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Einleitung

AG
von Adele G.

Einleitung

🗿 Anfänge der Schrift in Mesopotamien

🏛 Ursprung: Uruk (ca. 3100 v. Chr.)

  • Ort: Sumerische Stadt Uruk am Euphrat

  • Funde: Hunderte Tontafeln mit abstrakten Zeichen

💡 Vorläufer der Schrift: Zählsteine (Tokens)

  • Bereits ab ca. 8000 v. Chr. verwendet

  • Material: Kieselsteine → später Ton

  • Formen: Zylinder, Kegel, Scheiben

  • Zweck: Mengen landwirtschaftlicher Waren zählen

„Funde solcher Zählsteine sind über den gesamten vorderen Orient verteilt und datieren bis 8000 v. Chr. zurück.“

📦 Tonbälle als "Frachtbriefe" (ca. 3300 v. Chr.)

  • Tokens in Tonbällen eingeschlossen

  • Außen eingedrückte Zeichen zeigten Inhalt an

🧱 Abstrakte Zeichen auf Tontafeln

  • Außen eingedrückte Zeichen ersetzten die inneren Tokens (diese waren damit nicht mehr nötig)

  • Zeichen zeigten:

    • Art der Ware (z. B. Schaf)

    • Menge (z. B. 10 Schafe)

🖼 Übergang zu Piktogrammen

  • spätere Tafeln: Bildzeichen (Piktogramme)

  • Vorteil: Auch für neue Dinge nutzbar für die es keine Tokens gab (z. B. Karren, Hammer)

„Die mit einem Stylus in den feuchten Ton eingedrückten Piktogramme machten es möglich, über Waren buchzuführen, für die es keine Zählsteine gab.“

🔤 Entwicklung der Schrift

  • Lineare Kombination von Piktogrammen: Darstellung von ganzen Reden

  • Phonetisierung: Zeichen repräsentiert zusätzlich Laute

    • Beispiel: Zeichen für „Öl“ → Laut „i“

  • so entstand Sumerische Keilschrift

„Der entscheidende Schritt ist die lineare Kombination solcher Piktogramme, um die Wörter einer Rede zu repräsentieren.“

✍️ Sumerische Keilschrift

  • Mischung aus Zeichen für Wörter & Silben

  • ca. 600 Zeichen

  • Grundlage für spätere Schriftsysteme (abgesehen von den Systemen der Maya, Azteken und anderer indigenen Völker Amerikas

Zusammenfassung: Entwicklung in Schritten

1️⃣ Zählsteine (Tokens) → 2️⃣ Tonbälle mit Tokens → 3️⃣ Abstrakte Eindrücke auf Tafeln → 4️⃣ Piktogramme → 5️⃣ Kombination zu Sätzen → 6️⃣ Phonetische Zeichen → 7️⃣ Keilschrift

🌍 Die Entwicklung der Schrift & des Alphabets

Ursprung: Sumerische Schrift

  • Fast alle Schriften (außer z. B. Maya, Azteken) gehen auf die sumerische Erfindung zurück.

  • Die Idee der Schrift verbreitete sich über Handelswege bis nach Zentralasien.

„Abgesehen von den mittelamerikanischen Schriftsystemen […] gehen vermutlich alle Schriftsysteme […] auf die sumerische Erfindung zurück.“

🪧 Drei große Entwicklungsschritte bis zum Alphabet

🟢 1️⃣ Sumerische Entdeckung des phonetisches Prinzip (Sumerer)

  • Zeichen werden linear angeordnet, um den zeitlichen Ablauf von Sprache abzubilden.

„Der erste ist die […] Entdeckung des phonetischen Prinzips, also die lineare Anordnung der Schriftzeichen zur Repräsentation des zeitlich-linearen Fortlaufs sprachlicher Äußerungen.“

🟠 2️⃣ Vollständige phonetische Schrift (um 1800 v. Chr.)

  • Zeichen stehen nur für Laute, nicht für Bedeutungen.

  • Beispiele: west-semitische Silbenschriften (Hebräisch, Aramäisch, Phönizisch)

  • Wenige Zeichen (22–30)

„Der zweite ist die Entdeckung der vollständig phonetischen Schrift, deren Zeichen selbst nichts weiter bedeuten als lautliche Werte.“

🔵 3️⃣ Alphabetische Schrift (ca. 800 v. Chr.)

