Warum ist es so schwer, über Erziehung zu sprechen und sie wissenschaftlich zu fassen? Zwei Zentrale Begriffe?
Weil Erziehung vertraut wirkt, aber selten bewusst wahrgenommen wird.
Alle haben eigene Erfahrungen, die subjektiv und bruchstückhaft sind.
Erziehung läuft oft unbemerkt ab, wird erst sichtbar, wenn etwas stört.
Zwei zentrale „Brillen“, mit denen Erziehung gedacht wird (kommen später im Kapitel):
Generationenverhältnis
Pädagogischer Bezug
Warum wird Erziehung im Alltag häufig unterschätzt?
Erziehung ist vertraut – und trotzdem schwer zu fassen
Alle haben eigene Erziehungserfahrungen:
Streit, Regeln, Hausaufgaben, Schule, Freiheiten, Verbote…
Manche sagen sogar: „Meine Eltern haben mich gar nicht erzogen.“
Erziehung wird oft gar nicht bewusst bemerkt, obwohl sie stattfindet.
Erinnerung ist bruchstückhaft und subjektiv.
👉Merksatz:Erziehung ist ein alltägliches, vertrautes Geschehen, das aber als Erziehung oft kaum wahrgenommen wird
Weil viele glauben: „Erziehen kann jeder.“ Dadurch wird Erziehung vereinfacht und wie eine Technik behandelt. Tatsächlich ist sie komplex, widersprüchlich und nicht standardisierbar.
Erziehung wird meist über sichtbares Verhalten und normative Erwartungen beurteilt, nicht über eine klare Definition.
Warum wird Erziehung in der öffentlichen Diskussion ambivalent behandelt?
Einerseits wird ständig Erziehung eingefordert (Politik, Medien). Andererseits werden Begriffe wie „Erziehung“ oder „Pädagogik“ wissenschaftlich vermieden, da sie mit Macht oder Übergriffigkeit verbunden werden. → sprachliche Ambivalenz.
Was bedeutet es, dass „Erziehung“ sprachlich Prozess und Ergebnis zugleich bezeichnet?
„-ung“ steht sowohl für Handlung (Erziehen) als auch für Ergebnis („Erzogenheit“). Dadurch ist der Begriff unscharf und schwer eindeutig zu bestimmen. Meist bewertet man Verhalten, nicht Erziehung selbst.
Warum spielt das Urteil anderer in Erziehung eine so große Rolle?
Erziehung ist sozial eingebettet. Eltern handeln oft im Hinblick darauf, wie andere sie beurteilen („Was denken die Nachbarn?“). Isolierte Familien können ein Risiko darstellen.
Was ist pädagogische Reflexion / pädagogisches Denken?
Pädagogische Reflexion = das Nachdenken über Erziehung, bei dem Handlungen und Geschehen als „Erziehung“ begriffen, zusammengefasst und beurteilt werden.
Das Geschehen als Erziehung zu erkennen und zu begreifen, um es beurteilen zu können, nennt man pädagogische Reflexion oder pädagogisches Denken.
Was untersucht die Allgemeine Pädagogik?
Bereich der Erziehungswissenschaft, der:
Grundfragen von Erziehung, Unterricht und Bildung behandelt.
Nach Bedingungen und Möglichkeiten fragt, wie Erziehung verstanden werden kann.
Historisch: lange das „Zentrum“ pädagogischen Denkens → Königsdisziplin.
Pädagogik = Theorie/Reflexion über Erziehung und andere pädagogische Phänomene (z. B. Unterricht, Betreuung, Bildung).
Allgemeine Pädagogik = Fundament für alle pädagogischen Bereiche.
Warum galt die Allgemeine Pädagogik früher als „Königsdisziplin“?
Weil sie alle grundlegenden Fragen behandelte und Orientierung für alle pädagogischen Bereiche gab, bevor die Erziehungswissenschaft in viele Teildisziplinen ausdifferenzierte.
Was ist das Problem und die Gefahr der Ausdifferenzierung der Erziehungswissenschaft?
Subdisziplinen wie Sozialpädagogik oder Inklusionspädagogik entwickeln eigene Grundlagen.
Dadurch verliert die Allgemeine Pädagogik an Bedeutung → Gefahr: weniger kritische Reflexion, positivistisches Denken.
Gefahr: positivistisches und affirmatives pädagogisches Denken.
