecht) und die darauf gestützten rechtmäßigen Einzelmaßnahmen. Prüfung wie schlichter Gesetzesvorbehalt.

  2. grundrechtsspezifische Anforderungen an Eingriffsakte

    • Gesetz und Einzelakt müssen verhältnismäßig sein.

Art. 2 I GG - Freie Entfaltung der Persönlichkeit - (2) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

I. Eingriff in den Schutzbereich

Generell-abstrakte Beschreibung des Schutzbereichs schwierig. BVerfG nimmt Einzelbetrachtung vor. Wichtige Fallgruppen des APR sind:

  1. Schutz der Intim-/Privatsphäre (“Rückzugsmöglichkeit”; “Recht in Ruhe gelassen zu werden”)

    Zu den Bedingungen der Persönlichkeitsentfaltung gehört es, dass der einzelne einen Raum besitzt, in dem er unbeobachtet sich selbst überlassen ist oder mit Personen seines besonderen Vertrauens ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Verhaltenserwartungen und ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen verkehren kann.

    a) grds. Schutz der vertraulichen Kommunikation

    Bei Beschränkung des Art. 5 I GG durch Bestimmungen zum Schutz der Ehre, Art. 5 II GG, ist das APR zu beachten. Anwendungsfälle insbes. “beleidigungsfreier Raum”.

    b) grds. Schutz persönlicher Aufzeichnungen; Recht am eigenen Wort

    Bsp.: Tagebuchaufzeichnungen, heimliche Tonbandaufnahmen

  2. Schutz vor Erhebung/ Weitergabe privater Daten; Recht auf informationelle Selbstbestimmung

    Das APR schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter sowie anderer persönlicher (vertraulicher) Daten.

    Bsp.: DNA-Analyse, Krankenakte, Ehescheidungsakten

  3. Schutz des sozialen Geltungsanspruchs

    Recht des einzelnen darüber zu bestimmen, ob und wie er in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt. Relevant insbes. bei Kollision zwischen Art. 5 I GG (Presse- und Meinungsäußerungsfreiheit) bzw. Art. 5 III GG (Kunstfreiheit) und APR.

    Bsp.: Recht am eigenen Bild, Recht am eigenen Wort, Schutz der Ehre

  4. Schutz der personalen Identität und der freien Entfaltung der Persönlichkeit

    Bsp.: Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, Recht des Minderjährigen auf schuldenfreien Eintritt in die Volljährigkeit, Recht auf Resozialisierung

  5. iVm Art. 20 III GG (Rechtsstaatsprinzip)

    Keine Strafe ohne Schuld, Schutz vor schuldangemessener Bestrafung: Anspruch auf faires Verfahren.

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

  1. Einschränkungsmöglichkeit

    Es gelten die Einschränkungsmöglichkeiten des Art. 2 I GG. Zur “Korrektur” ist der Grundsatz vom Parlamentvorbehalt besonders zu beachten. Wesentliche Eingriffe (zB Datenerhebung) bedürfen einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung (eines “bereichsspezifischen” Eingriffsgesetzes).

  2. grundrechtsspezifische Anforderungen

    a) Der Kernbereich des APR bildet eine absolute Grenze für Eingriffe

    • Kernbereich der Ehre: ohne Verhältnismäßigkeitsabwägung unzulässig sind Meinungsäußerungen pp., die die Menschenwürde verletzen

    • Sphärentheorie des BVerfG: Ohne Verhältnismäßigkeitsprüfung unzulässig sind i.ü. Eingriffe in die Intimsphäre, als dem letzten und unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist. Bestimmung der Intimsphäre problematisch: nach BVerfG bei Tagebuchaufzeichnungen über Mord (-), weil Gedanken schriftlich niedergelegt und damit aus Innenbereich entlassen und weil Inhalt die Belange der Allgemeinheit nachhaltig berührt; krit. Lit.

    b) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

    Je intensiver der Grundrechtseingriff ist, um so bedeutsamer muss der verfolgte Zweck sein. Nach der Sphärentheorie sind Eingriffe in die Geheim- oder Privatsphäre unter strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes teilweise gestattet, während Eingriffe in die Sozialsphäre bei “schlichter” Verhältnismäßigkeit zulässig sind. Bei Datenerhebungen ist zu berücksichtigen, dass es heute angesichts der EDV-Möglichkeiten (Erstellung von Persönlichkeitsprofilen) kein “unverdächtiges” Datum mehr gibt.

Art. 10 GG - Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis

I. Schutzbereich

  1. persönlicher Schutzbereich

    Inhaber des Grundrechts sind die Kommunikationsteilnehmer (Absender und Empfänger), dh natürliche und inländische juristische Personen des Privatrechts (Art. 19 III GG).

    str.: ob auch die Kommunikationsmittler, insbes. Post und Telekom geschützt sind (Lit (+) wegen “grundrechtstypischer Gefährdungslage”)

  2. sachlicher Schutzbereich

    • Briefgeheimnis: Schutz des Briefverkehrs, außerhalb des Postbereichs gegen Kenntnisnahme der öffentlichen Gewalt vom Inhalt der Briefsendung; wenn ein Brief vorhanden ist (schriftliche Nachricht von Person zu Person, str. ob auch Postkarten (Rspr./hM (+), Lit. z.T. (-)), nicht: Postwurfsendungen); ausreichend bei verschlossenen Sendungen ist die Möglichkeit, dass es sich um individuelle Kommunikation handelt; geschützt auch äußere Umstände des Briefverkehrs (zB wer von wem wie oft Briefe erhält).

    • Postgeheimnis: der gesamte durch die Post übermittelte Verkehr, inkl. Zeitungen, Pakete, Warenproben, unverschlossene Sendungen, Sendungen im Postfach; nicht: Postdienste, die auf unkörperlicher Übermittlung beruhen, geschützt auch äußere Umstände des Postverkehrs.

    • Fernmeldegeheimnis (auch Telekommunikationsgeheimnis genannt): alle mittels der Fernmeldetechnik ausgetauschten Kommunikationen (Telekommunikation), inkl. Kommunikationsumstände, zB Telefon-, Telegramm- und Telefaxverkehr, Übertragung mit PC einschließlich interne Netze

      Wesentliche Kriterien: Verwendung elektrischer Wellen, individueller Inhalt (daher nicht: Rundfunkübertragung, Internetseiten); Fernmeldegeheimnis ist entwicklungsoffen und umfasst nicht nur die bei Entstehung des Gesetzes bekannten Arten der Nachrichtenübertragung, sondern auch neuartige Übertragungstechniken; Fernmeldeverkehr im Ausland wird jedenfalls dann erfasst, wenn die Aufzeichnung oder die Ausweitung in Deutschland erfolgt.

      Beachte: Der Schutz endet in dem Zeitpunkt, in dem die Information beim Empfänger eingetroffen ist.

II. Eingriff

Möglich durch alle Staatsorgane (Art. 1 III GG), unmittelbare Grundrechtsbindung von Post und Telekom (hM (+))

Eingriffe: Kenntnisnahme der öffentlichen Gewalt vom Inhalt eines Kommunikationsvorgangs oder der Begleitumstände, sowie die Verwertung und der weitere Gebrauch der gewonnenen Erkenntnisse

kein Eingriff: Verhinderung der Kommunikation (geschützt über Art. 2 I, 5 I GG); wenn einer der Kommunikationspartner Dritte mithören lässt (allerdings Eingriff bejaht, wenn der Empfänger eine Fangschaltung des Übermittlers veranlasst); beim Abhören von Telefongesprächen in Wohnungen liegt der Schwerpunkt der Problematik beim Eindringen in die räumliche Privatsphäre, so dass Art. 13 GG Prüfungsmaßstab ist.

Verzicht: durch Einwilligung der Teilnehmer

III. Einschränkungsmöglichkeit

Art. 10 II 1 GG: Gesetzesvorbehalt (zB §§ 94, 99, 100a StPO, § 90 TKG; zulässig auch Überwachung des Briefverkehrs von Strafgefangenen/ Untersuchungshäftlingen); Zitiergebot, Art. 19 I 2 GG

Art. 10 II 2 GG: Staatsschutzklausel - Eingriffe zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes müssen dem Betroffenen nicht mitgeteilt werden und können vom Rechtsweg ausgeschlossen werden, wenn stattdessen eine Kommission des Bundestages informiert wird.

Das BVerfG hat sich für die Verfassungsmäßigkeit des Art. 10 II 2 GG ausgesprochen, die Ermächtigung ist aber eng auszulegen und nur nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips anzuwenden.

Art 12 I GG - Berufsfreiheit

I. Eingriff in den Schutzbereich

  1. Schutzbereich:

    a) sachlicher Schutzbereich

    Nach hM ergibt sich das den Freiheiten des Art. 12 I GG ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit.

    Beruf: jede auf Dauer angelegte, der Schaffung/ Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Betätigung

    • Problem: str., ob zusätzlich erforderlich, dass Tätigkeit erlaubt, dh nicht generell verboten ist.

