(Seite 2) Wie häufig zeigen Kinder und Jugendliche in Deutschland psychische Auffälligkeiten laut KiGGS-Studie?
Laut KiGGS (2003–2012):
~50 % der Eltern berichten von mindestens leichten emotional-/Verhaltensproblemen ihrer Kinder.
20,2 % der 3- bis 17-Jährigen weisen psychische Auffälligkeiten (SDQ-Werte) auf.
Sozialstatus wirkt stark: Niedriger Status → höhere Problemwerte. Details merken: Hoher Sozialstatus = klarer Schutzfaktor.
(Seite 3) Welche psychischen Folgen zeigte die COVID-19-Pandemie bei Kindern und Jugendlichen?
Ergebnisse (2020–2023):
Lebensqualität: 15 % vor Pandemie → 48 % erstes Jahr → 27 % drittes Jahr.
Psychische Probleme: 18 % → 31 % → 23 %.
Risikofaktoren: Jungen, jüngere Kinder, niedrige Elternbildung, Alleinerziehung, elterliche Belastung & Depression.
Schutzfaktoren: persönliche Ressourcen, familiärer Zusammenhalt, soziale Unterstützung.
(Seite 4) Wie wirken elterliche Belastungen auf die psychische Gesundheit von Kindern?
Je mehr Stress und psychosoziale Belastungen Eltern erleben, desto höher das Risiko psychischer Probleme der Kinder.
Kumulative Belastung → starker Anstieg psychischer Auffälligkeiten.
ADHS-Beispiel: Partnerschaftsprobleme, kritische Lebensereignisse, niedriger SES, elterlicher Stress oder Psychopathologie = signifikante Risikofaktoren.
(Seite 7–9) Was bedeutet „Kindeswohl“ und wie wird es rechtlich geschützt?
Definition (Maywald): Handeln, das an Grundrechten & Grundbedürfnissen orientiert ist und die günstigste Alternative für das Kind wählt.
Rechtsgrundlage: § 1627 BGB – elterliche Sorge „zum Wohl des Kindes“.
Kinderschutz: umfasst alle staatlichen & nichtstaatlichen Maßnahmen zum Schutz vor Beeinträchtigung.
(Seite 10–11) Welche zentralen Grundrechte und Grundbedürfnisse haben Kinder?
Grundrechte (u.a.):
Bildung, Spiel & Freizeit, Gesundheit, freie Meinungsäußerung, Beteiligung an Entscheidungen.
Grundbedürfnisse (nach Brazelton & Greenspan):
Beständige liebevolle Beziehungen
Körperliche Sicherheit
Individuelle & altersgerechte Erfahrungen
Grenzen & Strukturen
Stabile soziale Gemeinschaft
Sichere Zukunftsperspektive
(Seite 12) Wann liegt laut § 1666 BGB eine Kindeswohlgefährdung vor?
Wenn eine gegenwärtige Gefahr besteht, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer erheblichen Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls führt.
Je schwerer der drohende Schaden, desto geringer die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit.
Ziel: Gefährdung verhindern, beenden oder reduzieren.
(Seite 14) Welche empirisch gesicherten Risikofaktoren beeinflussen die Entwicklung von Kindern?
Elterliche Merkmale:
Psychische Störungen (Depression, Sucht)
Geringer Selbstwert, Wut, Ängste
Frühe Elternschaft, Arbeitslosigkeit, geringe Bildung
Familiäre Merkmale:
Konflikte, Partnergewalt, fehlender Zusammenhalt, Armut
Kindmerkmale:
Niedriges Geburtsgewicht, schwieriges Temperament, geringe soziale Kompetenz, Behinderung
Eltern-Kind-Interaktion:
Fehlende Feinfühligkeit, körperliche Strafen, unrealistische Erwartungen
(Seite 15) Was unterscheidet distale von proximalen Risikofaktoren laut KiD-Studie 0–3?
Distal (Hintergrundfaktoren):
Armut (SGB II)
Frühe Mutterschaft
Alleinerziehend
Ungeplante Schwangerschaft
Eigene Gewalterfahrungen in der Kindheit
Drei oder mehr kleine Kinder
Proximal (unmittelbare Einflüsse):
Elterliche Depressivität & hoher Stress
Häufige Streitigkeiten
Gewalterfahrungen
Schlafprobleme des Kindes
Explosivität/innere Wut der Eltern
Stichwort: Early Life Stress (ELS) – frühe Stressbelastungen mit Langzeitwirkung.
