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Der Tatbestand der Willenserklärung

RH
von Robin H.

Subjektiver TB - Erklärungsbewusstsein/Rechtsbindungswille - Adalbert trifft sich mit Balduin in einem Café. A ist Einkäufer eines Luxusmöbelhauses. B ist Großhändler für Möbel. B legt dem A während des Treffens ein Schreiben vor, in dem sich Interessenten mit Name, Adresse und Unterschrift eintragen können, damit diese von B kontaktiert werden können.

Während A aufs Klo geht, tauscht B das Schreiben mit einem Kaufvertrag für 200 Stühle aus. A bemerkt den Tausch nicht und geht davon aus, es handle sich um das vorherige Schreiben und unterzeichnet dies.

Als B Zahlung des Kaufpreises bzgl. der Stühle verlangt, meint A, er habe gar keinen Vertrag geschlossen.

Wie ist die Rechtslage?

A. B -> A gem. § 433 II BGB

I. A.e.

  1. Kaufvertrag

    Ein Kaufvertrag setzt eine Einigung, also das Vorliegen zweier inhaltlich übereinstimmender und in Bezug aufeinander abgegebener WE (Angebot und Annahme) voraus.

    a) WE in Form eines Angebots iSd §§ 145 ff. BGB (+), Angebot des B, indem er dem A den Vertrag zum Unterschreiben vorlegt.

    b) WE in Form einer Annahme

    Fraglich ist, ob die Unterzeichnung des Vertrags durch A eine Willenserklärung und damit eine Annahme des Angebots darstellt.

    aa) Obj. TB -> Objektiv betrachtet unterzeichnet A den Kaufvertrag und ist damit zu dessen Abschluss gewillt.

    bb) Subj. TB

    • Handlungswille (+) -> Unterzeichnen ist eine willensgetragene Handlung.

    • Erklärungsbewusstsein -> Ferner müsste A in dem Bewusstsein gehandelt haben, irgendeine rechtserhebliche Erklärung abzugeben.

      Mit Untrezeichnung des Vertrags wollte A nur kenntlich machen, dass er an einer Kontaktaufnahme interessiert ist, sich aber gerade nicht rechtlich binden.

Problem: Umstr. ist, ob das Erklärungsbewusstsein einen notwendigen Bestandteil einer WE darstellt.

Fraglich ist, ob die Unterzeichnung auch ohne Erklärungsbewusstsein als Willenserklärung zu qualifzieren ist. Dies ist umstritten.

  • Willenstheorie: Erklärungsbewusstsein ist unverzichtbarer Bestandteil einer WE. Fehlt der Rechtsbindungswille, ist die WE gem. § 118 BGB analog nichtig.

  • Erklärungstheorie (hM, BGH): Das Erklärungsrisiko haftet dem Erklärenden an, sodass eine wirksame WE auch ohne Erklärungsbestandteil möglich ist.

    • Arg.: Aus Gründen des Verkehrs- und Vertrauensschutzes genügt es, dass der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als WE gewertet wird (sog. Erklärungsfhrlässigkeit).

  • Bei sorgsamen durchlesen des Vertrags hätte A erkennen müssen, dass die Unterzeichnung als Annahme gelten würde. Mithin handelte A mit Erklärungsfahrlässigkeit, sodass das Fehlen des Erklärungsbewusstseins die Wirksamkeit der WE nicht beeinträchtigt.

c) Demnach liegt dem Grunde nach trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins eine WE vor.


-> Hinweis: Hier liegt eine argl. Täuschung iSd § 123 I BGB vor. Es bieten sich zwei Lösungswege an.

  • Zum einen entfällt die Notwendigkeit des Verkehrs- und Vertrauensschutzes, wenn der Erklärungsempfänger in Kenntnis über den fehlenden Rechtsbindungswillen ist (wie hier). D.h. nach beiden oben genannten Theorien liegt keine WE vor.

-> In der Klausur würde ich das kurz anführen, aber dennoch die ex-tunc Nichtigkeit der WE gem. §§ 142 I, 123 I BGB prüfen, um Punkte zu sammeln.