      • Rspr.: Beruf (-) bei sozial- und gemeinschaftsschädlichen Verhalten

      • a.A.: unzulässige Beschränkung des Schutzbereichs; zu prüfen ist, ob Tätigkeit unabhängig von beruflicher Ausübung verboten (dann idR kein Eingriff), andernfalls ob Verbot verfassungsrechtlich gerechtfertigt, insbesondere verhältnismäßig ist

    • auch Doppel- und Nebenberufe sowie nach hLit. Nebentätigkeiten, jedenfalls wenn sie objektiv einen Beitrag zur Schaffung oder Erhaltung der Lebengrundlage leisten.

      Tätigkeiten im öffentlichen Dienst: nach BVerfG zwar Beruf iSv Art. 12 I GG; bzgl. Zugang enthält Art. 33 II GG eine Sonderregelung, die sich gegen Art. 12 GG fast vollständig durchsetzt. Wegen der staatlichen Organisationsgewalt reduziert Art. 33 II GG den Schutzbereich des Art. 12 I GG bzgl. der Berufswahl auf ein Recht auf gleichen Zugang.

    • staatlich gebundene Berufe (zB Notare): Art. 12 GG (+) - idR aber nur Schutz bzgl. Art und Weise der Vergabe, nicht bzgl. Zahl der Stellen

    b) Gewährleistungen

    geschützt sind Berufswahl und Berufsausübung sowie die freie Wahl des Arbeitsplatzes

    c) persönlicher Schutzbereich

    Deutschengrundrecht

  2. Eingriff

    • unmittelbar: Regelungen betreffen das “Ob” oder “Wie” des Berufes

    • mittelbar: (1) Regelungen mit objektiv berufsregelnder Tendenz, dh bei Regelungen, die ausschließlich oder im Wesentlichen nur auf berufliche Tätigkeiten anwendbar sind; (2) bei Realakten, wenn sie zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung führen und/oder vorhersehbar sind

    • Sonderfall Wettbewerbsfreiheit: nach huete hM von Art. 12 I GG erfasst; Abwehr privater Konkurrenten nicht geschützt, weil zugunsten der Konkurrenten Art. 12 I GG gilt. Förderung privater Konkurrenten oder eigene wirtschaftliche Tätigkeit durch Hoheitsträger stellt (mittelbaren) Eingriff nur bei schwerwiegender Beeinträchtigung dar (Auszehrungs-/Verdrängungswettbewerb)

II. Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt

  1. Einschränkungsmöglichkeit

    Das einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit steht - entgegen dem eindeutigen Wortlaut des Art. 12 I 2 GG, der Regelungen nur für die Berufsausübung vorsieht - unter einem einheitlichen Regelungsvorbehalt.

  2. Grenzen der Einschränkungsmöglichkeit

    Für Parlamentsgesetze gelten (nur) die allgemeinen Grundrechtsanforderungen; das Zitiergebot gilt nicht, weil keine “Einschränkung”, sondern “Regelung”; entscheidend ist die Verhältnismäßigkeit. Fr sonstige Akte gilt: Sie müssen verhältnismäßig sein.

Art. 8 GG - Versammlungsfreiheit

I. Schutzbereich

  1. sachlich

    a) Leitbegriff “sich versammeln” (Versammlung)

    1. Zusammenkunft mehrerer Personen (hM: min. 2)

    2. zu einem gemeinsamen Zweck, der die Zusammenkommenden eint (sonst bloße Ansammlung, zB Schaulustige nach einem Unfall)

    3. Anforderungen an den Zweck str. (verschiedene Versammlungsbegriffe):

      • mM1: weiter Versammlungsbegriff - Jeder beliebige Zweck (Begründung: Art. 8 I GG ergänzt Art. 2 I 1 GG und gewährleistet das Zusammensein mit anderen Menschen)

      • mM2: erweiterter Versammlungsbegriff - Gemeinsame Meinungsbildung/ -äußerung jeder Art

      • BVerfG: enger Versammlungsbegriff - Teilhabe an der Meinungsbildung in öffentlichen Angelegenheiten, nicht reine Volksfeste und Vergnügungsveranstaltungen (“Love-Parade”). Bei gemischten Veranstaltungen (Meinungsbildung mit Unterhaltung) ist entscheidend, ob sie ihrem Gesamtgepräge nach eine Versammlung sind; im Zweifel für Versammlung

    b) friedlich

    enge Auslegung: die Versammlung darf keinen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nehmen (vgl. §§ 5 Nr. 3, 13 1 Nr. 2 VersG). Abzustellen ist auf die Versammlungsleitung bzw. auf die Mehrzahl der Teilnehmer.

    c) ohne Waffen

    Waggen iSd § 1 WaffenG (bloßes Mitführen reicht aus) sowie gefährliche Werkzeuge, wenn sie zum Zwecke des Einsatzes mitgeführt werden. Reine Schutzgegenstände stellen keine Waffen dar.

  2. Gewährleistungen

    • Organisation der Versammlung - für die Behörde besteht grds. die Pflicht zur Kooperation. Bestimmungen von Zeit, Thema, innerer Ordnung. Freie Wahl des Versammlungsortes auf öffentlichen Straßen und Plätzen sowie an Orten in öffentlicher Hand, die tatsächlich für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich sind (“FraPort”). Bei Bereitstellung eines öffentliche Formus kann u.U. auch ein privater Eigentümer zur Duldung verpflichtet sein (mittelbare Drittwirkung). I.Ü. nur an solchen Orten, über die der Veranstalter verfügen kann.

    • Teilnahme (aber nicht zum Zwecke der Verhinderung der Versammlung); An- und Abreise

    • Kein Leistungsrecht: zB auf Zahlung der Anreisekosten durch die Sozialhilfe

    • Anspruch auf Schutz der Versammlung gegen Störungen durch Dritte

  3. persönlich: Deutschengrundrecht

  4. Konkurrenz zu Art. 5 I GG

    Die Versammlungsfreiheit ergänzt die Meinungsfreiheit “ nach der kollektiven Seite hin”; Maßnahmen wegen des Inhalts der Versammlung sind nur zulässig, wenn sie nach Art. 5 II GG zulässig wären (der Schutz der Meinung in einer Versammlung ist nicht geringer als außerhalb der Versammlung). Art. 8 GG schützt dementsprechend die Form der Meinungsäußerung auf Versammlungen (“versammlungsspezifische Tätigkeiten”).

II. Eingriffe

Eingriffe sind zum einen die Art. 8 I GG genannten Fälle (Anmelde- oder Erlaubnispflicht). Darüber hinaus: Verbot, Auflösung und sonstige Beschränkungen. Auch: Registrierung von Teilnehmern, Videoaufzeichnungen und andere Einschüchterungen.

III. Rechtfertigung von Eingriffen

Versammlungen unter freiem Himmel

  1. Einschränkungsmöglichkeit: schlichter Gesetzesvorbehalt Art. 8 II GG; aber Parallele zu Art. 5 II GG “allgemeine Gesetze”: Ausübung der Versammlungsfreiheit darf nur zum Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit begrenzt werden.

  2. Grundrechtsspezifische Anforderungen an Grundrechtsbeschränkung eingehalten?

    a) Norm: (1) Schutz gleichgewichtiger anderer Rechtsgüter (2) Art. 19 GG, strikte Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

    b) Einzelakt: (1) Schutz eines gleichgewichtigen anderen Rechtsgutes (2) strikte Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

Versammlungen in geschlossenen Räumen

  1. Einschränkungsmöglichkeit: Nach Wortlaut vorbehaltlos gewährleistet; Beschränkungen nur zulässig zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts.

  2. Grundrechtsspezifische Anforderungen an Grundrechtsbeschränkung eingehalten?

    a) Norm: (1) Schutz kollidierenden Verfassungsrechts (2) Beachtung der Verhältnismäßigkeit. Art. 19 I 2 GG gilt nicht, weil nur grundrechtsimmanente Schranken konkretisiert werden.

    b) Einzelakt: (1) Schutz kollidierenden Verfassungsrechts (2) Beachtung der Verhältnismäßigkeit

Die Freiheiten des Art. 5 I GG

A. Meinungsäußerungsfreiheit Art. 5 I 1, 1. Fall GG

I. Schutzbereich

  1. Meinung

    Meinung ist ein Werturteil in einem weiten Sinn. Sie ist geprägt durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens. Von der Meinung zu unterscheiden ist die Tatsachenbehauptung. Sie ist geschützt, wenn sie - wie in den meisten Fällen - mit einer Wertung verbunden oder Voraussetzung für eine Bewertung, also meinungsbezogen ist. In Grenzfällen ist vom Vorliegen einer Meinung auszugehen. Geschützt ist auch das Recht, seine Meinung nicht zu äußern (negative Meinungsfreiheit).