(Seite 16) Wie wirkt sich die Kumulation von Risikofaktoren auf das Kindeswohl aus?
Das Risiko für Vernachlässigung oder Verletzung steigt systematisch mit der Anzahl (Kumulation) von distalen und proximalen Belastungen.
Je mehr Risikofaktoren aus verschiedenen Lebensbereichen zusammentreffen, desto stärker das Entwicklungsrisiko.
(Seite 17–18) Wie hängt Armut mit Entwicklungsrisiken zusammen?
Armut korreliert mit fast allen Risikofaktoren, z. B.:
elterliche Depression, Partnerkonflikte, geringe Bildung, Stress, Gewalterfahrungen. → Armut ist kein Einzelrisiko, sondern verstärkt bestehende Belastungen („Risikocluster“). Details merken: In manchen Bereichen sind Unterschiede weniger stark, aber fast immer vorhanden.
(Seite 19–20) Welche Rolle spielt Armut für die Kumulation von Belastungen?
Kumulation hängt eng mit Armut zusammen:
Familien in Armut zeigen häufiger mehrere gleichzeitige Belastungen (psychisch, sozial, ökonomisch). → Armut wirkt als zentraler Verstärker von Entwicklungsrisiken.
(Seite 21) Was versteht man unter „Early Life Stress“ (ELS)?
ELS bezeichnet frühe Belastungen, die das Stressverarbeitungssystem formen:
Betroffen: Hypothalamus, Hypophyse, Amygdala
Reguliert durch Cortisol, Noradrenalin, Serotonin (Selbstberuhigung), Oxytocin (soziale Beruhigung)
Beeinflusst: Impulskontrolle, Aufmerksamkeit, Motivation, Belohnungssystem (Dopamin) → Langfristige „Einprägung“ biologischer Stressreaktionen.
(Seite 22–23) Was bedeutet „embodied inequality“ und wie entsteht sie über die Lebensspanne?
Definition: Körperliche und psychische Unterschiede entstehen, weil Belastungen „verkörpert“ werden – also biologisch eingeschrieben sind.
Mechanismus:
Früher Stress (z. B. mütterliche Geldsorgen, wenig Zuwendung) → erhöhte Stressreaktivität → Unruhe, Aufmerksamkeitsprobleme → schulische Schwierigkeiten, soziale Konflikte → mögliche ADHS-ähnliche Symptomatik
Begriff: Embodied Inequality (Krieger 2005; Kelly-Irving & Delpierre 2021)
(Seite 24) Warum ist es wichtig, Entwicklungsrisiken im Zusammenspiel zu betrachten?
Einzelrisiken wirken selten isoliert.
→ Nur durch das Zusammenspiel von biologischen, psychischen, familiären und sozialen Faktoren lässt sich das Risiko realistisch einschätzen.
Quelle: Petermann (1997), Fallbuch der Klinischen Kinderpsychologie
(Seite 25) Welche Schutzfaktoren fördern laut Jenson & Fraser (2015) eine gelingende Entwicklung?
Individuelle Schutzfaktoren:
Gute Kommunikations- und Konfliktlösungskompetenz
Optimismus, Intelligenz, einfaches Temperament
Geringe Stressbelastung in der Kindheit
Soziale Schutzfaktoren:
Hohe Beziehungsqualität zu Eltern & Geschwistern
Wenig Paarkonflikte, starkes Schul-Commitment
Prosoziale Werte, Bildungs- & Berufschancen, soziale Unterstützung
(Seite 26) Wie definiert Ann Masten (2014) Resilienz?
Resilienz = „Fähigkeit eines dynamischen Systems, sich erfolgreich an Störungen anzupassen, die Funktion, Wachstum oder Entwicklung bedrohen.“
Kernaspekte:
Ständig verändernder Output aus adaptiven Systemen (z. B. Bindung, Belohnungssystem, Exekutivfunktionen)
Frühe Eltern-Kind-Beziehung als zentraler Einfluss
(Seite 27–28) Welche Rolle spielen die ersten Lebensjahre für Resilienz?
