Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO)
Grundsätzlich erfolgt der Beweis einer Tatsache durch Wahrnehmung einer Person; § 250 Abs. 1 S. 2 StPO beinhaltet den Vorrang des Personalverweises. Im Interesse möglichst zuverlässiger Informationsgewinnung und Wahrheitsfindung gilt dies aber nicht um jeden Preis. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Beweis einer Tatsache auch durch Urkundenverlesung nach § 251 StPO erfolgen. Das Gericht hat insoweit einen verminderten Beweiswert zu berücksichtigen.
Relative Beweisverwertungsverbote
Die rechtsfehlerhafte Beweiserhebung führt aber nicht stets zur Unzulässigkeit der Verwertung. Ein allgemeiner Grundsatz, dass einem Beweiserhebungsverbot immer auch ein Verwertungsverbot folgt, ist dem deutschen Strafverfahrensrecht fremd. Im Hinblick auf den Grundsatz der gerichtlichen Wahrheitserforschung ist ein Verwertungsverbot vielmehr eine Ausnahme. Ein Verwertungsverbot besteht nur dann, wenn das Interesse an der Sicherung der Grundlagen der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren die Wahrheitserforschungspflicht und das Interesse der Allgemeinheit am Funktionieren der Strafrechtspflege überwiegt. Erforderlich ist eines Schutzgüterabwägung, bei zu berücksichtigten ist, ob die verletzte Verfahrensvorschrift auch zur Sicherung der verfahrensrechtlichen Stellung des Beschuldigten dient und damit seinen Rechtskreis berührt (Rechtskreistheorie). Kriterien: Schwere der Rechtsgutverletzung, Schutzwürdigkeit des Angeklagten, Intensität des Beweiserhebungsverbotes, Theorie des rechtmäßigen Alternativverhaltens, Verschuldensvorwurf.
Vernehmung (§ 136 StPO)
Eine (1) Vernehmung ist eine formale Befragung, die von einem Staatsorgan in amtlicher Funktion mit dem Ziel der Gewinnung einer Aussage durchgeführt wird. Sie ist abzugrenzen von einer rein informatorischen Befragung einer Person, gegen die noch kein Anfangsverdacht besteht, und einer reinen Spontanäußerung, die der Beschuldigte ohne Aufforderung im Rahmen eines amtlichen Auskunftbegehrens tätigt. Hier […].
Beschuldigteneigenschaft (§ 136 StPO)
Beschuldigteneigenschaft ist spätestens dann zu bejahen, wenn sich der bereits bei Beginn der Vernehmung bestehende Verdacht so verdichtet hat, dass die vernommene Person als Täter der untersuchten Straftat ernsthaft in Betracht kommt. Dies ist der Fall, wenn sich ein Verfolgungswille der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen (subjektives Element) objektiv in einem Verfolgungsakt (objektives Element) manifestiert. Entscheidend ist, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten nach außen, insbesondere in der Wahrnehmung des Betroffenen, darstellt.
Verlesungsverbot (§ 252 StPO)
Auch eine Vernehmung der Verhörsperson als Zeuge „vom Hören sagen“ ist ausgeschlossen. Auch wenn der Wortlaut in § 252 StPO nur ein „Verlesen“ verbietet, ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch der Zeugenbeweis umfasst, denn die frühere Aussage soll als Grundlage der Überzeugungsbildung vollständig ausgeschaltet werden.
Etwas anderes gilt nur für den Fall einer vorherigen richterlichen Vernehmung. In diesem Fall ist eine Verwertung zulässig, wenn (1) eine vorherige Vernehmung als Zeuge erfolgt ist, (2) das Zeugnisverweigerungsrecht bereits zu diesem Zeitpunkt bestand, (3) eine ordnungsgemäße Belehrung erfolgte und (4) der Zeuge wirksam auch sein Zeugnisverweigerungsrecht verzichtet hatte. Angesichts eines nach Belehrung bewusst erklärten Verzichts auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts in der verfahrensrechtlich hervorgehobenen Situation einer richterlichen Vernehmung ist das öffentlich Interesse an einer effektiven Strafrechtspflege von größerem Interesse als das Interesse des Zeugen, sich die Entscheidungsfreiheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bis zur Hauptverhandlung erhalten zu können. Das besonderes Gewicht richterlicher Vernehmung zeigt sich auch in § 251 Abs. 2, § 161a Abs. 1 S. 3, § 168c Abs. 2 StPO.