  2. Problemfälle bei Schutzbereicheröffnung:

    a) Tatsachen, die bewusst oder erwiesen unwahr sind, sind nicht geschützt

    b) Werbeaussagen (bspw. Schockwerbung/ Benetton/ “HIV-positiv”) können vom Schutzbereich erfasst sein. Meinungs- und Berufsfreiheit betreffen unterschiedliche Lebensbereiche, keine Unterscheidung zwischen hehren und weniger schutzwürdigen Meinungsäußerungen

    c) “Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit” Negative Meinungsäußerungsfreiheit nicht betroffen, da für jeden Außenstehenden erkennbar ist, dass dies nicht die “Meinung” des Zigarettenherstellers ist.

    d) Boykottaufrufe sind geschützt, wenn sie friedlich erfolgen; nicht, wenn sie gewaltsam oder in Ausübung wirtschaftlichen Drucks erfolgen. Arg. Meinungskundgabe ist allein als Mittel des geistigen Meinungskampfs geschützt.

    e) Auch Schmähkritik ist erfasst, stellt aber zwangsläufig eine Grundrechtsverletzung des anderen dar

II. Eingriff

Jede Anordnung der öffentlichen Gewalt, die Meinungsäußerung o. -verbreitung verbietet, behindert, sanktioniert o. gebietet zB zivilrechtliche Verurteilung zur Unterlassung einer Aussage/ Zahlung von Schmerzensgeld, strafrechtl. Verurteilung wg. Beleidigung

B. Informationsfreiheit Art. 5 I 1, 2. Fall GG

  1. “Informationsquelle”

    alle denkbaren Informationsträger, auch das Ergebnis selbst

  2. “allgemein zugänglich”

    ist die Informationsquelle, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (bspw. Massenkommunikationsmittel wie Zeitung, Runfunk, Fernsehen, Internet). Geschützt ist auch der Bezug ausländischer Zeitungen und der Empfang ausländischer Sender (einschließlich der Anbringung von Parabolantennen)

C. Pressefreiheit Art. 5 I 2, 1. Fall GG

  1. “Presse”

    alle zur Verbreitung an einen bestimmten Personenkreis geeignete und bestimmte Druckerzeugnisse. Geschützt wreden alle wesensmäßig mit der Pressarbeit zusammenhängenden Tätigkeiten von der Beschaffung der Information über das Herstellen des Presseerzeugnisses bis zum Ausliefern und Verteilen. Geschützt ist auch der Anzeigenteil.

  2. Bsp. für Eingriffe

    Verbot der Berufsausübung als Redakteur, Beschlagnahme von Zeitungen o. redaktionellen Unterlagen, Durchsuchung von Redaktionsräumen, Erzwingung von Aussagen über vertrauliche Vorgänge im Pressebereich (Informantenschutz)

D. Rundfunkberichterstattung Art. 5 I 2, 2. Fall GG

“Rundfunk” = Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art für einen unbestimmten Personenkreis mit Hilfe elektrischer Schwingungen (“Hör” - und “Fernseh”-Rundfunk). Auch zur Rundfunkfreiheit gehört der Schutz der Berichterstattung von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung.

E. Filmberichterstattung Art. 5 I 2, 3. Fall GG

“Film” = Übermittlung von Gedankeninhalten durch Bilderreihen, die zur Projektierung bestimmt sind. Filmfreiheit schützt deshalb vor allem berichterstattende Filme (Abgrenzung zur Kunstfreiheit).

F. Konkurrenzen von Art. 5 I GG

I. “Interne Konkurrenzen”

  • Die Pressefreiheit ist kein Spezialfall der Meinungsfreiheit. Für Schutz von Meinungsäußerungen bleibt es, auch wenn sie in der Presse publiziert werden, bei Art. 5 I 1, 1. Fall GG.

    Die Pressefreiheit kommt aber zum Tragen, wenn es um die einzelnen Meinungsäußerungen übersteigende Bedeutung der Presse für die freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung geht, um die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion, um ein Presseerzeugnis selbst, oder um die institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen der Presse.

    Ein Presseunternehmen kann darüber hinaus im Rahmen der Pressefreiheit die Beeinträchtigung der Meinung eines Dritten geltend machen.

  • Die Runfunkberichterstattungsfreiheit ist ebenfalls kein Spezialfall der Meinungsfreiheit, Abgrenzung wie Pressefreiheit. Die Empfänger der Rundfunksendungen werden allein durch die Informationsfreiheit geschützt.

  • Die Pressefreiheit ist kein Spezialfall der Informationsfreiheit, da sie die Beschaffung von Informationen nicht nur aus allgemein zugänglichen Quellen, sondern auch durch besondere Recherchen, Beobachtungen, Interviews etc. umfasst -> Idealkonkurrenz

  • Rundfunkfreiheit - Informationsfreiheit BVerfGE: “Soweit die Medien an der Zugänglichkeit einer für jedermann geöffneten Informationsquelle teilhaben, wird der Zugang durch die Informationsfreiheit des Art. 5 I 1 GG geschützt, das heißt für Medien nicht grundsätzlich anders als für die Bürger allgemein. Die Nutzung rundfunkspezifischer Aufnahme- und Übertragungsgeräte mit Hilfe des Rundfunks wird demgegenüber von der insoweit spezielleren Rundfunkfreiheit erfasst.”

II. Konkurrenzen zu anderen Grundrechten

  • Art. 4 GG: Glaubensfreiheit ist lex specialis gegenüber Art. 5 GG, sofern es um durch die religiöse Überzeugun gebotene Auffassungen geht.

  • Art. 5 III GG: Kunstfreiheit und Wissenschaftsfreiheit sind gegenüber den Freiheiten des Art. 5 I GG nach h.M. leges speziales (Bsp.: Soweit es sich bei einem Film um ein Kunstwerk handelt greift Art. 5 III GG)

  • Art. 8 GG: Die Versammlungsfreiheit schützt nur die versammlungsspezfische Tätigkeit, deshalb Idealkonkurrenz mit Art. 5 I, III GG möglich

  • Art. 12 GG: bspw. Wirtschaftswerbung h.M. Idealkonkurrenz

verfassungsrechtliche Rechtfertigung, Art. 5 II GG

  1. Einschränkungsmöglichkeiten: Art. 5 II GG

    • allgemeine Gesetze

    • Jugendschutz

    • Ehrschutz

    • u.U. kollidierendes Verfassungsrecht

  2. Grenzen der Einschränkungsmöglichkeit beachtet

    a) besondere Anforderungen:

    Wichtig ist insbesondere die Einschränkungsmöglichkeit durch “allgemeine Gesetze”. Dabei handelt es sich unstreitig nicht um einen schlichten, sondern einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt, da ansonsten die weiteren Einschränkungsmöglichkeiten “Jugend- und Ehrschutz” keinen Sinn ergäben. Das BVerfG kombiniert eine formelle und eine materielle Theorie und prüft 2-stufig.

    aa) Nach der sog. formellen (Sonderrechts-) Theorie

    sind allgemeine Gesetze nur solche, die sich nicht gegen die grundrechtliche Betätigung als solche (bei der Meinungsäußerungsfreiheit insbesondere nicht inhaltlich gegen bestimmte Meinungen) richten.

    bb) Die materielle Theorie

    sieht Gesetze dann als “allgemeine” Gesetze an, wenn sie dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf die Grundrechte aus Art. 5 I GG, zu schützenden Rechtsgutes dienen. Dieses Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Ausübung der Grundrechte des Art. 5 I GG oder auf andere Weise verletzt werden kann.

    Dabei erfolgt eine vorgezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung (Güterabwägung) um der Gefahr zu begegnen, dass das in Art. 5 I GG geschützte Rechtsgut jedem anderen Rechtsgut weichen muss. Dabei ist eine Wechselwirkung zu berücksichtigen: Die beschränkenden Gesetze müssen mit Rücksicht auf die besondere Bedeutung der Grundrechte aus Art. 5 I GG im freiheitlichen demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden.

    • Ein Problem stellen Normen dar, die - wie zB §§ 86 I Nr. 4, 86a StGB - auf den ersten Blick meinungsdiskriminierendes Sonderrecht darstellen. Das BVerfG prüft in diesen Fällen (nach formelhafter Erwähnung der formellen Theorie) nur die materielle Theorie. Andernfalls ließen sich solche Gesetze nur aus Gründen des Ehrschutzes oder zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts rechtfertigen.

    b) allgemeine Anforderungen:

    Bei allgemeinen Gesetzen gilt Art. 19 I 2 GG nicht; die Verhältnismäßigkeit wurde bereits bei der Frage erörtert, ob es sich bei dem Gesetz um ein “allgemeines Gesetz” iSd materiellen Theorie handelt.

  3. Die qualifizierten Anforderungen gelten wie stets auch für den grundrechtsbeschränkenden Einzelakt. Im Falle einer Einschränkung durch ein allgemeines Gesetz bedeutet dies, dass es sich um einen “allgemeinen Einzelakt” handeln muss, er sich also nicht gegen die grundrechtliche Betätigung als solche richten darf und dem Schutz eines schlechthin zu schützenden Rechtsgutes dienen muss (Güterabwägung im Einzelfall).

