Wie werden Essstörungen definiert?
Für welche Formen gibt es Diagnosekriterien in der klinischen Praxis?
= sind weit mehr als Probleme mit Essen, sie sind der Versuch mit dem Essen oder dem Nicht-Essen Schwierigkeiten zu bewältigen, die auf andere Art und Weise scheinbar nicht gelöst werden können. haben psychische Hintergründe und wirken sich körperlich aus
klassische Esstörungen mit Diagnosekriterien: Anorexie (AN), Bulimia nevrosa (BN) und Binge-Eating-Syndrom (BES)
über atypische Formen oder heterogene Restkategorien ist noch wenig bekannt
Ekrankungen können ineinader übergehen, Smptome verändern sich oder mit andere psychische Erkrankungen auftreten
Behandlung erfodert multimodalen Ansatz und Expertise von Therapeuten
wie werden Essstörungen klassifiziert, wie ist die Diagnostik?
Klassifikation nach ICD-10-GM oder DSM-5
Diagnose trifft Arzt, Psyhcater, Psychologe, Psychotherapeut
Wenn ERnährungsberater erste Anlaufstelle ist Erkrankung identifizieren und Aufklärungs- und im Beratungsgespräch zu medizinischen und psychotherapeutischen Schritten hinweisen —> Falls Versacht besteht an Arzt verweisen!
Verdächtig sind körperliche und psychische Merkmale wie:
Unter- oder ÜBergewicht
krankhafter Einfluss des KG auf Selbstwertgefühl
Einschränkung der Energiezufuhr
Essanfälle
gegensteuerndes Verhalten nach NAhrungs- oder Flüssigkeitszufuhr (Erbrechen, Abführmittel, Sport)
klinisch relevante Beeinträchtigung oder Gefährdung der körperlichen Gesundheit und psychosozialer Funktionsfähigkeit
Leidensdruck
Differenzialdiagnostik von anderen psychischen und somatischen Störungen und enger interdisziplinärer Austausch
Wie sind die Diagnosekriterien bei Anorexia nervosa?
Wie sind die Diagnosekriterien bei Bulimia nervosa?
Wie sind die Diagnosekriterien beim Binge-eating-Syndrom?
Was spielt die Körperdysmorphe Störung bei Männern und männlichen Jugendlichen für eine Rolle?
ca. 1-2% betroffen
Ideale der Bevölkerung: geringer Fettanteil, muskulöse —> führt zu körperdysmorphen Störung, muskeldysmorphen Störung, Unzufriedenheit etc.
Diagnosekriterien:
übermäßige Beschäftigung mit Mängeln am Körper (für andere nicht erkennbar, geringfügig)
repetitive Verhaltensweise (Spiegel), gedankliche Handlungen (Vergleich mit Anderen) als Reaktion auf Befürchtungen bzgl. Aussehen
Leidensdruck, Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen u.a. Funktionsbereichen
Wie ist die Prävalenz von Essstörungen?
es gibt hohe Dunkelziffer
Frauen mit AN (15-35): 0,4%
Frauen mit BN: 1,5% in Nordamerika
BES bei Frauen 1,6%, bei Männern 0,8%
60% sind die nicht näher bezeichneten Essstörungen
Was sind Ursachen für Essstörungen?
sind multifaktoriell durch prädisponierende, auslösende und aufrechterhaltende Faktoren bedingt
prädisponierende Faktoren bilden Grundlage:
biologische Faktoren
soziokulturelle Faktoren
familiäre Faktoren
individuelle Faktoren (Perfektionismus, niedriges Selbstwertgefühl…)
auslösende Faktoren tragen zur Manifestierung bei (Körperunzufriedenheit, restriktive Diäten, kritische Lebensereignisse…)
Aufrechterhaltende Faktoren sind Bedingungen, dass eine Essstörung chronifiziert im Zusammenspiel mit prädisponierenden Faktoren (rigides Kontrollverhalten, Angst vor Zunahme…)
Was können Folgen einer Essstörung sein?
