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Kontrastmittel in der Radiologie

LS
von Lauritz S.

Nenne das Nebenwirkungsprofil der jodhaltigen Röntgenkontrastmittel. Wie klärst Du Patient*innen auf?

Die Aufklärung erfolgt über:

1. Akute und späte unerwünschte Nebenwirkungen wie allergieartige und chemotoxische Reaktionen. Die häufigsten (ca. 90%) treten akut innerhalb von wenigen Minuten nach Kontrastmittelgabe auf. Insgesamt wird die Häufigkeit der Nebenwirkungen als selten, schwere Reaktionen als sehr selten eingestuft.

2. Risiko einer kontrastmittelassoziierten Nierenerkrankung, insbesondere bei Patient*innen mit eingeschränkter Nierenfunktion.

3. Risiko einer Hyperthyreose oder thyreotoxischen Krise, insbesondere bei Patient*innen mit einer Schilddrüsenfunktionsstörung.




Zu 1:

Chemotoxische Reaktionen umfassen z.B. Übelkeit, Erbrechen, Wärme-/Kältegefühl, vasovagale Reaktion, Arrythmien und zerebraler Krampfanfall.

Allergieartige Reaktionen umfassen z.B. leichte Urtikaria, Juckreiz und Erythem (mild, Grad 1), deutliche Urtikaria, Brochospasmus und Larynxödem (moderat, Grad 2) sowie hypotensiver Schock (Grad 3), Atemstillstand und Herzstillstand (schwer, Grad 4).

Diese Reaktionen ähneln den Symptomen einer Allergie und werden daher als allergieartig bezeichnet. Dennoch liegt hier pathophysiologisch keine klassische Allergie vor, welche durch eine immunologische Reaktion bzw. der Bildung von Antikörpern und einer spezifischen Aktivierung von Mastzellen gekennzeichnet ist. Bei der allergieartigen Reaktion (auch Pseudoallergie oder Überempfindlichkeitsreaktion) werden ohne Beteiligung von Antikörpern Mastzellen unspezifisch aktiviert, was eine Entzündungsreaktion mit Ausschüttung von Histamin zur Folge hat. 

Die Inzidenz der Nebenwirkungen wird in Sammelstatistiken unterschiedlich dargelegt - meist angegeben sind Nebenwirkungsraten von ca. 1%; schwere Reaktionen auf jodhaltiges Kontrastmittel sind sehr selten (ca. 0,01-0,04%).

Zu 2:

Nach den aktuellen ESUR-Leitlinien für Kontrastmittel hat es durchgreifende Änderungen gegeben:

Der vormals verwendete Begriff der "kontrastmittelinduzierten Nephropathie (CIN)" wurde durch "kontrastmittelassoziierte akute Nierenschädigung (PC-AKI)" ersetzt. Grund waren neue Studienergebnisse der McDonald-Gruppe, bei denen ein vergleichbar hohes Risiko für ein akutes Nierenversagen nach nativer und nach kontrastmittelverstärkter CT aufgetreten war. Demnach besteht möglicherweise kein kausaler Zusammenhang zwischen einer Kontrastmittelgabe und der Nierenschädigung.

Von einer kontrastmittelassoziierten akuten Nierenschädigung spricht man, wenn das Serum-Kreatinin innerhalb von 48-72 Stunden nach intravaskulärer Kontrastmittelgabe um ≥ 0,3 mg/dl (oder ≥ 26,5 μmol/l) oder um ≥ 1,5-fache des Referenzwertes ansteigt.

Risikofaktoren für PC-AKI sind (laut ESUR-Leitlinie):

Seitens der Patient*innen:

  • eGFR unter 45 ml/min/1,73m² vor intraarterieller Röntgenkontrastmittelgabe mit renalem first-pass Effekt oder bei Patient*innen einer Intensivstation.