  4. Das BVerfG hat für ehrenrührige Äußerungen bestimmte Vorzugsregeln entwickelt:

    a) Werturteil

    aa) beinhaltet Menschenwürdeverstoß, Formalbeleidigung oder Schmähkritik: Vorrang des Ehrschutzes

    bb) ist schlicht herabsetzend -> Abwägung: Handelt es sich um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage -> Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede (sog. Lüth-Formel)

    b) Meinungserhebliche Tatsachenbehauptung

    aa) unwahr (unbewusst oder nicht bereits erwiesen, da sonst schon Schutzbereich (-)):

    • sorgfaltswidrig: Vorrang des Ehrschutzes

    • nicht sorgfaltswidrig: Abwägung

    bb) wahr:

    • Intimsphäre betroffen: Vorrang des Ehrschutzes

    • Sozialsphäre betroffen: Abwägung

Art. 5 III GG - Kunstfreiheit

Schutzbereich

  1. Der sachliche Schutzbereich ist definiert durch den Leitbegriff “Kunst”:

    1. Merksatz: Kunst muss definiert werden, denn was der Staat nicht definieren kann, das kann er auch nicht schützen.

    BVerfGE: “Ungeachtet der Schwierigkeit, Kunst generell zu definieren, gebietet es die verfassungsrechtliche Verbürgung dieser Freiheit, ihren Schutzbereich bei der konkreten Rechtsanwendung zu bestimmen. Die Grundanforderungen künstlerischer Tätigkeit festzulegen, ist daher auch durch Art. 5 III 1 GG nicht verboten, sondern verfassungsrechtlich geboten.”

    2. Merksatz: Zulässig ist nur eine Unterscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst, nicht aber zwischen “guter” und “schlechter” Kunst. Der nach den Leitmotiven des GG weltanschaulich neutrale Straat hat sich auch ästhetisch neutral zu verhalten.

    BVerfGE: “Erlaubt und notwendig ist nur die Unterscheidung zwischen Kunst und Nichtkunst; eine Niveaukontrolle, also eine Differenzierung zwischen “höherer” und “niederer”, “guter” und “schlechter” (und deshalb nicht oder weniger schutzwürdiger) Kunst, liefe demgegenüber auf eine verfassungsrechtlich unstatthafte Inhaltskontrolle hinaus”. - Der Merksatz betrifft die Ebene des Schutzbereichs. Danach kann auch Pornographie Kunst sein. Bei der Prüfung der Einschränkungsmöglichkeit darf dann aber auch auf die Art der Kunst abgestellt werden, so dass pornografische Kunst im Einzelfall zugunsten des Jugendschutzes eingeschränkt werden kann.

    3. Merksatz: Es gibt keine einheitliche Definition der Kunst. Das BVerfG prüft das Vorliegen von Kunst im wesentlichen unter 3 alternativen Aspekten

    1. formeller Kunstbegriff: das Werk, weist die GEstaltungsmerkmale eines bestimmten Werktyps auf (zB Malerei, Bildhauerei, Dichtung, Parodie, Karikatur, Theaterspiel usw.)

    2. materieller Kunstbegriff: künstlerische Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der der Künstler seine Eindrück, Erfahrungen und Erlebnisse durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung bringt. Sie ist “unmittelbarster” Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers

    3. offener Kunstbegriff: das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung besteht darin, dass sie wegen der Mannigfaltigkeit ihrer Aussage ständig neue, weiterreichende Interpretationen zulässt. Ein Kunstwerk liegt danach vor, wenn das Werk interpretationsfähig und interpretationsbedürftig und vielfältigen Interpretationen zugänglich ist; mit anderen Worten dem Werk immer neue und andere Bedeutungen, Sinnbezüge und formale Qualitäten entnommen werden können, das Werk also nie zu Ende zu interpretieren ist. “Demgegenüber hebt sich das nichtkünstlerische Werk durch eindeutige Begrenzbarkeit, rasche Durchschaubarkeit und “fraglose” Aussagen und Formen ab, so dass jedes weitere Nachsinnen oder Forschen überflüssig erscheint.”

    • Daneben wird zum Teil noch auf den Willen des Grundrechtsträgers abgestellt, ob er also selbst überhaupt “Kunst” ausüben will (“Keine Kunst wider Willen”) sowie auf das Kriterium der Drittanerkennung, ob ein in Kunstfragen kompetenter Dritter es für vertretbar hält, den Gegenstand als Kunstwerk anzusehen.

  2. Gewährleistungen

    Geschützt wird sowohl die künstlerische Betätigung (sog. Werkbereich), als auch die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks in der Öffentlichkeit (sog. Wirkbereich).

    Der Wirkbereich schützt nicht nur den schaffenden Künstler. Geschützt werden auch Handlungen Dritter, die eine “unentbehrliche Mittlerfunktion” zwischen Künstler und Publikum ausüben (Werbung für Kunst, Verbreitung von Kunst (Verleger, Schallplattenhersteller) sowie das Darbieten von Kunstwerken, gleichgültig, ob es sich um eigene oder fremde Kunstschöpfungen handelt (zB das Aufstellen von Skulpturen im Garten durch den Erwerber).

    Umstritten ist, ob in Einzelfällen kollidierendes Verfassungsrecht schon den Schutzbereich begrenzt. BVerfG: “Die Kunstfreiheit erstreckt sich von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme fremden Eigentums.” Folge: Verbote oder Ahndung derartigen Verhaltens stellen schon keinen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 III GG dar. Inwieweit sich diese Rechtsprechung auf Beeinträchtigung anderer grundrechtlicher Rechte (zB Ehre) übertragen lässt, ist unklar. Vorzugswürdig ist grds. eine Abwägung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.

Einschränkungsmöglichkeiten

  • Art. 5 III 1 GG ist nach seinem Wortlaut vorbehaltlos gewährleistet.

  • Allerdings kann auch die Kunstfreiheit zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts eingeschränkt werden. Dies gilt namentlich für das durch Art. 2 I iVm Art. 1 I GG geschützte Persönlichkeitsrecht. Allerdings zieht die Kunstfreiheit ihrerseits diesen Rechten Grenzen. Eingriffe in die Kunstfreiheit sind demnach nur gerechtfertigt, wenn sie zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts erforderlich und angemessen sind.

Die Freiheiten des Art. 4 GG - Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Gewissensfreiheit, Recht zur Kriegsdienstverweigerung

A. Struktur des Art. 4 GG

Art. 4 I und II GG zählen zum einen - zT historisch bedingt - verschiedene Ausprägungen der Religions-/Glaubensfreiheit aus, die um die Weltanschauungsfreiheit ergänzt werden. Da sich die Freiheiten zT überschneiten, werden sie allgemein zu einem einheitlichen Grundrecht der Religions-/Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit iSd Art. 4 I, II GG zusammengefasst. Zum anderen schützt Art. 4 I (2. Fall) GG die Gewissensfreiheit und Art. 4 III GG das Recht zur Kriegsdienstverweigerung. Damit gewährleistet Art. 4 GG insgesamt 3. Grundrechte, die sich wie folgt zusammensetzen:

Art. 4 I (1. und 3. Fall), 4 II GG: Religionsfreiheit und Weltanschauungsfreiheit

Art. 4 I (1. Fall) GG: Glaubensfreiheit: Innere Einstellung (forum internum)

Geschützt wird (positiv) das Haben und negativ das Nichthaben(-wollen) sowohl einer religiösen als auch (arg. ex Art. 4 I (3. Fall) GG) einer weltanschaulichen Überzeugung.

Art. 4 I (3. Fall) GG: Bekenntnisfreiheit (forum externum)

umfasst das Recht zum Äußern der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung.

Art. 4 II GG: Religionsausübungsfreiheit

Schützt nicht nur die Vornahme von und Teilnahme an kultischen Handlungen sondern auch das Recht zum Leben entsprechend der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung.

Art. 4 I (2. Fall) GG: Gewissensfreiheit

Art. 4 I (2. Fall) GG: Gewissenfreiheit; Innere Einstellung (forum internum)

Geschützt wird der menschliche Innenbereich der Gewissensbildung

Nach ganz hM auch forum externum geschützt, da Art. 4 I (2. Fall) GG, sonst leerlaufen würde.

Art. 4 III GG: Recht zur Kriegsdienstverweigerung

Art. 4 III GG: Recht zur Kriegsdienstverweigerung

Spezialfall des Handelns entsprechend einer Gewissensentscheidung.

B. Spezialfall: Recht der Kriegsdienstverweigerung, Art. 4 III GG

I. Eingriff in den Schutzbereich

  • “Kriegsdienst” ist Dienst mit der Waffe auch im Frieden. Grund: Nach Art. 12a II GG soll der Ersatzdienst gerade an die Stelle des Wehrdienstes im Frieden treten. I.ü. wäre Ausbildung im Wehrdienst sinnlos, wenn der Betreffende im Krieg dann nicht eingesetzt werden darf. “Dienst mit der Waffe” ist nicht nur der (mögliche) unmittelbare Waffeneinsatz, sondern auch die Unterstützung der Waffenanwendung anderer.

  • “gegen sein Gewissen”. Der Begriff des Gewissens entspricht dem in Art. 4 I GG. Nach BVerfG muss sich die Gewissensentscheidung gem. Art. 4 III GG gegen das Töten im Kriege “schlechthin” wenden. Danach ist nicht geschützt die sog. situationsbedingte Kriegsdienstverweigerung, dh, wenn der Betroffene lediglich die Teilnahme an einzelnen, näher bestimmten Kriegen ablehnt.

  • Eine “Totalverweigerung” (=Verweigerung nicht nur des Wehrdienstes, sondern auch des Ersatzdienstes) ist nach hM grds. nicht möglich. Begründung unterschiedlich:

    1. Nach BVerfG und Teil der Lit. ist ein Recht zur Verweigerung des Ersatzdienstes grundrechtlich schon nicht gewährleistet. Grund: Art. 4 III GG gilt ausdrücklich nur für den Kriegsdienst: kein Rückgriff auf Art. 4 I GG (Gewissensfreiheit), weil Art. 4 III GG insoweit eine Spezialregelung darstellt.