Am Anfang bringt Erkrankung Vorteile (aus Sicht der Betroffenen), führt zu mangelnder Einsicht
mittel- und langfristig kommt es zu körperliche, kognitiven und psychosozialen Veränderungen —> Folgen für Gesundheit, Lebensqualität, Bewältigung des Alltags
Wie erfolgt die Ernährungstherapie bei Essstörungen?
Schwerpunkt: Psychotherapie und Medizin
Ernährungstherapie ist wichtiges ergänzendes Modul
Arzt entscheidet über Einweisung in Teilstationäre und stationäre Therapie
Teilstationär i.d.R. vorbereitend auf den Alltag nach Klinik empfohlen oder wenn ambulante Therapie nicht ausreicht, keine Komorbiditäten, mäßiges Untergewicht (>15, >3.Perzentile) und PAtient motiviert ist
stationäre Therapie wenn:
rapider oder anhaltender Gewichtsverlust bei AN (>20% über 6 Monate), anhaltender Gewichtsverlust oder unzureichende Zunahme über 3 Monate bei AN
gravierendes Untergewicht bei AN (BMI <15 bzw. <3.Perzentile)
körperliche Gefährdung oder Komplikationen und geringe Krankheitseinsicht bei AN
ausgeprägte somatische und psychische Komorbidität oder Suizidalität
schwere bulimische Symptomatik und/oder exzessiver Bewegungsdrang
soziale und/oder familiäre Faktoren die Gesundungsprozess stark behindern
Überforderung im ambulanten Setting, Notwendigkeit einer Behandlung durch multiprofessionelles Team
Auf was sollte beim Anamnestischen Erstgespräch bei Essstörungen geachtet werden?
Was sind die Ziele?
Aufbau einer Beziehung mit dem Patienten durch empathisches, ressourcenorientierendes und motivierende Gesprächsführung —> v.a. wichtig für adoleszente PAtienten mit geringer Krankheitseinsicht
für Therapieplanung ist wichtig: medizinische Anamnese, Laborwerte, Empfehlungen des Arztes, psychosoziale Anamnese
ES-Protokoll führen lassen
wichtigsten Ziele sind:
Normalisierung des Essverhaltens (Bedarfsgerecht, ausgewogen, flexibel)
Reduzierung bzw. Vermeidung von Essanfällen
Behandlung aufrechterhaltender Faktoren
Gewichtsnormalisierung und -stabilisierung
Behandlung somatischer Komorbiditäten
PAtient und Angehörige über das Thema aufkläre, welche Zusammenhänge zwischen Auslöser und Verhalten bestehen (Ursachen, Kontrollverhalten…) Folgen etc.
Welche Interventionen für Folgeberatungen gibt es?
richtet sich nach dem Bedarf des Patienten, können auch kombiniert und wiederholt werden
Nach Auswertung des ES-Protokolls und Identifizierung von auferlegten Verboten, Regeln, Muster werden Ziele festgelegt —> In nächster Stunde reflektiert und neue Schritte formulieren
Angehörige und Sorgeberechtigte bei eingeschränkter Krankheitseinsicht (v.a. bei Kindern, Jugendlichen) einbeziehen
Interventionen können sein:
regelmäßige Mahlzeiten einführen
ausgewogene Energiebilanz und Gewichtsnormalisierung
bedarfsgerechte, ausgewogene und flexible Ernährung
Bilanz und Prophylaxe für Risikosituationen und Rückschritte
Welche Aspekte sollten bei den Interventionen “regelmäßige Mahlzeiten einführen” und “ausgewogene Energiebilanz und Gewichtsnormalisierung” berücksichtigt werden?
