Zivilgerichtsbarkeit, Gerichtsaufbau, Gang des Zivilverfahrens
Streitvermeidung, -beilegung, -schlichtung
Prozessmaximen
Zulässigkeit der Klage
Parteien im Prozess, Parteierweiterung
Relationstechnik (Relationsmethode)
Prüfungsschema:
Klägerstation: Schlüssigkeitsprüfung (Ergeben der unstreitige Vortrag und der streitige Klägervortrag einen klägerischen Anspruch?)
a) Entweder: Keine Schlüssigkeit = Klageabweisung im Urteil
b) Oder: Schlüssigkeit = 1. Zwischenergebnis
Beklagtenstation: Erheblichkeitsprüfung (Bringt der unstreitige Vortrag und der streitige Beklagtenvortrag den klägerischen Anspruch ganz oder teilweise zu Fall?)
a) Entweder: Keine Erheblichkeit = Klage stattgeben im Urteil
b) Oder: Erheblichkeit = 2. Zwischenergebnis
Beweisstation: Tatsächliche Würdigung (Welchem Vortrag kann gefolgt werden?)
a) Entweder: Einem der beiden Vorträge kann ohne Beweiserhebung gefolgt werden = Urteil
b) Oder: Beweiserhebung und Beweiswürdigung = Beweisbeschluss
(Entscheidungs- oder) Tenorierungsstation: (Entscheidungsreife und) Urteilstenor
Stoffsammlung und -ordnung
Stoffsammlung
Grundlagen
Schriftsätze bzw. elektronische Dokumente
Urkunden, Privatgutachten, Gutachten in anderen Verfahren
Beiakten
Sitzungsprotokolle
Protokolle über die Beweisaufnahmen und schriftliche Sachverständigengutachten
Beweisbeschlüsse und frühere Entscheidungen desselben Rechtsstreits
Aktenauszug
Stoffordnung
Überholtes Vorbringen
Maßgeblich ist nur der Vortrag der Parteien, an dem sie in der letzten mündlichen Verhandlung festgehalten haben.
Zwischen verschiedenen Sachvorträgen einer Partei besteht ein Widerspruch.
Im Zweifel ist von der Berichtigung des früheren Vorbringens auszugehen.
Jedoch können sich Anhaltspunkte ergeben, dass die Partei an ihrem widersprüchlichen Vorbringen festhalten will.
Grundsätzlich ist widersprüchliches Vorbringen wegen eines Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht (§ 138 I ZPO) unbeachtlich.
Etwas anderes kann bei Haupt- und Hilfsvorbringen gelten. Macht sich die Partei hilfsweise das Vorbringen des Gegners, von dessen Wahrheit sie nicht überzeugt ist, zu eigen, weil sie befürchtet, ihr Hauptvorbringen nicht beweisen zu können, liegt eine zulässige prozessuale Taktik vor.
Abgrenzung der Tatsachen von den Rechtsansichten
Tatsachen sind alle gegenwärtigen und vergangenen, äußeren und inneren, positiven und negativen Daten aus der realen Welt des Seins. Tatsachen sind dem Beweis zugänglich.
Der Richter ist grundsätzlich an die Rechtsansichten der Parteien nicht gebunden, sodass diese nur Anregungen darstellen.
In den Tatbestand gehören
grundsätzlich nicht (alle) Rechtsansichten,
Rechtsansichten, die gleichzeitig Tatsachen enthalten (können),
Rechtansichten, wenn deren Mitteilung zum Verständnis des Parteivortrags (z.B. bei normativen Tatbestandsmerkmalen) oder des Rechtsstreits (z.B. wenn Sachvortrag der Parteien unstreitig) erforderlich sind,
Rechtstatsachen (= juristische Tatsachen).
Voraussetzungen für eine Rechtstatsache (z.B. „Kauf“, in der Regel auch „Eigentum“, „Schenkung, Miete, Darlehen“, nicht „Sittenwidrigkeit, Passivlegitimation“) sind, dass
die Parteien den Rechtsbegriff übereinstimmend verwenden,
es sich um einen einfachen Begriff des täglichen Lebens handelt,
sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass den Parteien der richtige Umgang mit dem Rechtsbegriff nicht zuzutrauen ist.
