Waffenbesitz ≠ Waffenschein
Waffenschein: Erlaubnis zum Führen von erlaubnispflichtigen Waffen in Öffentlichkeit
Waffenbesitzkarte (WBK): Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von erlaubnispflichtigen Waffen, nicht aber zum führen
Jede Waffe muss einzeln beantragt und in WBK eingetragen werden
Unterschiedliche Varianten der Waffenbesitzkarte für unterschiedliche Waffenarten
Begutachtungsbedarf betrifft i.d.r. die „Grüne Waffenbesitzkarte“: Mehrschüssige Kurzwaffen und bestimmte Art von Langwaffen
Zur Begutachtung zugelassene Berufsgruppen
Geregelt in §4 der AWaffV: Demnach soll Begutachtung durchgeführt werden von:
Amtsärzten
Fachärzten für Psychiatrie, Psychotherapie, Neurologie, KiJu Psychiatrie
Approbierte Psychotherapeuten
Fachärzten für Psychotherapeutische Medizin
Fachpsychologen der Fachrichtungen Rechtspsychologie, Verkehrspsychologie, Klinische Psychologie
Ob Sachkunde vorliegt, beurteilt sich nach den jeweiligen berufsständischen Regeln
Kein Behandlungsverhältnis innerhalb der letzten 5 Jahre
Fallgruppe 1
§6 Abs. 1 WaffG
Davon auszugehen, dass Person zum Umgang mit Schusswaffen i.d.R. ungeeignet ist, z.B. wegen Geschäftsunfähigkeit, Abhängigkeitserkrankung etc.
Keine Erlaubnis (Aber Ausnahmen möglich da Regelannahme)
Fallgruppe 2
§6 Abs. 2 WaffG
Es bestehen auf Tatsachen begründete Zweifel an der Eignung der Person zum Umgang mit Waffen
Behörde legt Begutachtung auf
Hypothese: Person ist zum Umgang mit Waffen persönlich nicht geeignet
Fragestellung: Kann Ungeeignetheit unter Berücksichtigung der Anknüpfungstatsachen widerlegt werden?
-> Begutachtung, Eignunsbedenken gegeben
Fallgruppe 3
§6 Abs. 3 WaffG
Aufgrund des Alters der Person (<25 Jahre) besteht der Anlass die emotionale und intellektuelle Reife zu prüfen
Antragsteller sucht von sich aus einen Gutachter auf
Hypothese: Person könnte zum Umgang mit Waffen und Munition persönlich nicht geeignet sein
Fragestellung: Kann die a priori angenommene mangelnde Reife mittels eines einfachen Testverfahrens ausgeschlossen werden?
-> Begutachtung, Keine Eignungsbedenken gegeben
Verfahrenablauf
Bei behördlichen Zweifeln an Eignung (Gruppe 2):
Behörde ordnet Gutachten mit Fristsetzung an
Antragsteller muss Gutachten auf eigene Kosten beauftragen und Gutachter Anordnung von der Behörde vorlegen
Antragsteller muss der Behörde die Beauftragung melden
Gutachter holt ggf. weitere Unterlagen bei Behörde ein, nachdem Antragsteller Einwilligung gegeben hat
Gutachter legt Antragsteller Gutachten vor
Bei altersbedingten Zweifeln (Gruppe 3):
Antragsteller such von sich aus Gutachter auf, um Erfordernisse für Antragstellung erfüllen zu können
Gefahr des „Gutachter-Shoppings“
Psychodiagnostische Methoden der waffenrechtlichen Begutachtung
Kern des Gutachtens ist Stellungnahme zu Tatsachen, die die Zweifel der Behörde begründen
Entsprechend muss Behörde in Anordnung aufführen, aufgrund welcher Wahrnehmungen Zweifel an Eignung bestehen, z.b.
Alkoholkonsum
Suizidandrohung
Drogenmissbrauch
Fremdgefährdung
Deliquenz
Unsachgemäßer Umgang mit Schusswaffen
Diagnostik muss umfassen:
Anamnese/Exploration (AWaffV: „Gutachter hat sich über den Antragsteller einen persönlichen Eindruck zu verschaffen“)
Persönlichkeitstests
Keine Indizien für Nicht-Eignung gegeben
Begutachtung ausschließlich durch Alter des Antragstellers begründet
Kern des Gutachtens ist kriteriumsgeleitete Entwicklungsdiagnostik
Kriterien sind dabei der sorgfältige Umgang mit Waffen und Munition
Test zur Reifebeurteilung (Problem: welcher test sensitiv und spezifisch)
Sofern Test das Fehlen geistiger Reife nicht ausschließt, wird gem. Fallgruppe 2 verfahren, also:
Anamnese/Exploration
Umfrage von Dobat und Heubrock (2006)
Folgende Merkmale als relevant erachtet:
Soziale Kompetenz
Aggressionskontrolle
Lebenszufriedenheit
Kritikfähigkeit
Emotionale Stabilität
Werte- und Moralvorstellungen
Folgende Testverfahren am häufigsten angewandt:
FPI
16-PF-R
NEO-FFI
FAF
STAXI
WVT (Waffenverlässlichkeitstest; Keckeis, 2001)
Folgende Probleme hervorgehoben
Fehlende Operationalisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen (z.B. „Geistige Reife“)
Fehlende Standards und Leitlinien
Mangel an sensitiven und verfälschungsresistenten Testverfahren
TBWB
Ermittlung von PS Merkmalen, für die Zusammenhang mit Eignung zum Waffenbesitz nachweisbar ist
Ergebnis: 30 Skalen aus insgesamt 14 Testverfahren mit Effektstärke d >0.7 zwischen delinquenten und nicht delinquenzen Waffenbesitzern
Darunter viele Konstrukte aus Verfahren, die auch in Umfrage von 206 genannt wurden u.a.
