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Arbeitsrecht

YA
von Yildiz A.

Dienstvertrag

Der Dienstvertrag gemäß § 611 BGB unterscheidet sich von anderen schuldrechtlichen Vertragstypen durch mehrere charakteristische Merkmale, insbesondere durch die Entgeltlichkeit, die Dienstleistung ohne Erfolgspflicht sowie die Fremdnützigkeit der Tätigkeit.

Zunächst ist der Dienstvertrag stets entgeltlich ausgestaltet. Der Dienstverpflichtete erhält für seine Tätigkeit eine Vergütung, sodass er im Unterschied zum Auftrag (§ 662 BGB), der grundsätzlich unentgeltlich ist, nicht aus reiner Gefälligkeit oder bloßer Hilfsbereitschaft tätig wird. Die Verpflichtung zur Entgeltzahlung ist wesentlicher Bestandteil des Dienstvertrags.

Zudem wird beim Dienstvertrag lediglich eine Tätigkeit als solche geschuldet, nicht jedoch ein bestimmter Erfolg. Der Dienstverpflichtete hat lediglich „Dienste zu leisten“, ohne dass der Erfolg dieser Dienste garantiert werden muss. Dieses Merkmal grenzt den Dienstvertrag klar vom Werkvertrag (§ 631 BGB) ab, bei dem der Werkunternehmer für das Herbeiführen eines bestimmten Erfolgs (z. B. die Reparatur eines Geräts oder die Erstellung eines Gutachtens) haftet. Beim Dienstvertrag dagegen liegt das Risiko, ob durch die Tätigkeit der gewünschte Erfolg eintritt, grundsätzlich beim Dienstberechtigten.

Ein weiteres wichtiges Abgrenzungskriterium ist die sogenannte Fremdnützigkeit. Die Dienstleistung erfolgt einseitig im Interesse des Dienstberechtigten, also des Vertragspartners, der die Dienste empfängt. Dieses Merkmal unterscheidet den Dienstvertrag etwa vom Gesellschaftsvertrag (§ 705 BGB), bei dem mehrere Personen einen Vertrag schließen, um einen gemeinsamen Zweck zu fördern. Dort liegt eine sogenannte Mitnützigkeit vor, da die Tätigkeit auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet ist und nicht nur dem Vorteil eines Vertragspartners dient.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich der Dienstvertrag vor allem durch seine Entgeltlichkeit, das Fehlen einer Erfolgspflicht sowie die einseitige Nutzenausrichtung deutlich von verwandten Vertragstypen wie dem Auftrag, dem Werkvertrag und der Gesellschaft unterscheidet.

Was ist das Abgrenzkriterium, aufgrund dessen zu beurteilen ist, ob ein Dienstverpflichtender im Sinne des §611 BGB Arbeitnehmer ist oder nicht? Anhand welcher Kriterien wird die Arbeitnehmerstellung bestimmt?

Abgrenzungskriterium: persönliche Abhängigkeit

Das zentrale Abgrenzungskriterium, ob jemand Arbeitnehmer im Sinne des § 611a BGB ist oder lediglich sonstiger Dienstverpflichteter, ist die sogenannte:

„persönliche Abhängigkeit“ des Dienstverpflichteten vom Dienstberechtigten.

Das bedeutet:

Ein Arbeitnehmer ist ein Dienstverpflichteter, der seine Arbeit nicht selbstbestimmt, sondern weisungsgebunden und in fremdbestimmter Organisation verrichtet.

⚖️

Rechtsgrundlage: § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB

„Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines Arbeitsvertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.“

🔍

Kriterien zur Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft (nach BAG-Rechtsprechung)

1. Weisungsgebundenheit

  • Der Arbeitnehmer ist an Weisungen des Arbeitgebers gebunden:

    • Zeit (Arbeitszeit, Pausen)

    • Ort (Arbeitsplatz)

    • Inhalt (Art und Weise der Tätigkeit)

2. Eingliederung in die betriebliche Organisation

  • Der Arbeitnehmer arbeitet nach festen betrieblichen Abläufen:

