Vermittlungsformen/-konzepte
Geschlossene Konzepte:
Planung der Ziele, einzelnen Schritte, Lösungswege werden durch die Lehrenden vorgegeben
Geringe Mitbestimmung der Lernenden
Offene Konzepte:
Beteiligung der Lernenden an Entscheidungen
-> Mitbestimmung in Bezug auf Ziele, Inhalte, Vermittlungsrahmen
Förderung von Selbstständigkeit und Mitgestaltung im Lernprozess
Teiloffene Konzepte:
Mischform zwischen geschlossener und offener Vermittlung
Teilweise Vorgaben durch Lehrkraft, teilweise Wahlmöglichkeiten für Lernende
im Schwimmunterricht
Begründung der methodische Öffnung:
Wasserbewegungsgefühl ist entscheidend für das Lernen im Wasser
Selbstständiges Experimentieren und Erkunden hilft beim Erwerb funktionaler Bewegungsmuster
Durch offene Methoden (z. B. problemorientierte Aufgaben, induktives Lernen) entstehen individuelle, funktionale Lösungen + Optimal-Techniken
Lernende entwickeln eigene, effektive Techniken zur Bewältigung spezifischer Bewegungsprobleme im Wasser
-> Auftrieb sichern, Antrieb erzeugen, hemmenden Wasserwiderstand verringern
Grenzen der Öffnung
Voraussetzung für Öffnung:
Lernende benötigen Auswahl an bekannten Alternativen, um mitbestimmen zu können
Methodische Öffnung erst möglich, wenn diese Alternativen verfügbar und verständlich sind
Begrenzung durch äußere Vorgaben:
Lehrpläne und Studienordnungen schränken Mitbestimmung bei Unterrichtszielen ein
Technikvermittlung im Schwimmen unterliegt:
Wettkampf- und Prüfungsbestimmungen
Strömungs- und biomechanischen Prinzipien
Orthopädischen Voraussetzungen
→ geringe individuelle Spielräume bei Ziel- und Technikgestaltung
Sicherheitsaspekte:
Offene Konzepte müssen sicherheitskritisch reflektiert werden
Vollständige Öffnung (methodisch, organisatorisch, inhaltlich) ist aus Unfallpräventionsgründen meist nicht vertretbar
Praktische Umsetzung:
In der Regel kommen teiloffene Konzepte im Schwimmunterricht und -training zum Einsatz
Methodische Verfahrensweisen
Induktives Verfahren
-> Induktion (lat. „herbeiführen, veranlassen“) → Ziel wird durch selbstständiges Erarbeiten erreicht
-> in der Wissenschaft: Vom Einzelnen zum Allgemeinen schließen
Didaktisches Prinzip:
Lehrkraft initiiert, Lernende erarbeiten Inhalte selbstständig
Lernprozess steht im Mittelpunkt, nicht das reine Ergebnis
Bewegungsaufgaben dienen als Auslöser für Erkenntnisgewinn
Anwendung im Schwimmunterricht:
Wassergewöhnung
Wasserbewältigung
Verbesserung des Wasserbewegungsgefühls
Technikanwendungstraining
-> Lernende erleben aktiv die Besonderheiten des Wassers und entwickeln daraus individuelle Bewegungslösungen
Grenzen der Induktion:
Zu wenig Hilfestellung oder zu viele Freiräume können überfordern
Lernfortschritt kann langsamer sein als beim deduktiven Verfahren (vorgegebene Lösung → Übung)
Deduktives Verfahren
-> Deduktion (lat. „abführen, ableiten“) → Von allgemeinen Regeln zum Einzelfall schließen
Lehrkraft gibt Regeln und Lösungswege vor
Instruktionen und Vorgaben stehen im Mittelpunkt des Lernprozesses
Ziel: schnelle und effiziente Umsetzung der Bewegung in die Praxis (lernökonomisch)
Häufig genutzt im Technikerwerbstraining
z. B. durch methodische Übungsreihen, zur Entwicklung einer klaren Bewegungsvorstellung
Komplexe Bewegungen werden in Teilbewegungen zerlegt
Erleichterungsstrategien werden gezielt eingesetzt (z. B. Hilfsmittel, Vereinfachungen)
Grenzen der Deduktion:
Reduzierte Eigenaktivität und Mitgestaltung der Lernenden
Gefahr: geringeres Verständnis für Bewegungszusammenhänge und Bewegungsprobleme
Weniger Raum für individuelle Lösungswege
Die Mischung entscheidet
Kombination beider Verfahren sinnvoll:
-> Methodenvielfalt gleicht Vor- und Nachteile der einzelnen Ansätze aus
-> Deduktive und induktive Methoden ergänzen sich
Ziel moderner Schwimmtechnik:
-> Wasserbewegungsgefühl fördern
-> Funktionales Bewegungsverständnis entwickeln
-> Fokus auf individuelle, variable Optimaltechnik
Didaktischer Ansatz:
-> Schülerorientiertes und problemlösendes Lernen im Mittelpunkt
-> Einsatz v. a. induktiver Bewegungsaufgaben:
Erkundungsaufgaben
Differenzierungsaufgaben
Präzisierungsaufgaben
Merksatz (Zitat von Konfuzius):
„Sage es mir – ich werde es vergessen!
