Besonderheit: Anästhesie in der Geburtshilfe
Das Besondere bei allen Analgesie- und Anästhesieverfahren in der Geburtshilfe ist, dass grundsätzlich zwei Patienten, Mutter und Kind, betroffen sind, und die Auswahl eines geeigneten Verfahrens die Auswirkungen auf das Kind mitberücksichtigen soll.
Physiologische Veränderungen in der SS
Auswirkung auf: Respiratorisches System, Herz-Kreislauf System, Blut- und Gerinnungssystem, GI-System
Respiratorisches System:
Obere Luftwege: Durchblutung erhöht, Schleimhautschwellung → Intubationsproblemen
Atemminutenvolumen erhöht (durch erhöhten Stoffwechsel)
Funktionelle Residualkapazität (FRC) → optimale Präoxygenierung wichtig
Herz-Kreislauf-System:
Herzzeitvolumen (HZV) ↑
Schlagvolumen um 30% ↑
Peripherer Gefäßwiderstand ↓ = Nachlast ↓
MAP sinkt geringfügig
Blut- und Gerinnungssystem:
Plasmavolumen ↑
Hämoglobin ↓
Hyperkoagulabilität
Gastrointestinales System:
Intraabdomineller Druck ↑
Differenz zwischen Mageninnendruck und Verschlussdruck des unteren Ösophagusdrucks ist ↓
Der pH-Wert des Magensaftes ist ↓
Aorto-cavales Kompressionssyndrom
V. cava / Aorta
Kompression der V. cava und der Beckenvenen in der Schwangerschaft → Führt zu verringertem venösem Rückstrom aus der unteren Körperhälfte
dh. ab 20. SSW auf Linksseitenlage achten
Kompression der Aorta abdominalis → Höhe des 4. und 5. LWK in Rückenlage → arterieller Hypotension distal der Kompression → verringerte Durchblutung des Uterus
Unteriner Blutfluss:
Auswirkung einer Hypotension auf fetalen Blutdruck
Uteroplazentare Einheit
Uteriner Blutfluss: Hat keine Autoregulationsmechanismen
dh. Mütterliche Hypotension oder eine Steigerung der Uterusaktivität → uterinet Blutfluss ↓
syst. RR < 100 mmHg = fetale Bradykardie droht
syst. RR < 80 mmHg = fetale Brasykardie nach 5 min.
Plazentapassage und Blutfluss zum Zeitpunkt der Geburt:
Wichtig: Welche Medikamente passieren Plazenta?
Plazentapassage:
passierbar für Substanzen mit Molekulargewicht von < 600
Lipophile Substanzen passieren gut (z.B. Barbiturate, Ketamin, Opioide, Benzodiazepine, Neuroleptika, Inhalationsanästhetika, Lokalanästhetika, Atropin)
Muskelrelaxanzien passieren schlecht
Blutfluss zum Zeitpunkt der Geburt ca. 500-700ml ca. 10% HZV
Blutvolumen ↑
Herzminutenvolumen ↑
Anästhesiologische Verfahren in der Geburtshilfe
Phasen der Geburt
Schmerzverlauf der Geburt
Phasen:
Schmerzverlauf:
Blutverlust während der Geburt:
Normale Entbindung: 500-600ml
Zwillingsschwangerschaften und Sectio: 900-1000ml
durch Uteruskontraktion kommt es zur plazentaren Autotransfusion von 300-500ml
Periduralanästhesie (PDA)
Indikation, Vorteil, Hinweis
Periduralanästhesie (PDA) ist die wirksamste Methode zur Linderung von Wehen- und Geburtsschmerzen
Indikation: Wunsch der Schwangeren nach Wehenschmerzlinderung
Abwarten einer bestimmten Muttermundweite nicht erforderlich.
PDA Vorteile:
Dauer/ Art der Entbindung und/oder den Zustand des Neugeborenen unverändert
Walking Epidural (Geburtspositionen)
Bei Risikokonstellationen sollte die PDA frühzeitig, schon vor Beginn einer regelmäßigen Wehentätigkeit, angelegt werden
Lokalanästhetikum:
langwirksam
Vermeidung motorischer Blockade
nur geringe zentralnervöse und kardiovaskuläre NW (Ropivacain < Bupivacain)
Opioide: blockieren C-Fasern (Eröffnungsphase) effektiver als A-Fasern (Austreibungsphase)
Primär spinale Wirkung nach Penetration der Dura
Nebenwirkung: leichter Pruritus
Zugelassen: Sufentanil und Morphin
Dosierung: z.B. Ropivacain/Sufentanil-Kombination:
Ropivacain max. 0,175 %
Sufentanil 0,5 – 1 µg/ml
Sectio Anästhesie Verfahren
Sectio Arten:
Primäre Sectio: Elektive Sectio oder geplante Sectio (aus medizinischen Gründen)
Sekundäre Sectio: Entbindung nach Einsetzen der Wehen oder nach Blasensprung
Eilige Sectio: Zeitintervall zwischen Entscheidung und Entbindung („E-E-Zeit“) unter 30 Minuten.
Notfallsectio: Zeitintervall zwischen Entscheidung und Entbindung unter 10 Minuten, Sectio ohne übliche OP-Vorbereitung
Risiko der Hypotension durch Regionalanästhesie
während Sectio
Ursachen
Therapie
Spinalanästhesie > Periduralanästhesie bzgl. Hypotension
Ursachen:
Sympathikolyse (Beeinflussung des Vasotonus)
fehlender Wehenschmerz vermindert Katecholaminausschüttung
Nüchternheit führt zu Volumendefizit
Therapie:
Kohydratation: parenterale Flüssigkeitsgabe bei Spinalanästhesie.