Schweigen als WE

Am 01.07.2010 verhandelt Getränkegroßhändler G mit dem Prokuristen P der X-KG über den Verkauf seiner alten Ladeneinrichtung zu einem Preis von 10.000 Euro. P ist durchaus an der Einrichtung interessiert, behält sich den endgültigen Entschluss jedoch noch vor, um zunächst mit Komplementär K Rücksprache zu halten. G geht davon aus, dass der P ihm umgehend mitteilen werde, wenn der Vertrag nicht zu Stande kommen soll. P hört sich jedoch zunächst nach günstigeren Angeboten um. Als G nichts weiter von P hört sendet er am 03.07.2010 folgendes Schreiben an die X-KG:

 

Hiermit bestätige ich Ihnen den mit Ihrem Prokuristen P am 01.07.2010 geschlossenen Kaufvertrag über eine Ladeneinrichtung zu einem Preis von 10. 000 Euro.

 

Als K das Schreiben am 04.07.2010 erhält geht er davon aus, der Inhalt sei mit P abgesprochen und kümmert sich nicht weiter darum. Am 15.07.2010 erfährt P von dem Schreiben. Da er inzwischen eine Einrichtung für 8. 000 Euro erworben hat, schreibt er sofort an G, dass er kein Interesse mehr habe.

 

G verlangt von der K-KG Abnahme und Zahlung von 10. 000 Euro, zu Recht?

A. G -> X KG auf KP Zahlung gem. 433 II BGB

I. A.e.

  1. Wirksamer Vertragsschluss

    a) Einigung 01.07. (-)

    b) Einigung am 03.07. durch kaufmännisches Bestätigungsschreiben

    Ausnahmsweise kann das Schweigen eines Vertragspartners als Willenserklärung in Form einer Annahme gewertet werden, wenn die Voraussetzungen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens vorliegen.

    (aa) Vorherige Vertragsverhandlungen

    Dem Kaufmännischen Bestätigungsschreiben müssen Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrags vorangegangen sein.

    (bb) Bestätigungsschreiben

    Zugang eines Bestätigungsschreibens, dass dazu bestimmt sein muss, den Inhalt einer (zuvor getroffenen Vereinbarung) festzulegen

    • Achtung: Erforderlich ist zudem ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang des Bestätigungsschreibens mit den über den Vertrag geführten Verhandlungen. Wann ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang gegeben ist, ist eine Frage des Einzelfalls

    In unserem Fall liegen lediglich 3 Tage zwischen den Verhandlungen und dem Schreiben, so dass ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang bejaht werden kann.

    (cc) Kein unverzüglicher Widerspruch des Empfängers

    Ist der Empfänger mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens nicht einverstanden, so muss er unverzüglich widersprechen, wobei dies i.S.d. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB zu verstehen ist (idR binnen 2-3 Tagen).

    Der vertretungsberechtigte Komplementär K (§§ 161 Abs. 2, 125 HGB) hat das Schreiben am 04.07.2010 erhalten und nicht widersprochen. Ein Widerspruch erfolgte zwar von P, jedoch erst am 15.07.2010. Die Aufgabe des Bestätigungsschreibens ist es, für Klarheit im Rechtsverkehr zu sorgen, so dass an den rechtzeitigen Widerspruch hohe Anforderungen zu stellen sind. Ein Widerspruch nach über einer Woche genügt diesen Anforderungen nicht, insofern kann nicht mehr von einem unverzüglichen Widerspruch der X-KG gesprochen werden

    (dd) Absender und Empfänger müssen nach herkömmlicher Ansicht grds. Kaufleute sein.

    Inzwischen wird allerdings von vielen vertreten, dass es ausreiche, dass sowohl der Schweigende (= Empfänger) als auch der Absender des Bestätigungsschreibens wie Kaufleute am Geschäftsverkehr teilnehmen und deshalb von ihnen die Beachtung kaufmännischer Verkehrssitten und eine entsprechende Betriebsorganisation erwartet werden kann.  

    Vorliegend ist Großhändler G Kaufmann i.S.d. § 1 Abs. 1 HGB, auf die X-KG werden als Personenhandelsgesellschaft gem. § 6 HGB die Vorschriften über Kaufleute angewendet.

    (ee) Redlichkeit des Absenders

    Der Absender des Bestätigungsschreibens muss in gutem Glauben handeln. Hierdurch soll ein Missbrauch dieses Rechtsinstituts verhindert werden. Der Absender ist etwa nicht schutzwürdig, wenn sich zwei Bestätigungsschreiben kreuzen. Weiterhin u.U. keine Schutzbedürftigkeit, wenn der Absender wusste, dass er mit einem falsus procurator verhandelt hat. Kenntnis eines Vertreters des Absenders sind gem. § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen.

    Vorliegend sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Redlichkeit des G in Frage stellen.


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Robin H.

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