Welche organisatorischen und individuellen Kosten entstehen durch Multitasking in Alltagssituationen?
Multitasking verursacht Leistungseinbußen: mehr Fehler, längere Bearbeitungszeiten
Betriebswirtschaftliche Folgen (Beispiel USA 2014):
Produktivitätsverlust: ca. 27,5 %
Arbeitszeitverlust: ca. 32 %
Gesamtkosten: ca. 450 Milliarden USD jährlich
Individuelle Folgen:
Erhöhter Stress
Geringere Jobzufriedenheit
Welche Effekte zeigt die Studie von Strayer et al. (2010) zu Multitasking beim Autofahren, und wie unterscheiden sich die Bedingungen?
Studie von Strayer et al. (2010) untersucht Multitasking beim Autofahren
Vergleich:
Baseline (kein Handy)
Hand-held phone
Hands-free phone
Ergebnis (Speed Profile):
Beide Handy-Bedingungen führen zu reduzierter Fahrgeschwindigkeit
Verlangsamte Reaktion bei unerwarteten Ereignissen
Bildvergleich: Fahrer mit Handy (rechts) nimmt relevante Reize schlechter wahr
Fazit: Auch freihändiges Telefonieren beeinträchtigt Aufmerksamkeit und Fahrleistung
Welche objektiven und subjektiven Auswirkungen hat Multitasking im Büro laut Mark et al. (2008, 2009)?
Multitasking im Büro:
Gleichzeitige Bearbeitung mehrerer Aufgaben und Informationsquellen
Häufige Unterbrechungen durch Kollegen, Internet, Smartphone
Studie von Mark, Gudith & Klocke (2008):
Aufgabe: 12 E-Mails mit und ohne Unterbrechungen bearbeiten
Objektive Ergebnisse: keine Unterschiede in Zeit, Fehlerzahl, Mailqualität
Subjektive Ergebnisse:
Mehr Stress, Frustration, Zeitdruck und Aufwand bei Unterbrechung
Fazit (Mark et al., 2009):
Multitasking kann objektive Leistung verschlechtern, wenn subjektive Belastung gleich bleibt (Kompensationskosten)
Wie beeinflusst Aufgabenähnlichkeit bei Eingangs- und Ausgabemechanismen die Leistung beim Multitasking?
Aufgabenähnlichkeit beeinflusst Multitasking-Leistung
Eingangsmechanismen (Allport et al., 1972) – dichotisches Hören:
Beschattungsaufgabe + zusätzliche Reize (auditiv vs. visuell)
Geringe Gedächtnisleistung bei auditiven Wörtern
Hohe Gedächtnisleistung (90 %) bei visuellen Bildern
Interpretation: Unterschiedliche Sinneskanäle stören sich weniger
Ausgabemechanismen (McLeod, 1977) – Effektoren:
Tracking (manuell) + Tonidentifikation
Reaktion entweder vokal oder manuell (mit freier Hand)
Ergebnis: Weniger Fehler bei Tonaufgabe, aber schlechteres Tracking, wenn Reaktion auch manuell
Interpretation: Gleiche Effektoren (z. B. Hand + Hand) stören sich mehr als unterschiedliche (z. B. Hand + Sprache)
Fazit
Wir können besser multitasken, wenn die Aufgaben verschiedene Sinneskanäle (Input) oder verschiedene Körperteile (Output) benutzen
Ähnliche Aufgaben konkurrieren um dieselben Ressourcen und beeinträchtigen sich stärker
Was besagen Theorien multipler Ressourcen im Hinblick auf Multitasking und Interferenz zwischen Aufgaben?
Theorien multipler Ressourcen (z. B. Navon & Gopher, 1977; Wickens, 1984)
Menschliches System besteht aus mehreren separaten Verarbeitungseinheiten
Jede Aufgabe nutzt bestimmte Ressourcen (z. B. visuell, auditiv, motorisch)
Interferenz entsteht, wenn zwei Aufgaben dieselben Ressourcen beanspruchen
Unterschiedliche Aufgaben (mit verschiedenen Ressourcen) stören sich weniger oder gar nicht
Welche vier Ressourcendimensionen unterscheidet das Modell multipler Ressourcen nach Wickens (1984) und wie beeinflussen sie die Aufgabeninterferenz?