    • z. B. Teilnahme an Dienstbesprechungen, Nutzung betrieblicher Infrastruktur

    • Unterordnung in betriebliche Hierarchie

3. Kein unternehmerisches Risiko

  • Der Arbeitnehmer nutzt nicht eigene Betriebsmittel

  • Er trägt kein Risiko für Erfolg oder Verlust seiner Tätigkeit

  • Er hat keine eigene Kundenakquise oder Kalkulation

4. Persönliche Leistungspflicht

  • Die Arbeitsleistung ist höchstpersönlich zu erbringen

  • Keine Möglichkeit, sich vertreten zu lassen (anders als z. B. bei Freiberuflern)

5. Kontinuierliche Entgeltzahlung

  • Der Arbeitnehmer erhält ein regelmäßiges Gehalt

  • Unabhängig vom konkreten wirtschaftlichen Erfolg

🔄

Abgrenzung zu Selbstständigen (nicht-Arbeitnehmer):

  • Selbstständige arbeiten nicht weisungsgebunden,

  • bestimmen Arbeitszeit, -ort und -inhalt frei,

  • nutzen eigene Ressourcen und

  • tragen unternehmerisches Risiko.

Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und sonstigen Dienstverpflichteten nach § 611 BGB.

Liegt ein Arbeitsverhältnis vor?“

(Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des § 611a BGB)

Prüfungsschema: Arbeitnehmer im Sinne des § 611a BGB

I. Besteht ein privatrechtlicher Dienstvertrag?

  • Vertrag auf Grundlage des § 611 BGB

  • Kein Beamtenverhältnis, kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis

✅ → Weiter zu II

II. Persönliche Abhängigkeit (§ 611a Abs. 1 BGB)?

→ Kernkriterium für Arbeitnehmereigenschaft

1.

Weisungsgebundenheit

gegenüber dem Arbeitgeber?

  • Hinsichtlich:

    • Zeit (Arbeitszeit, Schichtpläne etc.)

    • Ort (fester Arbeitsplatz, Anwesenheitspflicht)

    • Inhalt (konkrete Arbeitsanweisungen, Kontrolle durch Vorgesetzte)

2.

Eingliederung in die betriebliche Organisation?

  • Nutzung von Betriebsmitteln des Arbeitgebers

  • Teilnahme an Teamsitzungen, Dienstplänen

  • Einbindung in Hierarchie und Betriebsabläufe

3.

Kein unternehmerisches Risiko?

  • Kein Einsatz eigener Ressourcen oder Kapital

  • Kein eigenes wirtschaftliches Risiko

  • Kein selbstbestimmter Kundenkreis

4.

Persönliche Leistungspflicht?

  • Tätigkeit muss höchstpersönlich ausgeführt werden

  • Keine freie Vertretung durch Dritte möglich

✅ → Wenn die Merkmale überwiegend vorliegen → Arbeitnehmer

III. Gesamtwürdigung aller Umstände

  • Maßgeblich ist die tatsächliche Vertragsdurchführung, nicht nur die schriftliche Bezeichnung (z. B. „freier Mitarbeiter“)

  • Rechtsprechung des BAG: Entscheidend ist, wie das Verhältnis gelebt wird

📝 Merksatz:

„Arbeitnehmer ist, wer persönlich abhängig, weisungsgebunden und organisatorisch eingegliedert für einen anderen entgeltlich tätig ist.“

Ist der Arbeitnehmer als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzusehen?

Ja, der Arbeitnehmer kann grundsätzlich als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB angesehen werden, aber nicht immer – es kommt auf den konkreten Zusammenhang an.

Gesetzliche Definition – § 13 BGB:

„Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.“

📌

Was bedeutet das für den Arbeitnehmer?

  • Ja, ein Arbeitnehmer ist in der Regel Verbraucher, aber nur dann, wenn er privat handelt, also nicht im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit.

🔍

Beispiel: Arbeitnehmer ist Verbraucher

  • Der Arbeitnehmer schließt einen Kaufvertrag über ein Fahrrad für den Weg zur Arbeit → privater Zweck, § 13 BGB anwendbar.

  • Er unterschreibt einen Handyvertrag → rein privat genutzt → Verbraucherstatus gegeben.

