wieso Forschung dazu?
Positivitätsbias in der Forschung zu Humor, wenig zu negativen Konsequenzen von Humor; Gibt es auch Menschen, die Lachen nicht als angenehm empfinden oder es anders interpretieren, z.B. als Auslachen?
92% der Teilnehmen einer Studie können sich daran erinnern, im letzten Jahr einmal ausgelacht worden zu sein
Was ist Gelotophobie?
Gelotophobie = die Angst davor, ausgelacht zu werden (griech.: gelos = Lachen, phobia = Angst) und vor Sozialpartnern als lächerlich zu gelten
ursprünglich im klinischen Kontext untersucht
Gelotophoben sind davon überzeugt, dass etwas mit ihnen nicht stimmt und dass es anderen Spass macht, sie auszulachen. Für sie ist Lachen eine Waffe/etwas Bedrohliches; Lachen wird genutzt, um sie „runter zu machen“; Lachen = Auslachen
Kernmerkmal: Lachen wird nicht als positives Signal, sondern als Auslachen interpretiert -> wie (übertrieben gesagt) paranoide Sensibilität, lachen immer auf sich beziehen
Ausweitung: Ruch und Proyer (2008) wiesen Gelotophobie als interindividual differences variable nach
Gelotophobie wird als eine Dimension gesehen, die von keiner Angst, bis zu sehr starker Angst davor, ausgelacht zu werden, reicht.
Es wird angenommen, dass jedes Individuum eine bestimmte Ausprägung auf der Dimension hat
Mögliche Ursachen und Konsequenzen von Gelotophobie
internale Faktoren: negative Erfahrungen in Kindheit mit Ausgelachtwerden
external: z.B. Eltern sind gelotophob
Konsequenzen:
Humor wird nicht als entspannend und mit Freude wahrgenommen
sozialer Rückzug, Auslachen vermeiden, humorlos erscheinen, geringe Sozialkompetenzen
je klarer ist, wieso gelacht wird, desto wohler fühlen sich Gelotophoben
Pinocchio-Syndrom: in Lach-Situation wird Person ganz steif (im klinischen Kontext damals beobachtet)
Humorpräferenz von Gelotophoben: mögen Inkongruenz-Lösungs-Witze, lehnen Nonsens-Witze stark ab, brauchen Klarheit
Studie zu Anhören von Lachen
nicht gelotophobische Person: Anstieg von PA, Reduktion von NA; können Art des Lachens richtig einschätzen (z.B. herzhaftes oder zynisches Lachen)
gelotophobe Person: Reduktion von PA, Anstieg von NA; können Arten des Lachens schwer unterscheiden
Messung von Gelotophobie
GELOPH, 15 Items, 4-stufige Antwort, gute psychometrische Eigenschaften
Beispiel: „Wenn in meiner Gegenwart gelacht wird, werde ich misstrauisch.“
Korrelation mit Persönlichkeitseigenschaften: PEN-Modell
Gelotophoben = introvertiert, emotional-instabil/ neurotizistisch
Psychotizismus: hartherzig, kalt erscheinend, sozial auffällig -> ältere Skalen von P korrelieren mit Gelotophobie -> mehr klinisch (misstrauisch sein, Idee dass andere böses wollen) -> neue Skala korreliert nicht mit G
Gelotophobie kann nicht nur von PEN hervorgesagt werden, da stecken auch noch andere Sachen drin (Regression)
Studie Emotionserleben bei Gelotophobie
Studie: Einschätzung des Verhaltens in zwei Arten von Situationen (N = 105)
Situationen, in denen man unter Kollegen miteinander freundschaftlich scherzt (teasing)
S2: Situationen, in denen man aus Boshaftigkeit heraus ausgelacht wird (z.B. Mobbing) (ridicule)
Forschungsfragen
Gibt es Unterschiede hinsichtlich wahrgenommener Emotionen in den beiden Situationen in Abhängigkeit der Ausprägung der Angst vor dem Ausgelachtwerden
Einschätzung basaler Emotionen
Ergebnisse
Nicht-Gelatophoben: teasing führt zu Freude, ridicule führt zu keiner Freude aber Ärger, Ekel, Scham, Traurigkeit
Gelotophoben: kaum Unterschied zwischen teasing und ridicule, bei beiden kaum Freude, viel Scham, Furcht, Ekel; nur Ärger und Traurigkeit bei teasing bissl wengier
zeigt: keine Unterscheidung zwischen den Situationen bei Gelatophoben; es geht nicht um soziale Unsicherheit sondern es geht spezifisch um das Lachen
Kulturvergleich
höchster Prozentsatz von Gelotophoben: Turkmenistan, Malaysia, Gabun; niedrigste: Dänemark, Norwegen, Argentien
Im Allgemeinen sind die Werte in Asien, Afrika, sowie Staaten im Mittleren Osten höher -> höhere Werte in kollektivistischen Kulturen, in religiösen und in kommunistischen Kulturen
