Gesundheit und Krankheit
Krankheit ist eine Störung in der Funktion eines Organs, der Psyche oder des Gesamtorganismus. Die meisten Definitionen einer psychischen Störung beinhalten eines oder mehrere der folgenden Merkmale: Devianz, subjektiver Leidensdruck, Beeinträchtigung (z. B. in der Alltagsbewältigung oder der Liebes- und Arbeitsfähigkeit) und Gefährdung (Selbst- und/oder Fremdgefährdung).
Im Gegensatz zu Krankheit fällt Gesundheit nicht auf, sondern wird als psychische und somatische Grundlage menschlichen Erlebens und Verhaltens vorausgesetzt. Dies stellt vor definitorische Probleme. Nach der immer wieder zitierten Definition aus der Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation ist Gesundheit „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“.
Krankheitsverhalten
Krankheitsverhalten umfasst z. B. Symptomwahrnehmung, Selbstmedikation, Selbsthilfe, und die Inanspruchnahme des Laien- und des professionellen Versorgungssystems (Inanspruchnahmeverhalten). Von abnormem Krankheitsverhalten spricht man, wenn das subjektive Verhalten des Erkrankten in keinem angemessenen Verhältnis zu den objektiven Erkrankungsbefunden steht.
Subjektive Krankheitstheorien
Subjektive Krankheitstheorien beinhalten alle – oft nicht mit objektiven Befunden übereinstimmenden – persönlichen Ansichten des Patienten über Diagnose, Ätiologie, Verlauf und Therapiemöglichkeiten seiner Erkrankung. Subjektive Krankheitstheorien können z. B. über den Patiententheorienfragebogen (PATEF) erfasst werden.
Compliance
Compliance (oder auch: Adhärenz) bezeichnet die Befolgung ärztlicher Anordnungen durch die Patientin. Patienten, die nicht tun, was ihnen ihre Ärztin rät, sind noncompliant. Patientinnen, die so tun, als ob sie das tun, was ihr Arzt ihnen rät, in Wirklichkeit jedoch etwas anderes tun, sind pseudocompliant.
Krankheitseinsicht
Krankheitseinsicht: Bereitschaft des Patienten, die eigenen Beschwerden als Bestandteil einer (psychischen) Störung mit Krankheitswert zu verstehen. Zu unterscheiden davon ist die nicht notwendigerweise mit vorhandener Krankheitseinsicht gegebene Behandlungsbereitschaft.
Simulation
Simulation bezeichnet das absichtliche Hervorrufen oder die Vortäuschung von Symptomen in Belastungssituationen oder aus äußeren Gründen. Aggravation nennt man die übertriebene Darstellung des Schweregrades von tatsächlich vorhandenen Krankheitssymptomen. Das Verbergen oder Herunterspielen von vorhandenen Symptomen mit dem Ziel, trotz Vorliegens einer Erkrankung für gesund befunden zu werden, heißt Dissimulation.
Transaktionale Stressmodell von Lazarus
Stress und Coping: Das Transaktionale Stressmodell von Lazarus (Lazarus und Folkman, 1984) begreift Stress als eine Wechselwirkung zwischen den Anforderungen einer Situation und den Charakteristika der in dieser Situation handelnden Person. Der Clou des Modells liegt darin, die Stressreaktion nicht ausschließlich oder primär in den Charakteristika äußerer Reize begründet zu sehen, sondern vielmehr die subjektive Verarbeitung durch die Person als ausschlaggebende Determinante herauszuarbeiten: Zwischen Stressor und Stressreaktion ist eine subjektive Bewertungskomponente zwischengeschaltet, hinsichtlich welcher drei Stufen unterschieden werden können.
