(F 90.0) Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung
Symptome und Diagnosekriterien
Drei Kernbereiche: Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität.
Unaufmerksamkeit: 6 von 9 Symptomen (z. B. Flüchtigkeitsfehler, Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit, nicht zuhören, Anweisungen nicht vollständig befolgen, verliert/vergisst Materialien)
Hyperaktivität: 3 von 5 Symptomen (z. B. Zappeln, ständiges Aufstehen, ‚auf Achse‘, Schwierigkeiten ruhig zu bleiben oder sich ruhig zu beschäftigen, herum laufen/exzessiv klettern)
Impulsivität: 1 von 4 Symptomen (z. B. platzt mit Antworten raus, kann nicht warten, unterbricht oder stört andere häufig, redet übermäßig viel)
Dauer: ≥6 Monate bei allen Symptomen
Beginn: vor dem 7. Lebensjahr (ICD-10).
Auftreten mindestens in zwei Lebensbereichen bzw. Situationen (Schule, Familie, Freizeit, Klinik).
Beeinträchtigung der sozialen, beruflichen oder schulischen Funktionsfähigkeit.
Diagnostik
EXPLORATION DER SYMPTOMATIK
ANAMNESE (Familienanamnese)
körperliche/neurologische Untersuchung -> zum Ausschluss
VERHALTENSBEOBACHTUNG
Schulzeugnisse!
DD: SSV, Depressionen, Angststörungen, Intelligenzminderung (laut Yasemin Folie)
Testdiagnostiken
Klinische Interviews:
Kinder-DIPS, K-SADS.
Fragebögen:
Screening-Fragebögen CBCL, TRF, YSR
DISYPS: FBB/SBB-ADHS Eltern & Lehrer, Selbstbeurteilung.
Conners-Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten– Eltern/Lehrer/Selbst.
Zusatzdiagnostik:
Intelligenzdiagnostik
Hinweise auf Teilleistungsstörungen (LRS/DYSKALKULIE)
TAP/KITAP oder QB (Computergestütztes Aufmerksamkeitstests)
Komorbiditäten und Differentialdiagnostik
Komorbiditäten
Hyperkinetische Störung
SSV
Umschriebene Entwicklungsstörungen: LRS F81.0, Dyskalkulie, Sprech/Sprachstörung)
Angststörungen
depressive Störungen
Differentialdiagnostik
Depression (Konzentrationsprobleme, aber eher Antriebslosigkeit).
Angststörungen (Unruhe, aber aus Angst motiviert).
Intelligenzminderung (Leistungsschwäche ohne Hyperaktivität).
Trauma/PTBS (Konzentrationsprobleme, Flashbacks).
Autismus ist durch soziale Schwierigkeiten, eingeschränkte Interessen und ein Bedürfnis nach Routine und Struktur gekennzeichnet, während ADHS sich durch Impulsivität, eine schnellere Ermüdung bei Monotonie und oft eine generelle Ruhelosigkeitauszeichnet.
Tic-Störung
Störungsmodelle (vereinfacht)
SORKC-Modell: Matheaufgabe (S) → geringe Impulskontrolle (O) → Aufstehen/Rufen (R) → kontinuierlich (K) —> dadurch Aufmerksamkeit von Umgebung (C)
ABC-Modell: A (Hausaufgabe), B (‚zu schwer, ich kann das nicht‘), C (Unruhe, Ablenkung).
Vulnerabilitäts-Stress-Modell: genetische Prädisposition + belastende Umweltbedingungen → Symptomverstärkung.
Beispiel am SORKC - Modell
Beispiel am Bio-Psycho-Sozialen Modell
Therapie und Behandlungsplan
Multimodales Konzept (Goldstandard) : Kombination aus medizinischen, psychologischen und sozialen Maßnahmen, individuell angepasst an das Kind und sein Umfeld.
Psychoedukation: Kind/Eltern erklären (‚Motor ohne Bremsen‘).
Erarbeitung eines individuellen Störungsmodells
KVT: Impulskontrolltraining, Verstärkerpläne, Organisationstraining (Alltag) SELBSTMANAGEMENT, Entspannungsübungen, SKT
Elterntraining: klare Alltagsstruktur und Ansagen, mehr emotionale Zuwendung und Lob
—> Eltern als Co - Therapeuten
Schule: Struktur, feste Regeln, ruhiger Aebeitsplatz, wenig Ablenkung, Nachteilsausgleich.