hier sind wahrscheinlich noch kulturspezifische Dinge drin, die nicht erfasst sind
Ursachen
Gelotophoben wurden nicht häufiger ausgelacht, sondern empfanden die Erlebnisse intensiver (retrospektive Befragungen)
Mobbingerfahrungen
Es gibt noch keine Längsschnittstudien (Ursachen und Konsequenzen, genetische und Umweltfaktoren, Entwicklungsverläufe können noch nicht identifiziert werden)
Konsequenzen
Gelotophoben missinterpretieren Lachen (auditorisch präsentiert) und Situationen, in denen Lachen vorkommt
Gelotophoben attribuieren Lachenden negative Stimmungen und bösartige Absichten zu
Lachen zu hören hebt die Stimmung nicht
Missinterpretation von (freundlichem) Necken und Spotten (unter Freunden)
Gelotophoben sind nicht humorlos:
Vergleichbare Humorproduktionsfähigkeiten (produzieren von Pointen in Cartoons) wie Personen ohne Gelotophobie
In Selbsteinschätzungen geben sie aber an, weniger Humor zu besitzen
Vor allem Befunde zu tiefen Ausprägungen in Freude (studienübergreifend repliziert)
Hohe Scham, hohe Angst und wenig Freude
In einer typischen Woche geben Gelotophobie an, häufiger und intensiver Angst und Scham zu empfinden, als auch weniger und weniger intensive Freude (auch kürzere Dauer)
Höhere Werte in Trait Bad Mood und Seriousness, tiefere Werte in Trait Cheerfulness
Studie zu Ausprägung in Freude bei anderen Facetten
Erfassung von 16 Facetten freudvoller Emotionen nach Ekman (2003) in einer Interview-Situation
Zu jeder Facette wurden Szenarien vorgelesen, in die sich die Personen hineinversetzen sollten
Hypothese: Personen mit hohen Ausprägungen in Gelotophobie reagieren weniger freudvoll auf Facetten, die mit Lachen einhergehen (z.B. Schadenfreude, Amusement)
Erfassung von Freude objektiv (mimische Marker) -> Facial Action Coding System (44 Actions Units, Ausdrucksarten im Gesicht -> AU6 und AU12 = Freude = Duchenne Lächeln (Non-Duchenne = Lächeln ohne Augen))
Ergebnisse: Gelotophoben zeigen deutlich geringere Intensität in allen freudvollen Emotionen
Freude daran, ausgelacht zu werden
(„Gelotophilie“)
Situationen in denen man ausgelacht werden kann, werden genossen und gezielt aufgesucht bzw. hergestellt
Geben gerne Missgeschicke und Pannen zu (und schmücken diese noch aus), wenn sie damit andere zum Lachen bringen können
Freude daran, andere auszulachen
(„Katagelastizismus“; katagelao = gr. auslachen)
Situationen in denen man über andere lachen kann (öffentlich) werden genossen und gezielt aufgesucht bzw. hergestellt
Chancen, andere zu blamieren, werden (ohne „Rücksicht auf Verluste“) genutzt; fühlen sich nicht schlecht dabei, über andere zu lachen („gehört eben dazu“)
psychotizistisch, kaltherzig, überschreiten manchmal Grenzen
Messung
PhoPhiKat-45
45 Items, 3-faktorielle Struktur, in verschiedenen Sprachen
Erweiterung von GELOPH
Gelotophobie und Katagelastizismus sind unkorreliert
Gelotophobie korreliert negativ mit Gelotophilie (-.43/-.33, p < .01)
Gelotophilie korreliert positiv mit Katagelastizismus (.37/.50, p < .01)
PhoPhiKat und Charakterstärken
Gelotophobie: negative Beziehungen mit Stärken, unterschätzen sich
Gelotophilie: positive Beziehungen mit Stärken, überschätzen sich
Katagelastizismus: unkorreliert bzw. negative Beziehungen -> realistische Einschätzung beim Vergleich von Selbst- und Fremdeinschätzungen
Auswirkungen im Alltag: Mobbing
Bullies = Katagelastizisten
Opfer = Gelotophob
Helfer Bully/Opfer = Gelotophil
bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen
—> Argumente für stärkere Berücksichtigung von Lachen/ Auslachen im schulischen Alltag (Intervention)
—> Frage, ob Gelotophoben Verhalten anderer fälschlich als Mobbingverhalten interpretieren
—> Unterscheidung real and pure gelotophob (real = man wird wirklich ausgelacht, pure = eigentlich nicht ausgelacht)
Forschungsansätze
Mimisches Ausdrucksverhalten (FACS)
experimentell: akustisch Lachen darbieten
psychometrisch: PhoPhiKat, Selbst und Fremdwahrnehmung übereinstimmen
Häufungen in Familien
teilstrukturiertes Interview
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