🚫

Kein Verbraucher im arbeitsrechtlichen Zusammenhang

  • Der Arbeitnehmer ist kein Verbraucher im arbeitsrechtlichen Sinne, wenn er z. B. seinen Arbeitsvertrag unterschreibt. → Denn: Der Abschluss eines Arbeitsvertrags ist kein Verbrauchervertrag im Sinne des BGB. → Es liegt keine Verbraucherschutzlage nach §§ 13, 14 BGB vor, sondern ein eigenständiges arbeitsrechtliches Schutzsystem.

⚖️

Besonderheit: Verbraucherschutz im Arbeitsrecht?

  • Arbeitsrecht gewährt selbst schon umfangreichen Schutz (z. B. Kündigungsschutz, Arbeitszeit, Urlaubsanspruch).

  • Deshalb werden arbeitsrechtliche Verträge nicht als Verbraucherverträge eingeordnet.

  • Das bedeutet: Der Arbeitnehmer ist nicht automatisch Verbraucher in arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnissen – obwohl er im Alltag Verbraucher ist.

📝

Zusammenfassung (klausurreif):

Der Arbeitnehmer ist nicht per se Verbraucher im Sinne des § 13 BGB.

Vielmehr ist zu prüfen, in welchem Zusammenhang das Rechtsgeschäft abgeschlossen wird.

Handelt der Arbeitnehmer privat, ist er Verbraucher.

Schließt er dagegen einen Arbeitsvertrag, liegt kein Verbrauchervertrag vor, da das Arbeitsrecht bereits eigene Schutzmechanismen enthält.

Gilt das Arbeitsrecht auch für die arbeitnehmerähnlichen Personen, welche gerichtet sind für Rechtstreitigkeiten zwischen diesen und ihren Arbeitgebern zuständig?

Nicht vollständig, aber in Teilen ja.

Arbeitnehmerähnliche Personen sind keine Arbeitnehmer im Sinne des § 611a BGB, genießen aber in bestimmten Bereichen arbeitsrechtlichen Schutz, wenn sie sozial schutzbedürftig sind.

📌 Beispiele, wo das Arbeitsrecht (teilweise) gilt:

  • Tarifvertragsrecht (§ 12a TVG) → Arbeitnehmerähnliche Personen können durch Tarifverträge erfasst werden.

  • Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG) → Sie sind wie Arbeitnehmer zuständigkeitsrechtlich den Arbeitsgerichten zugewiesen.

  • Kündigungsschutz in Sonderfällen, z. B. für arbeitnehmerähnliche Rundfunkmitarbeiter (nach Landesrecht oder Tarifvertrag)

  • Mutterschutz, Entgeltfortzahlung etc. gelten nicht automatisch, können aber durch Vertrag oder Tarifvertrag vereinbart werden.

👉 Wichtig: Das gesamte „normale“ Arbeitsrecht gilt nicht automatisch. Es kommt auf Einzelfall, Branche und Regelung (Tarifvertrag, Gesetz, öffentlich-rechtliche Vorschriften) an

⚖️

2. Wer ist zuständig für Streitigkeiten?

Arbeitsgerichte

→ § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG

„Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch zuständig für Streitigkeiten zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen und ihren Auftraggebern.“

🔹 Also:

Auch wenn arbeitnehmerähnliche Personen nicht vollwertige Arbeitnehmer sind, unterliegen sie bei Streitigkeiten mit ihrem Auftraggeber dennoch der Arbeitsgerichtsbarkeit – nicht den Zivilgerichten

Zusammenfassung

Arbeitnehmerähnliche Personen unterliegen nicht dem vollen Schutzbereich des Arbeitsrechts, können aber in bestimmten Teilbereichen, insbesondere im Tarifvertragsrecht (§ 12a TVG) und im gerichtlichen Rechtsschutz (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG), wie Arbeitnehmer behandelt werden.

Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen arbeitnehmerähnlichen Personen und ihren Auftraggebern sind die Arbeitsgerichte zuständig.

Hat die Unterscheidung im heutigen Arbeitsrecht noch eine große Bedeutung?

1.

Historische Grundlage

  • Die Unterscheidung stammt aus dem früheren Arbeitsrecht, als unterschiedliche Tarifverträge und Rechtsregelungen für Arbeiter und Angestellte galten.

