Rechtssicheres Handeln basiert auf Rechtskenntnis
Ziele der Befassung:
• Erkennen der rechtlichen Dimension Ihrer Berufsrolle
• Erkennen der Vielfalt der Schulrechtsfragen
• Entwicklung eines Gespürs dafür, wann Ihr Handeln Rechtsfragen berührt
• Erlangen von Rechtskenntnis in zentralen Bereichen des Schul- und Dienstrechts
• Handlungssicherheit in alltäglichen Anforderungen und die Fähigkeit, komplexe Rechtsfragen im beruflichen Handeln einordnen und einschätzen zu können.
Fragen aus dem Schulalltag
Darf ich meine Lerngruppe allein im Raum lassen? Oder einen Teil auf den Flur schicken?
Darf ich mit meiner Klasse einen Schwimmausflug machen?
Was mache ich, wenn ein/e Schüler:in fehlt?
Wofür ist das Klassenbuch da?
Wie setzt sich die Fachnote zusammen?
Welche Funktion und Befugnis hat eine Klassenkonferenz?
Darf ich eine Anweisung meiner Schulleitung verweigern?
Worüber muss ich Eltern informieren?
Darf ich einen offenen Brief verbreiten über berufsbezogene Angelegenheiten?
Unter welchen Voraussetzungen kann ich Materialien aus dem Internet benutzen?
Dürfen meine volljährigen Schüler:innen auf einer Klassenreise Alkohol trinken?
Sie sind täglich gefordert im Bereich …
Aufsicht!
Fahrlässigkeit (und Haftung)
Disziplinarfragen und Schulpflichtverletzung
Leistungsbewertung
➢ Bei all dem nicht vergessen: Nachweispflicht, Dokumentationspflicht, Informationspflicht
Möglicher Themenbereich im allg. Schul- und Dienstrechtsteil in der mündlichen Prüfung zur Zweiten Staatsprüfung
1. Ausgewählte allg. Rechte und Pflichten von Lehrkräften, dabei auch: Rechte und Pflichten in der Zusammenarbeit mit Sorgeberechtigten sowie Umgang mit Schulpflichtverletzungen )
2. Kinderschutz, Kindeswohlgefährdung, Garantenstellung
3. Aufsichtspflicht
4. Neutralitätsgebot, Demokratiebildung, Beutelsbach
5. Grundsätze in der Förderung / Nachteilsausgleich / §12 HmbSG
6. Leistungsbewertung und Notengebung: Rechtlicher Rahmen und Grundsätze
7. Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen und Klassenkonferenz
8. Urheberrecht
9. Mitgestaltung in Schule (weitere schulische Gremien: Zeugniskonferenz, Lehrerkonferenz, Schulkonferenz)
Schul- und Dienstrecht: Vorbemerkungen
• Schulrecht ist grundsätzlich Landesrecht
• Für Sie deshalb besonders relevant: Das Hamburgische Schulgesetz HmbSG (darin u.a. der Bildungs- und Erziehungsauftrag)
• sowie die entsprechenden Verordnungen, Richtlinien (z.B. Richtlinie … für Schulfahrten / … zur Schulpflichtverletzung / … für die Erteilung von HA / …), Verwaltungsvorschriften, die Bildungspläne Ihrer Fächer …
• Weiterführende schulrechtliche Informationen
➢ Die Behörde für Schule und Berufsbildung veröffentlicht regelmäßig aktuelle Informationen zu schulrechtlichen Fragen. Zahlreiche
neue Verordnungen sind in Kraft getreten. Die Gesetzestexte stehen als PDF-Dateien im Internet zur Verfügung: Schulrecht
(hamburg.de)
➢ Die Mitteilungsblätter für Schulen - hamburg.de (MBlschul) sind online abrufbar. ➢ MOIN! Ein Pod Schulrecht, bitte! (hamburg.de)
Bisher sind 4 Podcasts von 15-20 Minuten erschienen: Aufsicht, Haftung, Normenhierarchie und Grundrechte I / II.