Abgrenzung des Streitigen vom Unstreitigen
Unstreitig ist das Parteivorbringen, wenn
die Parteien übereinstimmend einen bestimmten Geschehensablauf schildern,
der Gegner mit erkennbarem (Geständnis-)Willen gesteht (§ 288 ZPO) und sein Geständnis nicht widerruft (§ 290 ZPO) oder
der Gegner den Sachvortrag nicht bestreitet (§ 138 III ZPO).
Geständnisfiktion des § 138 III ZPO (Fiktion des Zugestehens bei Nichtbestreiten)
Eine Partei kann ausdrücklich oder konkludent bestreiten (Hs. 2).
Der gesamte Vortrag der Partei ist zu berücksichtigen und die Frage zu stellen, ob sich aus dem Gesamtzusammenhang ein konkludentes Bestreiten ergibt. Auf die zeitliche Reihenfolge kommt es nicht an.
Von einem konkludenten Bestreiten ist (entgegen der Formulierung) im Zweifel auszugehen. Jedenfalls muss das Gericht dies bei Zweifeln nach § 139 ZPO klären.
Hat der Gegner bei einem Sachverhaltskomplex verschiedene Punkte bestritten oder hierzu eine Gegendarstellung gegeben, ist anzunehmen, dass er den gesamten, zu diesem Komplex gehörenden Sachvortrag bestreiten will. Nur wenn er zu einem gesamten Komplex überhaupt nichts erklärt, greift die Geständnisfiktion ein.
Streitig ist das Parteivorbringen, wenn
die Parteien einen divergierenden Geschehensablauf schildern,
der Gegner sein Geständnis widerruft oder
der Gegner den Sachvortrag ausdrücklich oder konkludent bestreitet.
Neues Vorbringen einer Partei in Schriftsätzen, die nach der letzten mündlichen Verhandlung bei Gericht eingehen, ist immer als streitig zu behandeln (Grundsatz des rechtlichen Gehörs). Die Kenntlichmachung im Tatbestand erfolgt wie folgt: „In einem am … bei Gericht eingegangenen Schriftsatz behauptet der Kläger weiter…“.
Bestreiten
Einfaches Bestreiten (bloße Verneinung) reicht grundsätzlich.
Qualifiziertes Bestreiten (Gegendarstellung) kann unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aufgrund der sich aus § 138 I und II ZPO ergebenden Mitwirkungspflicht des Gegners erforderlich sein.
Je detaillierter der Vortrag des Darlegungspflichten ist, desto höher ist die Erklärungslast nach § 138 II ZPO.
Qualifiziertes Bestreiten kann auch erforderlich sein, wenn dem primär Darlegungspflichtigen ein substantiierter Vortrag nicht möglich oder zumutbar ist, der Gegner hingegen die erforderlichen Informationen hat oder in der Lage ist, sich diese leicht zu verschaffen (z.B. negative Tatsachen, Tatsachen aus dem Vermögens- und Steuerbereich). Man spricht insoweit von sekundärer Darlegungslast (keine Umkehr der Darlegungslast, keine Beweiserleichterung). Wenn der primär Darlegungspflichtige greifbare Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Darlegung liefert, muss der Gegner qualifiziert bestreiten.
Qualifiziertes Bestreiten ist ferner erforderlich, wenn ohne die Gegendarstellung des Gegners (z.B. zur Höhe des Kaufpreises) nach einer (gedachten) Beweisaufnahme keine Entscheidungsreife eintritt oder wenn nicht klar ist, über welche Punkte (z.B. bei verschiedenen Rechnungsposten) Beweis erhoben werden muss.
Bestreitet der Beklagte nicht qualifiziert, obwohl dies ausnahmsweise erforderlich ist, ist sein Bestreiten unbeachtlich und der Vortrag des Gegners gilt nach § 138 III ZPO als zugestanden.
Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 IV ZPO) ist nur anzunehmen, wenn die Parteien sich ausdrücklich darauf berufen. Deshalb ist ein ausdrückliches Bestreiten mit Nichtwissen immer im Tatbestand wörtlich zu erwähnen.
Pauschales Bestreiten („Das Vorbringen des Gegners wird bestritten, soweit es im Gegensatz zum hiesigen Vorbringen steht.“) verstößt gegen § 138 I, II ZPO und ist daher von vornherein unbeachtlich.