Erkläre es mir – ich werde mich erinnern!
Lass es mich selber tun – Ich werde es verstehen!“
Methodische Maßnahmen
-> Aktionen des Lehrenden, die den Lernprozess in Gang setzen, den Unterricht steuern, die Aneignung neuer Verhaltensweisen erleichtern, bereits erlernte Bewegungsformen erhalten
methodische Einzelhandlungen:
verbale: Bewegungsanweisung, -erklärung, -korrektur
visuelle: Bewegungsdemonstration, mediale Bewegungsdarstellung
praktische: Bewegungshilfe, personale und materiale Bewegungssicherung
methodische Maßnahmen im Grundkurs Schwimmen:
verschiedene Instruktions- und Feedbackarten
observative und mentale Trainingsmethoden
praktische Bewegungshilfen (z. B. Erleichterungen durch Auftriebshilfen)
oder Erschwerungen
Hilfsmittel
Allgemeine Hinweise zum Einsatz
Einsatz muss zielgerichtet und gut geplant sein
Hilfsmittel dürfen das Lernen nicht ersetzen oder behindern
Auftriebsmittel kritisch betrachten, da sie wichtige Bewegungserfahrungen verhindern können
Übungen mit Hilfsmitteln sollten anschließend ohne diese wiederholt werden
Auftriebsmittel
Schwimmbrett:
-> Nur eingeschränkt bei Einsteigern nutzen (z. B. zum Darüberspringen, Daruntertauchen)
-> Beinantriebsübungen damit sind beliebt, aber mit Nachteilen (Wasserlage, Lerneffekt)
Pull-Buoy:
-> Zwischen Oberschenkeln einklemmen → Anheben der Beine
-> Auch spielerisch einsetzbar
Pull-Kick:
-> Kombination aus Schwimmbrett und Pull-Buoy
-> Doppelfunktion für Arm- und Beinschwimmen
Poolnudel:
-> Vielfältig einsetzbar
-> Für Einsteiger als Ersatz für Schwimmflügel etc.
-> Für Fortgeschrittene in Spielen und Aquafitness
Spezialhilfen
Paddels:
-> Für Overload-Training der Arme
-> Können Technik verfälschen (z. B. Ellenbogenhaltung)
-> Übungen mit Paddels immer durch Technikübung ohne Paddels ergänzen
-> Variante: nur ein Paddel verwenden
Schwimmbrille:
-> Schützt die Augen, verbessert Sicht unter Wasser
-> Nicht zum Tauchen unter 1,80 m Tiefe → Augenschädigungsgefahr
-> Bei Freigewässern: UV-Schutz erforderlich
-> In Kinderschwimmkursen nur bei medizinischer Notwendigkeit empfohlen
Flossen:
-> Für Techniktraining bei Fortgeschrittenen
-> Weiche, kurze Flossenblätter empfohlen
-> Bei Einsteigern für erste Kraulerfahrungen geeignet
Spielgeräte + Alltagsmaterialien
Tauchringe:
-> Nicht nur für Tauchübungen → vielseitig einsetzbar
Reifen:
-> Für Tauch- und Sprungübungen
-> Beschwert als Tunnel, auf Wasser als Ziel
Bälle + Luftballons:
-> Hoher Spielwert, viele Variationen
=> Alltagsgegenstände (z. B. Schwämme, Becher, Eimer): Kreativ verwendbar als Spiel- und Übungsgeräte
Instruktion
Definiton + Funktionen
Definiton:
Instruktionen = Informationen vor der Bewegungsausführung
Ziel: Optimierung des Lernprozesses
Mischform mit Feedback: präskriptives Feedback → gibt konkrete Veränderungsvorgaben für nächste Ausführung
Funktionen
Wissensvermittlung
Vororientierung im Lernprozess
Lenkung der Aufmerksamkeit auf relevante Aspekte
Typische Inhalte
Anweisung, wie die nächste Bewegung zu verändern ist (präskriptives Feedback, Korrekturinformation)
Vermittlung eines (physikalischen) Prinzips, das einer Bewegung zu Grunde liegt
Fokussierung der Aufmerksamkeit (auf lernrelevante Aspekte, auf mögliche
Fehler, auf einen internen bzw. externen Fokus, auf Kontraste etc.)