Medikamente: Stimulanzien (Methylphenidat), Atomoxetin (ab 6)
—> WENN DIESE MEDIS NICHT WIRKEN, “ATTENTIN”/”ELVANSE”
nicht alle Patienten benötigen eine pharmakologische Behandlung
NEBENWIRKUNGEN: Appetitverlust, Übelkeit, Einschlafprobleme, Kopfschmerzen, Puls und Blutdruckerhöhung ä
—> individuelles Behandlungskonzept
1. Diagnostik
2. Psychoedukation
3. Verhaltenstherapie / Psychosoziale Interventionen
• Zentrale Maßnahme, insbesondere bei Kindern unter 6 Jahren:
- Elterntraining (z. B. Triple P, THOP, Barkley)
- Kindzentrierte VT (z. B. Selbstinstruktion, Verstärkersysteme)
- Soziales Kompetenztraining (z. B. GSK für Kinder)
- Schulinterventionen: Struktur, klare Regeln, Nachteilsausgleich
4. Medikamentöse Therapie
- Empfehlung bei schwerem Verlauf, besonders ab Schulalter
- Mittel der ersten Wahl: Methylphenidat (z. B. Ritalin, Medikinet)
- Alternative: Atomoxetin, Guanfacin bei Kontraindikation oder Unverträglichkeit
- Regelmäßige Verlaufskontrollen und Evaluation der Wirksamkeit
5. Kombinierte Behandlung
- Kombination aus Verhaltenstherapie und Medikation bei mittelschweren bis schweren
Fällen empfohlen
- Ziel: Reduktion der Symptome, Verbesserung der Teilhabe, Förderung der Selbstregulation
6. Langfristige Begleitung
- Regelmäßige Verlaufskontrollen (symptomatisch, psychosozial, schulisch)
- Ggf. Anpassung der Therapiebausteine bei Schulwechsel oder Pubertät
- Vorbereitung auf Übergang ins Erwachsenenalter (Transition)
🎵 2. „Stopp-Tanz“ (oder „Reise nach Jerusalem“)
Musik läuft → Bewegung erlaubt.
Musik stoppt → alle müssen sofort stehen bleiben. 👉 Fördert Impulskontrolle auf spielerische Weise.
🧠 3. „Simon sagt“
Nur reagieren, wenn der Satz mit „Simon sagt…“ beginnt. 🗣️ Beispiel: „Simon sagt, fass dir an die Nase!“ → richtig „Fass dir an die Ohren!“ → falsch, darf nicht ausgeführt werden 👉 Kind muss Reaktion hemmen = Selbststeuerung.
⏱️ 4. Belohnung für Abwarten
In kleinen Schritten lernen, nicht sofort zu reagieren oder zu sprechen. 🕐 Beispiel: Das Kind darf reden, wenn die Sanduhr abgelaufen ist. 👉 Fördert Geduld und Selbstkontrolle.
🟥 UNO
Das Kind muss warten, bis es dran ist, Regeln beachten, und nicht impulsiv Karten legen.
Bei bestimmten Karten (z. B. „Aussetzen“ oder „Zieh 2“) entstehen Frustrationsmomente, die helfen, Affektkontrolle zu üben. 👉 Trainiert: Impulskontrolle, Frustrationstoleranz, Regelverhalten.
🧩 Memory
Das Kind muss konzentriert bleiben, sich merken, wo Karten liegen, und nicht einfach drauflosdecken.
Bei Fehlern wird das Kind ermutigt, ruhig zu bleiben und weiterzumachen. 👉 Trainiert: Aufmerksamkeit, Geduld, planvolles Vorgehen.
🧠 Brettspiele allgemein (z. B. Mensch ärgere dich nicht, Vier gewinnt, Halli Galli)
Fördern Regelakzeptanz, Warten, Verlieren lernen, Frust aushalten.
Das Kind erlebt, dass Ruhe und Nachdenken zum Ziel führen, nicht impulsives Handeln.
„Beim Impulstraining nutze ich oft einfache Brett- oder Kartenspiele wie UNO oder Memory. Dabei übt das Kind, Regeln einzuhalten, zu warten, bis es dran ist, und Frust auszuhalten – spielerisch wird so Impulskontrolle trainiert.“
= Das Kind lernt, sein Verhalten selbst zu steuern. ➡️ Es beobachtet sich, setzt sich Ziele und bewertet, ob es diese erreicht hat. Beispiel: „Ich will heute in der Stunde nur zweimal dazwischenrufen.“ → Am Ende schaut das Kind: Hab ich’s geschafft? → Wenn ja: kleine Belohnung / Lob.
📘 Therapeutisch: Hilfe zur Selbstbeobachtung, Zielvereinbarung, Rückmeldung.
= Struktur ins Chaos bringen 😉 ➡️ Kind lernt, seinen Alltag und Aufgaben zu ordnen. Beispiele:
Hausaufgabenplan oder Wochenplan erstellen
Materialmappe farblich ordnen
„Was brauche ich für die Schule?“ – Checklisten
Feste Zeiten für Lernen, Freizeit, Schlaf
📘 Ziel: Überforderung abbauen und Selbstständigkeit fördern.
