Lernziele
Wie weit darf man in Überschriften und auf Titelblättern zuspitzen?
Wo beginnt das Übertreiben und Skandalisieren?
Was bedeutet „journalistische Sorgfaltspflicht“?
Wann darf man die Herkunft von Tätern nennen?
Was muss man bei der Berichterstattung über medizinische Themen und über psychische Erkrankungen beachten?
Orientierung am Pressekodex
Sachverhalt muss wahrhaftig sein
Zuspitzung hat „Tatsachen“-Kern
sollte nicht irreführend oder mehrdeutig sein, also nicht so, dass es der Person potenziell schadet oder Platz für viele Interpreationen lässt
Pressekodex: Ziffer 2 – Sorgfalt
Ziffer 2 – Sorgfalt
Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben.
Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden.
Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.
Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden.
Zu den wichtigsten Pflichten der Presse gehören:
Pflicht zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung
Die journalistische Sorgfaltspflicht
So etwa in Art. 3 Abs. 2 Bay PrG fixiert
Die Presse muss Informationen und Nachrichten vor deren Verbreitung unabhängig und sachlich, mit Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft prüfen (LPressG BW §6; § 10 RStv)
Betroffene Personen sollen nach Möglichkeit gehört werden
Zwischen Privatsphäre und Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist genau abzuwägen (Intimsphäre und Geheimbereich sind zu beachten) (vgl. LMedienG BW § 3, Abs. 4 )
Wer Journalistische Sorgfaltspflicht verletzt, handelt fahrlässig nach §276 BGB
Was heißt Sorgfaltspflicht konkret?
Maßgeblich ist, welche Sorgfalt angesichts der konkreten Situation tatsächlich zu fordern ist; also nicht, welche Sorgfalt der Journalist für geboten hält
Der BGH hat hier einen strengen Maßstab veranschlagt, da Presse hohes Ansehen und weitreichenden Einfluss hat und Vertrauen genießt
Pflicht zur gründlich durchgeführten Recherche
Es geht allerdings um zumutbare pressemäßige Sorgfalt
Es gibt Sachverhalt der „Eilbedürftigkeit“
So kann Zeitdruck die Sorgfaltspflicht mindern, etwa vor Wahlen oder bei Gesundheitsgefahren; hier sind auch vage Verdachtsmomente ausreichend
Einzelne Personen genießen stärkeren Schutz als Gruppierungen
Beispiel: Ein Polizeipräsident im Bordell
->Je schwerer der Vorwurf desto größer die Prüfungspflicht
Gerüchte genügen nicht; Rückfrage bei Betroffenen ist geboten; Gelegenheit zur Stellungnahme geben
Mindestbestand an Beweistatsachen
Objektiv vorhandene Zweifel müssen auch als solche gemeldet werden
Beispiel: Chefarzt vs. Stern-TV
Bei Testberichten müssen Fehler so weit wie möglich ausgeschlossen werden
Vorsicht bei Übernahme aus anderen Medien und anonymen Quellen
Wann spricht für bzw. gegen die Nennung der Herkunft von Tätern?
Erkennbarkeit
Verhindert Spekulationen
Hohes öffentliches Interesse bei Herkunft
Trägt zum politischen Diskurs bei
Beugt Vorwurf vor, Presse würde etwas unterdrücken
Vorurteile können
verstärkt werden
Relevanz für die Tat?
Gefahr der
Diskriminierung
Pressekodex: Ziffer 12 – Diskriminierungen
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
Pressekodex: Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten (Neufassung gültig
seit 22.03.2017)
In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
Nur: Was ist ein „begründetes öffentliches Interesse“? (siehe Richtlinie 12.1)
-> Grundsätzlich: Ziffer 12 formuliert kein Verbot, die Herkunft zu nennen
Wenn eine besonders schwere oder in ihrer Art/Dimension außergewöhnliche Straftat vorliegt, z. B. Terrorismus, Organisierte Kriminalität, Mord, Folter
Beispiel: Armenisch stämmiger Amokfahrer, der im Juni 2022 am Berliner Breitscheitplatz in eine Menschenmenge fuhr und eine Frau tötete
Wenn eine Tat aus einer größeren Gruppe heraus begangen wird, von denen zahlreiche Mitglieder durch gemeinsame Merkmale (ethnisch, sozial, national, religiös) miteinander verbunden sind
Beispiel: Kölner Silvesternacht 2015/16
Wenn die Biografie des Täters für die Berichterstattung wichtig ist
Beispiel: Flüchtling, der auf seiner Migration bereits ähnliche Straftaten begangen hat
Wenn die Form oder die Häufigkeit einer Tat und die Gruppenzugehörigkeit des Täters selbst Gegenstand der Berichterstattung ist
Beispiel: So genannter „Ehrenmord“; Drogenhandel einer bestimmten Gruppe
Wenn Täter für ihr Verbrechen die Struktur der Herkunftsgruppe nutzen (Clankriminalität)
Wenn die Herkunft eine besondere Behandlung im Ermittlungsverfahren zur Folge hat (Fahndungen; Haftbefehl wegen Fluchtgefahr ins Ausland)
Worauf muss noch geachtet werden?
Kleinkriminalität, Schwarzfahren, Neugierde und Vermutungen etc. begründen dagegen kein besonderes öffentliches Interesse
Mitteilungen der Behörden entbinden nicht von ethischer Verantwortung
Vorsicht:
Gruppenzugehörigkeit nicht übermäßig hervorheben! (Überschriften, Wiederholungen)
Durch Herkunftsnennung nicht diskriminierende Stereotype bedienen
Empfehlung: Leser und Leserinnen können die Entscheidung der Redaktion aufgrund der Art des Beitrages selbst nachvollziehen
Pressekodex: Ziffer 14 – Medizin -Berichterstattung
Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Forschungsergebnisse, die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen oder nahezu abgeschlossen dargestellt werden.
Umgang mit medizinischen Themen
Forschungsstand berücksichtigen
Empirische Basis und Quellen genau benennen (Probanden, Studien-Anlage und Methode)
Wie aussagekräftig ist das Ergebnis, ist es von allgemeinem Interesse?
Quelle hinterfragen: Auftraggeber, Motive, Position, Reputation, Interessenskonflikte
Gibt es andere Studien?
Meinung eines Mediziners reicht oft nicht, denn auch Mediziner haben Geschäftsinteressen
Verallgemeinerung prüfen
Zweifel und Unsicherheiten nicht aussparen:„deutet darauf hin“ statt „wirkt“, „fördert“
Zuletzt geändertvor 7 Stunden