• Modell multipler Ressourcen (Wickens, 1984): parallele Verarbeitungskapazitäten
• Vier Ressourcendimensionen:
• Verarbeitungsprozesse: Enkodierung, zentrale Prozesse, Output
• Modalitäten: visuell, auditiv
• Verarbeitungscodes: räumlich, verbal
• Antwortmodalitäten: manuell, vokal
• Hohe Aufgabenähnlichkeit → stärkere Interferenz
• Nutzung unterschiedlicher Ressourcen → geringere Interferenz
• Geteilte Aufmerksamkeit abhängig von Ressourcenüberlappung
Wie beeinflusst die Aufgabenschwierigkeit laut Kahnemans Theorie der Aufmerksamkeit die gleichzeitige Ausführung von Aufgaben?
Gleichzeitige Aufgabenbewältigung hängt von Aufgabenschwierigkeit ab
Leichte, ideomotorisch kompatible Aufgaben (z. B. Greenwald & Shulman, 1973; Lien et al., 2006) → kaum Interferenz
Theorie “attention and effort” (Kahneman, 2011): Aufmerksamkeit als begrenzte, flexibel einsetzbare Ressource
Ressource kann auf eine oder mehrere Tätigkeiten verteilt werden (graded capacity sharing)
Hohe Aufgabenschwierigkeit → höherer Aufmerksamkeitsbedarf → stärkere Interferenz
Leichte Aufgaben → geringer Ressourceneinsatz notwendig
Welche empirischen Befunde stützen das Konzept des graded capacity sharing bei der Verteilung von Aufmerksamkeit?
Befunde stützen Konzept des graded capacity sharing
Aufmerksamkeitszuteilung kann bewusst über Instruktion gesteuert werden
Verstärkte Fokussierung auf eine Aufgabe → Leistungssteigerung in dieser Aufgabe
Gleichzeitig Leistungsabfall in der parallel ausgeführten Aufgabe
Beispiel: Kombination aus Ziffernidentifikation & Nachführaufgabe
Aufgabenpriorität beeinflusst Leistungsverteilung (Priorität 1,0 = alleinige Bearbeitung)
Was besagt Kahnemans Theorie der zentralen Kapazität über die Ursachen von Interferenz bei Doppelaufgaben?
Theorie zentraler Kapazität (Kahneman, 2011): strikt begrenzte zentrale Ressource
Ressource flexibel auf mehrere Tätigkeiten verteilbar
Leistung bei Doppelaufgaben hängt von Ressourcenanforderungen beider Aufgaben ab
Interferenz entsteht, wenn kombinierte Anforderungen die Gesamtkapazität übersteigen
Aufgabenschwierigkeit ist entscheidender Faktor für Performanz bei Doppelaufgaben
Was besagt die Ein-Kanal-Theorie der Aufmerksamkeit nach Broadbent über die Möglichkeit paralleler Informationsverarbeitung?
Ein-Kanal-Theorien (z. B. Welford, Broadbent, Pashler): nur ein zentraler Verarbeitungskanal
Broadbent (1958): Aufmerksamkeit kann nur vollständig einer Aufgabe zugewiesen werden (Alles-oder-Nichts-Prinzip)
Multitasking nur durch schnelles Umschalten des Filters möglich
PRP-Doppelaufgaben (Psychologische Refraktär-Periode) stützen Existenz eines strukturellen Flaschenhalses
Bottleneck = zentraler, nicht paralleler Verarbeitungspunkt → führt zu unvermeidbarer Interferenz
Was ist der PRP-Effekt und wie entsteht er in Doppelaufgaben? Was passiert bei wechselndem SOA?