Primary Appraisal (Lazarus)
Primäre Bewertung (Primary Appraisal): Einschätzung der Situation des ihr innewohnenden Stresspotenzials:
- nicht stressend: Erleben der Situation als positiv oder irrelevant
- potenziell stresserzeugend: Einschätzung der Situation als Herausforderung (challenge), Bedrohung (threat) oder als bereits eingetretene Schädigung (harm/loss)
Secondary Appraisal (Lazarus)
Sekundäre Bewertung (Secondary Appraisal): Einschätzung der Bewältigbarkeit der Situation mit den persönlichen Ressourcen. Erst wenn diese als nicht ausreichend bewertet werden, kommt es zur Stressreaktion. In der Folge werden situations- und personabhängige Stressbewältigungsstrategien im Umgang mit der belastenden Situation entworfen (Coping), bei denen wiederum zwei Formen unterschieden werden können:
Problemorientiertes Coping: Durch aktives Handeln wird versucht, sich der Situation anzupassen oder diese umzugestalten (ich erlebe die Abschlussklausur als potenziell bedrohlich, bin mir hinsichtlich meiner Ressourcen unsicher und entscheide mich deshalb zu systematischem Wissenserwerb mit diesem Buch).
Emotionsorientiertes Coping: Durch vorwiegend intrapsychische ablaufende Prozesse wird versucht, den Bezug zur Situation zu ändern und die durch die Stresssituation entstandene emotionale Erregung zu lindern (ich klage über die Ungerechtigkeit und Praxisferne der Klausur, anstatt zu lernen).
Reappraisal (Lazarus)
Neubewertung (Reappraisal): Bewertung des Erfolges der Bewältigungsstrategien. Lazarus versteht „reappraisal“ dabei auch als eine eigenständige Copingstrategie (bewertungsorientiertes Coping), deren Ziel es ist, die Repräsentation des Problems zu ändern (ich denke, die Abschlussklausur ist für mich weder eine bereits verlorene Schlacht, noch eine ernsthafte Bedrohung, sondern vielmehr eine interessante Herausforderung).
Entstehung und Verlauf psychischer Störungen
Entstehung und Verlauf psychischer Störungen: Den Organismus schädigende Einflüsse können in allen ontogenetischen Entwicklungsphasen auftreten:
1. pränatale Phase (pränatale Noxen sind z. B. genetische Schädigungen, Infektionen während der Schwangerschaft, wie Toxoplasmose, bestimmte Medikamente, Drogen),
2. perinatale Phase (perinatale Noxen sind z. B. Nabelschnurumwicklung, Sauerstoffmangel während der Geburt),
3. postnatale Phase (postnatale Noxen können alle medizinischen, sozioökonomischen und psychologischen Faktoren sein).
Krankheitsphasen (5)
Mit Blick auf das Auftreten von Erkrankungen lassen sich unabhängig von der zeitlichen Verortung noxischer Einflüsse fünf Krankheitsphasen im engeren Sinne unterscheiden:
Prodromalphase: Vorläuferstadium der ausgeprägten Erkrankung (z. B. bei Schizophrenie).
Erkrankungsphase: Innerhalb dieser lassen sich Phasen im engeren Sinne (Abschnitte einer stetigen Entwicklung, z. B. manisch-depressive oder schizoaffektive Störungen) von Schüben (akute, zu dauerhafter Veränderung führende Prozesse, z. B. bei multipler Sklerose) und Episoden (bei einer völlig rückbildungsfähigen Erkrankung, z. B. depressive Episode) abgrenzen.
Remission: vorübergehendes Nachlassen von Krankheitssymptomen ohne vollkommene Genesung.
Rezidiv: Rückfall.
Chronifizierung: lang anhaltende oder häufig wiederkehrende Symptome. Wichtige Chronifizierungsfaktoren sind biologische Faktoren (z. B. Fehlhaltungen bei chronischen Schmerzen), psychologische Faktoren (z. B. Vermeidungsverhalten bei Angststörungen) und soziale Faktoren (niedriger sozialer Status, sekundärer Krankheitsgewinn).
Ätiologiemodelle: Risikofaktorenmodell
Das medizinische Risikofaktorenkonzept expliziert Charakteristika von Personen oder Bevölkerungsgruppen, deren Vorhandensein die Wahrscheinlichkeit, dass diese in einem definierten Zeitraum an einer bestimmten Störung erkranken, signifikant erhöht. Ausschlaggebende Risikofaktoren für die wichtigsten Zivilisationskrankheiten (wie Karies, Diabetes Typ II oder koronare Herzerkrankung) sind z. B. Alkoholkonsum, Rauchen, erhöhte Blutfett- und Blutzuckerwerte, Übergewicht und reduzierte Stressbewältigung. Das Risikofaktorenmodell folgt lediglich einer korrelativen Logik, sodass es keine Kausalaussagen ermöglicht und die gefundenen Zusammenhänge auch auf vorhandene Moderatorvariablen (z. B. sozioökonomischer Status) zurückgehen können.
