(Seite 2–3) Was meint der Unterschied zwischen sex differences und gender differences?
• Sex differences = biologische Unterschiede (Chromosomen, Hormone, Anatomie)
• Gender differences = sozial und strukturell bedingte Unterschiede (Rollen, Erwartungen, Verhalten)
Details merken:
→ Forschung versucht, Einflüsse von biologischem Geschlecht (Sex) und sozialem Geschlecht (Gender) getrennt zu untersuchen – gelingt bisher selten.
(Seite 4) Welche Perspektiven gibt es auf Geschlecht?
Essentialistische Perspektive: → Geschlechtsunterschiede beruhen auf angeborenen, biologischen Ursachen.
Konstruktivistische Perspektive: → Geschlecht ist ein soziales Konstrukt, geprägt durch Kultur, Erwartungen und Rollenbilder. Merke: Die Forschung beantwortet die Frage „sex differences or gender differences?“ meist nicht eindeutig.
(Seite 7) Wann beginnt die biologische Geschlechtsentwicklung und wodurch wird sie gesteuert?
• Beginn: 6.–8. Schwangerschaftswoche
• Steuerung: Androgene (auf dem Y-Chromosom) → Bildung männlicher Genitalien
→ Fehlen dieser Androgene → weibliche Entwicklung.
(Seite 7) Was ist der Unterschied zwischen Intersexualität und Transgender?
• Intersexualität: Körper weist keine eindeutigen männlichen oder weiblichen Merkmale auf.
• Transgender: Geschlechtsidentität stimmt nicht mit biologischem Geschlecht überein.
Seit 2017 kann in Deutschland ein drittes Geschlecht im Geburtenregister eingetragen werden.
(Seite 7) Wie wurde Transgender in den ICD-Klassifikationen neu eingeordnet?
• ICD-10: „Störungen der Geschlechtsidentität“ → psychische Störung
• ICD-11: „Gender Incongruence“ → Kategorie „sexuelle Gesundheit“
→ Bedeutungswandel von Pathologisierung zu Anerkennung geschlechtlicher Vielfalt.
(Seite 8) Wann erkennen Säuglinge Geschlecht und welche Präferenz zeigen sie?
• Bereits mit 3–4 Monaten können Säuglinge zwischen männlichen und weiblichen Gesichtern unterscheiden.
• Sie zeigen meist eine Präferenz für weibliche Gesichter, besonders bei weiblicher Bezugsperson.
→ Bei männlichen Hauptbezugspersonen kann sich diese Präferenz umkehren.
(Seite 9–10) Wie entwickelt sich die Geschlechtsidentität im frühen Kindesalter?
Vorformen: Säuglinge erkennen Männer und Frauen.
Geschlechtstypisierung (ab ~1,5 J.): Objekte, Verhalten und Kleidung werden als „männlich“ oder „weiblich“ kategorisiert.
Geschlechtsidentität (2–3 J.): Bewusstsein, selbst zu einem Geschlecht zu gehören.
Geschlechtskonstanz (5–7 J.): Verständnis, dass das Geschlecht stabil bleibt – unabhängig von äußeren Merkmalen.
(Seite 11–12) Welche Prozesse prägen das Selbstkonzept in der Grundschulzeit?
• Fragen der Identität: „Wie bin ich?“ – „Wie sollte ich sein?“
• Geschlechtskonstanz ist etabliert.
• Einflüsse: Selbstkonzept wird zunehmend von sozialen Erwartungen und Peer-Gruppen geprägt.
• Geschlechtersegregation: Kinder spielen bevorzugt mit Gleichgeschlechtlichen – kulturell unterschiedlich stark ausgeprägt.
(Seite 11) Warum gilt Geschlecht als zentrale soziale Kategorie in der Entwicklung?
→ Geschlecht strukturiert soziale Wahrnehmung und Interaktion:
• Menschen ordnen sich selbst und andere früh nach Gender ein.