🌟 Psychoedukation ADHS – kindgerecht & wertschätzend
„Dein Gehirn ist wie ein starkes Rennauto – richtig schnell und voller Ideen!Aber manchmal funktionieren die Bremsen nicht so gut oder das Navi wird unübersichtlich.“
„Im Gehirn gibt es kleine Helfer – Botenstoffe.Bei ADHS arbeiten einige davon noch nicht stark genug – besonders die, die beim Planen, Aufpassen und Warten helfen.“
„Dadurch passiert es manchmal, dass du:– schwer sitzen bleiben kannst– Dinge schnell rausplatzen– träumst oder dich leicht ablenken lässt– wichtige Sachen vergisstAber: Das heißt nicht, dass du faul bist oder absichtlich etwas falsch machst!“
„Viele Kinder mit ADHS sind kreativ, mutig, neugierig und haben tolle Einfälle – sie sehen, was andere übersehen.“
„Wir trainieren zusammen, wie man die Bremsen stärkt und das Navi klarer macht:– Tricks, um besser aufzupassen– Bewegungspausen– feste Abläufe– kleine Ziele mit BelohnungenUnd manchmal kann Medizin helfen, damit die Gehirnbotenstoffe besser arbeiten.“
klare, feste Tagesstruktur
Aufgaben in kleine Schritte gliedern
visuelle Pläne (Checklisten)
ruhiger Arbeitsplatz, wenig Ablenkung
konsequente Regeln + viel Lob & Geduld
Routinen = Sicherheit
EPIDEMIOLOGIE
Prävalenz: 3–7 % bei Kindern.
Jungen häufiger betroffen (ca. 3:1), bei Mädchen wird die Erkrankung häufiger übersehen
Hohe Komorbidität: Lernstörungen, Angst, Depression, Störungen des Sozialverhaltens.
ÄTIOLOGIE (Ursachen)
Nikotinexposition der KM während der Schwangerschaft
Alkoholabusus/konsum während der Schwangerschaft
extrem niedriges Geburtsgewicht
Familiäre Umwelteinflüsse, wie …
alleinerziehende Eltern
psychisch kranke Eltern
inadäquater Erziehungsstil (unangemessen)
intrafamiläre Gewalt
Genetische Ursachen, Neurobiologische Umwelltfaktoren
Prognose
bei etwa der Hälfte der Patienten hört die Symptomatik im Jugenalter auf bzw. verbessert sich deutlich
neue Erkrankungsfälle im Erwachsenenalter nicht beschrieben
Diagnosestellung und effiziente Therapie im Kindes und Jugenalter sind wichtig um die Wahrscheinlichkeit für Komplikationen im Langzeitverlauf zu reduzieren
Sonstige näher bezeichnete Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und
Jugend, dazu gehören
ADS = Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom
Form von ADHS ohne Hyperaktivität und Impulsivität.
starke Unaufmerksamkeit, schnelle Ablenkbarkeit
„Träumerisch“, geistig abwesend („Tagträumer“)
beginnen viele Aufgaben – beenden wenig
Vergesslichkeit, schlechtes Kurzzeitgedächtnis
chaotisch, unorganisiert, eigene Zeit schlecht einschätzbar
Arbeitsverhalten: langsam, unsauber (Schlampigkeit im Schriftbild)
soziale Schwierigkeiten: zurückhaltend, schwer integrierbar, Missverständnisse
schwankendes Selbstwertgefühl, Stimmung labil
Merkliste: „Still, aber nicht konzentriert.“
F 98.8
ADHS wird heute als Störung verstanden, bei der biologische, psychische und soziale Faktoren zusammenwirken. Biologisch gibt es Hinweise auf eine veränderte Reizweiterleitung im Gehirn, insbesondere beim Dopamin- und Noradrenalin-Haushalt, was Aufmerksamkeit und Impulskontrolle erschwert. Auch genetische Faktoren spielen eine große Rolle. Psychisch können Schwierigkeiten in der Emotionsregulation, geringes Selbstwertgefühl oder problematische Lernerfahrungen die Symptomatik verstärken. Sozial beeinflussen z. B. familiäre Strukturen, Schule und Erwartungen der Umwelt, wie gut ein Kind mit ADHS zurechtkommt.
Therapeutisch arbeite ich multimodal, also auf allen Ebenen gleichzeitig:
• Psychoedukation – Kind und Eltern verstehen ADHS und den Umgang damit
• Verhaltenstherapie / Selbstmanagement – z. B. Verstärkersysteme, Impulskontrolltraining
• Elterntraining und schulische Unterstützung – klare Regeln, Struktur und Routinen
• Medikation, wenn notwendig, z. B. Methylphenidat zur Verbesserung der Konzentration
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