Ätiologiemodelle: Psychosomatische Stressmodelle
Psychosomatische Stressmodelle postulieren einen Zusammenhang zwischen emotionalen Prozessen und Erkrankungen mit und ohne Organbefund. Klassische Psychosomatosen (nach Alexander, 1951) sind die „Holy Seven“:
• Rheumatoide Arthritis,
• Asthma bronchiale (s. S. 134),
• Ulcus pepticum ventriculi et duodeni (s. S. 141 f.),
• Colitis ulcerosa (s. S. 141),
• Hyperthyreose (s. S. 150),
• Essenzielle Hypertonie (s. S. 131),
• Neurodermitis (atopisches Ekzem, s. S. 135).
In einer biopsychosozialen Betrachtungsweise von Krankheit erscheint die Unterscheidung in klassische Psychosomatosen und genuin organische Erkrankungen als wenig hilfreich.
Ätiologiemodelle: Life-Event-Modell
Life-Event-Modell: psychosoziales Stressmodell, welches den Zusammenhang zwischen kritischen Lebensereignissen und dem Ausbruch von Erkrankungen untersucht.
Ätiologiemodelle: Biopsychosoziales Krankheitsmodell
Biopsychosoziales Krankheitsmodell: multifaktorielles Modell, welches in Abgrenzung zum klassischen biomedizinischen Krankheitsmodell entwickelt wurde und postuliert, dass für die Erklärung der Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheiten biologische, psychologische und soziale Faktoren in ihrer dynamischen Interaktion zu berücksichtigen sind.
Ätiologiemodelle: Vulnerabilitäts-Stress-Modell / Diathese-Stress-Modell
Diathese-Stress-Modell (oder Vulnerabilitäts-Stress-Modell): multifaktorielles Krankheitsmodell, welches die Entstehung von Krankheit aus dem Zusammenwirken biologischer und lerngeschichtlicher Dispositionen (Diathesen) auf der einen und umweltbedingter Stressoren auf der anderen Seite erklärt. Überschreitet das Produkt aus Dispositionen und Stressoren unter Berücksichtigung vorhandener Risiko- und Schutzfaktoren einen bestimmten Schwellenwert, kommt es zur Symptombildung.
Ätiologiemodelle: Giving-up-given-up-Model
Das Giving-up-given-up-Model (Engel & Schmale, 1967) postuliert, dass körperliche Erkrankungen gehäuft infolge von fantasierten oder realen Verlusterlebnissen und der daraus resultierenden Hoffnungslosigkeit der Betroffenen entstehen. Die Phase des Aufgebens (giving up) markiert dabei ein Versagen der zur Verfügung stehenden Abwehr-, Coping- und Befriedigungsmechanismen. Die darauf folgende Phase des Aufgegebenseins und -habens (given up) ist charakterisiert durch die Einsicht in die Unwiderruflichkeit des Befriedigungsverlustes für eine längere Zeitspanne.
Ätiologiemodelle: Social-Drift-Modell
Das Social-Drift-Modell postuliert, dass psychisch Erkrankte infolge ihrer Erkrankung sozial absteigen. Das entgegengesetzte soziogene Modell geht davon aus, dass vielmehr die soziale Schichtzugehörigkeit für die Entstehung von psychischen Erkrankungen wesentlich mitverantwortlich ist.
Ätiologiemodelle: Salutogenese-Modell
Salutogenese-Modell ist ein von Aaron Antonovsky in Abgrenzung zu traditionellen Pathogenese-Modellen entwickeltes Modell, welches nicht nach der Entstehung von Krankheit, sondern nach der Entstehung von Erhaltung von Gesundheit fragt. Als eine wesentliche Determinante von Gesundheit und Widerstandsfähigkeit gegen krisenhafte Ereignisse (Resilienz) benennt Antonovsky den „sense of coherence“ (Kohärenzsinn bzw. -gefühl). Das Kohärenzgefühl hat drei Komponenten:
Verstehbarkeit (sense of comprehensibility): Vertrauen darin, dass die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der Um- und Innenwelt ergeben, erklärbar sind,
Handhabbarkeit (sense of manageability): Vertrauen darin, dass Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen erfolgreich begegnen zu können, die diese Stimuli stellen,
Bedeutsamkeit bzw. Sinnhaftigkeit (sense of meaningfulness): Vertrauen darin, dass diese Anforderungen Herausforderungen sind, die letztendlich Anstrengung und Engagement lohnen.