• Diese Kategorisierung beeinflusst Verhalten, Erwartungen und Rollenbilder.
Zitat: „Gender is perhaps the central way in which children and adults carve the social world into categories.“
(Seite 13) Was zeigt die Studie „Pretty as a Princess“ (Coyne et al., 2016)?
• Untersuchung zu Disney-Prinzessinnen und kindlicher Entwicklung.
• Ergebnis: Frühe Beschäftigung mit stereotypen Rollen stärkt Geschlechterklischees und beeinflusst das Selbstkonzept.
→ Kinder internalisieren Rollenbilder, was spätere Einstellungen und Verhalten prägt.
(Seite 14) In welchen Bereichen zeigen sich laut Forschung stabile Geschlechtsunterschiede?
• Kognitive Fähigkeiten:
– Mathe/Science: kaum Mittelwertunterschiede, Unterschiede an den Extremen
– Lesen: Frauen > Männer
• Persönlichkeit:
– Frauen: mehr emotionale Stabilität, Empathie, Fokus auf Menschen
– Männer: mehr Statusorientierung, Sachorientierung
Quelle: Balducci (2023)
(Seite 15–16) Welche mittleren bis großen Geschlechtsunterschiede zeigen Meta-Analysen im Kindes- und Jugendalter?
♂ stärker in:
• Körperlicher Stärke, Laufgeschwindigkeit, geschlechtstypischem Spiel, Computer-Skills
♀ stärker in:
• Schreibleistung, Selbstkontrolle, Rückzug, Nähebedürfnis
(Seite 17) Wie groß sind psychologische Geschlechtsunterschiede insgesamt?
• Meist kleine bis mittlere Effekte.
• Unterschiede innerhalb eines Geschlechts sind deutlich größer als die zwischen den Geschlechtern.
→ Daher sind die meisten Unterschiede statistisch signifikant, aber praktisch gering.
(Seite 18–19) Welche Entwicklungsfragen entstehen im jungen Erwachsenenalter?
• Wie möchte und kann ich Beziehung leben?
• Veränderungen in sexueller Orientierung & Geschlechtsidentität
• Berufs- und Partnerwahl
• Geschlechtsspezifische Unterschiede in Erwartungen und Konfliktverhalten
Studie Bröning (2009):
→ Männer und Frauen zeigen „blinde Flecken“ bei der Selbsteinschätzung von Konfliktkompetenzen.
(Seite 20) Welche Bereiche zeigen im Erwachsenenalter Geschlechtsunterschiede?
• Persönlichkeit und Selbstwert
• Sexuelle Erregbarkeit
• Gesundheitsverhalten
• Räumliches Vorstellungsvermögen
• Leistungen in MINT- vs. sprachlichen Fächern
• Prävalenzen psychischer Störungen und Kriminalität
(Seite 21) Welche Einflüsse prägen das mittlere Erwachsenenalter?
• Rollenverteilung in Familie & Beruf
• Gender-Paygap als Beispiel struktureller Ungleichheit
• Sozialisation durch Partnerschafts- und Familienrollen
→ Datenbasis: Pairfam-Studie (Langzeitstudie zu Partnerschaft & Familie)
(Seite 22) Was zeigen Befunde zur Lebenszufriedenheit über die Geschlechter hinweg?
• Große Gemeinsamkeiten zwischen Männern und Frauen über die Lebensspanne
• Daten aus dem Sozioökonomischen Panel (SOEP, 2016) zeigen:
→ Geschlecht beeinflusst Wohlbefinden weniger stark als andere Lebensfaktoren.
(Seite 24) Welche zentralen Einflussfaktoren formen „Gender“ laut biopsychosozialem Modell?