👉 Begriffe:
Positivistisch: Gegebenes als Tatsache hinnehmen, ohne es kritisch zu hinterfragen.
Affirmativ: Bestehende Verhältnisse unkritisch bejahen/stützen.
Was ist die Reformpädagogik und welche Ziele hatte sie?
Def: Die Reformpädagogik war eine pädagogische Bewegung, die das Denken weltweit zwischen 1870 und 1930 in unterschiedlichen, heterogenen Varianten bewegte.
Zielsetzung: Die Bewegung trat für eine Veränderung (Reformen) in einer damals als erstarrt geltenden Erziehung ein und entwickelte auf unterschiedlichsten Ebenen neue Methoden.
Wollte das gesamte Erziehungs- und Schulwesen reformieren.
Kind im Zentrum: Kind als Subjekt, nicht als Objekt.
Unterricht ausgehend von der eigenen Lerntätigkeit des Kindes.
Was ist die Geisteswissenschaftliche Pädagogik ?
Sie verstand sich als die wissenschaftliche Interpretation der Reformpädagogig. Erkenntnisorientiert, aber auch programmatisch (Handlungsansprüche).
Konzept: Nohl (Päd. Bezug), Kind steht ebenfalls im Zentrum!
Herman Nohl (wichtiges Zitat für Sozialpädagogik):
„Nicht die Probleme, die der Jugendliche macht, sondern die, die er hat, haben die Sozialpädagogik zu interessieren.“
Wo ist der Zusammenhang der Reformpädagogik und der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik?
Reformpädagogik + Geisteswissenschaftliche Pädagogik betonen:➡️ Subjektstatus des Kindes, Orientierung an seinen Problemen und seiner Eigenaktivität.
Warum kann Erziehung kaum wissenschaftlich betrieben werden?
Problem 1: Erziehungsprozesse sind individuell, nicht wiederholbar und situationsabhängig.
Problem 2: Entscheidungen müssen spontan getroffen werden. Experimente im strengen Sinn sind kaum möglich.
Erziehung kann nicht wie ein Naturgesetz exakt wissenschaftlich gesteuert werden, sie entzieht sich exakten Experimenten und Technikdenken.
Pädagogik kann reflektieren und begründen, aber nicht „bedienungsanleiten“.
Was bedeutet das Technologiedefizit der Pädagogik?
Erziehung kann nicht wie eine Technik geplant oder gesteuert werden, da Menschen keine trivialen Maschinen sind.
(Luhmann) → keine Bedienungsanleitung möglich.
—> Pädagogik hat ein strukturelles Technologiedefizit: Erziehung kann nicht als verlässliche Technik betrieben werden, da Menschen nicht berechenbar sind.
Was wird mit „Ökonomisierung der Erziehung“ gemeint?
Der Versuch, Erziehung nach Effizienz, Effektivität und Steuerbarkeit auszurichten.
Forschung zeigt dafür wenig Erfolg – führt zur Gegenbewegung „pädagogische Haltung“.
Was ist mit „pädagogischer Haltung“ gemeint?
Pädagogische Haltung = innere Einstellung, Überzeugung, Takt, praktische Klugheit.
Statt technischer Steuerung rückt die pädagogische Haltung als zentrales Moment erfolgreicher Erziehung in den Vordergrund.
Warum sind pädagogische Begriffe schwer übersetzbar?
Weil sie kulturell, historisch und sozial geprägt sind. Beispiele:
Education = schulische Bildung
Upbringing = Familienerziehung
→ Missverständnisse durch false friends. = ähnlich klingende Wörter, aber andere Bedeutung
Was zeigt das Beispiel „Bildung = Education“? Thema: Pädagogische Übersetzung schwieriger Begriffe.
Bildung wird oft fälschlich auf Schule reduziert, weil „Education“ falsch übersetzt wird. Das führt zu einer Verengung des Bildungsbegriffs und verzerrten internationalen Vergleichen.
Was bedeutet „Gegenstandsbestimmung“ der Erziehung?
Theoretische Eingrenzung:→ Was gehört zur Erziehung, was nicht?→ Welche Merkmale definieren Erziehung?
Grundmodelle: Generationenverhältnis & pädagogischer Bezug.
Was ist das Generationenverhältnis?