Grundbegriffe: Diagnose
unterscheidende Bestimmung einer Erkrankung durch die sie kennzeichnenden Merkmale.
Grundbegriffe: Klassifikation
Aufteilung von Elementen in Klassen anhand gemeinsamer Merkmale. Sich mit einer Klassifikation ergebende Probleme sind Informationsverlust, Etikettierung (Labeling) und die mögliche Verwechslung von Deskription mit Erklärung.
Grundbegriffe: Klassifikatorische Diagnostik
Zuweisung von Diagnosen zu Symptomkomplexen entsprechen der Regel „vom Symptom zum Syndrom zur Diagnose“.
Grundbegriffe: Funktionale, Ätiologische, Deskriptive Diagnostik
Diagnostik kann die Hintergründe und Kontexte symptomatischen Erlebens und Verhaltens berücksichtigen, z. B. in Form funktionaler Bedingungsanalysen wie der SORKC-Analyse (funktionale Diagnostik) oder in Form des Einbezugs der lebensgeschichtlichen Entstehungsbedingungen wie im psychodynamischen Modell (ätiologische Diagnostik). Diagnostik kann sich aber auch allein an beobachtbaren Symptomen unabhängig von deren funktionalen oder ätiologischen Hintergründen orientieren (deskriptive Diagnostik).
Grundbegriffe: Kategoriale und Dimensionale Diagnostik
Schubladenbildung im Sinne der eindeutigen Zuordnung von Personen mit einem bestimmten Merkmal zu den Klassen eines möglichst erschöpfenden, logischen und überlappungsfreien Diagnosesystems.
Mehr-oder-weniger-Modell im Sinne der Einordnung von Symptomkomplexen auf einem zweipoligen Kontinuum (z. B. Extraversion/Introversion). Störung wird hier nicht als ein qualitativer Unterschied zu Gesundheit verstanden, sondern als eine quantitative Extremposition, deren Übergang in den Bereich des Unauffälligen fließend ist.
Grundbegriffe: Lebenszeitdiagnose, Querschnittdiagnose, Differenzialdiagnose, Verdachts-/Aufnahmediagnose
Lebenszeitdiagnose: berücksichtigt die gesamte Vorgeschichte mit allen Störungsepisoden.
Querschnittsdiagnose: berücksichtigt nur die akute Episode einer Störung und vernachlässigt den Verlauf.
Differenzialdiagnose: Zuordnung von Symptomen zu einem Störungsbild bei gleichzeitiger Abgrenzung gegenüber einem anderen, in der Regel eine ähnliche Symptomatik aufweisenden Störungsbild.
Verdachts- oder Aufnahmediagnose: vorläufige, im Behandlungsverlauf veränderbare Diagnose (im Gegensatz zur gesicherten Diagnose).
Grundbegriffe: Indikation
regelgeleitete Zuordnung zwischen Therapeut, Patient und Therapiemethode mit dem Ziel der Optimierung der Therapieergebnisse:
differenzielle Indikation: Zuordnung vor Therapiebeginn,
adaptive Indikation: Anpassung der getroffenen Indikationsentscheidungen an Veränderungen der Patientin während des laufenden Therapieprozesses.
Grundbegriffe: Prognose
Voraussage des zu erwartenden Therapieergebnisses. Indikatoren für eine günstige Prognose sind: Leidensdruck, Veränderungsbereitschaft, Introspektionsfähigkeit, Motivation (pünktliches und regelmäßiges Erscheinen, Mitarbeit), Intelligenz, verbale Kompetenz, emotionale Reaktionsfähigkeit auf Probedeutungen (in psychoanalytisch begründeten Ansätzen), Frustrationstoleranz, fehlende Chronifizierung, präziser Auftrag, stabile Lebenssituation und finanzielle Sicherheit.