Konkurrenzen
Der […] und die […] stehen im Verhältnis der Tatmehrheit (§ 53 StGB) zueinander, da sich B erst während […] aufgrund einer veränderten Tatsituation dazu entschloss, [zweite Tathandlung] auszuführen. Das Tätigwerden stellt sich nicht mehr als einheitliches Geschehen dar. Die versuchte gefährliche Körperverletzung und der Diebstahl stehen im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander, da hierzu die teilweise Identität der objektiven Ausführungshandlungen ausreicht. Die Straftaten beider Tatkomplexe stehen zueinander in Tatmehrheit.
Tat im prozessualen Sinne
Tat im prozessualen Sinn ist der durch die Anklage dem Gericht unterbreitete Vorgang, soweit er nach der Lebensauffassung eine Einheit bildet. Einheitliche prozessuale Tat: Äußere zeitliche und räumliche Verknüpfung dergestalt, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, gewürdigt werden kann (BGH). Eine Tatidentität setzt einen inneren Beziehungs- und Bedingungszusammenhang voraus.
minderschwerer Fall
Ein minderschwerer Fall liegt vor, wenn das Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass der Regelstrafrahmen nicht mehr angemessen ist. Die Feststellung erfordert eine umfassende Gesamtwürdigung aller tat- und täterbezogenen Umstände, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichviel ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen.
Niedrige Beweggründe (§ 211 StGB)
Niedrige Beweggründe sind die Motive, die sich bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände als nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert und auf tiefster Stufe stehend darstellen. Ein spontaner Tatentschluss schließt niedrige Beweggründe nicht zwangsläufig aus, erfordert aber eine genaue Prüfung. Gefühlsregungen wie Eifersucht, aber auch Rache, Wut und Hass kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am Ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren (Fischer, § 211 Rn. 25). Dies ist der Fall, wenn der Täter dem anderen Teil aus übersteigertem Besitzdenken das Lebensrecht abspricht oder den berechtigten Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben bestrafen will. Nicht jede Tötung, die aus (krankhaft übersteigerter) Eifersucht geschieht, beruht schon deshalb zwangsläufig auf niedrigen Beweggründen. Vielmehr können in einem solchen Fall tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung und Enttäuschung sein, die eine Bewertung als „niedrig“ i. S. d. Mordmerkmals als fraglich erscheinen lassen. Vorliegend war B enttäuscht und wütend, weil […]. Auch wenn diese Eifersucht an sich nicht mehr nachvollziehbar sein dürfte, dürfte sich B in gewisser Weise noch emotional nachvollziehbarem Motivbündel aus Eifersucht, innerer Ausweglosigkeit, Enttäuschung, Wut und Verlustangst zur Tat entschlossen haben. Dies reicht, zumal sich B spontan zur Tat entschlossen hat, für die Annahme niedriger Beweggründe nicht aus. [Bei einer normativen Betrachtung dürften diese Tatantriebe nicht in einem Maße verachtenswert sein, um einen hinreichenden Tatverdacht i. S. d. §§ 170 Abs. 1, 203 StPO zu rechtfertigen].
Mordmerkmal Heimtücke
Heimtückisch handelt, wer eine zum Zeitpunkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt. Arglos ist, wer sich eines Angriffs nicht versieht, also die Vorstellung hat, vor einem Angriff sicher zu sein. Wehrlosigkeit ist gegeben, wenn dem Opfer die natürliche Abwehrbereitschaft und -fähigkeit fehlt oder diese zumindest stark eingeschränkt ist.