  • eGFR unter 30 ml/min/1,73m² vor Gabe eines intravenösen oder intraarteriellen Röntgenkontrastmittels mit renalem second-pass Effekt.

  • Bekanntes oder vermutetes akutes Nierenversagen.

Untersuchungsbedingt:

  • Intraarterielle Röntgenkontrastmittelgabe mit renalem first-pass Effekt.

  • Große Mengen eines intraarteriellen Kontrastmittels mit renalem first-pass Effekt.

  • Hoch-osmolare Röntgenkontrastmittel.

  • Mehrfache Röntgenkontrastmittelgabe innerhalb von 48-72 Stunden.

Den Link zur aktuellen ESUR-Leitlinie (Version 10.0, März 2018) findest Du hier.

Zu 3:

Ein erhöhtes Risiko für eine Thyreotoxikose bilden Patient*innen mit einem unbehandelten Morbus Basedow, Struma multinodosa oder einer Schilddrüsenautonomie. Sie tritt für gewöhnlich frühestens nach einer Woche nach Kontrastmittelgabe auf. Die Häufigkeit wird als sehr selten angegeben (100 thyreotoxische Krisen auf 5 Millionen Kontrastmitteluntersuchungen, wovon ca. 38% durch eine Jodexposition ausgelöst werden) [Lederbogen et al. 1992].

Jodhaltige Kontrastmittel sind bei Patient*innen mit papillärem oder follikulärem Schilddrüsenkarzinomen kontraindiziert. Falls die Tumorzellen mit Jod gesättigt werden, ist eine Radiojodtherapie nicht mehr möglich.

Wie gehst Du bei Patient*innen mit einer latenten oder manifesten Hyperthyreose vor, die eine Untersuchung mit jodhaltigem Kontrastmittel erhalten sollen?

Antwort

Bei einer latenten Hyperthyreose kann mit Hilfe von Natriumperchlorat (Irenat® Tropfen), welches vor der Untersuchung verabreicht wird, die Jodaufnahme in die Schilddrüse blockiert werden. Die Medikation wird nach der Untersuchung für mindestens 7 Tage fortgeführt. Die Schilddrüsenparameter sollten abschließend kontrolliert werden.

Die manifeste Hyperthyreose stellt eine absolute Kontraindikation für die Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln dar.



Natriumperchlorat (Irenat®) hemmt die Jodaufnahme in die Schilddrüse.

Die latente und manifeste Hyperthyreose können laborchemisch unterschieden werden: die latente Hyperthyreose weist ein vermindertes TSH-Level und gleichzeitig normwertige T3- und T4-Spiegel auf; die manifeste Hyperthyreose ist durch ein vermindertes TSH-Level und gleichzeitig erhöhten T3- und T4-Spiegel gekennzeichnet.

Es gibt Einzelfälle, bei denen trotz manifester Hyperthyreose jodhaltige Kontrastmittel verabreicht werden, da die alternative Diagnostik z.B. mittels MRT nicht verfügbar ist oder zu einem nicht tolerierbaren Zeitverzug führen würde. Diese Einzelfälle stellen häufig unmittelbar lebensbedrohliche Krankheitsbilder dar (z.B. Verdacht auf akute Aortendissektion, schweres Polytrauma, Schlaganfall), in denen der Nutzen einer suffizienten, schnellen Diagnostik überwiegt.

Bei Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln trotz manifester Hyperthyreose wird die Medikation mit Natriumperchlorat und weiteren Thyreostatika (Thiamazol oder Carbimazol) empfohlen. Thiamazol oder Carbimazol hemmen die Bildung der Schilddrüsenhormone durch Hemmung ihrer Jodierung.

Wie gehst Du bei Patient*innen mit einer anamnestisch früheren allergieartigen Reaktion nach Röntgenkontrastmittel-Gabe vor?

Antwort

Nach aktueller Leitlinie wird ein alternatives diagnostisches Verfahren oder ein anderes Kontrastmittel empfohlen.

