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Normative Gattungspoetiken

AG
von Adele G.

Horaz

1. Aristoteles’ Poetik 📚

  • Primär deskriptiv: Aristoteles beschreibt und ordnet Dichtkunst – er gibt keine direkten Vorschriften zum „richtigen Dichten“.

  • Philosophischer Fokus: Es geht ihm um Verstehen und Erklären der Gattungen der Dichtkunst.

    • Vergleich: Wie ein Tischler oder Töpfer seine Werke in Formen und Materialien unterscheidet, so unterscheidet Aristoteles die Dichtungen.

  • Bevorzugung der Tragödie: Er hebt Tragödien hervor, lässt aber die lyrischen Formen außen vor. 🎭

2. Normative Poetik bei Horaz ✍️

  • Ars Poetica von Horaz (65-8 v. Chr.) ist normativ: Sie gibt Anleitungen zur Dichtkunst.

    • Horaz als Dichter: Er spricht als Dichter und nennt die Regeln, die er für wichtig hält.

    • Zitat:Discriptas seruare uices …“ – „Wenn ich die festgelegten Unterschiede und den Stil einer Gattung nicht kenne, was soll ich als Dichter tun?“

    • Ziel: Dichter müssen Gattungen und Stile kennen, um als Dichter anerkannt zu werden. 📝

3. Was macht eine normative Gattungspoetik? 🎯

  • Poetik als „Rezept“: Horaz sieht Gattungswissen als Grundlage für das Schreiben – ein Dichter schreibt nie „irgendetwas“, sondern immer etwas Bestimmtes.

  • Gattungspoetik: Poetik wird hier als Gattungspoetik verstanden – Dichter müssen die Regeln und Formen kennen, um gut zu schreiben.

  • Regelkenntnis als notwendige Bedingung:

    • Wissen über Gattungen: Ein Dichter muss wissen, in welche Gattung er sein Werk einordnet – ob Tragödie, Komödie oder Versepistel.

4. Kritische Betrachtung der normativen Poetik 🔍

  • Kritik an der Rezeptbeachtung:

    • Manche finden es zu starr, da sie denkt, dass man „nur Regeln befolgen muss, um Dichter zu werden“.

    • Es könnte das Neue und Innovative verhindern.

  • Rechtfertigung:

    • Horaz fordert nicht bloße Regelbefolgung, sondern Regelkenntnis als notwendige Voraussetzung.

    • Unter dieser Voraussetzung können sich auch neue Gattungen entwickeln (z.B. die Versepistel von Horaz).

5. Heute: Normatives Gattungswissen 📖

  • Creative Writing Kurse: Auch heute noch vermitteln viele Schreibworkshops und Kurse an Universitäten Gattungswissen.

    • Aber die Gattungen sind nicht mehr nur Tragödie, Komödie oder Versepistel. Sie sind nun zum Beispiel:

      • Short Story ✒️

      • Detektivroman 🔍

      • Memoir 📖

Zusammenfassung 🎉

  • Aristoteles: Deskriptive Poetik ohne feste Vorschriften für Dichter.

  • Horaz: Normative Poetik, die sich als Anleitung für das Schreiben versteht und die Kenntnis von Gattungenerfordert.

  • Heute: Gattungswissen ist weiterhin wichtig, aber moderne Gattungen haben sich weiterentwickelt.


Unterschied Regelpoetiken zur heutigen Zeit

1. Entstehung der normativen Poetiken 📚

  • Kontext: Die normativen Poetiken entstehen vor allem im praktischen Bereich, wo Literaturproduzenten ihr Wissen weitergeben.

  • Philosophischer Fokus?Nicht so sehr philosophisch!

    • Kein wissenschaftlicher Ansatz in der AntikeLiteraturwissenschaft entsteht erst im 19. Jahrhundert.

2. Systematisierung der lyrischen Formen 🎶

  • Lyrische Formen sind besonders schwer zu systematisieren:

    • Beispielhafte Formen: Versepisel, Sonett, Ode, Elegie.

    • Kein vernunftgegründeter Grund, warum eine Form genau so sein muss, wie sie ist.

    • Beschreibung statt Regelsetzung: Man beschreibt, was sich bewährt hat und empfiehlt es zur Nachahmung.

3. Problem der volkssprachlichen Dichtung 🌍

  • Latein als Sprache der Poetik:

    • Frage: Wie integrieren wir volkssprachliche Dichtungen in die Gattungspoetik?

  • Volkssprachige Dichtungsformen:

    • Dante (1303/1304) in De vulgari eloquentia (Über das Dichten in der Volkssprache) formuliert einen Kanon lyrischer Formen (Kanzone, Ballade, Sonett).

    • Auch Dante beschäftigt sich mit der Volkssprache und der Liedkunst seiner Zeit.

4. Deutsche Poetik: Opitz' "Von der deutschen Poeterey" (1624) 📖

  • Kontext: Entstehung während des Barock und des Dreißigjährigen Krieges.

    • Opitz nimmt Bestimmungen aus der Tradition auf und formuliert normative Gattungsdefinitionen.

5. Opitz’ Bestimmungen der Gattungen 🎭

  • Tragödie:

    • Beschreibt höhere gesellschaftliche Schichten (Könige, Kriege, Verzweiflung, Tod).

    • Ein hoher Erzählstil, der sich mit „großen Themen“ beschäftigt.

  • Komödie:

    • Geringer gesellschaftlicher Stand, Themen wie Hochzeiten, Gastmahl, Betrug, Schalkheiten.

