Eintritt der formellen Rechtskraft
Bei Entscheidungen, gegen die kein Rechtsbehelf statthaft:
unmittelbar mit Erlass der Entscheidung (idR. mit ihrer Verkündung)
Bei Entscheidungen, gegen die Rechtsbehelf statthaft:
mit Ablauf der Frist zur Einlegung des RB oder mit Verzicht der Parteien auf den RB (vgl. §§ 515, 555 V 1 Nr. 2, 346)
Begriff der formellen Rechtskraft
Unanfechtbarkeit eines Urteils/Beschlusses mit ordentlichen Rechtsmitteln, vgl. § 705
Endgültige Beendigung des Prozesses
Begriff der materiellen Rechtskraft
Verbindlichkeit des Entscheidungsinhalts in möglichen weiteren Prozessen der Parteien
Der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidungen
Formell rechtskräftige Entscheidungen (Urteile und Beschlüsse)
Sachurteile (Leistungs-, Feststellungs- u. Gestaltungsurteile)
Prozessurteile im Umfang ihres Entscheidungsinhalts
Wirkungen der materiellen Rechtskraft
Bei identischen Streitgegenständen: Unzulässigkeit einer neuen Klage über denselben SG
Bei verschiedenen Streitgegenständen: ggf. Präjudiizialität der Entscheidung des ersten Prozesses für zweiten Prozess
Umfang der materiellen Rechtskraft – Überblick
Objektive Grenzen
Subjektive Grenzen
Zeitliche Grenzen
1. Objektive Grenzen der materiellen Rechtskraft
Bestimmung durch Streitgegenstand, § 322 I
Bindung an die im Tenor festgehaltene Urteilsformel (und das kontradiktorische Gegenteil), nicht an die Gründe
Aber: Möglichkeit der Heranziehung von TB und Gründen zur Auslegung eines unklaren Tenors
Keine materielle Rechtskraft von:
(1) Tatsachenfeststellungen, (2) abstrakten Rechtsfragen, (3) bloßen Vorfragen, (4) Einwendungen und Gegenrechten (Ausnahme § 322 II für die Aufrechnung)
Eng gefasster Umfang der Rechtskraft zur Vermeidung ungeahnter Fernwirkungen für spätere Streitigkeiten
Möglichkeit der Erweiterung der Rechtskraft durch Zwischenfeststellungsklage, § 256 II
2. Subjektive Grenzen der materiellen Rechtskraft
Grds. Bindungswirkung der materiellen RK nur zw. den Parteien des Prozesses
Ausnahme: Erweiterung der Rechtskraftwirkung auf Dritte
§ 325 I: Rechtskrafterstreckung auf Rechtsnachfolger
(Rück-)Ausnahme des § 325 II iVm. BGB-Vorschriften über gutgläubigen Erwerb
§ 325a iVm. § 22 KapMuG: Feststellungswirkung des Musterentscheids
§§ 326, 327: RK-Erstreckung bei Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung
§ 11 II VDuG: Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils
3. Zeitliche Grenzen der materiellen Rechtskraft
Begrenzung der RK auf Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz
nur zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegende Tatsachen von RK erfasst
Keine Bindungswirkung für später entstandene Tatsachen (können in neuem Prozess geltend gemacht werden)
Einwendungen des Schuldners gegen den titulierten Anspruch können iRd. ZV durch Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 II) geltend gemacht werden, wenn sie
nach letzter mündl. Verhandlung entstanden sind
und – im Falle eines Versäumnisurteils – nicht mehr durch Einspruch geltend gemacht werden können
Wesen der materiellen Rechtskraft
Materielle Theorie: Auswirkung des Urteils auf die materiellrechtlichen Beziehungen der Parteien
falsches Urteil gestaltet Rechtslage um, richtiges Urteil bestätigt Rechtslage deklaratorisch
Prozessuale Theorie: RK hat keine Auswirkung auf materiellrechtliche Rechtslage, sondern nur prozessuale Wirkungen
Bindungslehre: Zulässigkeit neue Klage mit demselben SG (+), aber Bindung des Richters an getroffene Entscheidung
“ne bis in idem”-Lehre [hM]: keine erneute Entscheidung über denselben SG
Durchbrechungen der Rechtskraft
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, § 233
bei schuldloser Versäumung einer Notfrist zur Einlegung von Rechtsmitteln
beachte § 85 II
Abänderungsklage, § 323
bei Verurteilung zu wiederkehrenden Leistungen, § 258
Klage auf Abänderung des Titels für Zukunft bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse
Wiederaufnahme des Verfahrens, §§ 578 ff.
Nichtigkeitsklage, § 579: Geltendmachung besonders schwerer Verfahrensmängel
Restitutionsklage, § 580: Geltendmachung besonders schwerer Mängel der Urteilsgrundlage
Klage nach § 826 BGB (…)
Verfassungsbeschwerde
grds. erst nach Rechtswegerschöpfung zulässig, § 90 II 1 BVerfGG
bei spezifischer Grundrechtsverletzung: Aufhebung eines rechtskräftigen Urteils und Zurückverweisung, § 95 II BVerfGG
Klage nach § 826 BGB (Durchbrechungen der Rechtskraft)
Klage zur Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus einem Titel und Herausgabe des Titels
Strenge Vrs.:
Materielle Unrichtigkeit des Urteils
Kenntnis des Titelgläubigers von Unrichtigkeit
Besonders verwerfliche Umstände (unredliche und arglistige Titelerschleichung oder sittenwidrige Ausnutzung eines Urteils)
Zuletzt geändertvor 3 Tagen