Erziehung findet zwischen älterer ↔ jüngerer Generation statt.Verantwortung, Asymmetrie, Weitergabe von Erfahrung
Wichtige 3 Faktoren:
Ältere Generation
Jüngere Generation
Gegenstand/Thema, auf das beide sich beziehen (z. B. Werte, Regeln, Wissen, Kultur, Aufgaben)
Warum ist das Generationenverhältnis nur eine vorläufige Bestimmung?
Nicht jede Begegnung Alt/Jung ist Erziehung (z. B. Spielen).Jüngere können auch Ältere anleiten.→ Es braucht zusätzlich Intentionalität + Gegenstand.
Was ist der pädagogische Bezug bzw. der Pädagische Eros?
Pädagogischer Bezug: besondere Beziehung zwischen Erzieher und Zögling, getragen von Nähe, Vertrauen und pädagogischem Eros.
Zentrale Denkfigur (Nohl, geisteswissenschaftliche Pädagogik). - innere Hingabe, Leidenschaft, echtes Interesse am Kind – unumgänglich.
Problem: zu viel Nähe ist schlecht!
Warum ist der pädagogische Bezug ebenfalls nur vorläufig?
Erziehung kann auch ohne emotionale Nähe stattfinden (Pflegekraft, Polizei, Gesundheitserziehung).Zu viel Nähe → Gefahr der Abhängigkeit und Übergriffigkeit.Deshalb professionelle Distanz notwendig.
Drei Grundideen der pädagogischen Beziehung?
Abgrenzung: Erziehung nur bei bewusster Vermittlungsabsicht.
Nähe & Vertrauen: Beziehung ist notwendig.
Erfahrung: Ohne Beziehung gelingt Erziehung nicht (Praxiswissen).
Welche Grundmerkmale zeichnen Erziehung aus, wenn sie im Generationenverhältnis oder im pädagogischen Bezug gefasst wird? Welche Konsequenzen ergeben sich für die Praxis? (Distanz, Nähe, Übergriffigkeit)
Generationverhältnis – Merkmale:
Altersasymmetrie
Verantwortung der Älteren
intentionaler Vermittlungsprozess
Bezug auf einen Gegenstand (Wert/Regel/Wissen)
Konsequenzen:
Struktur & Klarheit in Rollen
Verantwortung ohne Autoritarismus
Grenzen müssen klar sein
Pädagogischer Bezug – Merkmale:
Beziehung, Zuwendung, Vertrauen
pädagogischer Eros
persönliche Hinwendung
Beziehung als Grundlage
professionelle Nähe
Achtung: Risiko der Übergriffigkeit → professionelle Distanz, Transparenz
Was ist das Hauptproblem von Standarddefinitionen von Erziehung?
Sie sind zu technisch („Input–Methode–Output“) und vereinfachen Erziehung stark.
Wie sehen Standarddefinitionen das Kind und was wird dabei häufig übersehen?
Sie sehen Erziehung wie eine Maschine oder Technik: Input – Methode – Output.
Problem:
Kind wird als Objekt gesehen.
Die aktive Rolle des Kindes fehlt.
Die Natur/Leiblichkeit (Körper, Entwicklung, Pubertät etc.) wird übersehen.
Potenziale und Eigenheiten der Kinder werden nicht erkannt.
Ergebnis: Das ist keine echte Erziehung, sondern eher Dressur/Abrichtung.
Womit befasst sich die Anthropologie?
(Wissenschaft vom Menschen):Kinder entwickeln sich seit 35.000 Jahren ähnlich.Typische Phasen: Krabbeln, Trotz, Pubertät.
Was ist Erziehung immer?
Erziehung ist immer ein Spannungsfeld:
kindliche Freiheit & Kreativität
vs. Ordnung im Alltag („Man pinkelt nicht ins eigene Haus“)
👉 Katastrophenrhetorik ist übertrieben, aber wirkt real in Erziehung hinein. Eltern werden verunsichert, Einrichtungen reagieren darauf
Wichtigster Satz (Goldstein/Freud/Solnit):
➡️ Es gibt in Erziehung nicht „den richtigen Weg“. ➡️ Sinnvoll ist: Was darf auf keinen Fall passieren? Und dann die am wenigsten schädliche Alternative wählen
Welches Grundschema steckt hinter vielen Erziehungsdefinitionen?
Erzieher (Subjekt) → Mittel → Kind (Objekt) → Veränderung von a nach b.
Warum haben es insbesondere Familien schwer bei Erziehung?
1) Sehr hohe Erwartungen an Eltern (alles richtig machen, Kinder perfekt vorbereiten).