Relationstabelle
Aktenzeichen
Gericht
Streitwert
Vorgerichtliche Einigungsversuche
Kurzbeschreibung des Rechtsstreits
Kläger
Blatt
Beklagter
Name
Prozessbevollm.
Antrag
Tatsache
Rechtsansicht
Inhalt und Form von Tatbestand
Bewährte Darstellung des Tatbestands:
Einleitungssatz über den Kern des Rechtsstreits (str.)
Geschichtserzählung (= Unstreitiges)
Streitiger Vortrag des Klägers
Ggf. kleine/ vorgezogene Prozessgeschichte 1
(Sach-)Anträge der Parteien, soweit sie auch in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung gelten sollen
Streitiger Vortrag des Beklagten
Ggf. Replik und Duplik
Große Prozessgeschichte 2
Allgemeines
Einleitungssatz
Geschichtserzählung
Anträge
Replik und Duplik
Prozessgeschichte
Bezugnahmen
Tenorierung: Hauptsachetenor
Die Formulierung orientiert man sich am Klageantrag. Zu prüfen ist, ob der Klageantrag erschöpfend behandelt und nicht mehr oder etwas anderes zugesprochen wird als beantragt wurde (ne ultra petita, § 308 I 1 ZPO).
Die Formulierung muss eindeutig sein.
Die Klage hat ganz oder teilweise keinen Erfolg.
„Die Klage wird abgewiesen.“
„Der Beklagte wird verurteilt, … Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
Der Klage wird stattgegeben.
Leistungsklagen
„Der Beklagte wird verurteilt,
an den Kläger 1.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem (jeweiligen) Basiszinssatz seit dem (genauer Tag) zu zahlen.“
an den Kläger den Pkw Marke …, Typ …, Baujahr …, Fahrgestell-Nr. … zu übereignen und herauszugeben.“
zu dulden, dass der Kläger den Fußball, Marke …, Farbe …, aus seinem Garten holt.“
Feststellungsklagen
„Es wird festgestellt,
dass der Kläger Eigentümer des Apfelschimmels „Weißer Blitz“ … ist.“
Tenorierung: Kostentenor
Kosten des Rechtsstreits
Gerichtskosten
Erhebung nach dem Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum GKG (§ 3 II GKG)
Gebühren
Bestimmung nach dem Streitwert (§ 3 I GKG)
Degressive Gebührentabelle der Anlage 2 zum GKG (§ 34 I 3 GKG)
-> Berechnung: Gebührensatz (Anlage 1 zum GKG) x (volle) Gebühr (Anlage 2 zum GKG) = Gebührenhöhe
Erstinstanzliche zivilrechtliche Verfahren vor dem Amts- oder Landgericht
Nr. 1210 KV für das Verfahren im Allgemeinen mit einem Gebührensatz von 3,0
Unter den Voraussetzungen Nr. 1211 KV (z.B. bei frühzeitiger Klagerücknahme oder bei Anerkenntnis- und Verzichtsurteil) Ermäßigung auf 1,0
Fälligkeit mit Einreichung der Klageschrift bei Gericht (§ 6 I Nr. 1 GKG), Zustellung der Klageschrift erst nach Zahlung der Gebühr (§ 12 I 1 GKG)
Berufung und Revision
Nr. 1220, 1230 KV mit jeweils höherem Gebührensatz
Auslagen
Nr. 9000 ff. KV
Außergerichtliche Kosten
Anwaltskosten
Bestimmung der Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG (§ 2 II RVG)
Berechnung nach dem Gegenstandwert (§ 2 I RVG), der grundsätzlich mit dem gerichtlich festgesetzten Streitwert identisch ist
Gebührentabelle der Anlage 2 zum RVG (§ 13 I 3 RVG)
-> Berechnung: Gebührensatz (Anlage 1 zum RVG) x (volle) Gebühr (Anlage 2 zum RVG) = Gebührenhöhe
Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV – 1,3)
schon mit der Einreichung der Klageschrift
Terminsgebühr (Nr. 3104 VV – 1,2)
erst mit der Wahrnehmung des Termins
nur eine Terminsgebühr, auch wenn mehrere mündliche Verhandlungstermine (§ 15 II RVG)
Ggf. Einigungsgebühr (Nr. 1003 VV – 1,0)
bei gerichtlichem Vergleich in erster Instanz
Auslagen (Nr. 7001, 7002 VV)
Nachweis die tatsächlich entstandenen Auslagen oder
Kostenpauschale, die 20 % der gesetzlichen Gebühren, höchstens jedoch 20 € beträgt
Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV)
auf die Gebühren und die Kostenpauschale
Kosten der Parteien selbst
Einheit der Kostenentscheidung und Kostentrennung
Nach dem Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung wird grundsätzlich einheitlich über alle Kosten des Rechtsstreits unabhängig von einzelnen Prozesshandlungen und Prozessabschnitten entschieden. Daher kann über die Kosten auch erst in dem Urteil entschieden werden, das die Instanz beendet (Schlussurteil, nicht: Teil-, Zwischen-, Grundurteil).