  • Sie wurde geprägt durch die unterschiedliche Tätigkeitsart und entsprechende sozialrechtliche Absicherung.

2.

Heutige Rechtliche Lage

  • Heute gelten für Arbeiter und Angestellte weitgehend die gleichen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, z. B.:

    • Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

    • Mutterschutzgesetz (MuSchG)

    • Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

  • Tarifverträge werden zunehmend vereinheitlicht oder für beide Gruppen geöffnet.

3.

Begrenzte praktische Bedeutung

  • Die Unterscheidung ist in bestimmten Bereichen noch relevant, z. B. bei:

    • Altersvorsorge und Sozialversicherung (unterschiedliche Beiträge oder Regelungen)

    • Historisch gewachsene Tarifstrukturen (einige Branchen)

  • In der Praxis ist die Differenzierung oft für den Arbeitsvertrag und die arbeitsrechtliche Behandlung unbedeutend.

4.

Tendenz zur Auflösung

  • Die Rechtsprechung und Gesetzgebung streben eine Angleichung der Rechtsstellung an.

  • Die Unterscheidung verliert zunehmend an Bedeutung, da die moderne Arbeitswelt viele Mischformen kennt.

📌

Fazit:

Die Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten spielt heute im Arbeitsrecht meist nur noch eine untergeordnete Rolle.

Sie ist vor allem in bestimmten tariflichen oder sozialversicherungsrechtlichen Kontexten noch relevant, verliert aber im Hinblick auf den allgemeinen Arbeitnehmerschutz und die arbeitsrechtlichen Grundrechte an Bedeutung.

Auf welche Tatsachen muss der Bewerber von sich aus hinweisen, d. h. ohne eine entsprechende Frage des Arbeitgebers?

Ein Bewerber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Arbeitgeber ungefragt persönliche Informationen mitzuteilen.

Ausnahme: Es besteht eine Offenbarungspflicht, wenn die verschwiegenen Tatsachen für die Tätigkeit von wesentlicher Bedeutung sind und dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, konkret nachzufragen

Mitteilungspflichtig (ungefragt):

Der Bewerber muss von sich aus informieren, wenn:

  • die Tatsache die Arbeitsfähigkeit oder Sicherheit wesentlich beeinträchtigt,

  • eine gesetzliche Zulassung oder Qualifikation fehlt,

  • er an einem Wettbewerbsverbot gebunden ist,

  • er die Stelle objektiv nicht antreten kann (z. B. Haftstrafe).

🔹 Beispiele:

  • Fehlende Berufszulassung (z. B. Arzt ohne Approbation)

  • Konkrete schwere Erkrankung, die die Ausübung unmöglich macht

  • Laufendes Wettbewerbsverbot

  • Tatsächliche Verhinderung (z. B. Untersuchungshaft)

Nicht mitteilungspflichtig:

Der Bewerber muss nicht ungefragt über folgende Tatsachen informieren:

  • Schwangerschaft

  • Schwerbehinderung (sofern nicht tätigkeitsrelevant)

  • Religions-, Partei- oder Gewerkschaftszugehörigkeit

  • Familienplanung

  • Vorstrafen (wenn nicht tätigkeitsbezogen oder bereits getilgt)

🟩

Fazit:

Eine unaufgeforderte Hinweispflicht besteht nur bei wenigen, besonders gewichtigen Tatsachen, deren Verschweigen den Arbeitgeber in erheblicher Weise täuschen würde.

In allen anderen Fällen liegt die Verantwortung für die Nachfrage beim Arbeitgeber.

Unter welchen allgemeinen Voraussetzungen wird dem Arbeitgeber ein Fragerecht bei den Einstellungsverhandlungen zugestanden?

Dem Arbeitgeber wird ein Fragerecht immer dann zugestanden, wenn die Frage einen berechtigten, konkreten Bezug zum angestrebten Arbeitsverhältnis hat.

Das bedeutet: Die Frage muss zulässig, sachlich gerechtfertigt und nicht diskriminierend sein.

Allgemeine Voraussetzungen für ein zulässiges Fragerecht:

  1. Sachlicher Zusammenhang mit der Stelle: Die Frage muss sich auf Fähigkeiten, Eigenschaften oder Umstände beziehen, die für die konkrete Tätigkeit wesentlich sind (z. B. Qualifikation, Belastbarkeit, gesundheitliche Eignung).