Eine Prämedikation mit H1-, H2-Blockern oder Cortison wird in verschiedenen radiologischen Abteilungen im Alltag durchgeführt; eine Empfehlung in den aktuellen Leitlinien gibt es derzeit jedoch nicht.





Die häufig genannte anamnestische Jodallergie gibt es streng genommen nicht, da das Jod, welches körpereigen für die Produktion von Schilddrüsenhormonen genutzt wird, aus immunologischer Sicht zu klein ist, um allergen wirksam zu sein.  

Die allergieartige Reaktion (nicht Antikörper vermittelt) oder Unverträglichkeit richtet sich in der Regel auch nicht gegen das Jod, sondern die zusätzlichen Inhaltsstoffe der Kontrastmittel. Diese variieren je nach Hersteller. Studien zeigen, dass das Risiko einer allergieartigen Reaktion nach Substanzwechsel deutlich reduziert werden kann. Nach Gabe des gleichen Kontrastmittels lag das Risiko unerwünschter Wirkungen bei 31%, nach Substanzwechsel bei 12%. Die zusätzliche Gabe eines H1-Blockers reduzierte in beiden Gruppen das Risiko auf 24% bzw. 8% [Park et al. 2018].

Die Gabe einer Prophylaxe mit H1-, H2-Blockern oder Cortison bzw. einer Kombination aus allen drei Medikamenten wird im radiologischen Alltag bei Patient*innen mit früherer allergieartiger Reaktion durchgeführt und wurde bis zur letzten bestehenden Version der ESUR-Leitlinie (Version 9.0) aufgeführt und empfohlen.

Nenne das Nebenwirkungsprofil der Gadolinium-haltigen Kontrastmittel. Wie klärst Du Patient*innen auf?

Die Aufklärung erfolgt über:

1. Unerwünschte Nebenwirkungen wie allergieartige und chemotoxische Reaktionen. Die meisten Reaktionen treten akut innerhalb der ersten Stunde nach intravenöser Kontrastmittelgabe auf. Insgesamt wird die Häufigkeit der Nebenwirkungen als sehr selten eingestuft.

2. Risiko einer nephrogenen systemischen Fibrose, insbesondere bei Patient*innen mit eingeschränkter Nierenfunktion.

3. Risiko einer Gadolinium-Retention im Gehirn.



Zu 1:

Chemotoxische Reaktionen umfassen z.B. Übelkeit und Erbrechen.

Allergieartige Reaktionen umfassen z.B. leichte Urtikaria, Juckreiz und Erythem (mild, Grad 1), deutliche Urtikaria, Brochospasmus und Larynxödem (moderat, Grad 2) sowie hypotensiver Schock (Grad 3), Atemstillstand und Herzstillstand (schwer, Grad 4).

Gadolinium-haltige Kontrastmittel werden insgesamt sehr gut vertragen. Die Inzidenz der Nebenwirkungen wird in Sammelstatistiken unterschiedlich dargelegt - meist angegeben sind Nebenwirkungsraten von ca. 0,001%; schwere Reaktionen auf Gadolinium-haltige Kontrastmittel sind noch seltener (ca. 0,0001%) [Behzadi et al. 2018].

Zu 2:

Im Jahr 2016 wurde der Zusammenhang zwischen der nephrogenen systemischen Fibrose und der Gabe von Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln festgestellt. Bei den heutzutage verwendeten Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln mit geringem NSF-Risiko wurden nach Risikominimierung (Vorsicht bei einer GFR < 30 ml/min/1,73m²) keine neuen Fälle der nephrogenen systemischen Fibrose beschrieben.

Zu 3:

Im Jahr 2014 wurden erstmals T1w Hyperintensitäten in Globus pallidus und Nucleus dentatus nach Mehrfachgabe von linearen Kontrastmitteln beschrieben [Kanda et al. 2014].