    2. Nach aA wird Totalverweigerung vom Schutzbereich des Art. 4 I GG erfasst; die Gewissensfreiheit wird aber durch kollidierende Verfassungsrecht beschränkt.

  • Eingriff: Das Verwaltungsverfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer stellt grds. keinen Eingriff dar. Da sich die Gewissensentscheidung nach Art. 4 III GG auf ein bestimmtes Wertkonzept beziehen muss, darf nachgeprüft werden, ob der Entscheidung ein solches Konzept zugrunde liegt. Von Art. 4 I und III GG wird die “freie”, nicht aber die “heimliche” Gewissensentscheidung geschützt; insoweit trifft den (an sich) Wehrpflichtigen eine “Darlegungslast”.

II. Einschränkungsmöglichkeiten: Kein Gesetzesvorbehalt

Der Regelungsvorbehalt in Art. 4 III 2 GG berechtigt allein zur - insbesondere verfahrenstechnischen - Ausgestaltung des Rechts aus Art. 4 III 1 GG, gestattet also keine sachliche Einschränkung des Grundrechts. Vorgaben für den Ersatzdienst machen Art. 12a II, III GG.

C. Religions- und Weltanschauungsfreiheit, Art. 4 I, II GG

I. Eingriff in den Schutzbereich

  1. sachlicher Schutzbereich

    Die Freiheit des Glaubens schützt sowohl die religiöse als auch die weltanschauliche Überzeugung. “Glauben” liegt nicht bereits bei einem “Führwahrhalten” einzelner Umstände vor, sondern bezieht sich auf eine Gesamtsicht der Welt (gewisse Umfänglichkeit und Geschlossenheit eines Sinnystems) wobei, Religion idR die Existenz einer (wie auch immer gearteten) Gottesvorstellung voraussetzt, während sich die Weltanschauung auf sonstige metaphysische oder innerweltliche (“immanente”) Bezüge beschränkt. In Zweifelsfällen bedarf es keiner näheren Zuordnung, weil die Weltanschauung der Religion in Art. 4 I GG rechtlich gleichgestellt ist.

    Eine wirtschaftliche Betätigung der Religionsgemeinschaft schließt Art. 4 GG grds. nicht aus, da die Gemeinschaften für ihre Tätigkeit auf Geldmittel angewiesen sind. Der Schutz entfällt erst dann, wenn die Religion/Weltanschauung nur als Vorwand für eine wirtschaftliche Betätigung dient und ausschließlich wirtschaftliche Interessen verfolgt werden.

  2. Gewährleistungen

    a) Individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit

    Positiv: Recht des Einzelnen, einen Glauben/ eine Weltanschauung zu bilden, zu haben, zu bekennen und sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens/ seiner Weltanschauung auszurichten.

    Negativ: das Nichthaben, das Verschweigen eines Glaubens (-> Art. 140 GG iVm Art. 136 III WRV), das Unterlassen glaubensgeleiteter Handlungen (-> Art. 140 GG iVm Art. 136 IV WRV). das Recht sich des Einflusses von Religionen zu entziehen. Bei Handlungen und Unterlassungen ist stets zu prüfen, ob sie ernsthaft und plausibel glaubensgeleitet sind.

    b) Kollektive Religions- und Weltanschauungsfreiheit

    • Über Art. 19 III GG können religiöse/weltanschauliche Vereinigungen Art. 4 GG als eigenes Recht geltend machen Grundrechtsberechtigt sind nicht nur die als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierte Kirchen/ Religionsgesellschaften, sondern auch die gegenüber den Kirchen verselbstständigten Vereinigungen wie zB nichtrechtsfähige katholische Jugendvereine.

    • Art. 140 GG iVm Art. 137 V WRV ermöglicht die Zuerkennung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

    • Art. 140 GG iVm Art. 137 III WRV gewährleistet das über Art. 4 GG hinausgehende Recht zur Selbstverwaltung.

  3. Eingriffe

    a) in die individuelle Religions- und Weltanschauungsfreiheit

    stellen insbesondere alle staatlichen Verpflichtungen zu einem Handeln oder Unterlassen dar, das gegen eine Glaubensposition des einzelnen oder der Gemeinschaft verstößt. Erforderlich ist, dass der Glaube ein entsprechendes Verhalten ge- oder verbietet und der Staat dem einzelnen ohne Ausweichmöglichkeit den Verstoß gegen den Glaubenssatz abverlangt.

    (-), wenn der Staat etwas verbietet, was der Glaube lediglich erlaubt (zB Vielehe); (+) bei Pflicht zur Teilnahme am Sportunterricht, wenn dies mit islamischen Bekleidungsvorschriften unvereinbar

    b) in die kollektive Religions- und Weltanschauungsfreiheit

    zB staatliche oder staatlich geförderte Warnungen vor einer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft; Verbot des sakralen Läutens

III. Einschränkungsmöglichkeiten

  1. der individuellen Religions- und Weltanschauungsfreiheit

    a) Art. 140 GG iVm Art. 136 III 2 WRV: Offenbarungszwang gegenüber Behörden

    b) iÜ ist Art. 4 I GG nur einschränkbar zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts

    in der Lit. wird zT vertreten, dass die Galubensfreiheit gem. Art. 140 GG iVm Art. 136 I WRV dem Vorbehalt allgemeiner Gesetze, insbesondere der Strafgesetze unterliegt. Nach BVerfG und Teilen der Lit. wird Art. 136 I WRV hingegen durch Art. 4 I/II GG überlagert. Dafür spricht, dass Art. 4 GG - anders als sein Vorgänger Art. 135 WRV - vorbehaltlos gewährleistet ist; darüber hinaus ist kein Grund ersichtlich, warum die Religionsfreiheit anders als die Gewissensfreiheit über Art. 136 I WRV einschränkbar sein soll.

  2. der kollektiven Religions- und Weltanschauungsfreiheit

    finden sich insbesondere bzgl. der Selbstverwaltungsgarantie in Art. 140 GG iVm Art. 137 III 1 WRV

D. Gewissensfreiheit

I. Eingriff in den Schutzbereich

  • Eine Gewissensentscheidung ist jede ernste sittliche, dh an den Kategorien von “Gut” und “Böse” orientierte Entscheidung, die der einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, so dass er gegen sie nicht ohne ernste Gewissensnot handeln kann.

  • Eingriff insbesondere dann, wenn der Staat ohne Ausweichmöglichkeit ein Handeln entgegen der Gewissensentscheidung verlangt.

II. Einschränkungsmöglichkeit

nur zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts

Art. 6 GG - Ehe und Familie

Art. 6 GG ist insbesonder eine wertentscheidende Grundsatznorm zugleich aber auch ein Abwehr- und Gleichheitsrecht und statuiert Schutzpflichten des Staates.

I. Schutzbereich

  1. Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 I GG

    Ehe ist das freiwillige und auf unbestimmte Dauer angelegte Zusammenleben, eines Mannes und einer Frau unter Mitwirkung des Staates; geschützt wird auch die im Ausland geschlossene Ehe; nicht erfasst werden: Schein-/Aufenthaltsehen, nichteheliche Gemeinschaften, gleichgeschlechtliche Partnerschaften; eine nach ausländsichem Recht wirksam geschlossene “Mehrehe” dürfte nur dem Schutz der “Familie” unterfallen. Geschützt sind: Eheschließungsfreiheit, Zusammenleben, gegenseitiges Zeugnisverweigerungsrecht, Recht auf Kontakt bei Haft.

    Familie ist die Gemeinschaft von Eltern und Kindern (1. Elternteil und 1 Kind genügen, sog. Kleinfamilie); umfasst Familiengründung, Zusammenleben (auch in Adoptiv-/Pflegefamilie), Zeugnisverweigerungsrecht, Kontakt bei Haft; verschiedene Stufen: zunächst Lebens- und Erziehungsgemeinschaft (wenn nur noch gelegentlicher Umgang), uU Erstarken zur sog. Beistandsgemeinschaft.

    Institutsgarantie: Ehe und Familie sind als grundlegende Rechtseinrichtungen geschützt, Der “besondere Schutz” der Ehe gebietet aber keine Benachteiligung anderer Lebensformen, insbesondere solcher Personen, die keine Ehe eingehen können (Lebenspartnerschaftsgesetz).

  2. Elternrecht, Art. 6 II GG (beachte: zugleich Verpflichtung der Eltern zur Kindererziehung)

    Pflege (Personensorge bzgl. körperlicher und geistiger Entwicklung) und Erziehung (Festlegung der Erziehungsinhalte, Ausbildungsziele und -mittel) der Kinder bis zu deren Volljährigkeit (Sorgerecht, vgl. §§ 1626 ff. BGB).

    Institutsgarantie der Erziehung durch die Eltern.