  2. Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers: Der Arbeitgeber muss ein legitimes, betrieblich begründbares Interesse an der Information haben, etwa:

    • Sicherheit im Betrieb

    • Erfüllung gesetzlicher Vorgaben

    • Vermeidung von Störungen im Arbeitsablauf

  3. Wahrung der Verhältnismäßigkeit: Die Frage darf nicht unverhältnismäßig in die Privatsphäre des Bewerbers eingreifen. → Abwägung zwischen Informationsinteresse des Arbeitgebers und dem Persönlichkeitsrecht des Bewerbers.

  4. Kein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG): Unzulässige Fragen, die gegen das Diskriminierungsverbot (§ 1 AGG) verstoßen, sind nicht erlaubt (z. B. nach Schwangerschaft, Religion, Herkunft, sexueller Orientierung).

🔹

Folgen unzulässiger Fragen:

  • Der Bewerber hat ein Recht zur Lüge (sog. „Recht zur Notlüge“).

  • Eine wahrheitswidrige Antwort führt nicht zur Anfechtung oder Kündigung.

  • Stellt der Arbeitgeber dennoch eine solche Frage, kann dies sogar Entschädigungsansprüche (§ 15 AGG) auslösen.

Fazit (Merksatz):

Zulässig sind Fragen nur dann, wenn sie einen konkreten, sachlichen Bezug zur vorgesehenen Tätigkeit haben und das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers wahren.

Unzulässige Fragen verletzen die Privatsphäre und dürfen rechtmäßig falsch beantwortet werden.

Nennen Sie Beispiele für generell zulässige und begrenzt zulässige Fragen.

1. Generell zulässige Fragen

➡ Diese Fragen sind erlaubt, da sie einen direkten sachlichen Bezug zur Tätigkeit haben und dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers dienen.

Beispielhafte Frage

Begründung

Haben Sie die erforderliche Ausbildung/Qualifikation?

Erforderlich zur Ausübung der Tätigkeit

Können Sie die Tätigkeit körperlich uneingeschränkt ausüben?

Gesundheitliche Eignung für bestimmte Aufgaben

Besteht ein Wettbewerbsverbot aus einem früheren Arbeitsverhältnis?

Schutz betrieblicher Interessen

Haben Sie Vorstrafen im relevanten Bereich (z. B. bei Geldhandling)?

Bei vertrauenssensiblen Tätigkeiten (Bank, Kasse)

Haben Sie einen Führerschein der Klasse XY?

Wenn für die Stelle Fahrdienst oder Außendienst notwendig

Können Sie Schichtarbeit leisten?

Organisatorischer Bedarf des Betriebs

Begrenzte (eingeschränkt zulässige) Fragen

➡ Diese Fragen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, z. B. wenn sie für spezielle Stellen relevant sind. Sonst wären sie unzulässig.

Beispielhafte Frage

Zulässig nur wenn…

Sind Sie schwanger?

Unzulässig! Nur zulässig bei zwingenden betrieblichen Gründen (z. B. Strahlenschutz).

Gehören Sie einer Gewerkschaft an?

Nur zulässig bei Tätigkeiten mit Loyalitätspflicht, z. B. politische Parteien

Welche Religion haben Sie?

Nur zulässig bei Tätigkeit in einer Religionsgemeinschaft, z. B. Kirche, Moschee

Besteht eine Schwerbehinderung?

Nur bei erheblich beeinträchtigender Auswirkung auf die konkrete Tätigkeit

Haben Sie Kinder / planen Sie eine Familie?

Unzulässig, es sei denn in Ausnahmen z. B. bei Betreuungspflichten für bestimmte Aufgaben

Unzulässige Fragen (zur Abgrenzung):

Diese sind in der Regel immer unzulässig, weil sie gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) oder Persönlichkeitsrechte verstoßen:

  • Fragen nach der sexuellen Orientierung

  • Parteipolitische Überzeugungen (ohne Relevanz zur Tätigkeit)

  • Schwangerschaft (außer in seltenen Ausnahmen)

  • Heiratsabsicht oder Kinderwunsch

Fazit:

Zulässigkeit hängt vom Sachbezug zur Tätigkeit ab. Generell zulässige Fragen betreffen Qualifikation und Einsatzfähigkeit. Begrenzte Fragen sind nur bei besonderem Tätigkeitsbezug erlaubt – sonst unzulässig.