Normenhierarchie
Grundgesetz und Landesverfassung
Gesetze („förmliche Gesetze“)
Rechtsverordnung (RVO) („materielle G.“)
Verwaltungsvorschrift (z.B. ein Erlass)
Verfügungen
Satzung (u.a. Hausordnung der Schule)
Gewohnheitsrecht („muss sehr lange unwidersprochen gelten...“)
Merke: Jede Regelung muss mit der übergeordneten Regelung im Einklang stehen.
Merke: „Sollen“ heißt „müssen, wenn man kann“.
ALLGEMEINE HINWEISE
WICHTIG:
– „Die Unkenntnis der (beruflichen) Rechtsvorschriften stellt ein Verschulden dar.“ (Bundesgerichtshof, 1995)
– „Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.“ (§ 36 BeamtStG)
– Daraus folgt:
Die Nichtkenntnis bzw. Nichtbeachtung des eigenen Berufsrechts ist ein Dienstvergehen! (§ 47 BeamtStG)
Die Verantwortung liegt bei Ihnen: Sie müssen sich Ihr Berufsrecht selbst aneignen!
Angestellte Lehrkräfte haben vergleichbare Rechte und Pflichten wie verbeamtete Lehrkräfte (Prinzip der Übertragung).
Rechte im Arbeits- und Dienstverhältnis
Freie Persönlichkeitsentfaltung (Art. 2 GG)
Aber: Verstöße gegen das Neutralitätsgebot der staatlichen Schule und die Beeinflussbarkeit der meist minderjährigen Schüler*innen beachten!
Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG)
Sie haben z. B. das Recht, Religionsunterricht nicht erteilen zu müssen.
Meinungsfreiheit (Art. 5 GG)
Im Dienst erheblich eingeschränkt und außer Dienst teilweise eingeschränkt, da ein besonderes Pflichtverhältnis zum Staat besteht. Eine Lehrkraft muss sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des GG bekennen und für deren Erhalten eintreten!
Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG)
Gilt in unterrichtsfreier Zeit, allerdings gehen dienstliche Pflichten vor.
Informationelle Selbstbestimmung (nach Art. 2 GG)
Sie haben z. B. das Recht, Einsicht in Ihre Personalakte zu nehmen und daraus Dinge abzuschreiben oder zu kopieren.
Folgepflicht (§ 35 BeamtStG)
Dienstanweisungen (z.B. von Vorgesetzten oder Gremienbeschlüsse) müssen befolgt werden.
Vertrauensvolle Zusammenarbeit (§ 3 HmbSG)
Wahrheits- und Mitteilungspflicht gegenüber Seminarleitungen, Schulleitung, Kolleg:innen, Eltern, Schüler:innen.
Dokumentations- und Nachweispflicht (Dienstanweisung für Lehrerinnen und Lehrer)
Stichwort: Klassenbuch- / Kursbuchführung
Remonstrationspflicht (§ 36 BeamtStG)
Wenn eine Lehrkraft meint, die Schulleitung treffe eine rechtswidrige Entscheidung, dann muss sie ihre Bedenken vortragen.
Pflicht zur vollen Hingabe (§ 34 BeamtStG)
Beispiel: Nebentätigkeiten müssen von der Behörde genehmigt werden.
Garantenstellung (§ 13 StGB)
Sie haben eine erhöhte Verantwortung gegenüber den Schüler:innen.
Verschwiegenheitspflicht (§ 37 BeamtStG)
Aufenthalt in erreichbarer Nähe (§ 56 HmbBG)
Erreichbarkeit (Dienstanweisung für Lehrerinnen und Lehrer)
Lehrkräfte müssen für die Schülerinnen und Schüler sowie für die Eltern erreichbar sein.
Neutralität im Dienst (§ 33 BeamtStG)
Gemäßigtes Verhalten, auch außerhalb des Dienstes (§ 34 BeamtStG)
Keine Annahme von Belohnungen und Geschenken (§ 42 BeamtStG)
Einhaltung des Dienstweges (§ 101 HmbBG)
Damit: Keine „Flucht“ in die Öffentlichkeit, z.B. Presse. Jede bzw. jeder Bedienstete hat aber das Recht, sich unmittelbar (d.h. ohne Einhaltung des Dienstweges) an den zuständigen Personalrat zu wenden.