  • Griechisches Alphabet: 24 Buchstaben → Konsonanten & Vokale

  • Grundlage für alle heutigen Alphabete

  • „Atomistische Analyse“: Zerlegung in kleinste Laute

„Der dritte Schritt ist […] die vollständige, quasi atomistische Analyse der Laute […], die Grundlage für das […] griechische Alphabet ist.“

🗺 Typologie der Schriftsysteme

wurden genutzt um die Entiwcklung darzustellen

💬 Früher (veraltet):

  • Piktogramm (Bild für Gegenstand)

  • Ideogramm (z. B. chinesische Zeichen)

  • Phonogramm (Lautzeichen)

„Die dreigliedrige Systematik […] gilt als überholt.“

🆕 Heute:

  • Semasiographie: Zeichen ohne direkten Bezug zu Sprache (z. B. Mathe, Musik, Icons)

  • Lexigraphie: Zeichen bilden Sprache linear ab

„Semasiographie […] sehr alte Technik, wesentlich älter als 5100 Jahre.“

🔎 Unterscheidung innerhalb der Lexigraphie

🟩 Logographische Schriften

  • Zeichen für Wörter/Bedeutungseinheiten (z. B. Chinesisch)

  • Vorteil: Lesbar trotz Dialekte

  • Kein Antrieb zur Vereinheitlichung der Sprache

„Eine Kraft zur Formierung einer Standard- oder Nationalsprache geht von einem logographischen Schriftsystem nicht aus.“

🟦 Phonographische Schriften

  • Zeichen für Laute

  • Zwei Formen:

    • Silbenschrift: codiert Silben (z. B. Japanisch)

    • Alphabet: codiert kleinste Laute (Konsonanten & Vokale)

„Phonographische Schriften hingegen kodieren lautliche Einheiten.“

📣 Besonderheit des Alphabets

  • Erfindung: ca. 800 v. Chr., Griechenland

  • Kodiert jede Sprache

  • „Auge für ein Ohr“ (McLuhan) & Schrift löst Bindung an mündliche Tradition

„Es führt zu einer ‚Intensivierung und Ausweitung der Funktion des Visuellen‘.“ (McLuhan)

  • Trägt zur sprachlichen Vereinheitlichung bei → wichtig für Nationenbildung

  • Gleichzeitig kann es regionale Dialekte bewahren

„Das Alphabet […] legt in der Neuzeit durch den Buchdruck eine Kraft zur sprachlichen Vereinheitlichung bei.“

Zusammenfassung der Schritte

1️⃣ Sumerisches phonetisches Prinzip 2️⃣ West-semitische phonetische Schriften (Silben) 3️⃣ Griechisches Alphabet → moderne Alphabete

✍️ Kritik & Bedeutung der Schrift bei Platon, Ong, Goody & Kittler

🏺 Platon (ca. 428–348 v. Chr.): skeptisch gegenüber der Schrift

  • Sie schwächt das Gedächtnis:

    „Die Schrift sei ein Mittel nicht ‚für die Erinnerung, sondern nur für das Erinnern‘.“

  • Kritik im Phaidros: ➡️ Schrift als Medium, das ein geistiges Vermögen (Gedächtnis) nicht mehr trainiert

  • Paradoxon: ➡️ Seine Kritik wird selbst schriftlich überliefert und hängt am visuellen Denken (z. B. Ideenlehre)

„Die Pointe dabei ist, dass Platons Kritik selbst ganz im Zeichen des von ihm verdammten neuen Mediums steht.“

📚 Walter Ong (1912–2003): Schüler von McLuhan

  • Zeigt, wie Schrift das Denken & soziale Strukturen verändert

  • Vergleich von Kulturen mit und ohne Schrift

🌳 Jack Goody (1919–2015): oralen Kulturen

  • In mündlichen Kulturen wird nichts aufgeschrieben

  • Geschichten sind flexibel & anpassbar ➡️ Erzählen sich so, dass sie immer zu aktuellen Verhältnissen passen

  • Nennt das:

    „Tendenz zur Homöostase“ (Selbsterhaltung durch Anpassung)

🎼 Friedrich Kittler (1943–2011): Medienwissenschaftler

  • Wollte eine große Mediengeschichte schreiben („Musik und Mathematik“) ➡️ Nur die Griechenland-Bände fertiggestellt

  • Lob der griechischen Alphabet-Erfindung ➡️ Motivation:

    „Die Griechen benötigen um 800 v. Chr. ein Mittel zur Aufzeichnung von Gesängen, zur Aufzeichnung der Ilias und Odyssee.“

