Beurteilung einzelner Sachverhalte - Fall 1: Die Brause AG hat ein Auto zum Preis von 35.000 € bestellt, der Vertrag ist unterschrieben. Welche Auswirkungen hat dies auf die Bilanz und warum? (Ein drohender Verlust sei nicht zu erfassen. Siehe dazu die Ausführungen zum Imparitätsprinzip.) Darf die Brause AG aus dem Sachverhalt die Schuld passivieren?
Keine. In diesem Fall liegt ein schwebendes Geschäft vor, da das Auto noch nicht geliefert wurde.
Vermögensgegenstand:
Das Auto ist selbständig verwertbar (kann veräußert werden). Zudem ist es selbständig bewertbar (z.B. Preis von 35.000 €). -> Das Auto ist ein Vermögensgegenstand.
Die Brause AG ist nicht (rechtlicher) Eigentümer.
Die Brause AG ist auch nicht wirtschaftlicher Eigentümer, da die mit dem Auto verbundenen Chancen und Risiken nicht bei der Brause AG liegen. Wird jetzt das Auto zerstört (wodurch auch immer) hat der Lieferant ein anders Auto zu liefern, der Brause AG wäre kein Schaden entstanden.
Gesetzliche Vorschriften zu dem Sachverhalt gibt es nicht.
ERGEBNIS: Die Brause AG darf das Auto nicht aktivieren.
Schuld:
Außenverpflichtung: Liegt vor, da die Brause AG verpflichtet ist, künftig den Kaufpreis zu zahlen.
Wirtschaftliche Belastung: Nein. Mit Blick in die Zukunft hat die Brause AG zwar den Kaufpreis zu zahlen, sie erhält aber auch das Auto.
ZWISCHENERGEBNIS: Eine Schuld liegt nicht vor.
Eine gesetzliche Vorschrift, dass in diesem Fall eine Schuld zu bilanzieren ist, existiert nicht.
Ergebnis: Die Brause AG darf aus dem Sachverhalt keine Schuld passivieren.
Fall 2: Das in Fall 1 bestellte Auto wurde geliefert, die Brause AG hat noch nicht gezahlt. Welche Auswirkungen hat dies auf die Bilanz? (Handelt es sich um ein Vermögenstand?, Ist die Brause AG rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer?, Gibt es Gesetzliche Vorschriften zu dem Sachverhalt?, Muss die Brause AG das Auto aktivieren?, Liegt eine Schuld vor? Ist die Schuld wirtschaftlich belastbar?, Ist die Schuld quantifizierbar?, Gibt es eine gesetzliche Vorschrift, dass die Schuld nicht zu bialnzieren ist?, Muss aus dem Sachverhalt eine Schuld passiviert werden?)
Antwort: Auto und Verbindlichkeit ansetzen.
Die Brause AG ist mit Lieferung soweit nichts anderes vereinbart ist (rechtlicher) Eigentümer.
Die Brause AG ist auch wirtschaftlicher Eigentümer, da die mit dem Auto verbundenen Chancen und Risiken bei der Brause AG liegen. Wird jetzt das Auto zerstört (wodurch auch immer) hat die Brause AG den Schaden zu tragen.
ERGEBNIS: Die Brause AG hat das Auto zu aktivieren.
Wirtschaftliche Belastung: Ja. Mit Blick in die Zukunft hat die Brause AG den Kaufpreis zu
zahlen, sie erhält aber nichts (mehr).
Quantifizierbar? Ja, punktuell. Die Brause AG weiß genau, was sie zu zahlen hat.
ZWISCHENERGEBNIS: Eine Schuld liegt vor.
Eine gesetzliche Vorschrift, dass in diesem Fall eine Schuld nicht zu bilanzieren ist, existiert
nicht.
ERGEBNIS: Die Brause AG hat aus dem Sachverhalt eine Schuld zu passivieren.
Fall 3: Die Brause AG hat das in Fall 2 gelieferte Auto bezahlt. Welche Auswirkungen hat dies auf die Bilanz? (Handelt es sich um einen Vermögensgegenstand?, Liegt eine Außenverpflichtung vor?, Gibt es eine gesetzliche Vorschrift, dass in diesem Fall eine Schuld zu bilanzieren ist?)
Antwort: Das Auto ist schon angesetzt. Verbindlichkeit besteht nicht mehr.
Vermögensgegenstand: Siehe Fall 2.
Außenverpflichtung: Liegt nicht vor, da die Brause AG nicht mehr verpflichtet ist, künftig den Kaufpreis zu zahlen.
Eine gesetzliche Vorschrift, dass in diesem Fall eine Schuld zu bilanzieren ist, existiert nicht.
ERGEBNIS: Die Brause AG hat aus dem Sachverhalt keine Schuld mehr zu passivieren.