Nur in den im Gesetz hervorgehobenen Fällen gilt die Kostentrennung:
Übergegangener Anspruch (§ 94 ZPO), (sonstige) Säumniskosten (§ 95 ZPO), Kosten erfolgloser Angriffs- oder Verteidigungsmittel (§ 96 ZPO, Ermessen „können“),
Nebenintervention (§ 101 I ZPO),
Kosten der Wiedereinsetzung (§ 238 IV ZPO),
Klagerücknahme (§ 269 III 2 Alt. 2 ZPO),
Verweisung wegen Unzuständigkeit (§ 281 III 2 ZPO),
Säumniskosten bei Versäumnisurteil und Widerspruch (§ 344 ZPO).
Die Vorschriften, sind für die Formulierung des Kostentenors nur dann bedeutsam, wenn die betreffende Partei nicht ohnehin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
Kostenentscheidung nach § 91 ZPO
Wird dem Klageantrag in vollem Umfang entsprochen oder wird die Klage in vollem Umfang abgewiesen, ist grundsätzlich eine Kostenentscheidung nach § 91 I 1 Hs. 1 ZPO zu treffen. Danach hat die Kosten des Rechtsstreits die unterliegende Partei zu tragen.
„Der Kläger/ der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (nicht: des Verfahrens).“
Kostenentscheidung nach § 92 ZPO
Bei einem teilweisen Obsiegen und teilweisen Unterliegen beider Parteien bestimmt § 92 I ZPO, dass die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen sind.
Die Kosten können gegeneinander aufgehoben werden, wenn die Parteien in etwa in demselben Umfang obsiegen und unterliegen. Die Gerichtskosten fallen jeder Partei zur Hälfe zur Last (§ 92 I 2 ZPO). Außerdem trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
„Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.“
Werden die Kosten verhältnismäßig geteilt, ergibt sich die Kostenquote aus dem Verhältnis des Unterliegens einer Partei (= Verlustquote) zum Gebührenstreitwert (§§ 39 ff. GKG). Ausgedrückt wird die Kostenquote durch Brüche oder Prozentzahlen. Die Nebenforderungen bleiben nach § 43 I GKG bei der Festsetzung des Streitwertes unberücksichtigt. Sie müssen jedoch bei der Ermittlung der Kostenquote jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn sie im Verhältnis zur Hauptforderung nicht unbeträchtlich sind; davon ist auszugehen, wenn die abgewiesene Nebenforderung mehr als 10 % der Hauptforderung beträgt. Der die Nebenforderung mitberücksichtigende Streitwert wird als fiktiver Streitwert bezeichnet.
„Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 2/5 und der Beklagte 3/5.“
„Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 40 % und dem Beklagten zu 60 % auferlegt.“
Nach § 92 II ZPO kann (Ermessen) das Gericht einer Partei die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegen.
Der Hauptanwendungsfall ist § 92 II Nr. 1 ZPO.
Geringfügige Zuvielforderung (Zuvielforderung unter 10% der Klageforderung)
Kein besonderer oder ein nur geringfügig höherer Kostenanfall durch die Zuvielforderung (kein Gebührensprung, keine erforderliche Beweisaufnahme durch Zuvielforderung)
§ 92 II Nr. 2 ZPO betrifft die Konstellation, dass die Klage teilweise abgewiesen wird und der Betrag der Forderung von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war. Es werden demnach Fälle erfasst, bei denen die teilweise Klageabweisung nicht in die Sphäre des Klägers fällt oder jedenfalls von ihm nicht vorauszusehen war. Der Hauptanwendungsbereich ist der des § 287 ZPO.