(2) Pflicht zur Kooperation mit Kitas/Schulen (Eltern tragen Bringschuld).
(3) Eltern werden teils abgewertet gegenüber „Profis“.
(4) Spannungen zwischen Elternrechten und Elternpflichten.
(5) Familie gilt oft als „Risiko“ (Kinderschutzfälle, Kontrolle).
Folge: Eltern fühlen sich überfordert → Unsicherheit, Angst, Überbehütung („Helikopter-“/„Curling-Eltern“).
Warum passen Standarddefinitionen zur modernen Gesellschaft?
Sie ähneln Produktionslogik: Planung, Kontrolle, Effizienz, Messbarkeit.
Was ist das zusammenfassende Urteil über Standarddefinitionen bei Erziehung?
Sie treffen die Wirklichkeit kaum. Ergebnis: eher Abrichtung/Dressur statt Erziehung.
Weil echte Erziehung nicht planbar ist → Alltag ist komplex, widersprüchlich, emotional.
Was bedeutet „Bildsamkeit“?
Bildsamkeit = Jeder Mensch kann lernen und sich entwickeln.
Menschen können sich grundsätzlich entwickeln, lernen und sich mit der Welt auseinandersetzen.→ Grundannahme jeder Erziehung.
Warum ist Bildsamkeit für Erziehung zentral?
Ohne die Annahme, dass Entwicklung möglich ist, gäbe es keine Erziehung.→ Erzieher:innen müssen an Entwicklung glauben.
Welche vier Modi (Dimensionen) der Bildsamkeit gibt es?
Aktivität (Kind bildet sich selbst).
Passivität (Anstoß von außen → Kind macht etwas daraus).
Ahnung (Potenziale vermuten).
Überraschung (unerwartete Entwicklungen).
Welche 4 Grundgedanken (Dimensionen) gibt es innerhalb der Bildsamkeit?
Jeder Mensch bildet sich selbst.
Pädagog:innen müssen Wege finden, ein Kind zu erreichen. Erwartung: Kind macht es selbst.
Naturgebundenheit: Entwicklung hängt auch von Körper, Motorik, Alter ab.
Eigenständigkeit: Jeder entwickelt eigene Vorstellungen vom Leben.
Warum ist Bildsamkeit ein offener Begriff?
Weil Bildung nie genau vorhersehbar ist.→ Erziehung bleibt experimentell.
Warum braucht Pädagogik offene/unbestimmte Begriffe (z. B. Kindeswohl)?
Pädagogische Begriffe sind bewusst offen, um der komplexen Realität gerecht zu werden
Definiere die “Pädagogik” als Praxis und welche zwei Ebenen gibt es?
Pädagogik = Nachdenken über Erziehung in praktischer Hinsicht.
Sie prüft kritisch: Was heißt Bildung wirklich?
Abgrenzung: Pädagogik ist nicht Politik oder reine Technik, sondern eine eigene Praxis.
Pädagogik heute – zwei Ebenen
Praxis: Handeln zwischen älterer ↔ jüngerer Generation.
Theorie: Nachdenken, Modelle, Begriffe über dieses Handeln.
Was ist das interessante historische Detail zum „Pädagogen“?
Der Pädagoge stand sozial unter dem Kind → Pädagogik als Dienst am Kind.
Was sind die Grundsachverhalte der Pädagogik?
Erziehung (Beziehung/Einfluss)
Unterricht (Vermittlung eines Gegenstandes → Wissen/Können → Transfer)
Was ist Bildung?
Bildung = eigenaktiver Prozess
Bildung ist kein Produkt, keine Ware (kein Zertifikat).
Bildung = lebenslanger Prozess, immer individuell
Erziehung = unterstützende Rahmung, keine „Produktion“.
Woher kommt der ursprüngliche Bildungsbegriff?
Aus Theologie („Gottebenbildlichkeit“) → später Selbstentwicklung, Schönheit, Harmonie (Humboldt).
Was ist Bildung im ursprünglichen Sinn?
Ein persönlicher Weg der Selbstvervollkommnung, Sinnesbildung, Charakterentwicklung.→ lebenslang, nie abgeschlossen.
Warum bleibt Bildung ein schwieriger Begriff?
Komplex, theorielastig, leicht missbrauchbar.Aber notwendig, um menschliche Entwicklung jenseits von Anpassung zu verstehen.
Wie funktioniert Erziehung?