regelmäßige Mahlzeiten:
kognitive Prozesse (z.B. KH, Fette, viele Mahlzeiten machen dick) und gezügeltes Essverhalten können biologische Hunger- und Sättigungssignale überlagern
regelmäßige Mahlzeiten normalisieren Hunger und Sättigungsgefühl —> mit PAtient darüber reden
Am Anfang einen Basistag festlegen der ausprobiert werden soll: 5 MAhlzeiten, Pausen max. 3-4h, Essenszeit 20-30 Minuten —> Nach dem Essen Sättigung protokollieren und Kontrollmechanismen unterlassen
ausgewogene Energiebilanz
Bei AN Zunahme planen, Ernährungs- und Kontrollstrategien aufdecken und Schritte zur Normalisierung planen (Energiegehalt erhöhen, Portionen, LM Auswahl + Zubereitung…), ca. 200-500g/Woche
informieren, dass bei AN und BN es zu Beginn zu schneller Gewichtszunahme kommen kann (Stoffwechselveränderungen und Wassereinlagerungen), normalisiert sich in ersten Wochen
Bei BES mit Adipositas Zielgewicht mit natürlichen Schwankungen in Etappen von 200-500g/Woche vereinbaren, Umgang mit Waage üben (1x/Woche, morgens, vorm Ankleiden)
—> Stufenweise Gewichtszunahme oder -abnahme durch individuelles Ernährungsmanagement
Welche Aspekte sollten bei der Intervention “bedarfsgerechte, ausgewogene und flexible Ernährung” beachtet werden?
Mit Energiebilanzierung kennen sich PAtienten meist aus, aber nicht wie er sich individuell verändert, Funktionen von Energie, Nährstoffen und Wasser und den Folgen beim Mangel —> Zusammenhänge besprechen und anhand ES Protokoll aktuelle Zufuhr
Basistag planen mit haushaltsüblichen Mengen, kein Abwiegen! Auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr bei BN oder Purging achten
Verbote schrittweise in steigender MEnge in Basistag integrieren
—> gemeinsame Planung mit Einkauf, Zubereitung und Genussübung
Klären, dass Gewichtsabnahme und -stabilisierung nicht von Einhaltung rigider Regeln und Verbote abhängt —> spontane und geplante abwechslungsreiche Mahlzeiten helfen für flexbilen Umgang (z.B. Feiern, Restaurant…), nicht vermeiden
Welche Aspekte sollten bei der Intervention “Bilanz und Prophylaxe für Risikosituationen und Rückschritte” beachtet werden?
Fortschritte reflektieren, Pläne machen und Notfallkoffer für Risikosituationen packen
wissen lassen, dass Rückschritte durchaus vorkommen können aber keine Katastrophe bedeuten
Wie wird eine Fütterstörung im frühen Kindesalter laut der WHO (ICD-10) beschrieben?
als:
anhaltende Unfähigkeit adäquat zu essen
rmit mangelnde Gewichtszunahme, Gewichtsverlust einhergehend
über einen Zeitraum von mind. 1 Monat
vor dem 6 Lebensjahr beginnend
sorgen für große Belastung in der Familie (Sorgen, Selbstzweifel)
treten meist in Kombi mit anderen Regulationsstörungen auf (Schlafstörungen, affektive Erregungssteuerung (exzessives Schreien, Unruhe)
komplexe Fütterungsstörungen können sich zu lebensbedrohlichen Gedeihstörungen ausweiten (muss aber nicht)
Kriterien für zusätzliche Gedeihstörung:
bei Säuglingen mit Geburtsgewicht auf 3. Perzentile: Abfall unter 3. oder von mehr als 2 Perzentile innerhalb von 2-3 Monaten
Säuglinge mit Geburtsgewicht unter 3. Perzentile ist jede fehlende Zunahme über mind. 1 Monat eine Gedeihstörung
Diagnose erst ab 4. Monat möglich (vorher viele Prozesse)
Wie werden Fütterstörungen klassifiziert?
Passagere Fütterstörungen: Probleme in Füttersituation tauchen nur phasenweise auf, Beratung und Begleitung helfen sehr
Ursachen:
praktische Handhabungsprobleme: Unsicherheit beim Umgang mit dem Kind während Fütterns (z.B. Stillen, Flasche geben, Halten)
Unsicherheit dem Kind gegenüber, Anpassungsschwierigkeiten des Kindes
entwicklungsbedingte, vorübergehende Fütterstörung: in Zusammenhang mit Entwicklungsvorgängen (Zustandsregulation, Umstellen auf Löffelkost) ode rin ÜBergangsphasen (Beikost, feste Nahrung)
Chronische Fütterstörungen: können sich aus passageren Fütterproblemen entwickeln und über längere Zeit mit fortschreitendem Verlauf bestehen
Ursachen sind vielfältig, evtl. klinische oder stationäre Behandlung
Wie ist die Prävalenz und Pathogenese von Fütterstörungen?