Biologische Faktoren: • körperliche Geschlechtsmerkmale • hormonelle Einflüsse (z. B. organisational hypothesis) • Hirnstrukturen (z. B. interhemisphärische Konnektivität)
Psychologische & soziale Faktoren: • Kognitiv-motivationale Einflüsse • Beobachtungslernen und soziales Lernen → Gender entsteht aus dem Zusammenspiel dieser Ebenen.
(Seite 25–26) Wie lässt sich operante Konditionierung auf Geschlechtsrollen anwenden?
→ Verhalten wird durch Konsequenzen geformt.
Beispiel:
Ein Junge, der lieber mit Puppen spielt, erfährt Ablehnung; Fußballspielen wird gelobt → Verstärkung geschlechtstypischen Verhaltens.
Grundprinzip:
• Verhalten ↑ bei Belohnung
• Verhalten ↓ bei Bestrafung
Begriffe:
• Operant = beliebiges Verhalten
• Instrumentell = zielgerichtet zur Konsequenz führend
(Seite 27) Wie wirken positive und negative Verstärkung bzw. Bestrafung bei Geschlechtstypisierung?
Konsequenz
Wirkung auf Verhalten
Beispiel
Positive Verstärkung
+ Auftretenswahrscheinlichkeit
Lob für “typisch männliches” Verhalten
Negative Verstärkung
Wegfall elterlicher Kritik
Bestrafung (Setzen)
- Auftretenswahrscheinlichkeit
Tadel für “untypisches” Verhalten
Bestrafung (Entzug)
Entzug von Aufmerksamkeit
→ Kinder lernen, welches Verhalten sozial erwünscht ist.
(Seite 28) Was erklärt das Modelllernen im Kontext von Gender?
• Kinder beobachten gleichgeschlechtliche Modelle und übernehmen deren Verhalten.
• Wahrgenommene Ähnlichkeit steigert Motivation und Encodierung.
• Mit zunehmendem Alter: Sozialisationsdruck verschiebt sich
– von Eltern → Peers
– bei Jungen oft stärkerer Gruppendruck zur Rollenkonformität.
(Seite 29) Welche geschlechtsspezifischen Dynamiken zeigt Online-Dating laut Degen (2024)?
• Abwertung und Misstrauen zwischen den Geschlechtern:
– Männer: „slut shaming“
– Frauen: Diskreditierung männlicher Statussymbole
• Ergebnis: gegenseitige Generalisierung → negatives Erwartungsmuster
→ erschwert Annäherung und Partnersuche.
(Seite 30–31) Was beschreibt das „Gender Equality Paradox“?
→ Paradoxon: In Ländern mit höherer Gleichstellung gibt es weniger Frauen in MINT-Fächern.
Erklärungen:
Grundbedürfnisse-Hypothese: Unterdrückte Frauen fokussieren auf existenzielle Sicherheit statt auf Interessen.
Intrinsische-Interessen-Hypothese: In wohlhabenden, gleichgestellten Ländern folgen Menschen eher intrinsischen Neigungen. → Männer/Frauen treffen dann freiere, aber geschlechtstypische Berufswahlen.
(Seite 33) Wann wird Geschlechtsidentität thematisch relevant?
→ Wenn Unsicherheit über die eigene Geschlechtszugehörigkeit entsteht, z. B. bei Inter-* oder Trans-Personen.*
Definition:
Geschlechtsidentität = Erleben der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht (psychisches Selbstverständnis).
Symbolisch: „Pronoun Buttons“ – Ausdruck selbstgewählter Identität.
(Seite 34–35) Wie äußern sich individuelle Erfahrungen von Trans* und Genderqueer-Personen?
• Trans:* erlebtes Geschlecht ≠ bei Geburt zugewiesenes Geschlecht
→ Beispiel „Chris“: Fühlte sich männlich, obwohl als weiblich geboren.
• Genderqueer: Identität jenseits binärer Kategorien, z. B. „Kim“ möchte weder „er“ noch „sie“ genannt werden.