Mannheimer Risikokinderstudie (N = 384):
Feinfühligkeit (3 Monate) → langfristiger Schutzfaktor bis ins Erwachsenenalter
Supportivität (2 Jahre) → stabilisiert Entwicklung von Vorschul- bis Erwachsenenalter → Frühe Interaktionsqualität = Schlüssel für spätere psychische Stabilität
(Seite 29–30) Welche Faktoren sprechen bei Larissa (Fallbeispiel) für ein erhöhtes Entwicklungsrisiko?
Frühgeburt (30. SSW), geringe Körperspannung
Alleinerziehende Mutter, ohne Einkommen
Postpartale Depression, wenig Blick- & Körperkontakt → Mehrere Risikofaktoren kumuliert, aber durch externe Unterstützung (z. B. qualitativ gute Betreuung) potenziell kompensierbar
(Seite 30–31) Wie wirkt sich familienergänzende Betreuung (0–4 Jahre) auf die kindliche Entwicklung aus?
Forschungsergebnisse:
Kurzfristige Effekte auf Schulleistung, gemischte psychosoziale Befunde
Früher Einstieg (< 12 Monate) → manchmal negative Effekte
Entscheidend: hohe Prozessqualität (feinfühlig, sprachlich-kognitiv anregend)
Effekte kleiner als Familieneinflüsse → Qualität > Quantität > Zeitpunkt
(Seite 31) Was besagt die Kompensationshypothese zur frühkindlichen Betreuung?
Risikokinder profitieren stärker, wenn Betreuungsqualität hoch ist.
Kinder aus benachteiligten Familien → positive kognitive Effekte auch bei mittlerer Qualität
Kinder aus ressourcenreichen Familien → Profit nur bei sehr hoher Qualität → Externe Betreuung kann Risikofaktoren kompensieren, aber nicht schlechte Qualität.
(Seite 32–33) Welche empirischen Belege zeigen, dass Krippenbetreuung Risikokindern nützt?
Beispiel 1 (Berry et al., 2014):
Zusammenhang zwischen Stress (Cortisol) und Krippenzeit hängt vom Risikostatus ab.
Risikokinder profitieren sozio-emotional, zeigen niedrigeren Stresspegel.
Beispiel 2 (Côté et al., 2008):
Kinder aus Risikofamilien ohne Krippenbesuch → mehr Aggressionen mit 4 Jahren. → Frühbetreuung wirkt stressregulierend und sozial stabilisierend, wenn gut umgesetzt.
(Seite 34) Welche Merkmale bestimmen die Prozessqualität in der frühen Betreuung?
Interaktionen mit Lern-, Denk- und Sprachbezug
Feinfühlige, warme Dialoge mit gegenseitigem Austausch („give and take“) → Diese dialogische Qualität entscheidet über die Entwicklungswirksamkeit, nicht Strukturkriterien allein.
(Seite 36) Wie häufig erleben Kinder in Deutschland die Trennung ihrer Eltern – und welche Folgen sind typisch?
24 % aller Eltern mit minderjährigen Kindern sind getrennt oder geschieden.
¾ der Eltern haben noch Kontakt zueinander.
15–30 % der Kinder verlieren Kontakt zu einem Elternteil ganz. → Trennung meist Krisenereignis, auch wenn gesellschaftlich verbreitet.
(Seite 38) Wie steht die Bevölkerung zur gemeinsamen Elternschaft nach Trennung?
Allensbach-Umfrage (2016):
77 % befürworten gemeinsame Betreuung,
51 % wünschen hälftige Aufteilung,
Nur 12 % plädieren für alleinige Mutterbetreuung. → Gemeinsame Elternschaft = gesellschaftliches Leitideal.
(Seite 39–40) Warum ist gemeinsame Betreuung nach Trennung oft schwierig umzusetzen?
Hürden:
Gestiegene Koordinationsanforderungen („intensivierte Elternschaft“)
Emotionale & organisatorische Belastung gleichzeitig
Arbeitslosigkeit oder geringe Bildung schwächen Co-Parenting
Finanzielle Nachteile v. a. für Mütter (Gender Work Gap)
Begrenztes Engagement der Väter durch Arbeitszeiten oder Konflikte
→ Ideal ≠ praktische Realität
(Seite 41) Wie wirken sich elterliche Trennungen auf die Entwicklung von Kindern aus?