Erziehung gelingt nicht durch Kontrolle, sondern durch Anerkennung von Bildsamkeit und Bildung als offenen Entwicklungsprozessen.
Wozu dienen pädagogische Theorien?
Sie erklären Erziehung, ordnen Erfahrungen, machen Praxis verständlich.→ Theorie = Begriffe + Einsichten + Orientierung für Handeln.
Was bedeutet „Mäeutik“ bei Sokrates?
Hebammenkunst: Durch Fragen hilft der Erzieher dem Lernenden, Gedanken selbst zu finden.
Was lehrt das Höhlengleichnis (Platon) pädagogisch?
Bildung = Weg zur Erkenntnis durch Eigenaktivität.
Erzieher führen, befreien aber nicht die ganze Welt.
➡️ Menschen müssen sich selbst auf den Weg machen. Motivation kann man nicht erzwingen
Warum gilt Comenius als Begründer der modernen Pädagogik und welche Zentrale Idee hatte er zum Thema Erziehung?
Er entwickelt systematische Didaktik, Lebenslaufmodell, Bildung für alle und Bildmaterial (Orbis pictus).
Erziehung befähigt Menschen zur Vernunft und Selbstständigkeit, trotz zerstörter Tradition.
Historischer Hintergrund: Dreißigjähriger Krieg → völlige Zerstörung der gesellschaftlichen Ordnung.
Wie sieht Rousseau das Kind?
Von Natur aus gut, aktiv, eigenständig.
Kernproblem: Gesellschaft ist künstlich & verdorben → Erziehung muss dem Naturzustand des Kindes gerecht werden.
Was bedeutet „Tun durch Nicht-Tun“ bei Rousseau?
Erzieher gestaltet Situationen, greift aber wenig ein – Kind soll selbst Erfahrungen machen.
Was kritisiert man an Rousseaus Modell „Émile“?
Zu radikal: Kind wird isoliert und komplett kontrolliert. Keine soziale Realität.
Was sind Pestalozzis drei Grundkräfte?
Kinder müssen Kopf, Herz und Hand entwickeln. (Denken, Fühlen, Handeln).
Was bedeutet „Erziehung der Armen zur Armut“ bei Pestalozzi?
Nicht Anpassung, sondern Befähigung zur Selbstbestimmung und Emanzipation.
Zentrale pädagogische Einsicht: ➡️ Erziehung = Selbstermächtigung & ganzheitliche Förderung.
Wozu dient die „pädagogische Brille“ bei Herbart?
Theorie ermöglicht, Erziehung überhaupt zu erkennen und richtig zu beurteilen.
Was ist der „pädagogische Takt“?
Fähigkeit, Situationen angemessen zu beurteilen und richtig zu handeln. (Herbart)
Was ist Herbarts Erziehungsziel?
Moralität und Freiheit durch Denken
Was ist Schleiermachers zentrales Analysemodell?
Vier Ebenen:
Generationenverhältnis,
Individuum,
soziale Systeme,
Erziehungssystem.
Ziel: Autonomie der Lernenden stärken.
Zentrale pädagogische Einsicht: ➡️ Erziehung ist immer kommunikativ und historisch eingebettet.
Was ist Schleiermachers Hauptidee?
Erziehung ist historisch & gesellschaftlich eingebettet → keine allgemeine Formel.
Warum ist Fröbel so wichtig?
Erfinder des Kindergartens, betont Spiel als zentrale Entwicklungsform des Kindes.
Was ist Fröbels zentrale Idee?
Kinder besitzen Würde und bilden sich durch Selbsttätigkeit.
Was ist der „innere Bauplan“ von Montessori?
Individuelle, angelegte Entwicklungsrichtung des Kindes → Erziehung soll ihn unterstützen.
Was bedeutet „polarisierte Aufmerksamkeit“ bei Montessori?
Tiefe Konzentration des Kindes auf eigenes Tun → Zeichen natürlicher Entwicklung!
Was ist Montessoris Grundprinzip?
Hilf mir, es selbst zu tun.
Was ist Makarenkos Grundidee?
Kollektiv (Gruppen) erzieht → Jugendliche organisieren sich selbst.
Wie sieht Makarenko Individuum & Kollektiv?
Balance: Gemeinschaft formt, Individuum bleibt wichtig.
Was ist Bernfelds Hauptthese in „Sisyphos“?