Kostenentscheidung nach § 93 ZPO
Kostenentscheidung bei Klagerücknahme
Kostenentscheidung bei Streitgenossenschaft
Kostenentscheidung nach § 101 ZPO bei Streithilfe
Tenorierung: Vorläufige Vollstreckbarkeit
Allgemeine Fragen
Nach § 704 ZPO findet die Zwangsvollstreckung statt aus Endurteilen, die formell rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt worden sind. Gundsätzlich muss daher jedes Endurteil von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar erklärt werden (§§ 708, 709).
In Ausnahmefällen ist ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit entbehrlich:
Urteile, die von Natur aus oder kraft Gesetzes vorläufig vollstreckbar sind (Anordnung oder Bestätigung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung, Urteile des Arbeitsgerichts [vgl. §§ 62 I, 64 VII, 85 II ArbGG]),
Urteile, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben,
Urteile, die mit ihrem Erlass rechtskräftig werden, d.h. für die der Gesetzgeber keine Rechtsmittel vorgesehen hat (Berufungsurteile bei Arrest und einstweiliger Verfügung [vgl. § 542 II 1 ZPO], Revisionsurteile des BGH).
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung (§ 709 ZPO)
Allgemeines und Zweck der Sicherheit
Grundsätzlich ist jedes Urteil nach § 709 ZPO gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nur in den Sonderfällen des § 708 ZPO sowie auf Antrag des Gläubigers gemäß § 710 ZPO hat eine Sicherheitsleistung zu unterbleiben.
Wird das Urteil gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt, kann bis zum Eintritt der Rechtskraft eine Vollstreckung nur erfolgen, soweit die Sicherheitsleistung erbracht und dies nach § 751 II ZPO nachgewiesen worden ist.
Die Sicherheitsleistung dient dem Schutz des Vollstreckungsschuldners. Er soll für den Fall, dass das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil keinen Bestand hat, vor einem Schaden bewahrt werden.
Art und Höhe der Sicherheitsleistung
Die Art und die Höhe der Sicherheitsleistung stehen im freien Ermessen des Gerichts (§ 108 I 1 ZPO).
Den Regelfall bildet die Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft. Soweit das Gericht keine Bestimmung zu der Art der Sicherheitsleistung trifft und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung nach § 108 I 2 ZPO durch eine dort näher beschriebene Bankbürgschaft oder durch Hinterlegung zu erbringen.
Die Höhe der Sicherheitsleistung muss sich an einem möglichen Schadensersatzanspruch des Vollstreckungsschuldners aus § 717 II ZPO orientieren.
Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es gemäß § 709 S. 2 ZPO, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Eine Bemessung mit 110 bis höchstens 120 % wird für richtig gehalten.
Ansonsten gilt § 709 S. 1. Das bedeutet, dass die Sicherheitsleistung für den vollstreckbaren Teil, der keine Geldforderung beinhaltet, betragsmäßig ausgewiesen werden muss. So ist bei Herausgabeansprüchen der Wert der Sache zu schätzen. Im Zweifel ist nach oben zu runden.
Tenorierung
Soweit nur ein Vollstreckungsschuldner vorhanden ist und es nur um die Vollstreckung von Geldforderungen geht, lautet die Standardformulierung zu § 709 S. 2 ZPO:
„Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % [120 %] des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.“
Sind mehrere Vollstreckungsgläubiger vorhanden, ist für jeden getrennt zu prüfen, ob eine Vollstreckung mit (§ 709) oder ohne Sicherheitsleistung (vgl. § 708) auszusprechen ist.
Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung (§ 708 ZPO)
Im Fall des § 708 ZPO wird wie folgt tenoriert:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.“
Der Hauptanwendungsfall ist der des § 708 Nr. 11 ZPO. Erfasst sind
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten (prozessualer Anspruch auf Geld oder geldwerte Gegenstände gerichtet),
wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache – hierzu zählen nicht die materiellen Nebenansprüche und die Kosten des Rechtsstreits – 1.250 € nicht übersteigt (Alt. 1) oder
wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 € ermöglicht (Alt. 2).