Wann ist eine Frage als generell unzulässig einzustufen?

Eine Frage im Bewerbungsverfahren ist generell unzulässig, wenn sie weder einen konkreten sachlichen Bezug zur angestrebten Tätigkeit hat, noch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht – und sie darüber hinaus das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers oder das Diskriminierungsverbot des AGG verletzt.

🔹

Kriterien für eine generell unzulässige Frage:

  1. Kein sachlicher Bezug zur Tätigkeit – Die Information ist für die Ausübung der Stelle nicht relevant. – Beispiel: “Wollen Sie bald heiraten?”

  2. Eingriff in das Persönlichkeitsrecht – Die Frage betrifft höchstpersönliche, private Lebensbereiche, z. B. Sexualität, Familienplanung, Weltanschauung. – Diese Bereiche sind verfassungsrechtlich geschützt (Art. 1 & 2 GG).

  3. Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – Fragen, die eine Benachteiligung nach § 1 AGG ermöglichen würden (z. B. wegen Geschlecht, Herkunft, Alter, Religion etc.), sind grundsätzlich unzulässig.

  4. Fehlende Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit – Die Frage ist nicht erforderlich, um die Eignung für die Stelle festzustellen. – Sie ist im Verhältnis zur angestrebten Tätigkeit unangemessen und übergriffig.

Frage

Warum unzulässig?

Sind Sie schwanger?

Verstoß gegen AGG (Geschlecht), kein sachlicher Bezug

Planen Sie Kinder?

Eingriff in Privatsphäre, Diskriminierung wegen Geschlecht/Familienstand

Welche sexuelle Orientierung haben Sie?

Kein sachlicher Bezug, Persönlichkeitsrecht, AGG

Gehören Sie einer politischen Partei an?

Unzulässig, außer bei politisch gebundenen Stellen

Welche Religion haben Sie?

Unzulässig, außer bei kirchlichen/religiösen Trägern

Wie alt sind Sie?

Altersdiskriminierung nach § 1 AGG möglich, daher unzulässig ohne sachlichen Bezug

Leben Sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft?

Unzulässig: Schutz der sexuellen Identität (§ 1 AGG)

Ein Institut, das ansteckende Krankheiten diagnostiziert und therapiert, sucht eine Laborantin. Darf der Institutsleiter eine Bewerbung nach einer bestehenden Schwangerschaft fragen?

Grundsätzlich gilt:

  • Fragen nach einer bestehenden Schwangerschaft sind im Einstellungsverfahren grundsätzlich unzulässig, da sie eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und des Schwangerschaftsstatus darstellen können (§ 611a BGB, AGG - Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz).

  • Eine Bewerberin muss eine bestehende Schwangerschaft nur dann von sich aus angeben, wenn sie selbst dies für die Ausübung der Tätigkeit oder den Arbeitsschutz für relevant hält (z.B. bei Gefahrstoffen).

  • Der Arbeitgeber darf eine solche Frage nur stellen, wenn ein sachlicher, berufsbezogener Grund vorliegt, der eine Schwangerschaft relevant macht.

Speziell bei einem Institut für ansteckende Krankheiten:

  • Da die Laborantin möglicherweise mit infektiösen Materialien arbeitet, kann das Risiko für Schwangere höher sein.

  • Es kann daher gerechtfertigt sein, nach relevanten Gesundheitsrisiken zu fragen, um Schwangeren besonderen Schutz bieten zu können.

  • Allerdings ist die direkte Frage nach der Schwangerschaft meist unzulässig, stattdessen sind Fragen zu Einschränkungen oder dem Umgang mit bestimmten Tätigkeiten zulässig.

Fazit:

  • Der Institutsleiter darf im Vorstellungsgespräch grundsätzlich nicht direkt nach einer bestehenden Schwangerschaft fragen.

  • Er kann jedoch fragen, ob der Bewerberin aus gesundheitlichen Gründen Einschränkungen bekannt sind, die die Arbeit beeinflussen könnten.