  3. Schutz der Mutter, Art. 6 IV GG

    Ausgleich wirtschaftlicher Belastungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft (Anspruchsnorm; Ausgestaltung obliegt dem Gesetzgeber); objektives Diskriminierungsverbot

  4. Schutz nichtehelicher Kinder, Art. 6 V GG

    Staat muss für Gleichstellung mit ehelichen Kindern sorgen; besonderes Gleichheitsrecht

II. Eingriff

Sofern nicht zulässige Ausgestaltung durch den Gesetzgeber (insb. Ehe-/ Familienrecht) ist Eingriff in Art. 6 I GG jede nachteilige Regelung (insb. Steuer-, Sozial-, AuslR - zB Ausweisung eines ausl. Ehepartners, wenn der andere/die Familie in Deutschland bleibt, kein Eingriff bei Verweigerung der Einreise des ausl. Ehepartners/ Familienangehörigen, da Art. 6 I GG kein Recht auf Aufenthalt begründet); da besonderes Gleichheitsrecht Eingriff auch bei Benachteiligung; Eingriff in Art. 6 II GG zB durch Adoption, best. Lehrinhalte der Schulen; Eingriff durch rechtswidrige Trennung des Kindes von den Eltern (Art. 6 III GG).

III. Einschränkungsmöglichkeiten

  • Art. 6 I GG nur über kollidierendes Verfassungsrecht; Gesetzgeber muss Institutsgarantie beachten

  • Art. 6 II GG: “Wächteramt des Staates” als qualifizierter Gesetzesvorbehalt (streng am Kindeswohl auszurichten); im Extremfall Trennung des Kindes von den Eltern

  • Art. 6 III GG; im Übrigen kollidierendes Verfassungsrecht, insbesondere Art. 7 I GG

Art. 7 GG - Schulwesen

I. Staatliche Schulaufsicht

Art. 7 I GG ist kein Grundrecht, sonder eine bundesverfassungsrechtliche Grundsatznorm zum Schulwesen, die die Länder (Art. 70 GG) bei ihrer Gesetzgebung zu beachten haben. “Aufsicht” = umfassende Berechtigung/ Verpflichtung des Staates, das Schulwesen zu planen, zu organisieren und Erziehungsziele zu setzen; ggf. Herstellung praktischer Konkurdanz zum Elternrecht

II. Religionsunterricht, Art. 7 II, III GG

Vermittlung von Glaubenssätzen der jeweiligen Religionsgemeinschaften als bestehende Wahrheit; Art. 7 II GG gewährt ein Bestimmungsrecht der Erziehungsberechtigten (lex specialis ggü. Art. 4 I, II GG; 6 II 1 GG und 7 I GG), das nach BVerfG nicht analog auf andere wertorientierte Unterrichtsfächer anwendbar ist (Arg.: keine vergleichbare Interessenlage), beachte: das Bestimmungsrecht der Eltern endet mit Erreichen der Religionsmündigkeit des Kindes; Art. 7 III 1 GG ist Institutsgarantie und vermittelt zugleich ein subjektives Recht auf die Einrichtung von Religionsunterricht (str.), beachte auch Art. 141 GG (Geltung für neue Bundesländer str.); Art. 7 III 3 GG: Recht des Lehrers zur Verweigerung von Religionsunterricht.

III. Privatschuldfreiheit, Art. 7 IV, V GG

Art. 7 IV GG gibt jedermann das Recht, eine Privatschulde (Ersatz-/Ergänzungsschule) zu gründen und gewährt einen Anspruch auf Schutz und Förderung des Privatschulwesens inkl. Institutsgarantie und Subventionierungsanspruch; Eltern haben das Recht, ihre Kinder auf eine Privatschule zu schicken.

Die Schulaufsicht nach Art. 7 I GG ist bei Privatschulen auf die Überwachung der Vorgaben der Abs. IV, V beschränkt.

Art. 13 GG - Unverletzlichkeit der Wohnung

I. Schutzbereich

  1. sachlich (Leitbegriff)

    Wohnung iSd Art. 13 GG ist jeder Raum, den der Einzelne der allgemeinen Zugänglichkeit entzieht und zum Ort seines Lebens und Wirkens bestimmt; zB neben der Wohnung ieS auch Hotelzimmer, Wohnmobil, an ein Haus unmittelbar angrenzender befriedeter Garten, Hof, Spielplatz; str., ob auch Büro- und Geschäftsräume geschützt sind

  2. persönlich (Grundrechtsträger)

    jeder unmittelbare Besitzer; str. bei Hausbesetzern

  3. Gewährleistung

    Art. 13 GG steht im engen Zusammenhang mit Art. 2 I GG; er gewährleistet den räumlichen Schutz der Persönlichkeitsentfaltung; das Recht, in einem “elementaren Lebensraum” “in Ruhe gelassen zu werden” (BVerfGE), sich in dem räumlich geschützten Bereich ungestört und unbeobachtet so zu verhalten, “wie es einem passt”.

II. Eingriffe

  1. Durchsuchung

    = Suche staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhaltes. Kennzeichnend für die Durchsuchung ist die ziel- und zweckgerichtete Suche in der Wohnung, um dort etwas plangemäß aufzuspüren, was der Wohnungsinhaber von sich aus nicht offen legen oder herausgeben will; anders bei einer bloßen Kontrolle oder Untersuchung

  2. Aktustische Überwachung

    durch Einsatz technischer Mittel (Wanzen, Richtmikrofone, etc.)

  3. sonstige Eingriffe und Beschränkungen

    sind insbesondere das körperliche Eindringen unddie dingliche Inanspruchnahme der Wohnung

III. Einschränkungsmöglichkeiten

  1. Art. 13 II GG: qualifizierter Gesetzesvorbehalt für Durchsuchungen (lex specialis)

    Richtervorbehalt; bei Gefahr im Verzug auch andere Organe. Sieht ein Gesetz auch in Fällen fehlender Gefahr im Verzug keine richterliche Anordnung der Durchsuchung vor, ergibt sich deren Erforderlichekeit unmittelbar aus ARt. 13 II GG; die gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig, sondern wird im Weg der verfassungskonformen Auslegung ergänzt.

  2. Art. 13 III-VI GG: qualifizierter Gesetzesvorbehalt für akustische Überwachung einer Wohnung durch Einsatz technischer Mittel

    • zur Strafverfolgung: idR drei Richter erforderlich; bei Gefahr im Verzug ein Richter (Abs. 3)

    • zur dringenden Gefahrenabwehr: idR ein Richter; bei Gefahr im Verzug auch eine Behörde (Abs. 4, 5)

  3. Art. 13 VII GG: sonstige Eingriffe und Beschränkungen

IV. Wichtige Problematik: Betretungsrechte betreffend Büro- und Geschäftsräume

Schwierigkeiten bereitet die verfassungsrechtliche Überprüfung von Betretungs- und Prüfungsrechten für die insbesondere mit der Gewerbe-, Arbeits- und Steueraufsicht betrauten Behörden bei Geschäfts- und Betriebsräumen. Grund: Der Schutzbereich wurde nach h.M. auf diese Räume ausgedehnt; die engen Voraussetzungen der Schranke des allein einschlägigen Art. 13 VII GG sind aber auf Wohnräume zugeschnitten.

Zur Vermeidung der Verfassungswidrigkeit der Betretungsvorschriften verneint die h.M. die Anwendung der strengen Rechtfertigungserfordernisse des Art. 13 VII GG, wenn Betriebsräume nur zum Zwecke der Besichtigung und Prüfung während der üblichen Geschäftszeiten betreten werden. Dogmatisch ungeklärt ist, ob in diesem Fall ein Eingriff in Art. 13 I GG verneint und auf Art. 2 I GG zurückgegriffen wird oder ob ein Eingriff in Art. 13 I GG zu bejahen und eine ungeschriebene Einschränkungsmöglichkeit (“4. Kategorie” neben Art, 13 II, III-VI, VII GG) anzunehmen ist. Im Ergebnis werden diese Betretungsrechte einer besonderen Prüfung unterzogen. Sie sind verfassungsmäßig, wenn

  1. eine besondere gesetzliche Regelung ausdrcklich zum Betreten der Räume ermächtigt,

  2. das Gesetz den Zweck des Betretens, den Gegenstand und Umfang der zugelassenen Besichtigung und Prüfung deutlich erkennen lässt,

  3. das Betreten der Räume, die Vornahme der Besichtigung und Prüfung einem erlaubten Zweck dienen und für dessen Erreichung erforderlich sind und

  4. das Betreten während der üblichen Geschäftszeiten erfolgt.

Art. 14 GG - Eigentum

A. Verfassungsmäßigkeit/ Rechtmäßigkeit von Eingriffen in das Eigentum

I. Eingriff in den Schutzbereich

  1. Sachlicher Schutzbereich: Geschützt wird das

    a) Eigentum (nicht das Vermögen als solches)

    Folge: Die Auferlegung von Zahlungspflichten ist grds. nur an Art. 2 I GG zu messen.

    • Geschützte privatrechtliche Rechtspositionen: Eigentum im Sinne des BGB; dingliche Rechte, Besitz, vermögenswerte Mitgliedschafts- und Gesellschaftsrechte, Urheberrechte, schuldrechtliche Ansprüche.