initiale Bewegungsausführung (Sets zum Krafteinsatz, Betonung der Genauigkeit
bzw. Geschwindigkeit einer Bewegungsausführung etc.)
Vermittlung von grundlegenden Prinzipien
Vermittlung physikalischer und grundlegender Prinzipien
Ziel: Hintergrundwissen zur Bewegungsaufgabe statt exakte Technikvorgabe
Beispiel: Gleitposition – Kenntnisse über Wasserwiderstände helfen bei Bewegungsausführung
-> Bewegungsaufgabe: Stoßt euch möglichst weit vom Beckenrand ab
Lernende lösen Aufgaben auf Basis von Prinzipien (z. B. Form- und Wellenwiderstand)
Aufmerksamkeitsfokus
-> Ziel: Lernrelevante Aspekte hervorheben, Konzentration gezielt steuern
Interner Aufmerksamkeitsfokus (bewegungsorientiert)
Externer Aufmerksamkeitsfokus (effektorientiert)
Konzentration auf die Bewegung selbst + Ausführung
Beispiele:
-> Technikmerkmal: Auswärtsdrehen der Füße beim Brustbeinschlag
-> abstratkt-analytische Instruktion: Biomechanische Anweisung: z. B. 90°-Winkel beim Rückenschwimmen
->metaphorisch (bildhafte) Instruktionen als Aktionsmetapher: z. B. „Male ein Herz und schieße einen Pfeil hindurch“ beim Brustarmzug
Konzentration auf Auswirkungen der Bewegung
-> „So wenig wie möglich spritzen beim Kraulbeinschlag“
-> metaphorisch (bildhafte) Instruktionen als Kontroll-/Zielmetapher: „Kling wie ein lauter Schiffsmotor“ beim Kraulbeinschlag
-> Metaphorisch-episodenhafte Instruktion: Bildhafte Geschichten zur Verdeutlichung des Bewegungsziels: Rückenstart – „Über den Graben mit dem Krokodil springen“ → Hüfte hochdrücken zur bogenförmigen Flugphase
Initiale Orientierung
-> Initiale Orientierung = Art der Bewegungsauführung ≠ Vorgabe eines Sollwerts (z.B. Zieltechnik)
Instruktionen beziehen sich auf folgende Aspekte:
Geschwindigkeit (z. B. optimale Frequenz)
Genauigkeit (z. B. möglichst exaktes Verfolgen der Bewegungs-Raumbahn)
Rhythmus (z. B. Abstimmung der Arm-, Beinbewegungen und Gleitphasen)
Krafteinsatz (z. B. akzentuierter Abwärtsschlag beim Delfinschwimmen)
Sollwert- und istwert Information
Sollwerinformationen:
Wiederholte Sollwertangaben festigen mentale Repräsentationen -> Referenzwertfunktion für die Bewegung
Besonders wichtig im Anfängerbereich → helfen beim Aufbau einer Bewegungsvorstellung
Istwertinformationen:
Werden im fortgeschrittenen Lernprozess zunehmend wichtiger
Dienen der Feinabstimmung und individuellen Optimierung der Technik
-> Kombination beider Informationsarten erzielt die besten Ergebnisse
Präskriptives Feedback:
Anweisung für nächste Bewegungsausführungm statt Fehlerbeschreibung
Gehört zur Kategorie der Sollwertinformationen
Feedback
Qualitatives vs. quantitatives Feedback
-> vergleichende Rückmeldung von Sollwert- zu Istwertfunktionen, die von Trainern/Lehrpersonen formuliert wird
Qualitatives Feedback
Quantitatives Feedback
-> untercheidet lediglich zwische richtig und falsch
-> begründet die Aussagen mit bestimmten Werten (z. B. Zugweg zu kurz, Frequenz zu hoch)
-> im Anfängerbereich die gleiche Lernerfolge
-> je geringer die Abweichungen von der angestrebten Norm werden, desto mehr Bedeutung wird dem quantitativen Feedback zugeschrieben