  • Wenn die Bewerberin die Schwangerschaft von sich aus mitteilt, sollte der Arbeitgeber dies berücksichtigen und geeignete Schutzmaßnahmen anbieten.

Die Anfechtung eines Arbeitsvertrags hat erhebliche Rechtsfolgen, und es kommt entscheidend darauf an, aus welchem Grund angefochten wurde. Insbesondere spielt die Unterscheidung zwischen der Anfechtung wegen Irrtums (§ 119 BGB) und wegen arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) eine zentrale Rolle.

  • Grundsatz: Eine wirksame Anfechtung führt gemäß § 142 Abs. 1 BGB dazu, dass der Arbeitsvertrag rückwirkend (ex tunc) als nichtig gilt – er wird behandelt, als habe er nie bestanden.

Anfechtungsgrund

Rechtsfolge

Besonderheit

§ 119 BGB – Irrtum

Vertrag rückwirkend nichtig

Kein Verschulden des Vertragspartners notwendig

§ 123 BGB – Täuschung/Drohung

Vertrag rückwirkend nichtig

Vertragspartner hat schuldhaft getäuscht oder gedroht → Schadensersatzpflicht möglich

Weitere Rechtsfolgen im Arbeitsrechtlichen Kontext:

  1. Kein Anspruch auf Arbeitsvergütung für die Zukunft, weil kein wirksames Arbeitsverhältnis mehr besteht.

  2. Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB):

    • Bereits gezahlter Lohn und geleistete Arbeit müssen ggf. herausgegeben oder ausgeglichen werden.

    • Arbeit kann aber oft nicht zurückgegeben werden, daher kein Lohnrückzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer gutgläubig gearbeitet hat.

  3. Schadensersatz (§§ 122, 823 BGB):

    • Bei Anfechtung nach § 119 BGB: → § 122 BGB: Der Anfechtende (z. B. Arbeitgeber) muss ggf. Vertrauensschaden ersetzen, wenn der Vertragspartner auf den Vertrag vertraut hat.

    • Bei Anfechtung nach § 123 BGB: → Der Getäuschte kann vollen Schadensersatz verlangen.

📌

Fazit:

  • Eine wirksame Anfechtung macht den Arbeitsvertrag rückwirkend nichtig (§ 142 BGB).

  • Die Art des Anfechtungsgrundes (Irrtum vs. Täuschung) beeinflusst:

    • Wer ggf. Schadensersatz leisten muss,

    • und ob dem Anfechtenden ein Verschulden vorzuwerfen ist.

Was sind die Rechtsfolgen eines wirksamen angefochten Arbeitsvertrages? Welche Unterscheidung spielt hier eine Rolle?

Hat der Arbeitnehmer im Falle eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses einer Vergütungsanspruch für bereits erbracht Arbeit?

Ja, grundsätzlich hat der Arbeitnehmer auch im Fall eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Vergütung für bereits erbrachte Arbeit – allerdings nicht aus dem (nichtig gewordenen) Arbeitsvertrag selbst, sondern aus anderen Rechtsgrundlagen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis Anwendung findet oder nicht.

🔹

Fall 1: Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis anwendbar

Voraussetzungen erfüllt (z. B. kein schwerwiegender Verstoß, tatsächliche Durchführung, Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers):

➡️ Vergütungsanspruch besteht ganz normal – so, als wäre das Arbeitsverhältnis wirksam.

  • Grundlage: Fiktion eines wirksamen Arbeitsverhältnisses für die Vergangenheit

  • Der Arbeitnehmer behält Anspruch auf Lohn für geleistete Arbeit

  • Keine Rückforderung durch den Arbeitgeber

🔹

Fall 2: Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis nicht anwendbar

(z. B. bei arglistiger Täuschung, Verstoß gegen § 138 BGB etc.)

➡️ Der Arbeitsvertrag ist rückwirkend nichtig → es besteht kein arbeitsvertraglicher Vergütungsanspruch.