  • Gegenüberstellung:

    • Griechen: Schrift für Gesang & Dichtung

    • Israeliten: Schrift für das Gesetz

    • Sumerer & Ägypter: Schrift für Verwaltung & Administration

    • Römer: Nur Gesetzestexte („Zwölftafelgesetz“)

„Über die Römer hat Kittler oft gespottet, weil sie mit dem aus Griechenland importierten Alphabet nichts weiter anzufangen wussten, als ihre Gesetze aufzuschreiben.“

Wichtige Punkte zusammengefasst

💡 Platon:

  • Schrift = Gedächtnisverlust → Kritik

💡 Ong & Goody:

  • Schrift verändert Denken & Erinnerung

  • Mündliche Kulturen = flexibel, anpassbar (Homöostase)

💡 Kittler:

  • Griechen: Schrift für Dichtung & Musik

  • Römer: Schrift nur für Gesetze

🌀 Jacques Derrida & der erweiterte Schriftbegriff

✍️ Jacques Derrida (1930–2004)

  • Vertreter: Poststrukturalismus

  • Begründer: Dekonstruktion

  • Wichtiges Werk: Grammatologie ➡️ Anspruch: Allgemeine Wissenschaft der Schrift

🔎 Kritik am traditionellen Schriftverständnis

  • Ab griechischer Philosophie: ➡️ Schrift = Vermittlung zweiter Ordnung

    • Sprache vermittelt Gedanken

    • Schrift vermittelt Sprache → „doppelte Vermittlung“

  • Folge: Schrift wird abgewertet ➡️ „tot“, „leblos“

„Als Folge dieses Denkens sei die Schrift abgewertet und mit Attributen wie ‚tot‘ oder ‚leblos‘ belegt worden.“

📢 „Phonozentrismus“

  • Westliches Denken bevorzugt gesprochene Sprache (Phoné)

  • Schrift gilt nur als sekundär

„Derrida deckt den Zusammenhang dieses Denkens mit dem vollständig phonetisierten Alphabet auf und konstatiert einen […] ‚Phonozentrismus‘.“

🌐 Erweiterter Schriftbegriff

  • Schrift ist mehr als Sprache

  • In vielen anderen Bereichen präsent:

    • „Kinematographie“ (Film)

    • „Choreographie“ (Tanz)

    • „Pro-Gramm“ (Computer)

„In den Ausdrücken […] stecke bereits dem Namen nach das griechische ‚graphé‘ bzw. ‚gramma‘.“

✏️ „Ein-Schreibung“

  • Schrift = Einschreibung von Inhalten oder Strukturen

  • Gilt über den klassischen Schriftbegriff hinaus

  • Beispiel: Computer, Technik

⚙️ Kittlers Beispiele für Einschreibung

  • Militärisch-industrieller Einfluss in Medien

  • Alan Turing: Computer für militärische Dechiffrierung entwickelt

  • Intel-Chips: Sicherheitsarchitektur → Zugang nur für „Superuser“

  • Spiegelt politische & bürokratische Prinzipien wider

„In die Silizium-Chips […] habe ebenfalls eine Einschreibung des Politischen stattgefunden.“

🎼 Parallele zur Musik

  • Kittler beschreibt hoffnungsvolle Urszene: ➡️ Musik wird ins griechische Alphabet eingeschrieben

  • Frage: Sind solche positiven Urszenen genauso glaubwürdig wie die skeptischen?

Zentrale Punkte zusammengefasst

💡 Derrida:

  • Schrift ist mehr als nur Sprache

  • „Phonozentrismus“ kritisiert

  • Begriff „Ein-Schreibung“: Alles ist Einschreibung (nicht nur Buchstaben!)

💡 Kittler:

  • Technik = Einschreibung von Macht & Politik

  • Beispiel Computer: Kontrolle durch Sicherheitskonzepte

  • Musik & Alphabet als hoffnungsvoller Kontrapunkt

🟢 Zusammenfassung der Perspektiven

Denker

Zentrale Sicht auf Schrift

Funktion der Schrift

Platon

Skepsis, schwächt Gedächtnis

Erinnerungshilfe statt echtes Gedächtnis

Ong & Goody

Schrift verändert Denken & Gesellschaft

Fixierung, Stabilisierung von Wissen

Kittler

Dichtung & Gesang stehen im Mittelpunkt

Kunst & Kultur statt nur Verwaltung

Derrida

Mehr als Sprache, umfassend

Author

Adele G.

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