    • Geschützte öffentlich-rechtliche Rechtspositionen, idR ja, sofern sie auf eigener Arbeit oder eigenem Kapitaleinsatz beruhen, wie zB berufs-/ gewerberechtliche Genehmigungen; sozialversicherungsrechtliche Ansprüche und Anwartschaften. Nicht: Sozialhilfeansprüche, BAföG, Wohnungsbauprämien, Subventionen.

    b) in seinem Bestand (Art. 14 GG schützt das Erworbene, nicht den Erwerb)

    Nicht: Hoffnungen oder bloße Erwartungen, zB dass das Grundstück irgendwann Bauland wird. Erwerbsaussichten -> ggfs. Art. 12 I GG; Erwerb von Eigentum -> Art. 2 I GG.

  • Art. 14 GG und Baurecht: Das Grundeigentum berechtigt grundsätzlich auch dazu, das Grundstück zu bebauen (“Baufreiheit”). Jedoch ist Art. 14 I 1 GG ein normabhängiges Grundrecht; gem. Art. 14 I 2 GG wird der Inhalt des Eigentums durch den (einfachen) Gesetzgeber bestimmt.

    Erteilung oder Abwehr einer Baugenehmigung: Der Eigentümer hat nicht mehr an Baufreiheit, als ihm das einfache Baurecht gewährt. Deswegen kann ein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht unmittelbar auf Art. 14 I 1 GG gestützt werden. Ebenso wenig kann sich der Nachbar zur Abwehr eine Bauvorhabens unmittelbar auf Art. 14 GG berufen. Auch seine Abwehrrechte ergeben sich allein aus dem einfachen Baurecht.

    Bei Bauordnungsverfügungen ist Art. 14 I 1 GG hingegen anwendbar; insbesondere bietet Art. 14 I 1 GG Bestandsschutz für Grundstücksnutzungen, die in der Vergangenheit rechtmäßig verwirklicht wurden oder derzeit werden.

  • Ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb als solcher von Art. 14 GG erfasst wird, hat das BVerfG (im Gegensatz zu den Fachgerichten) bislang ausdrücklich offengelassen. Eine Notwendigkeit zur Anerkennung besteht nicht, weil Art. 14 I 1 GG jedenfalls die zugrundeliegenden Rechtspostionen (Warenbestand, Forderunge, “Kontakt zur Straße”) schützt. Unabhängig von dieser Frage sind jedenfalls nicht geschützt (weil nicht Bestandteil des Gewerbebetriebes): Umsatz in bestimmter Höhe, Änderungen der “Umfeldbedingungen”, in denen der Betrieb arbeitet (Senkung von Schutzzöllen, Änderungen von Bestimmungen über die Ausrüstung von Kfz, “gute Lage”).

  • Nicht geschützt sind rechtswidrig angeeignete Vermögenswerte.

  1. persönlicher Schutzbereich

    Natürliche und juristische Personen des Privatrechts (Art. 19 III GG). Nicht juristische Personen des öffentlichen Rechts. “Art. 14 GG schützt nicht (allgemein) das Privateigentum, sondern nur das Eigentum Privater”

  2. Eingriff

    a) Zielgerichtete Eingriffe

    Die Verfassung kann naturgemäß nur zielgerichtete Eingriffe in das Eigentum regeln. Art. 14 GG unterscheidet zwischen der Inhalts- und Schrankenbestimmung iSv Art. 14 I 2, II GG und der Enteignung (Art. 14 III GG). Die Abgrenzung erfolgt ausgehend von der Definition der Enteignung. Die Einordnung ist für die weitere Prüfung “verbindlich”; insbes. wird eine begrifflich als ISB einzuordnende Regelung für den Fall ihrer Verfassungswidrigkeit nicht etwa zur Enteignung.

    Hinweis zum Prüfungsstandort: Teilweise wird die Abgrenzung der beiden Eingriffsarten erst im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung vorgenommen und hier das Vorliegen eines Eingriffs nur nach allgemeinen Kriterien geprüft.

    1. Enteignung, vgl. Art. 14 III GG (Sonderfall und daher bei Anlass zuerst zu prüfen). Es gilt der formale verfassungsrechtliche Enteignungsbegriff mit 4 Voraussetzungen:

      1. Ganz oder teilweiser Entzug von als “Eigentum” geschützter Rechtsposition (“staatlicher Zugriff auf einen konkreten Vermögensgegenstand”)

        Beachte: Nutzungsbeschränkungen sind regelmäßig keine Entziehungen und deswegen keine Enteignung.

      2. gezielt (Gegensatz: unbeabsichtigte Nebenfolge)

      3. durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes

      4. um die Sache für öffentliche Aufgaben zu verwenden (“Staatliche Güterbeschaffung”)

        (-) bei Einziehung/ Vernichtung von Sachen in polizeiwidrigem Zustand/ “instrumenta sceleris”

    2. ISB (“Beschränkung”), vgl. Art. 14 I 2, II GG

    b) Faktische (idR unvorhergesehene) Eingriffe (insbesondere durch die Verwaltung)

    Faktische (idR unvorhergesehene) Eingriffe passen nicht in das Regelungssystem des Art. 14 GG. Ihre Rechtmäßigkeit muss nach allgemeinen Regeln beurteilt werden: Sie sind rechtswidrig, wenn sie nicht aufgrund eines Gesetzes ergehen (Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes) oder unverhältnismäßig sind. Faktische Eingriffe sind eher bei der Frage einer möglichen Entschädigung von Bedeutung.

II. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

  1. Einschränkungsmöglichkeit feststellen:

    1. wenn Enteignung, Art. 14 III GG -> qualifizierter Gesetzesvorbehalt

    2. wenn ISB, Art. 14 I 2, II GG -> einfacher Gesetzesvorbehalt

  2. Grenzen der Einschränkungsmöglichkeit eingehalten?

    Eingriff durch Parlamentsgesetz? -> Gesetz verfassungsmäßig?

    1. Verstoß gegen Bestimmungen außerhalb der Grundrechte (ggf. Parlamentsvorbehalt/ Bestimmtheitsgrundsatz)

    2. Grundrechtsspezifische Anforderungen eingehalten?

      a) Einhaltung BESONDERER Grundrechtsanforderungen erforderlich?

      Enteignung (+), da qualifizierter Gesetzesvorbehalt

      1. Dient die Enteignung (tatsächlich) dem Wohl der Allgemeinheit?

        Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, da auch politische Entscheidung. Erforderlich ist ein besonderes Gemeinwohlbedürfnis, fiskalische und “schlicht” öffentliche Interessen reichen nicht aus. Ist ein ausreichender Gemeinwohlzweck (wenn auch nur als mittelbare Folge) gesetzlich sichergestellt, kann eine Enteignung ausnahmsweise auch zugunsten Privater erfolgen.

        Wird der Zweck der Enteignung in angemessener Zeit nicht realisiert oder der Vermögenswert nicht mehr benötigt, entfällt die legitimierende Wirkung des Art. 14 III GG; der frühere Eigentümer hat aus Art. 14 I GG (oder einfacher gesetzlicher Regelung) einen Anspruch auf Rückübereignung.

      2. Legalenteignungen sind wegen Art. 19 IV GG nur bei Vorliegen eines besonderen Grundes zulässig.

      3. Entschädigungsregelung (“Junktim-Klausel”), Art. 14 III 2 GG

        Das Gesetz muss eine Entschädigung vorsehen sowie deren Art und Ausmaß regeln. Die Voraussetzungen für die Entschädigung müssen hinreichend bestimmt geregelt sein, weil andernfalls der Rechtsanwender über “Ob” und “Wie” der Entschädigung entscheidet. Deswegen sind “salvatorische Klauseln”, die eine Entschädigung gewähren, “wenn eine Enteignung vorliegt”, unzureichend.

      ISB (-)

      b) Einhaltung der ALLGEMEINEN Grundrechtsanforderungen:

      • Art. 19 I 1 GG

      • Art. 19 I 2 GG (bei Enteignung (-), wegen Art. 14 III 2 GG); bei ISB (-), da ISB)

      • (nur bei Anlass:) Art. 19 II GG

      • VHM

      c) ggf. Wahrung der Institutsgarantie? (Fallrelevanz gering, da idR, schon VHM nicht gewahrt sein wird)

      Art. 14 I GG enthält eine Institutsgarantie. Sie verpflichtet den Gesetzgeber objektiv-rechtlich, die Existenz von Privateigentum zu gewährleisten und dieses so auszugestalten, dass es in der Hand des Rechtsträgers als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse “von Nutzen” sein kann. Eine Verletzung wird aber nur dann angenommen, wenn solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören.

    Eingriff durch Einzelakt?

    1. Normprüfung

      Enteignung

      Die wesentlichen Eingriffsvoraussetzungen der Enteignung müssen in einem förmlichen Gesetz geregelt sein.

      ISB

      ISBen können durch jede Rechtsnorm (also auch VO, Satzung) erfolgen.

    2. Einzelakt grundrechtskonform?

      a) Einhaltung BESONDERER Grundrechtsanforderungen durch den Einzelakt erforderlich?

      Enteignung

      Dient auch der Einzelakt dem Wohl der Allgemeinheit?

      ISB (-)

    3. VHM des Einzelakts

B. Entschädigung (“Geld”) wegen Eingriffen ins Eigentum

I. Grundsätze

  1. Bei rechtswidrigen Eingriffen ins Eigentum besteht grundsätzlich eine Abwehrpflicht (kein “dulde und liquidiere”).

  2. Geld kann ein Gericht nur aufgrund einer ausdrücklichen Anspruchsgrundlage zusprechen (nicht ohne Gesetz aus allgemeinen Billigkeitserwägungen).