  • Aber: Der Arbeitnehmer kann Vergütung aus Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) verlangen:

    • „etwas geleistet“, das der Arbeitgeber „ohne rechtlichen Grund“ erhalten hat (nämlich Arbeitsleistung)

    • Arbeitgeber hat die Arbeit angenommen und von ihr profitiert

  • Der Arbeitnehmer kann dann den objektiven Wert seiner Arbeitsleistung verlangen (≙ übliche Vergütung nach § 612 BGB analog)

🔹 Sonderfall: Gutgläubigkeit des Arbeitnehmers

  • Wenn der Arbeitnehmer nicht wusste, dass der Vertrag fehlerhaft war, wird sein Vergütungsanspruch besonders geschützt.

  • Er behält in der Regel den Anspruch auf volle übliche Vergütung.

Was versteht man unter dem Begriff Bereitschaftsdienst zählt dieser zur Arbeits?

Bereitschaftsdienst bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten muss, um bei Bedarf sofort die Arbeit aufzunehmen. Dabei ist der Arbeitnehmer nicht durchgehend aktiv beschäftigt, muss aber so verfügbar sein, dass er schnell einsatzbereit ist.

Beispiele: Arzt, Feuerwehr, Techniker, die zuhause oder in einer Einrichtung warten und bei Alarm oder Anruf sofort zur Arbeit erscheinen müssen.

Zählt Bereitschaftsdienst zur Arbeitszeit?

Ja, Bereitschaftsdienst zählt grundsätzlich als Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer sich am Einsatzort (oder einem vom Arbeitgeber vorgegebenen Ort) bereithalten muss und somit seine persönliche Freiheit stark eingeschränkt ist.

Das Arbeitszeitgesetz (§ 2 Abs. 1 ArbZG) definiert Arbeitszeit unter anderem als die Zeit, in der der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichtet oder sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zur Verfügung halten muss.

Abgrenzung zu Rufbereitschaft

  • Rufbereitschaft: Der Arbeitnehmer muss erreichbar sein, kann sich aber frei bewegen und sich zuhause oder woanders aufhalten, bis er gerufen wird. Diese Zeit gilt in der Regel nicht als Arbeitszeit, sondern als Ruhezeit, sofern keine Arbeit tatsächlich geleistet wird.

Kurzfassung

  • Bereitschaftsdienst = Arbeitnehmer wartet am Einsatzort auf Arbeitseinsatz, eingeschränkte persönliche Freiheit.

  • Bereitschaftsdienst zählt als Arbeitszeit.

  • Rufbereitschaft = Arbeitnehmer ist nur erreichbar, zählt meist nicht als Arbeitszeit.

Wo liegen die Grenzen des Weisungsrecht?

Die Grenzen des Weisungsrechts des Arbeitgebers ergeben sich daraus, dass die Weisungen nicht willkürlich sein dürfen und bestimmte rechtliche, vertragliche und persönliche Schranken einhalten müssen.

Wichtige Grenzen des Weisungsrechts:

  1. Vertragliche Grenzen

    • Weisungen müssen im Rahmen des Arbeitsvertrags bleiben.

    • Was im Arbeitsvertrag ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart ist, darf nicht einseitig verletzt werden.

  2. Gesetzliche Grenzen

    • Weisungen dürfen nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen (z. B. Arbeitszeitgesetz, Mutterschutz, Arbeitsschutz, Diskriminierungsverbote).

    • Auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sind zu beachten.

  3. Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers

    • Weisungen dürfen die Menschenwürde oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht verletzen.

    • Zum Beispiel keine diskriminierenden, erniedrigenden oder gesundheitsschädlichen Weisungen.

  4. Billigkeitsgrenzen / Verhältnismäßigkeit

    • Weisungen müssen angemessen und verhältnismäßig sein.

    • Unzumutbare Weisungen (z. B. sinnlose oder grob belastende Tätigkeiten) sind unzulässig.

  5. Kein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)

    • Weisungen dürfen nicht gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen, also nicht unfair oder missbräuchlich sein.

Zusammenfassung:

Das Weisungsrecht endet dort, wo

  • der Arbeitsvertrag verletzt wird,

  • gesetzliche, tarifliche oder betriebliche Vorschriften missachtet werden,

  • Persönlichkeitsrechte oder die Würde des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden,

  • oder die Weisung unverhältnismäßig oder unzumutbar ist.

Author

Yildiz A.

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