    • Komik entsteht durch das Alltägliche und das Normabweichende.

6. Unsystematische Gattungspoetik 🤷‍♂️

  • Satire:

    • Gegenstand: Lehre von guten Sitten, moralischen Werten.

    • Stil: Schmerzliche Kritik und Spott.

    • Widersprüchlich: Opitz ordnet sie der epischen Gattung zu, obwohl sie eher nicht-episch ist.

  • Epigramm:

    • Kurze Form, ursprünglich eine Inschrift auf Gräbern oder Kunstwerken.

    • Widerspricht der strikten Kategorisierung und wird unter Satire eingeordnet.

7. Lyrische Gattungen und ihre Vielfalt 🎶

  • Lyrische Gattungen werden weiter ausgeführt:

    • Elegien, Hymnen (Lobgesänge), Eclogen (Hirtenlieder), und speziell für die Musik genutzte Lyrik.

  • Keine klare Lyrik-Definition:

    • Opitz hat keinen übergreifenden Begriff für Lyrik als Gattung.

    • Stattdessen behandelt er die Vielfalt der lyrischen Formen.

8. Normative Poetik vs. Moderne 🖋️

  • Lyrik in der Poetik:

    • Verse gelten als zentrales Merkmal der Dichtkunst.

    • In der modernen normativen Poetik werden nicht-gebundene Redeformen (wie der Roman) nicht thematisiert.

  • Einfluss auf die Gegenwart:

    • Poetik hat immer noch normative Effekte, wenn es um die Lehre von Gattungen geht – in Schreibkursenoder literarischen Workshops.

Zusammenfassung 🎉

  • Normative Poetiken entstanden im praktischen Bereich der Literaturproduktion und fokussieren Gattungswissen.

  • Opitz’ Poetik war maßgeblich für die deutsche Gattungstheorie im Barock.

  • Auch heute spielt Gattungswissen eine Rolle, aber die Gattungen haben sich weiterentwickelt und umfassen moderne Formen wie Roman oder Memoir.


Gottscheds Poetik

1. Gottscheds „Versuch einer kritischen Dichtkunst“ (1730) 📚

  • Zeitlicher Kontext:

    • Gottsched’s Werk ist die letzte große deutsche Regelpoetik im 18. Jahrhundert.

    • Einfluss der Aufklärung: Dialog mit den französischen und englischen Entwicklungen in der Poetik und den Systematisierungsbestrebungen der Frühaufklärung.

2. Die Nachahmung als zentrales Konzept 🖼️

  • Gottsched stellt alle Dichtung unter das Diktat der Nachahmung.

  • Er unterscheidet drei Arten der Nachahmung:

3. Drei Arten der Nachahmung 📖

  1. Beschreibung von natürlichen Dingen 🌿:

    • Bloße Beschreibung“ oder lebendige Schilderung von natürlichen Dingen, ihren Schönheiten oder Fehlern.

    • Geringste Form der Nachahmung, dient der Veranschaulichung und Darstellung.

  2. Nachahmung von Gemütsempfindungen 😔:

    • Der Dichter spielt die Person eines anderen oder beschreibt deren Gefühle in bestimmten Situationen.

    • Diese Form ist schon anspruchsvoller, da sie tiefere emotionale Empfindungen nachahmt.

  3. Die höchste Form der Nachahmung – die Fabel 🦄:

    • Nachahmung von handelnden Menschen in Form einer Fabel, die moralische Wahrheiten vermittelt.

    • Gottsched beschreibt die Fabel als „ein Stücke von einer anderen Welt“, eine erdichtete Geschichte, die tiefere moralische Bedeutungen hat.

    • Hier ist der Bezug zu Aristoteles' mýthos (Fabel) deutlich.

4. Gottscheds Ansicht über das Drama, Epos und Roman 🎭

  • Gottsched erweitert die Idee der Fabel auf Drama, Epos und den Roman.

    • Drama und Epos enthalten also ebenfalls Fabeln (erdichtete Geschichten).

    • Roman als „Historie aus einer anderen Welt“:

      • Christian Wolff’s Gedanke: Ein guter Roman ist eine Fabel, die nichts Widersprechendes enthält und wie eine Geschichte aus einer anderen Welt erscheint.

5. Gattungsübergreifende Merkmale der Fabel 🏛️

  • Fabel als gattungsübergreifendes Merkmal:

    • Drama, Epos und Roman enthalten alle Elemente der Fabel.

    • Lyrische Formen werden nicht berücksichtigt, wenn es um die Definition der Fabel geht.

6. Niederrangige Formen der Nachahmung 🌱

  • Die unteren Formen der Nachahmung (Beschreibung von natürlichen Dingen und Nachempfindung von Gemütszuständen) kommen auch außerhalb der lyrischen Formen vor:

    • Beispiel: In der Ilias finden sich viele Beschreibungen.

    • Theatralische Poesie basiert ebenfalls auf der Nachahmung von Gemütszuständen und Charakteren.

Zusammenfassung 🌟

  • Gottsched’s Poetik baut auf der Tradition der Nachahmung auf, unterscheidet aber die Formen der Nachahmung in drei Stufen:

    1. Beschreibung (natürliche Dinge)

    2. Nachahmung von Gemütsempfindungen

    3. Fabel (höchste Form) – die auch das Drama, Epos und Roman umfasst.

  • Fabel als gattungsübergreifendes Element: Sie ist ein zentrales Merkmal aller wichtigen Gattungen, aber lyrische Formen sind nicht Teil dieser Betrachtung.


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Adele G.

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