Heranziehen für weitere dienstliche Aufgaben (§ 61 HmbBG)
Unterricht an einer anderen Schulform (§ 35 BeamtStG)
Fahrlässigkeit
Fahrlässig handelt, wer den Schaden zwar voraussieht, aber hofft, dass er nicht eintritt (sog. bewusste Fahrlässigkeit), sowie derjenige, der den Schaden nicht voraussieht, ihn aber bei Beachtung der erforderlichen Umgangsnormen hätte voraussehen müssen (unbewusste Fahrlässigkeit).
Grob fahrlässig
Grob fahrlässig handelt derjenige, der die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maß verletzt und selbst einfachste, jedem einleuchtende Überlegungen nicht anstellt, um den Eintritt eines Schadens zu verhindern.
Haftung
Die Lehrkraft haftet bei
▪ Vorsatz und bei
▪ Fahrlässigkeit.
Die Haftung der Lehrkraft gegenüber dem Dritten geht im Schuldnertausch zunächst sofort in die Verantwortlichkeit des Dienstherrn über. Bei Vorsatz und bei grober Fahrlässigkeit kann Rückgriff auf die Lehrkraft genommen werden. Sie kann dann strafrechtlich, disziplinarrechtlich und zivilrechtlich belangt werden.
Die Rangfolge der Rechtsnormen ist wichtig, da Rechtsnormen nicht übergeordneten Gesetzen widersprechen dürfen.
Rangfolge
1. Verfassung (Grundgesetz)
2. Bundesgesetze (BGB)
3. Landesgesetze (Schulgesetz)
4. Rechtsverordnungen (z. B. Prüfungsordnung)
5. Verwaltungsvorschriften (z. B. Dienstanweisungen)
6. Verfügungen (z.B. Haushaltsstopp)
7. Beschlüsse autorisierter Gremien (z.B. Schulkonferenz)
Sie haben Rechte.
Beispiele
▶ Grundgesetz Artikel 2: freie Persönlichkeitsentfaltung
• aber: Verstöße gegen das Neutralitätsgebot der staatlichen Schule und die Beeinflussbarkeit der meist minderjährigen Schüler:innen beachten (siehe auch Beutelsbacher Konsens)
▶ Grundgesetz Artikel 4: Glaubens- und Gewissensfreiheit
• Recht, Religionsunterricht nicht erteilen zu müssen.
▶ Grundgesetz Artikel 5: Meinungsfreiheit
• Im Dienst erheblich eingeschränkt und außer Dienst teilweise eingeschränkt, da ein besonderes Pflichtverhältnis zum Staat besteht. Eine Lehrkraft muss sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichdemokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetztes bekennen und für deren Erhalten eintreten.
Sie haben Pflichten
▶ Dienstanweisungen
▶ vertrauensvolle Zusammenarbeit (insbes. Wahrheits- und Mitteilungspflicht gegenüber SL, Kolleg:innen, Sorgeberechtigten)
▶ Dokumentations- und Nachweispflicht
▶ Remonstrationspflicht (Wenn eine LK meint, die Schulleitung treffe eine rechtswidrige Entscheidung, dann muss sie ihre Bedenken vortragen.)
▶ Pflicht zur vollen Hingabe
▶ Garantenstellung, d.h. eine erhöhte Verantwortung gegenüber den S*
▶ Schweigepflicht über dienstliche Belange
▶ Gemäßigtes Verhalten außerhalb des Dienstes
▶ Keine Annahme von Geschenken ▶ Einhaltung des Dienstweges (damit auch keine „Flucht in die Öffentlichkeit“)
▶ Unterricht (Pünktlichkeit), Korrekturen...