Was weißt Du über die nephrogene systemische Fibrose? Wie schätzt Du insgesamt das Risiko der Erkrankung nach Gabe von Gadolinium-haltigen Kontrastmittel ein?

Antwort

Die nephrogene systemische Fibrose (NSF) ist eine potenziell lebensbedrohliche Systemerkrankung und charakterisiert durch fibrotische Haut- und Organveränderungen. Sie kann als Spätfolge nach Gadolinium-haltiger Kontrastmittelgabe auftreten.

Die Gadolinium-haltigen Kontrastmittel werden je nach ihrem Risiko für die Erkrankung eingeteilt (niedriges, mittleres und hohes Risiko). Insgesamt ist das Risiko einer NSF als sehr gering einzustufen; nach 2008 gab es nur noch 7 berichtete Fälle weltweit.


Berichtet wird ein Zeitraum des Krankheitsauftretens von 2 Tagen bis 18 Monaten, manchmal auch Jahre nach der Exposition. In der Literatur gibt es eine zentrale Meta-Analyse aller bioptisch gesicherten NSF-Patient*innen nach Gadolinium-haltiger Kontrastmittelexposition. In der Studie wurden 693 Patient*innen eingeschlossen, welche im Mittel bei Symptombeginn 49 Jahre alt waren (Range 6-87 Jahre) [Attari et al. 2019]. Gadodiamid (Omniscan®) als lineares Kontrastmittel war für die meisten NSF Fälle verantwortlich. Die European Medicines Agency (EMA) hat im Verlauf den Gebrauch aller intravenöser Kontrastmittel mit hohem NSF-Risiko unterbunden.

Kontrastmittel mit mittlerem Risiko sind lediglich für hepatobiliäre Untersuchungen zugelassen (Multihance®, Primovist®).

Insgesamt dürfen Kontrastmittel mit niedrigem und mittlerem NSF-Risiko bei eingeschränkter Nierenfunktion verabreicht werden, auf eine wiederholte Gabe innerhalb 7 Tage sollte jedoch verzichtet werden.



Frage 40

Nenne die Vorteile der leberspezifischen Gadolinium-haltigen Kontrastmittel. Welche Präparate kennst Du?

Zu den leberspezifischen Gadolinium-haltigen Kontrastmitteln gehören Primovist® (Gadoxetat) und Multihance® (Gadobenat). Sie werden zur Detektion, Charakterisierung und Differenzierung von Leberläsionen eingesetzt.

 

Leberspezifische Kontrastmittel besitzen die kombinierte Eigenschaft des extrazellulären, unspezifischen Kontrastmittels und des leberspezifischen Kontrastmittels. Dabei wird ein Teil des Kontrastmittels über die Hepatozyten aufgenommen und über die Galle ausgeschieden, der extrazellulär verbliebene Anteil wird über die Nieren ausgeschieden.

Somit wird im MRT Protokoll in der Regel zunächst eine dynamische Phase zur Beurteilung der Vaskularisation und anschließend eine hepatozelluläre Phase als Spätphase durchgeführt.



Die häufigsten Fragestellungen, bei denen leberspezifische Kontrastmittel verwendet werden, sind:

1. die Differenzierung zwischen einer fokalen nodulären Hyperplasie und Leberadenom;

2. die Detektion von kleinen gut differenzierten hepatozellulären Karzinomen (< 1 cm);

3. die Detektion von kleinen Lebermetastasen (< 1 cm).

Die zwei in Deutschland zugelassenen leberspezifischen Kontrastmittel Primovist® und Multihance® unterscheiden sich in dem Anteil, der in die Hepatozyten aufgenommen wird und bilär eliminiert wird - bei Primovist® liegt der Anteil bei ca. 50%, bei Multihance® ca. 3-5%. Die Akquisition der hepatozellulären Spätphase erfolgt bei Primovist® nach ca. 20 Minuten, bei Multihance® nach ca. 40 Minuten.

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Lauritz S.

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