Hemmschwellentheorie
Die Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes vom Körperverletzungsvorsatz erfordert bei schwerwiegenden Gewalttaten allerdings eine sorgfältige Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei stellt die offensichtliche Lebensgefährlichkeit einer Handlung – wie vorliegend der äußerst gefährliche Tritt mit dem mit Stahlkappen versehenen Stiefel gegen den Kopf – für den Vorsatznachweis einen Umstand von erheblichem Gewicht dar, da nach st. Rspr. bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt (Fischer, § 212 Rn. 8). Dennoch bedarf die Frage der Billigung des Todes angesichts der hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände, in die vor allem auch die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motive mit einzubeziehen sind. Insbesondere bei spontanen, unüberlegten, in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das – selbstständig neben dem Wissenselement stehende – voluntative Vorsatzelement gegeben ist.
Schuldfähigkeit
Die Schuldfähigkeit setzt die Fähigkeit voraus, das Unrecht der Tat einzusehen (Unrechtseinsichtsfähigkeit) und entsprechend einer bestehenden Unrechtseinsicht zu handeln (Steuerungsfähigkeit). Bei T könnte gemäß § 20 StGB eine krankhafte seelische Störung vorgelegen haben, weil er bei Tatbegehung unter dem Einfluss von Alkohol stand. Die bei T um 4:00 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,54 Promille. Das Ergebnis dieser Blutprobe ist verwertbar. T hat der Blutentnahme zugestimmt. Eine richterliche Anordnung (die auch nach der Neufassung des § 81a StPO bei Nichtverkehrsdelikten nach wie vor noch erforderlich ist, vgl. § 81a Abs. 2 S. 2 StPO n.F.) war damit entbehrlich. Der Befundbericht über den Alkoholwert kann insoweit nach § 256 Abs. 1 Nr. 3 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt werden.
Zur Tatzeit um 1.00 Uhr hatte der Beschuldigte unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlages von 0,2 Promille und einem stündlichen Abbauwert von 0,2 Promille einen BAK-Wert von 2,34 Promille. Die errechnete BAK gibt keinen Anlass zur Annahme, dass die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten und die Fähigkeit zu normgemäßer Motivation aufgrund einer akuten Intoxikationspsychose im Sinne des § 20 StGB aufgehoben war (Richtwert: erst ab 3,00 Promille). Zudem ergibt sich aus den Schilderungen von O, S und W kein Anhalt dafür, dass die Steuerungsfähigkeit des ersichtlich trinkgewöhnten T aufgehoben war (Ablauf der Schlägerei, Anruf bei Notrufzentrale, Selbsteinschätzung des Beschuldigten). Allerdings liegen die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB nahe.
Unrechtsfähigkeit und Steuerungsfähigkeit
Unrechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, das Unrecht der Tat einzusehen (vgl. § 17 StGB). Diese liegt vor. Es könnte aber die aufgrund verminderter Steuerungsfähigkeit die Fähigkeit fehlen, nach der Unrechtseinsicht zu handeln. Die Steuerungsfähigkeit ist die Fähigkeit, entsprechend einer vorhandenen Unrechtseinsicht zu handeln. Sie ist erheblich vermindert, wenn dieser bei vorhandener Unrechtseinsicht den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand entgegensetzten kann als der nüchterne Durchschnittsmensch. BAK-Wert nur Indiz, weitere fehlende Leistungsmerkmale („psychodiagnostische“ Kriterien) z. B. deutliches Lallen, keine Reaktionen oder entgegenstehende Umstände (z. B. in sich schlüssige Handlungssequenzen und motorische Kombinationsleistungen).
Mittäterschaft
Gemeinschaftliche Tatausführung und gemeinsamer Tatplan.