Diagnostische Methoden
Hauptgütekriterien diagnostischer Verfahren: O-R-V
Die Qualität psychodiagnostischer Instrumente wird im Wesentlichen an drei sogenannten Hauptgütekriterien gemessen:
Objektivität: Grad der Unabhängigkeit der Untersuchungsergebnisse von den Rahmenbedingungen der Untersuchung und von der Person des Untersuchers. Objektivität umfasst die drei Dimensionen der Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität. Objektivität lässt sich durch konsequente Standardisierung der Durchführung, Auswertung und Interpretation von Testverfahren erhöhen.
Reliabilität: Grad der Genauigkeit und Zuverlässigkeit einer Messung. Man unterscheidet z. B. Retest-Reliabilität (wiederholte Messung sollte bei Konstanz des zu messenden Merkmals zu gleichen Messwerten führen) und Interrater-Reliabilität (verschiedene Beurteiler sollten in Bezug auf dasselbe zu messende Phänomen zu übereinstimmenden Messwerten kommen). Reliabilität lässt sich durch systematische Minimierung von Messfehlern erhöhen.
Validität: Grad der Gültigkeit einer Messung in dem Sinne, dass die mit der Messung erzeugten Messdaten tatsächlich die zu messende Größe repräsentieren. Es lassen sich drei Arten der Validität unterscheiden:
Inhaltsvalidität liegt vor, wenn der Test die bestmögliche Operationalisierung des zu messenden Merkmals darstellt und dieses in all seinen Facetten abbildet und erfasst. Inhaltsvalidität lässt sich nicht objektiv messen, sondern wird durch Expertenrating ermittelt.
Konstruktvalidität: Messdaten von Verfahren, die dasselbe Konstrukt (z. B. Depressivität) erfassen, müssen hoch miteinander korrelieren (konvergente Validität). Messdaten von Verfahren, die verschiedene Konstrukte erfassen (z. B. Depressivität und Intelligenz), sollten nur niedrig miteinander korrelieren (diskriminante Validität).
Kriteriumsvalidität: Grad der Übereinstimmung von Messergebnissen mit einem empirischen, praxisrelevanten Außenkriterium (z. B. Übereinstimmung des Ergebnisses eines Assessment-Centers mit späterem beruflichen Erfolg). Wird dieses Kriterium zeitgleich erhoben, spricht man von konkurrenter Validität, liegt es in der Zukunft (wie beim Assessment-Center-Beispiel), hingegen von prognostischer Validität.
Nebengütekriterien diagnostischer Verfahren
Es gilt die Regel: Ohne Objektivität keine Reliabilität, ohne Reliabilität keine Validität. Neben Objektivität, Reliabilität und Validität existiert noch eine Reihe von Nebengütekriterien, wie z. B. Testfairness, Zumutbarkeit, Testökonomie, Normierung und Nützlichkeit im Sinne der praktischen Relevanz des gemessenen Merkmals.
Trennschärfe
In der Testkonstruktion bedeutsamer Kennwert, der die Korrelation eines einzelnen Testitems mit dem Gesamttestscore erfasst. So kann bestimmt werden, wie gut ein einzelnes Item zwischen Personen mit hoher und niedriger Merkmalsausprägung trennt.
Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler
Halo-Effekt: beschreibt das Ausstrahlen bestimmter hervorstechender Merkmale auf andere Merkmale, welche von diesen jedoch unabhängig sind. Aufgrund dieses Effektes wird von bekannten Eigenschaften auf unbekannte geschlossen und generalisiert.
Primacy-Effekt: Die ersten aufgenommenen und verarbeiteten Informationen (z. B. während einer probatorischen Sitzung) werden stärker gewichtet als die nachfolgenden und dominieren somit den Gesamteindruck.
Recency-Effekt: Die letzten aufgenommenen und verarbeiteten Informationen werden stärker gewichtet als die vorhergehenden und dominieren somit den Gesamteindruck.
Soziale Erwünschtheit: Fragen werden nicht aufgrund der persönlichen Präferenz, sondern aufgrund vermuteter sozial akzeptabler und erwünschter Normen beantwortet.
Tendenz zur Mitte: Tendenz, bei mehrstufigen Antwortmöglichkeiten mittlere Werte zu wählen.
Tendenz zur Milde bzw. zur Härte: Tendenz, bei mehrstufigen Antwortmöglichkeiten auf Extremwerte zurückzugreifen.