Spontane Aggression, Reaktive Aggression, Erregbarkeit, Selbstaggression, Aggressionshemmung (K-FAF)
Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit (NEO-FFI)
Anger Control, Anger In, Anger Out (STAXI)
-> Darauf basierend: Testbatterie zur Waffenrechtlichen Begutachtung (TBWB) entwickelt
Normierungsstichprobe
N=293 Legalwaffenbesitzer
Alter Durchschnitt: 38.9 J
Frage Repräsentativität ungeklärt
Verfahren TBWB:
Explorationsfragebogen zur Begutachtung nach neuen Waffenrecht (EFBW)
NEO-Fünf-Faktoren-Inventar (NEO-FFI)
Kurzfragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsfaktoren (K-FAF)
State-Trait-Ärgerausdrucks-Inventar (STAXI)
Fragebogen zur Kompetenz- und Kontrollüberzeugung (FKK)
Verfahren der TBWB 1: EFBW
Ziel: Aussagen über Motive zum Waffenbesitz, Bedeutung Waffe, Hintergründe Begutachtung
Themen, die ggf. im Gespräch vertieft werden sollten
Items:
Erster Kontakt mit Schusswaffen (Gesichertes Umfeld?)
Verwendung von Schusswaffen (Hobby? Reflektierte Antwort?)
Bedeutung der Schusswaffe (Keine Auswirkungen auf Befindlichkeit?)
Zum Waffenbesitz ungeeignete Personen (Inwieweit Abgrenzung von ungeeigneten Personen?)
Für Waffenbesitz erforderliche Persönlichkeitseigenschaften (Inwieweit realistische/reflektierte Einschätzung?)
Einstellung zum Waffengesetz (Ausführliche Begründung der eigenen Haltung?)
Folgen bei negativem Gutachtenergebnis (Keine Andeutungen auf Fremd- oder Selbstgefährdungsabsichten?)
Selbsteinschätzung der Persönlichkeit (Betonung des verantwortungsvollen Umgangs mit Schusswaffe? Bei Fallgruppe 2: Klare Distanzierung von erneuter Verfehlung?)
Gründe für Zweifel an persönlicher Eignung von Seiten der Behörde (Ausschließlich relevant bei Fallgruppe 2. Vollständigkeit und Offenheit bei Darlegung der Hintergründe?)
Verfahren der TBWB 2: NEO-FFI
NEO-Fünf-Faktoren-Inventar nach Costa & McCrae (NEO-FFI; Borkenau & Ostendorf, 2008)
Neurotizismus: Emotionale Stabilität; Sensibilität; Impulskontrolle
Extraversion: Geselligkeit; Heiteres Naturell
Offenheit: Hinterfragen von Normen; (Un)konventionelles Verhalten
Verträglichkeit: Verständnis; Wohlwollen; Nachgiebigkeit; Harmoniebedürfnis
Gewissenhaftigkeit: Organisation und Planung von Aufgaben; Sorgfalt
Verfahren der TBWB 3: K-FAF
Kurzfragebogen zur Erfassung Aggresivitätsfaktoren
Spontane Aggressivität: Unbeherrschtheit, Sadismus
Reaktive Aggressivität: Durchsetzungsstreben; Entschiedenheit
Erregbarkeit: Affizierbarkeit; Affektsteuerung
Selbstaggressivität: Unzufriedenheit; Depressive Züge
Aggressionshemmung: Gegenteil spontane Aggressivität
Sekundärskala Aggressivität: Nach außen gerichtete Aggressionsbereitschaft (Summe spontane Aggressivität, reaktive Aggressivität, Erregbarkeit)
Verfahren der TBWB 4: STAXI
State-Trait-Ärger-Ausdrucksinventar
Anger In: Tendenz, Ärger innerlich zu empfinden aber nach außen zu verbergen
Anger Out: Tendenz, Ärger offen auszudrücken
Anger Control: Bestrebungen, Ärger entgegenzutreten
Verfahren der TBWB 5: FKK
Fragebogen zur Kompetenz und Kontrollüberzeugungen
Selbstkonzept eigener Fähigkeiten: Einschätzung eigener Handlungsfähigkeit on verschiedenen Situationen
Internalität: Einschätzung der eigenen Kontrolle über Leben und personenspezifische Umwelt
Fatalistische Externalität: Erwartung, dass das eigene Leben von Pech und Schicksal abhängig ist
Soziale Externalität: Erwartung, dass eigene Pläne und Ereignisse von anderen beeinflusst werden
Sekundärskala Externalität: Hilflosigkeit, Abhängig von äußeren Einflüssen
Tertiärskala Internalität vs. Externalität: Externale (niedriger Wert) vs. Internale (hoher Wert) Kontrollüberzeugungen
Reliabilität und Validität der TBWB
Interpretation der TBWB
Begutachtung im Waffenrecht meint hypothesengeleitetes sequenzielles Untersuchungsprozedere mit 2 zentralen Bestandteilen
Psychometrische Verfahren
Explorationsgespräch
Für alle Skalen erfolgt Umrechnung in T-werte und Prozentränge
Keine Cut-Off-Werte
Exploration sollte an Ergebnisse der psychometrischen Tests anknüpfen
Insgesamt ins Aggregation aller Befunde, bezogen auf Einzelfall, erforderlich
Bedarfe der Entwicklung waffenrechtlicher Diagnostik
Hohe Herausforderungen im Hinblick auf Verfälschungsresistenz
Stetige Weiterentwicklung und Modifizierung von bewährten Verfahren erforderlich
Zusätzliche Einführung verfälschungsresistenter und undurchschaubarer diagnostischer Verfahren
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