Kristalloide diffundieren rasch ins Interstitium.
Kolloide sind bei längerer vasaler Verweildauer besser geeignet, aber nur in Notfallsituationen zugelassen.
Vasopressortherapie: Phenylephrin oder Cafedrin/Theodrenalin (Akrinor®)
Keine prophylaktische Gabe bei Gefahr der Beeinträchtigung der uteroplazentaren Perfusion.
Frühzeitiges Erkennen von Symptomen wie Schwindel, Übelkeit, verschwommenes Sehen ist wichtig
Linksseitenlage und Anheben der Beine
Kombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie (CSE)
Vorteil: Vereint die Vorteile: Schneller Anästhesiebeginn und gute motorische Blockade (Spinalanästhesie) und Langzeittherapie sowie optimale postpartale Schmerztherapie (Epiduralanästhesie)
Systemische Opioide
zur schmerzfreien Entbindung
Medikament, Indikaion, Vorraussetzung
Remifentanil: Wirkeintritt ca. 1 Minute, Wirkdauer ca. 3-10 Minuten.
Indikation:
Bei Ablehnung rückenmarksnaher Verfahren
Gerinnungsstörungen
Anlage eines PDK technisch nicht durchführbar ist
z.B. bei Adipositas per magna, Wirbelsäulendeformitäten
Voraussetzung: Ständige Anwesenheit einer mit dem Verfahren vertrauten Person, kontinuierliche Pulsoxymetrie (mit O2-Applikationsmöglichkeit), kontinuierliches CTG-Monitoring
Obwohl die analgetische Wirksamkeit geringer ist als bei Regionalanästhesieverfahren, ist es derzeit die beste Alternative
Allgemeinanästhesie
Notfallnarkose
indikationen, Ablauf der Einleitung
Indikationen:
Notsectio
Schulterdystokie
hohe PDA/ Spinalanästhesie mit hämodynamischer/ respiratorischer Instabilität
Einleitung:
Rapid-Sequence-Induktion
Thiopental (Hypnotikum)
ggf. Ketamin S (Analgesie)
Vorsicht bei vorliegender Hypertonie
Succinylcholin (Muskelrelaxanz)
Keine Zwischenbeatmung.
Zufuhr eines volatilen Anästhetikums
Opiatgabe nach Abnabelung; bei Bedarf vor Abnabelung Information an die Pädiatrie
Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen:
Schwangerschaftsinduzierter Hypertonus (SIH)
Definition
Kontinuierlicher Blutdruck > 140/90 mmHg nach der 20. Schwangerschaftswoche.
Bis zu 50% der SIH entwickeln sich zur Präeklampsie
Präeklampsie
Definition, Prädispositionierende Faktoren
Kontinuierlicher Blutdruck > 140/90 mmHg nach der 20. SSW
Proteinurie > 300 mg / 24h
→ hohe renalen Eiweißverlusten und Hypoproteinämie
Prädisponierende Faktoren:
Fortgeschrittenes Alter (> 35 Jahre),
Mehrlingsschwangerschaft,
Nikotin,
Diabetes,
fetale Missbildungen
Eklampsie
Definition, Mortalität
Zusätzlich zu SIH und Proteinurie: tonisch-klonische Krämpfe, Zyanose, Bewusstseinsverlust, Zungenbiss, im Anschluss Koma
Mütterliche Mortalität: 5% (bei einem Anfall), 38% (bei über 5 Anfällen)
Intrazerebrale Blutungen sind eine Todesursache
Entbindung ab 34 + 0 Schwangerschaftswoche
HELLP
Symptome, PPh, Komplikationen, Vorgehen
Hemolysis (Hämolyseparameter wie Haptoglobin verringert, LDH erhöht, Bilirubin erhöht).
Elevated Liver Enzymes (Leberenzyme wie AST und ALT auf das 2- bis 3-fache erhöht).
Low Platelets (Thrombozytopenie < 100.000 /µl).
Kann auch ohne Hypertonie auftreten.
Symptome: Oberbauchschmerz durch Leberkapselspannung, Übelkeit, Erbrechen und/oder Proteinurie
Pathophysiologie: Generalisierte Mikroangiopathie mit Endothelläsion, Fibrin- und Thrombozytenablagerungen
Komplikationen: Leberhämatom, Leberruptur, Nierenversagen, DIC, vorzeitige Plazentalösung, fetale Hypoxie, Plazentainsuffizienz
Vorgehen: Entbindung anstreben bei SSW ≥ 34 + 0;
SSW < 34 + 0 Entbindung hinauszögern und Lungenreifung des Kindes beschleunigen
Peripartale Blutung
Menge und Definition nach Zeitpunkt
Peripartal: Blutung unmittelbar vor, während oder nach der Geburt
Blutverlust > 500 ml nach vaginaler Geburt
Blutverlust > 1000 ml nach Sectio caesarea
Zeitpunkt:
Primäre postpartale Blutung: Innerhalb von 24 Stunden postpartum.
Sekundäre postpartale Blutung: 24 Stunden bis 12 Wochen postpartum.
Etwa zwei Drittel aller lebensbedrohlichen Blutungen treten innerhalb von 4 Stunden nach Entbindung auf
Lebensbedrohliche Blutungen in der westlichen Welt mit einer Inzidenz von 2/1000 Lebendgeburten
Ursachen (4Ts)
Tonus (Uteruskontraktionsstörungen)
Tissue (Plazentareste)
Thrombin (Gerinnungsstörungen)
Trauma (Verletzung des Geburtskanals)
Zuletzt geändertvor 12 Tagen