II. Fallkonstellationen

  1. Entschädigung nach der Systematik des Art. 14 GG (insbesondere wegen zielgerichteter Eingriffe)

    Enteignung, Art. 14 III GG

    rechtmäßig -> Geld (siehe a))

    rechtswidrig -> grds. kein Geld -> Abwehrpflicht

    ISB, Art. 14 I 2 GG

    rechtmäßig -> grds. kein Geld aber -> b)

    rechtswidrig -> grds. kein Geld -> Abwehrpflicht

    a) Entschädigung wegen rechtmäßiger Enteignung

    • Anspruchsgrundlage:

      Nicht Art. 14 III 2 GG selbst, sondern die danach erforderliche Entschädigungsregelung im Enteignungsgesetz

    • Voraussetzungen

      • Enteignung im Sinne von Art. 14 III GG

      • Rechtmäßigkeit der Enteignung

    • Rechtsweg

      Zweingend ordentliche Gerichte, Art. 14 III 4 GG

    b) Sonderfall: Entschädigung wegen ausgleichspflichtiger ISB, Art. 14 I 2 GG

    Pflichtexemplarentscheidung (BVerfGE 58, 137 ff.): Härtefällen bei ISBen muss der Gesetzgeber in erster Linie durch Ausnahmeregelungen (zB Befreiung) begegnen. Wenn dies nicht möglich oder angesichts des Gesetzeszwecks nicht sinnvoll ist, kann er einen - für ISBen grds. nicht erforderlich - Ausgleichsanspruch gewähren (“ausgleichspflichtige ISB”). Fehlt eine solche notwendige Ausgleichregelung, ist das Gesetz verfassungswidrig. Die Gerichte können dies nicht durch Zubilligung einer gesetzlich nicht vorgesehenen Ausgleichszahlung “heilen”.

    • Anspruchsgrundlage:

      Entsprechende Regelung im inhalts-/ schrankenbestimmenden Gesetz

    • Voraussetzungen

      • ISB iSv Art. 14 I 2 GG

      • Rechtmäßigkeit der ISB

      • Härtefall

    • Rechtsweg

      Verwaltungsgerichte, § 40 II 1 Hs 2 VwGO

  2. Entschädigung wegen (idR) nicht zielgerichteter Eingriffe ins Eigenum

Art. 3 I GG - Der allgemeine Gleichheitssatz

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet wesentlich Gleiches gleich, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln und verbietet Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich zu behandeln.

Verletzung des Art. 3 I GG durch den Gesetzgeber

I. Ungleichbehandlung/ Gleichbehandlung (Problem: richtige Vergleichsgruppe bilden)

Merke: Der Gleichheitssatz bindet den Gesetzgeber nur in seinem Zuständigkeitsbereich; Folge: unterschiedliche Behandlung etwa der Einwohner verschiedener Bundesländer durch die jeweiligen Landesgesetzgeber ist bereits keine Ungleichbehandlung.

II. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung

  1. Formelle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes

  2. Materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes - insbesondere: Vorgaben von Art. 3 I GG beachtet:

    a) Einfache Prüfung nach der Willkürformel: sachgerechter, vernünftiger Grund für die Ungleichbehandlung

    b) Zusätzliche strengere Prüfung nach der “neuen Formel”: Die Auswirkungen der Ungleichbehandlung und der rechtfertigende Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

    aa) “Neue Formel” anwendbar

    1. Die “neue Formel” kommt einmal dann zur Anwendung, wenn die Ungleichbehandlung auf personenbezogenen Merkmalen beruht, die denjenigen des Art. 3 III GG gleichen. Grund: Diese Kriterien sind für die Betroffenen nicht oder nur schwer beherrschbar und beeinflussbar. Hieran anknüpfende Ungleichbehandlungen führen tendenziell zur Diskriminierung von Minderheiten.

    2. Die Prüfungsintensität nimmt zu, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.

    bb) Verhältnismäßigkeitsprüfung

    1. Zweck der Ungleichbehandlung

    2. Geeignetheit

    3. Erforderlichkeit

    4. Angemessenheit

    Häufig wird noch die Verfassungsmäßigkeit von Differenzierungszweck (Ziel) und Differenzierungskriterium als eigenständiger Prüfungspunkt aufgeführt. Das ist idR entbehrlich: Ist der Differenzierungszweck (das Ziel der Differenzierung) als solches verfassungswidrig, ist die Unterscheidung willkürlich bzw. unangemessen. Kommt ein verfassungswidriges Differenzierungskriterium (zB Unterscheidung nach Geschlecht) zu Anwendung, verstößt das Gesetz idR gegen spezielle Gleichheitssätze (zB Art. 3 III GG).

III. Folge der Verletzung des Gleichheitssatzes durch den Gesetzgeber

  • Bei Belastung ist das Gesetz nichtig

  • Bei Begünstigung, wenn Verstoß darin liegt, dass Gsetzgeber eine Gruppe unzulässig von der Begünstigung ausgeschlossen hat: Feststellung der “Unvereinbarkeit der Regelung mit Art. 3 I GG”.

Sog. rechtswidriger Begünstigungsbeschluss. Grund: bei Nichtigkeitserklärung würde die Vergünstigung ganz entfallen; eine Einbeziehung der zu unrecht ausgeschlossenen Gruppe durch das BVerfG in die gesetzliche Regelung ist nicht möglich, weil das BVerfG damit in die Entscheidungskompetenzen des Gesetzgebers eingreifen würde. Dieser muss (auch mit Blick auf die Finanzierung) entscheiden, ob er die Vergünstigung ganz streichen, oder vermindert oder unvermindert allen zu berücksichtigenden Gruppen zukommen lassen will.

Art. 3 I GG und die Verwaltung

Art. 3 I GG verpflichtet die Verwaltung zu Systemgerechtigkeit; ggf. leicht abgewandelte Prüfung:

  1. Die Verwaltung handelt nach einem bestimmten System (Verwaltungspraxis; Richtlinien)

    zB die Verwaltung gewährt unter bestimmten Voraussetzungen eine Subvention oder schreitet gegen bestimmte Störungen der öffentlichen Sicherheit nicht ein

  2. Nach diesem System müsste auch der Kläger die begehrte Leistung erhalten/ dürfte auch gegen den Kläger nicht eingeschritten werden

  3. Dieses System darf keine rechtlichen Bedenken gegen sich haben

    Über Art. 3 I GG darf die Behörde nicht zu rechtswidrigem Tun gezwungen werden (“Keine Gleichheit im Unrecht”)

  4. Die Behörde hat keinen sachlichen Grund, der sie berechtigt, von ihrem System abzuweichen

    Zulässig ist zB die Absicht der Behörde, ihre Verwaltungspraxis für die Zukunft (und damit auch zu Lasten des Klägers) zu ändern. Unzulässig ist es, die Verwaltungspraxis aus Anlass des klägerischen Begehrens zu ändern, um das Begehren ablehnen zu können.

Art. 3 III GG

Art. 3 III S. 1 und S. 2 GG

  • Abstammung/ Rasse

  • Heimat/ Sprache

  • Glaube/ Religion

  • Politische Anschauung

  • Behinderung

A. Besonderer Gleichheitssatz, Art. 3 III S. 1 GG

I. Ungleichbehandlung der normierten Sachverhalte

  • Abstammung (natürliche biologische Beziehung eines Mensche zu seinen Vorfahren)

  • Rasse (Gruppe mit bestimmten biologisch vererbbaren Merkmalen)

    OVG NRW (Racial Profiling): “Rechtfertigungsfähigkeit einer ausschließlichen Anknüpfung an die Hautfarbe bei den hier in Rede stehenden polizeilichen Standardmaßnahmen”

  • Heimat (örtliche Herkunft)

  • Sprache (Muttersprache)

  • Glaube und religiöse Anschauung (Schutzgüter des Art. 4 GG)

  • politische Anschauung

II. Rechtfertigung

  • Zulässiges Differenzierungsziel

  • Zulässiges Differenzierungskriterium

  • Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

B. Besonderer Gleichheitssatz, Art. 3 III S. 2 GG

Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG beinhaltet außer einem Benachteiligungsverbot auch einen Förderauftrag. Er vermittelt einen Anspruch auf die Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe nach Maßgabe der verfügbaren finanziellen, personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten.

I. Ungleichbehandlung wegen Behinderung

Weiter Begriff der Behinderung; “nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes”.

Enger Begriff der Behinderung: es ist eine bestimmte Schwere der Behinderung erforderlich (Schwerbehindert iSd § 2 II SGB IX).

Des Weiteren muss eine Benachteiligung im Vergleich zu Nichtbehinderten vorliegen.

Weite Auslegung: Benachteiligung, wenn der Betroffene die staatliche Maßnahme als Belastung empfindet. Enge Auslegung: objektiver Maßstab, staatliche Maßnahme kann durch behinderungsbezogene Fördermaßnahmen kompensiert werden.

II. Rechtfertigung

Durch kollidierendes Verfassungsrecht (verfassungsimmanente Schranken) ist eine Rechtfertigung denkbar wobei zwingende Gründe gegeben sein müssen.

Author

Ann-kathrin L.

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