Bei Anwendung des § 708 Nr. 4 bis 11 ZPO sind immer §§ 711 und 713 ZPO zu beachten.
Abwendungsbefugnis (§ 711 ZPO)
Auch die Abwendungsbefugnis dient dem Schutz des Vollstreckungsschuldners.
Die Abwendungsbefugnis gilt in den Fällen des § 708 Nr. 4–11 ZPO und sollte immer entsprechend dem Wortlaut des § 711 S. 1 ZPO tenoriert werden.
Gemäß § 711 S. 2 ZPO gilt § 709 S. 2 ZPO (soweit Geldforderung) entsprechend; für den Schuldner ist jedoch auf den gesamten nach dem Urteil vollstreckbaren Betrag abzustellen, nicht hingegen auf den jeweils zu vollstreckenden Betrag.
Ist nur ein Vollstreckungsschuldner vorhanden, lautet die Formulierung:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger/Beklagte (= Vollstreckungsschuldner) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte/Kläger (= Vollstreckungsgläubiger) vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.“
Sind zwei Vollstreckungsgläubiger vorhanden, insbesondere Kläger und Beklagter bei Teilerfolg der Klage und Kostenquotierung, und gilt für beide § 708 Nr. 11 ZPO, muss die Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO in Bezug auf beide ausgesprochen werden:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.“
Ggf. müssen bei einem teilweisen Obsiegen und Unterliegen der Parteien §§ 708 Nr. 11, 711 und § 709 kombiniert werden:
„Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages (d.h. für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung). Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.“
Keine Schutzanordnung (§ 713 ZPO)
§ 713 ZPO stellt eine Ausnahmeregelung zu § 711 ZPO dar.
§ 713 ZPO greift ein, wenn ein Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist. In diesen Fällen soll der Vollstreckungsschuldner nicht nach § 711 ZPO geschützt werden, da aus der Sicht des Richters (pflichtgemäßes Ermessen) das Urteil in jedem Fall rechtskräftig wird.
Häufigster Fall ist § 495a ZPO (Streitwert 600 € nicht übersteigt).
Sind die Voraussetzungen des § 713 ZPO erfüllt, wird (nur) wie folgt tenoriert:
Urteil
Aufbau des Urteils
Rubrum (§ 313 I Nr. 1 bis 3 ZPO)
a) Bezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen Vertreter und Prozessbevollmächtigten (§ 313 I Nr. 1 ZPO)
b) Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Richter (§ 313 I Nr. 2 ZPO)
c) Tag der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (§ 313 I Nr. 3 ZPO)
Tenor (§ 313 I Nr. 4 ZPO)
Tatbestand (§ 313 I Nr. 5 ZPO)
Entscheidungsgründe (§ 313 I Nr. 6 ZPO)
a) Gesamtergebnis
b) Ggf. Auslegung des Klageantrags und sonstige Vorfragen
c) Zulässigkeit der Klage
d) Begründetheit der Klage
aa) Klageantrag zu 1)
(1) Hauptanspruch
(2) Nebenanspruch
bb) Klageantrag zu 2)
…
e) Prozessuale Nebenentscheidungen
Streitwertfestsetzung
Ggf. Rechtsmittelbelehrung (§ 232 ZPO)
Unterschrift
Rubrum
Tenor
Tatbestand
Entscheidungsgründe
Rechtsmittelbelehrung
Beschluss
Beweismittel: Zeuge
Beweismittel: Sachverständige
Beweismittel: Augenschein
Beweismittel: Urkunde
Beweismittel: Parteivernehmung
Beweismittel: Amtliche Auskünfte
Glaubhaftmachung
Beweiswürdigung
Indizien
Vermutungen und Anscheinsbeweis
Beweislast
Beweisvereitelung
Schadensschätzung nach § 287 ZPO
Aufrechnung des Beklagten im Prozess
Versäumnisurteil und Einspruchsverfahren
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Mahnverfahren und Vollstreckungsbescheid
Verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel
Haupt- und Hilfsvorbringen
Haupt- und Hilfsantrag
Widerklage
Stufenklage
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