Akquieszenz: beschreibt eine inhaltsunabhängige Zustimmungstendenz.
Recall-Effekt: In der Erinnerung erscheinen Dinge oftmals deutlich positiver oder negativer, als sie es während des Erlebens waren.
Rosenthal-Effekt oder Versuchsleiter-Effekt: Erwartungen des Versuchsleiters wirken sich in Form sich selbst erfüllender Prophezeiungen auf die Untersuchungsergebnisse aus.
Hawthorne-Effekt: Versuchsteilnehmende ändern ihr natürliches Verhalten allein deswegen, weil sie wissen, dass sie als Teilnehmende eines Experiment unter Beobachtung stehen (auch ohne dass der Versuchsleiter, wie im Rosenthal-Effekt, konkrete Erwartungshaltungen an sie gerichtet hat).
Ähnlichkeitsfehler: Eigene Eigenschaften werden automatisch auch anderen zugeschrieben.
Kontrasteffekt: Veränderung der Wahrnehmung (von Objekten oder Personen) in Abhängigkeit von (physikalischen oder sozialen) Umgebungsmerkmalen.
Gängige Testverfahren
ICD und DSM: Kennzeichen
wissenschaftlich fundiert und therapieschulenunabhängig („atheoretisch“; Dilling, Mombour & Schmidt, S. 9),
kriteriumsbezogene und operationalisierte Diagnose,
deskriptiv-phänomenologische Störungsbeschreibung,
keine ätiologischen Annahmen (bis auf wenige Ausnahmen, z. B. posttraumatische Belastungsstörung),
Aufgabe des analytischen Neurosekonzepts und des Endogenitätsbegriffs.
Multiaxialität des ICD-10
Achse Ia: Klinisch-psychiatrisches Syndrom
Achse Ib: Somatische Diagnose nach anderen Kapiteln der ICD-10
Achse II: Ausmaß der psychosozialen Einschränkung gemäß der WHO
Achse III Faktoren der sozialen Umgebung und individuellen Lebensbewältigung gemäß Kapitel XXI der ICD-10 (Z-Diagnosen)
DSM-5
Aufgabe der Multiaxialität: Die Achsen I (klinische Störungen), II (Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderung) und III (körperliche Probleme) des DSM-IV werden nun innerhalb eines monoaxialen Systems abgebildet, zur Beurteilung der im DSM-IV auf den Achsen IV und V erfassten psychosozialen Probleme und des Funktionsniveaus wird nun auf andere Instrumente wie die Z-Codes der ICD-10 oder den auf der ICF (s. S. 56) beruhenden Disability Assessment Schedule der WHO (WHODAS) verwiesen.
Aufnahme von Schweregradcodierungen (leicht – mittel – schwer) für viele Störungskategorien.
Trauerreaktion ist kein Ausschlusskriterium mehr für die Vergabe einer Major Depression
Agoraphobie ist im DSM-5 nun als eigenständige Diagnose enthalten. Panikattacken können nun als Zusatzcodierung zu allen DSM-5-Störungen vergeben werden.
Das Kapitel „Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen und abhängigen Verhaltensweisen“ wurde um die Störung durch Glücksspielen erweitert.
Im DSM-5 sind Paraphilien nicht mehr per se psychische Störungen. Es wird nun vielmehr zwischen Paraphilie und paraphilen Störungen unterschieden: Eine paraphile Störung ist eine Paraphilie, welche für den Betroffenen Leiden verursacht und/oder deren Befriedigung zu Schaden anderer führt.
Neu aufgenommene Störungen: z. B. Binge-Eating-Störung, Prämenstruelle Dysphorische Störung, Dysruptive Stimmungsdysregulationsstörung, Zwanghaftes Horten, Dermatillomanie, Koffeinentzug
Ausgeschlossene Störungen: z. B. Störung mit Sexueller Aversion, Undifferenzierte Somatoforme Störung.
Psychischer Befund
Psychischer Befund (17 Pkt)
Äußere Erscheinung
Kontakt
Bewusstsein
Orientierung
Auffassung
Konzentration
Merkfähigkeit und Gedächtnis
Formales Denken
Inhaltliches Denken
Befürchtungen und Zwänge
Wahn
Wahrnehmung
Ich-Erleben
Stimmungslage
Antrieb
Psychomotorik
Suizidalität
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