Forschungslage:
Nach Trennung: mehr emotionale, Verhaltens- und Lernprobleme
Unterschiede zu Kernfamilien eher klein
2–3 Jahre nach Trennung gelingt den meisten Kindern Anpassung
Teilgruppe (≈ 48 %) bleibt länger belastet → Belastungsdynamik variiert stark individuell.
(Seite 42) Was zeigt Amatos Scheidungs-Stress-Bewältigungsmodell?
Bewältigung hängt von Risiko- und Schutzfaktoren ab.
Selektions- und Loyalitätskonflikte prägen die Anpassung. → Nicht die Trennung selbst, sondern ihre Begleitumstände entscheiden über Folgen.
(Seite 43) Ist geteilte Betreuung (Wechselmodell) ein Risiko oder Schutzfaktor?
FAMOD-Studie (N = 1.233):
Kinder im Wechselmodell (v. a. 7–14 Jahre) → gleich gut oder besser angepasst
Beziehungsqualität zu beiden Eltern zentral
Hohe Konflikte → besonders schädlich im symmetrischen Wechselmodell
Loyalitätskonflikte stärker belastend im Wechsel- als im Residenzmodell → Wechselmodell funktioniert nur bei niedrigem Konfliktniveau.
(Seite 44) Welche Faktoren fördern laut Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“ das Wohlbefinden von Trennungskindern?
Schützende Faktoren:
Positive Familienbeziehungen
Niedriges Konfliktniveau
Hohe väterliche Fürsorge
Gute Beziehung zum Vater
Mitbestimmungsmöglichkeiten der Kinder
Risikofaktoren:
Gewalt im Trennungskontext (¼ der Fälle)
Fehlende Einbindung des Kindes in Entscheidungen
(Seite 45) Welche Folgen haben Gerichtsverfahren bei Trennungskonflikten?
Ergebnisse (Pairfam-Daten):
Kinder in Gerichtsverfahren → höchste emotionale & Verhaltensprobleme
Konflikte & Koalitionsdruck → erhöhen Risiko massiv
Eltern-Kind-Beziehungsbelastungen wirken vermittelnd → Gerichtliche Auseinandersetzungen = stärkster psychosozialer Risikofaktor.
(Seite 46–47) Über welche Wege schaden chronische Elternkonflikte der kindlichen Entwicklung?
Zwei zentrale Mechanismen:
Indirekt: Durch verschlechterte Erziehung, Stress, weniger Zuwendung
Direkt: Durch miterlebte Gewalt und Angstreaktionen → Auch Zeugenschaft an Gewalt führt zu emotionalen und Verhaltensproblemen.
(Seite 48) Welche typischen Bewältigungsstrategien nutzen Kinder in hochkonflikthaften Familien?
Kurzfristig hilfreich, langfristig defizitär:
Konfliktvermeidung (z. B. Kontaktverweigerung)
„Auffällig unauffällig“ sein
Versuche zu schlichten oder Verantwortung übernehmen
Sich entziehen oder früh aus der Familie gehen → Pseudoreife und Anpassung statt echter emotionaler Sicherheit.
(Seite 49) Welche Langzeitfolgen zeigen sich bei erwachsenen Kindern aus Trennungsfamilien?
Höhere Trennungswahrscheinlichkeit in eigenen Beziehungen
Ursache: Beziehungsunsicherheit infolge instabiler Herkunftsfamilie
Schicht oder Bildung kaum relevant
Chronische Elternkonflikte verstärken Risiko intergenerationaler Übertragung → Familiäre Instabilität kann sich über Generationen fortsetzen.
(Seite 50) Wie lässt sich „embodied inequality“ auf Trennungskinder übertragen?
Chronische Konflikte, Stress und unsichere Bindungen können sich biologisch einschreiben:
Erhöhte Stressreaktivität
Dauerhafte emotionale Anspannung
Geringere Fähigkeit zur Emotionsregulation → Trennungserfahrungen „verkörpern“ soziale Ungleichheit auch physiologisch.
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