Fütterstörungen haben eine Tendenz zur Persistenz und erhöhen Risiko für spätere Essstörungen
problematisches Fütter- und Essverhalten bei 20-25% der Kinder
PAthogenese:
Manifestation oft in Zusammenhang mit der Entwicklung des Kindes
in ersten Monaten sind Störungen gekennzeichnet durch Aufmerksamkeits- und Erregungssteuerung (Schreien, Unruhe)
im 2. Jahr mit Umstellung auf Löffelkost Autonomiebestreben des Kindes, Schwierigkeiten mit Bezugspersonen (inadäquate Grenzensetzung)
Immer Belastung der Eltern und Familie mit berücksichtigen und Abklären (schwierige Schwangerschaft, Stress, Paarkonflikte)
Wie ist die Symptomatik bei einer Fütterstörung?
Symptome sind vielfältig, in Kombi mit mangelnder Gewichtszunahme:
Nahrungsverweigerung
extrem wählerisches Essverhalten
Rumination (Hochwürgen, Wiederkäuen, Schlucken und Ausspucken der Nahrung)
Regurgitation (Erbrechen aus dem Ösophagus ohne Magensäure)
Symptome unterscheiden sich je nach Lebensphase
Säuglinge sind unruhig, apathisch, unkonzentriert, Symptome äußern sich:
Trinkschwäche, Stillen nur im Halbschlaf
erhöhte Erregbarkeit, motorische Unruhe, Ablenkbarkeit
leichte Ermüdbarkeit
tägliches Erbrechen oder Würgen
kein erkennbarer Appetit
Schluck oder Kauprobleme
Übergangsphasen in Form von Abstillprobleme, beim Zufüttern, Verweigerung von Breien und fester Nahrung:
geringer Appetit
Verweigerung jeglicher oder fester Nahrung
Verzögerung oder lange Dauer der Mahlzeit
Essen nur mit Ablenkung/Beschäftigung/Spiel
Eltern empfinden Essverhalten als provokativ
Gewichtsverlust
Wie erfolgt die Diagnostik und Therapie einer Fütterstörung?
ärztliche Abklärung möglicher organischer und psychosozialer Ursachen
Therapie:
ambulante Therapie: Schreiambulanzen mit Elterngesprächen und interaktionszentrierten Sitzungen
teilstationäre Therapie: bei Erschöpfung elterlicher Ressourcen
vollstationäre psychosomatische Komplextherapie: bei massiven Erschöpfungszuständen der Bezugspersonen und Bedrohung des Kindeswohl
Welche Bedeutung hat die Ernährungsberatung bei einer Fütterstörung?
Prävention (Chronifizierung vermeiden) sowie Sensibilisierung der Eltern für Ursachen und Symptome von Fütterstörungen
evtl. psychologsiche Therapie empfehlen
Grundlegende Schritte zur Normalisierung der Füttersituation: geregelter Tagesablauf und klare Gestaltung der Füttersituation::
feste Mahlzeiten, nur geplante Zwischenmahlzeiten
Dauer sollte 30 Minuten sein
außer Wasser kein Nahrungsangebot zwischen den Mahlzeiten
neutrale Atmosphäre, kein Zwang zum Essen
Laken unter dem Stuhl für Essensreste
kein Spielen während der Mahlzeiten
Essen nie als Belohnung oder Geschenk
kleine Portionen
feste Nahrung zuerst, Flüssigkeit später
Unterstützung von aktivem Essen
Wegräumen des Essens nach 5-10 Minuten, falls das Kind während des Essens spielt
Beendigung der Mahlzeit wenn das Kind in Wut mit Essen wirft
Mund erst abwischen nach Beendigung der Mahlzeit
Zuletzt geändertvor 2 Monaten