PRP: “Psychologische Refraktärperiode
PRP-Situation: zwei Aufgaben mit variablem Abstand (SOA = stimulus onset asynchrony)
Aufgabe 1: Ton identifizieren (hoch/tief)
Aufgabe 2: Buchstaben identifizieren (z. B. A, B oder C)
PRP-Effekt: Reaktionszeit bei Aufgabe 2 steigt bei kurzem SOA
Ursache: zentrale Verarbeitungskapazität noch durch Aufgabe 1 blockiert
PRP-Paradigma erlaubt präzise experimentelle Kontrolle über Reizverarbeitung
Welche Erkenntnisse liefern Trainingsstudien über die Robustheit des zentralen Bottlenecks in PRP-Doppelaufgaben?
Alles-oder-Nichts-Bottleneck: zentraler Verarbeitungskanal begrenzt parallele Bearbeitung
Frage: Ist der Bottleneck durch Übung aufhebbar?
Studien (z. B. Van Selst et al., 1999): Training über 36 Sessions reduziert PRP-Effekt
Aber: PRP-Effekt bleibt trotz Training bestehen
Interpretation: Bottleneck ist robust, strukturell und nicht vollständig eliminierbar
Unterstützt durch zahlreiche Studien (z. B. Maquestiaux, Ruthruff, Schumacher, Strobach et al.)
Wie erklärt das Central Bottleneck Model den PRP-Effekt und welche zentrale Annahme liegt ihm zugrunde?
Central Bottleneck Model: erklärt begrenzte parallele Informationsverarbeitung
Bottleneck = zentrale Verarbeitungsstufe, die nur eine Aufgabe gleichzeitig verarbeiten kann
PRP-Effekt: Aufgabe 2 muss warten, bis Aufgabe 1 den Engpass passiert hat
Zentrale Annahme: Prozess A (z. B. Reaktionswahl) kann nicht gleichzeitig in zwei Aufgaben ablaufen
Modell dient dazu, Engpass-Stufe zeitlich und funktional zu lokalisieren
Zitat (Pashler, 1994): „Wenn Prozess a in einer Aufgabe aktiv ist, kann er nicht gleichzeitig in einer anderen stattfinden.“
Welche experimentellen Hinweise sprechen dafür, dass die Antwortauswahl die zentrale Bottleneck-Stufe in der Informationsverarbeitung darstellt?
Verarbeitung wird in drei Stufen unterteilt: Reizidentifikation, Antwortauswahl, Antwortausführung
Antwortauswahl als Engpass identifiziert → nur seriell verarbeitbar
Vorhersage 4: Verlängerung der Antwortauswahl in Aufgabe 2 wirkt additiv zum SOA-Effekt
Evidenz: Ungewohnte Stimulus-Response-Zuordnung erhöht Reaktionszeit unabhängig vom SOA (McCann & Johnston, 1992)
Vorhersage 3: Variation in Reizidentifikation wirkt subadditiv zum SOA-Effekt
Evidenz: Geringe Sichtbarkeit (z. B. durch reduzierten Kontrast) verlängert Reaktionszeit nur bei langer SOA (Pashler & Johnston, 1989)
Interpretation: Reizidentifikation erfolgt vor dem Bottleneck, Antwortauswahl im Bottleneck
Diese Experimente zeigen, dass der zentrale Engpass (der Punkt, wo wir nicht zwei Dinge gleichzeitig verarbeiten können) sehr wahrscheinlich in der Antwortauswahl liegt. Also nicht beim Erkennen des Reizes oder beim Drücken der Taste, sondern genau dazwischen – beim Entscheiden, wie man reagieren soll.
Welche drei theoretischen Erklärungen belegen, warum der Mensch kein echter Multitasker ist?
Modell multipler Ressourcen: Multitasking scheitert besonders bei ähnlichen Aufgaben (wegen Ressourcenüberschneidung)
Theorie der zentralen Kapazität: Schwierige Aufgaben erfordern mehr Aufmerksamkeit → erschweren Multitasking
Theorie des zentralen Flaschenhalses: Zwei Aufgaben können bestimmte Verarbeitungsstufen nicht gleichzeitig durchlaufen → echte Parallelverarbeitung nicht möglich
Kernaussage: Der Mensch kann Aufgaben nicht vollständig parallel bearbeiten – echtes Multitasking ist begrenzt
Zuletzt geändertvor 13 Tagen