▶ Heranziehen für weitere dienstliche Aufgaben
▶ Unterricht an einer anderen Schulform
▶ Pflicht zur Weiterbildung
▶ Teilnahme an Schulveranstaltungen
MUSS-, SOLL-, KANN-Bestimmungen
▶ Die ‚MUSS-Bestimmung‘ lässt keinen Spielraum zu (kein Ermessen), auch formuliert in: „es ist zu…“ oder „die Schule hat zu…“
§31 (HmbSG) Beaufsichtigung, Weisungen, Hausordnung, Videoüberwachung (1) Schülerinnen und Schüler sind während des Unterrichts, während des Aufenthalts auf dem Schulgelände in der Unterrichtszeit und bei sonstigen Schulveranstaltungen sowie während der Schulausflüge durch Lehrerinnen oder Lehrer zu beaufsichtigen.
▶ Die ‚SOLL-Bestimmung‘ ist eine Regelung, die in wenigen begründeten Ausnahmefällen umgangen werden darf. Vorsicht: Nicht zu verwechseln mit der ‚KANN-Bestimmung‘!
In einigen Bundesländern gilt sinngemäß, dass Klassenarbeiten nach zwei Wochen zurückgegeben werden sollen.
▶ Die ‚KANN-Bestimmung‘ eröffnen Ermessenspielraum, der aber sachlich gerechtfertigt werden muss.
§49 (HmbSG) Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen (3) In der Grundschule können zur Lösung schwerwiegender Erziehungskonflikte folgende Ordnungsmaßnahmen getroffen werden:
1. der Ausschluss von einer Schulfahrt,
2. die Umsetzung in eine Parallelklasse oder
3. die Überweisung in eine andere Schule in zumutbarer Entfernung.
Vier Stufen der Schuld (nach G. Hoegg)
1. Der direkte Vorsatz (Person weiß, was sie macht und will den Schaden.)
▶ Sie bestehlen die Schüler:innen. → Hier wird die Behörde sicherlich den Schaden von Ihnen zurückfordern und auch die Berufshaftpflicht tritt nicht ein. Zudem sind dienstrechtliche Konsequenzen sicher.
2. Der bedingte Vorsatz (Person nimmt den Schaden billigend in Kauf)
▶ Die Schüler:innen hindern Sie mit ihren Fahrrädern am Wegfahren – sie blockieren Sie. Fahren Sie trotzdem los, weil Sie denken, dass die Schüler:innen weggehen werden und verletzen Sie eine Schüler:in, so nehmen Sie den Schaden billigend in Kauf. → Hier wird die Behörde sicherlich den Schaden von Ihnen zurückfordern und auch die Berufshaftpflicht tritt nicht ein.
3. Die grobe (bewusste) Fahrlässigkeit (LK denkt: „Es wird schon nichts passieren“ und lässt die Schneeballschlacht in der Pause zu.)
▶ Lehrkraft lässt die Schneeballschlacht zu, weil sie denkt, dass nichts passieren wird → Die Behörde wird Sie auch hier finanziell in die Pflicht nehmen, aber hier kann die Berufshaftpflichtversicherung greifen.
4. Die leichte (unbewusste) Fahrlässigkeit (LK vergisst den Klassenraum abzuschließen; die Schüler:innen gehen in die Klasse, und es kommt zu einem Schaden.)
▶ Die Lehrkraft vergisst den Klassenraum abzuschließen. Die Schüler:innen gehen in die Klasse und … → Hier wird die Behörde im Normalfall (finanziell) nichts von Ihnen verlangen
Vorsatz und bei Fahrlässigkeit.
Die Haftung der Lehrkraft gegenüber dem Dritten geht im Schuldnertausch zunächst sofort in die Verantwortlichkeit des Dienstherrn (Rechtsabteilung) über.
Bei Vorsatz und bei grober Fahrlässigkeit kann Rückgriff auf die Lehrkraft genommen werden.
Sie kann dann strafrechtlich, disziplinarrechtlich und zivilrechtlich belangt werden.
Die Unkenntnis der Rechtsvorschriften stellt ein Verschulden dar. So urteilte der Bundesgerichtshof 1995.
▶ Von Ihnen wird (ein Maß an) Rechtssicherheit gefordert.
▶ Es gilt, sich rechtzeitig zu informieren bzw. die Anwendung der abstrakten Rechtsnormen anhand von schulischen / unterrichtlichen Situationen zu konkretisieren bzw. anzuwenden.
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