Häufigkeit
Rückmeldung nach jedem Versuch ist nicht notwendig ≠ “viel hilft viel”
Optimale Lernleistung bei ca. 30 % Feedbackfrequenz (≈ jede dritte Ausführung)
Empfehlung für den Schwimmunterricht:
Nur nach jeder dritten azyklischen Bewegungsausführung (z. B. Start, Wende, Anschlag)
Nur nach jeder dritten zyklischen Strecke (z. B. 25 m Schwimmen in einer Technik oder Übung)
→ Gezielte, dosierte Korrekturen statt permanente Rückmeldung
Zeitliche Platzierung
Simultan (während der Bewegung)
Terminal (nach der Bewegung)
Nur möglich, wenn Informationen sofort verfügbar sind
Herzfrequenzmesser
Selbstbeobachtung über Spiegel (selten möglich)
Schatten auf Beckenboden (z. B. in Edelstahlbecken im Freibad)
Zurufe oder Zeichen während Atemphasen durch Trainer*innen
Wichtig: zeitlicher Abstand zwischen Bewegungsende und Feedback
Lernende sollen eigenes Bewegungsempfinden erst verarbeiten können
Mindestpause von 5 Sekunden vor Feedbackgabe empfohlen
Danach erneute Bewegungsausführung zur Umsetzung der Rückmeldung
Regeln -> 3 Schritte der Rückmeldung
3 Schritte der Rückmeldung:
Beobachten und Wahrnehmen:
Außensicht (Fremdbeobachtung): Vergleich mit funktionsgerechter Ausführung
Innensicht (Selbstbeobachtung): subjektive Wahrnehmung der Schwimmer*innen
Wichtig: Abgleich von Außen- und Innensicht
Beobachtungsfehler: durch Vorurteile, zu hohe Erwartungen, vorschnelle Urteile
Auswerten und Beurteilen:
Keine reine Orientierung an Techniknormen
Analyse, ob und warum eine Bewegung ihre Funktion nicht erfüllt
Rückmeldung muss verständlich für die Adressat*innen sein
Beraten und Unterstützen:
Sachebene: Wurde die Bewegungsaufgabe richtig verstanden?
Sozialebene: Sind Inhalte angekommen? Wurden positive Verstärkungen gegeben?
Personebene: Erwartungen realistisch? Anforderungen angepasst?
Systemebene: Funktioniert die Struktur und Organisation des Unterrichts/Trainings? Funktionieren die Abstimmunen der Anforderungen?
Regeln -> Qualitäts- und Quantitätskriterien
zuerst positive, dann negative Hinweise geben, um Motivation und Interesse zu steigern
verständliche, nachvollziehbare und konstruktive Verbesserungsvorschläge formulieren, um das Selbstwertgefühl nicht zu verletzen
Wahrnehmungen als Wahrnehmungen, Vermutungen als Vermutungen und Gefühle als Gefühle mitteilen
Hilfen anbieten, die eine Änderung des Bewegungsverhaltens unterstützen
in Übungssituationen hinreichend Zeit einräumen
Zeitpunkt der Rückmeldung an Aufgabenstellung, Trainingsstand, individuelle
Gegebenheiten anpassen
Informationsmenge (max. 1-2 Informationen pro Rückmeldung) reduzieren, um
Überforderung zu vermeiden
Präzision der Information an Aufgabenstellung, Entwicklungsstand und zeitliche
Faktoren anpassen
Häufigkeit an Rückmeldungen im Laufe des Lernprozesses reduzieren, um
Eigenbewegungswahrnehmung nicht zu behindern
-> professionelles Handeln: Einbezug der Innensicht der Athletinnen und Athleten, selbstkritische Einschätzung des eigenen Tuns und die kommunikative Fähigkeit, situationsangemessen und individuell zu handeln
Zuletzt geändertvor 8 Tagen