(1) Gemeinschaftlich i.S.v. § 25 Abs. 2 StGB setzt insbesondere voraus, dass B selbst Täter und nicht nur Teilnehmer ist. Ausreichend ist grundsätzlich jede Mitwirkung an der Tatausführung, sofern sie nicht bloß von untergeordneter Bedeutung ist. Täter ist, wer Täterwillen (animus auctoris) hat, wer also nicht nur fremdes Tun fördern will, sondern die Tat als eigene will. Der Täterwille kann dabei auch aufgrund objektiver Kriterien, insbesondere der Tatherrschaft, der Wille zur Tatherrschaft, der Grad des eigenen Tatinteresse sowie der Umfang der eigenen Tatbeteiligung bestimmt werden.
(2) Ein gemeinsamer Tatplan erfordert das Einverständnis jedes Beteiligten in das gemeinsame, arbeitsteilige Vorgehen, das auch konkludent hergestellt werden kann.
Sukzessive Mittäterschaft
Gemeinsamer Tatplan (–). B könnte aber im Wege der sukzessiven Mittäterschaft in den von D in Gang gesetzten Kausalverlauf eingetreten sein. Eine sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn jemand in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eintritt. Sie ist grundsätzlich möglich, da das erforderliche Einverständnis auch noch während der Tatausführung hergestellt werden kann. Sukzessive Mittäterschaft noch möglich, solange der Hinzutretende die Tat noch fördern kann. Daran fehlt es, wenn für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolgs schon alles getan ist. Im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung aber Förderung noch möglich. Es handelt sich insoweit auch nicht um eine unzulässige Anerkennung eines nachträglichen Vorsatzes (dolus subsequens). Denn Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit sich zugunsten des später Beteiligenden auswirken würde. Untrennbare Bewertungseinheit = Deliktisches Gesamtverhalten unter Strafe gestellt. (+), weil maßgeblich muss Qualität des Tatbeitrags sein, nicht der Zeitpunkt
Unmittelbares Ansetzen bei Mittäterschaft
Nach der Gesamtlösung liegt ein unmittelbares Ansetzen infolge der unmittelbaren Zurechnung vor, wenn einer der Mittäter i. R. d. gemeinsamen Tatplans zur Verwirklichung seines Tatbeitrags ansetzt und diese Handlung geeignet wäre, auch bei Alleintäterschaft ein unmittelbares Ansetzen zu begründen. (+), weil Mittäterschaft auf dem Prinzip der wechselseitigen Zurechnung beruht.
Mittelbare Täterschaft
Eine mittelbare Täterschaft liegt vor, wenn jemand die Tat durch einen anderen begeht, d. h. dass er bei der Tatausführung einen Tatmittler in Gestalt eines menschlichen Werkzeugs für sich handeln lässt. Dies setzt voraus, dass (1) T einen objektiven Verursachungsbeitrag gesetzt hat, das (2) Werkzeug einen Strafbarkeitsmangel aufweist und (3) der Hintermann eine überlegene Wissens- oder Wollensherrschaft aufweist.
Fahrlässigkeit: Aufbau
(1) Eintritt Erfolg, (2) Kausale Handlung, (3) Objektive Sorgfaltspflichtverletzung, (4) Objektive Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit, (5) Objektive Zurechnung: (5.1) Pflichtwidrigkeitszusammenhang, (5.2) Schutzzweck der Norm, (5.3) Eigenverantwortliche Selbstgefährdung, (6) Schuld: Subjektive Fahrlässigkeit
Unterlassen Aufbau
(1) Eintritt Erfolg, (2) Nichtvornahme der gebotenen Handlung, (3) Physisch-reale Möglichkeit der Erfolgsabwendung, (4) Hypothetische Kausalität, (5) Garantenstellung, (6) Entsprechungsklausel § 13 Abs. 1 a. E. StGB
Unmittelbares Ansetzen beim Versuch durch Unterlassen
Konkrete Gefährdung wie bei Begehungsdelikt. Ein unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn sich aus der Sicht des Täters die Gefahr für das Rechtsgut so sehr verdichtet hat, dass es bei weiterer Untätigkeit ohne wesentliche Zwischenschritte zu einer konkreten Gefährdung des Rechtsguts kommen wird (beste Rettungschance verstreichen lassen).
Zuletzt geändertvor 16 Tagen