→ Ausdruck über androgynes Erscheinungsbild und individuelle Selbstbezeichnung.
(Seite 36) Welche Dimensionen umfasst das Modell der kindlichen Geschlechtsidentität (Perry et al., 2019)?
Gender self-categorization: Zugehörigkeit zu einem Geschlecht (meist 3–6 J.)
Felt same-/other-gender typicality: Ähnlichkeit zu gleich-/andersgeschlechtlichen Peers
Gender contentedness: Zufriedenheit mit dem zugewiesenen Geschlecht
Felt pressure for gender differentiation: empfundener Druck, sich rollenkonform zu verhalten
Intergroup bias: positive Bewertung der eigenen Geschlechtsgruppe
Gender centrality: Bedeutung des Geschlechts für die eigene Identität → Geschlechtsidentität ist ein komplexes Kognitionssystem, kein eindimensionales Merkmal.
(Seite 37–38) Wie hängen Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung zusammen?
• Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung sind eigenständige, aber verknüpfte Dimensionen.
• Transition kann die sexuelle Orientierung in Begriffen wie „homo-/heterosexuell“ verändern.
• Gender-nonkonformes Verhalten in Kindheit/Jugend → starker Prädiktor gleichgeschlechtlicher Orientierung im Erwachsenenalter.
→ Hinweise auf biologische und hormonelle Grundlagen (z. B. Hirnforschung).
(Seite 39–40) Was bedeutet Intersektionalität im Kontext von Geschlecht?
→ Überschneidung verschiedener Diskriminierungsformen (z. B. Geschlecht, Ethnie, Klasse, Sexualität).
→ Betroffene erleben gleichzeitige und sich verstärkende Benachteiligungen.
Begriff:
„Intersection“ = Schnittpunkt – verdeutlicht, dass Identitätsaspekte nicht isoliert wirken.
(Seite 41) Welche Ergebnisse zeigen große Umfragen zur Lebenszufriedenheit und Gesundheit von Trans*-Personen?
• US Trans Survey (N = 92 329):
– 94 % der Personen, die im gewünschten Geschlecht leben („transitioned“), berichten höhere Lebenszufriedenheit.
– 98 % erhalten hormonelle Behandlung, mit positiver Wirkung auf Wohlbefinden.
• Australische Studie (N = 1 613):
– Hohe Marginalisierung im Gesundheitswesen, v. a. in sexueller Versorgung.
→ Transition steigert Lebenszufriedenheit, Diskriminierung bleibt jedoch häufig.
(Seite 42) Was sind die zentralen Erkenntnisse zum Einfluss von Gender auf Entwicklung?
• Entwicklung von Gender & Identität = biopsychosozialer Prozess über die Lebensspanne
• Kulturelle Normen prägen Geschlechterrollen stark.
• Soziales Geschlecht beeinflusst Entwicklung in allen Lebensphasen.
• Minoritäten erfahren Entwicklungsnachteile.
• Forschung weiterhin stark binär ausgerichtet – Vielfalt unzureichend berücksichtigt.
(Seite 46) Worin unterscheiden sich die Begriffe „Sex“ und „Gender“?
• Sex (biologisches Geschlecht):
→ körperliche, hormonelle und genetische Merkmale (z. B. Chromosomen, Organe, Hormone)
• Gender (soziales Geschlecht):
→ sozial und psychologisch geprägte Merkmale, Rollenbilder, Erwartungen, Verhalten
→ Im Deutschen wird beides oft unter „Geschlecht“ zusammengefasst – im Englischen klar getrennt.
(Seite 46) Was bedeutet der Begriff „geschlechtstypisch“?
→ Verhaltensweisen, die kulturell mit einem sozialen Geschlecht (Gender) verbunden werden.
Beispiel: „Jungen spielen Fußball, Mädchen spielen mit Puppen“ – Ausdruck gesellschaftlicher Zuschreibungen, nicht biologischer Unterschiede.
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