Fall 4: Die Brause AG hat eine Software selbst programmiert, die Herstellungskosten betragen 500.000 €. Welche Auswirkungen hat dies auf die Bilanz? (Handelt es sich um ein Vermögengegenstand?, Ist die Software als Anlage oder Umlaufvermögen zuzuordnen?, )
Zunächst ist zu prüfen, ob die Software ein Vermögensgegenstand ist. Annahme: Sie ist selbständig verwertbar. Bewertbar ist sie, da die Herstellungskosten ermittelt wurden. -> Vermögensgegenstand liege vor.
Nun ist entscheidend, ob die Software dem Anlagevermögen oder dem Umlaufvermögen zuzuordnen ist.
Ist die Software dem Umlaufvermögen zuzuordnen, da sie z.B. veräußert werden soll, besteht keine besondere zu beachtende gesetzliche Vorschrift. Somit ist die Software anzusetzen.
Ist die Software dem Anlagevermögen zuzuordnen, ist § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB zu beachten. Demnach besteht ein Aktivierungswahlrecht für die Software.
Fall 5: Die Brause AG hat eine Kundenliste selbst erstellt. Die Herstellungskosten betragen 200.000 €. Wie ist dies im Abschluss der Brause AG abzubilden? Würde sich am Ergebnis etwas ändern, wenn die Brause AG die Kundenliste für 200.000 € erworben hätte? (Ist die selbsterstellte Liste ein Vermögensgegenstand?, Ist die Liste dem Anlage- oder Umlaufvermögen zuzurechnen?)
Vorab: Eine Kundenliste ist eine Liste (z.B. in Excel) die Daten von Kunden enthält:
Name
Vorname
Ort
Anschrift
E-Mail
Vergangene Bestellungen
Ausbildung
Lieblingsfußballverein
Lieblingshaustier
Cholerisch oder gutmütig
single, verheiratet, geschieden?
Auf Basis dieser Daten haben Unternehmen kurz gesprochen die Möglichkeit, den Vertriebserfolg zu maximieren.
Die selbsterstellte Kundenliste ist grds. ein Vermögensgegenstand, da Kunden- bzw. Nutzerdaten – wie leider häufig berichtet wird – mit oder ohne Zustimmung der Kunden veräußert werden ( -> selbständig verwertbar). Das Kriterium der selbständigen Bewertbarkeit ist lt. Sachverhalt auch erfüllt (Herstellungskosten von 200 T€).
Auch hier ist wie in Frage 4 entscheidend, ob die Kundenliste dem Anlagevermögen oder dem Umlaufvermögen zuzurechnen ist.
Ist die Kundenliste dem Umlaufvermögen zuzuordnen, besteht keine besondere zu beachtende gesetzliche Vorschrift. Somit ist die Kundenliste anzusetzen.
Ist die Kundenliste dem Anlagevermögen zuzuordnen, ist § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB zu beachten. Demnach besteht ein Aktivierungsverbot für die Kundenliste.
Wurde die Kundenliste erworben, ist sie unabhängig von der Zuordnung zum Anlage- oder
Umlaufvermögen anzusetzen.
Fall 6: Die Brause AG wurde verklagt, weil sie angeblich Patente eines Konkurrenten verletzt hat. Der Anwalt der Brause AG kommt zum Ergebnis, dass die Brause AG mit einer Wahrscheinlichkeit von
a) 40%
b) 70%
schuldig gesprochen wird. Falls die Brause AG schuldig gesprochen wird, hat sie zwischen 400.000 € und 500.000 € zu zahlen.
Fall A: (Liegt eine Schuld vor?, Welche Außenverpflichtung besteht?, Ist die Schuld zu passivieren?)
Fall B: Liegt eine Außenverpflichtung vor?, Liegt eine Wirtschaftliche Belastung zur Außenverpflichtung vor?, Ist die Belastung quantifizierbar?, Gibt es eine gesetzliche Vorschrift?
Zu prüfen ist, ob eine Schuld vorliegt:
Fall a)
Außenverpflichtung: Dieses Kriterium ist erfüllt, soweit die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme größer ist als 50%. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt lediglich 40%. Daher ist dieses Kriterium nicht erfüllt. -> Keine Schuld.
Eine gesetzliche Vorschrift, dass in diesem Falle eine Schuld zu passivieren ist, gibt es nicht.
ERGEBNIS: Nicht zu passivieren.
Fall b)
Außenverpflichtung: Dieses Kriterium ist erfüllt, soweit die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme größer ist als 50%. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt hier 70%. Daher ist dieses Kriterium erfüllt.
Wirtschaftliche Belastung. Liegt vor. Künftig hat die Brause AG etwas zu zahlen, ohne etwas zu erhalten.
Quantifizierbarkeit: Die wirtschaftliche Belastung ist innerhalb einer Bandbreite quantifizierbar.
Zwischenergebnis: Eine Schuld liegt vor. Da diese sowohl dem Grund nach als auch der Höhe nach unsicher ist, ist diese als Rückstellung auszuweisen.
Eine gesetzliche Vorschrift, dass diese Schuld nicht anzusetzen ist, existiert nicht.
Ergebnis: Eine Schuld ist als Rückstellung in der Bilanz anzusetzen.
Zuletzt geändertvor 4 Tagen