Erziehung kann Gesellschaft nicht grundlegend verändern
Erziehung stößt immer an Grenzen → Natur + Gesellschaft setzen Rahmen.
Welche zwei Kräfte herrschen nach Bernfelds?
Zwei Kräfte bestimmen Erziehung:
Entwicklungstatsache (Triebe, Natur)
Gesellschaftliche Struktur (Klasse, Macht)
Was ist Korczaks Grundprinzip?
Kinder sind vollwertige Menschen mit eigenen Rechten.
Zentrale pädagogische Einsicht: ➡️ Kinder haben unverletzliche Rechte und dürfen nicht manipuliert werden.
Was sind Korczaks „3 Kinderrechte“?
Recht auf den Tod, auf den heutigen Tag, darauf, der zu sein, der man ist.
Was bedeutet Erziehung als „Emanzipation“? Mollenhauer
Menschen sollen zu Selbstbestimmung, Kritikfähigkeit und Freiheit befähigt werden.
Erziehung soll zur Emanzipation führen (Autonomie, Kritikfähigkeit).
Welche vier pädagogischen Grundmomente nennt Mollenhauer?
Präsentation – Repräsentation – Bildsamkeit – Selbsttätigkeit.
Was bedeutet „Logik der Erziehung“?
Erziehung ist eine eigene Praxis. Nicht Technik, nicht Politik, nicht Psychologie.
Ein geordnetes Denkmodell, das erklärt, warum es Erziehung gibt,
welche Elemente sie hat und wie sie als eigene Praxis funktioniert (nicht Technik, nicht Politik).
Sie zeigt Bedingungen, Grenzen und Möglichkeiten pädagogischen Handelns.
Warum ist Erziehung unvermeidlich? (anthropologischer Grund)
Weil Menschen Frühgeburten mit einem plastischen Gehirn sind, ihr kulturelles Wissen NICHT genetisch erben und daher die Welt nur über Aneignung + Vermittlung verstehen können.
Was ist das genetische Erbe?
Angeborene, biologische Grundlagen: Körper, Reflexe, vegetative Funktionen, Grundausstattung des Gehirns.
Das genetische Erbe thematisiert die alte Debatte, ob menschliche Eigenschaften angeboren oder erworben sind
Was ist das nicht-genetische Erbe?
Kulturell, sozial und symbolisch erzeugte Welt → Sprache, Normen, Werkzeuge, Rituale, Wissen.
Es wird nicht vererbt, sondern muss durch Erziehung angeeignet werden!
Warum entstand Erziehung historisch/evolutionär?
Weil Menschen nicht über biologische Instinkte allein überleben können und die kulturelle Welt vermitteln müssen. Erziehung löst grundlegende Probleme: Tod – Geburt – Gefahren – Zukunft – Beschleunigung.
Was unterscheidet funktionale und intentionale Erziehung?
Funktionale Erziehung (Sozialisation): unbewusste Wirkung von Gesellschaft, Medien, Normen.
Intentionale Erziehung: bewusste Handlungen zur Weltvermittlung (Eltern, Kita, Schule).
Welche Grundprobleme löst Erziehung? Nenne ein paar Beispiele:
Todesproblem: Bewahrt Kultur vor dem Vergessen.
Geburtsproblem: Mensch ist Frühgeburt, braucht Anleitung.
Gefahrenproblem: Kultur ist gefährlich (z. B. Technik).
Gegenwartsproblem: Bewahrt aktuelle Kultur.
Zukunftsproblem: Führt in zukünftige Welt ein.
Beschleunigungsproblem: Kultureller Wandel schneller als Kindesentwicklung.
Was bedeutet Aneignung?
Kinder:
machen sich die Welt zu eigen
behalten aber Distanz → sie übernehmen nicht blind, sondern gestalten um.
Kernparadox:
👉 Kinder müssen eingeführt werden, dürfen aber nicht angepasst werden. 👉 Sie sollen Subjekte bleiben.
Was bedeutet Resonanz (Rosa/Beljan)?
Gelungenes Lernen entsteht, wenn Erwachsene und Kinder in einen gemeinsamen Rhythmus kommen (Musik, Stimmung, Atmosphäre). Pädagogik arbeitet mit Resonanz.
Was ist eine sensible Phase? (Montessori)
Zeitfenster, in denen Kinder besonders empfänglich sind. Hohe Konzentration, Flow, polarisierte Aufmerksamkeit.
Was meint Modus der Identität und Modus der Differenz?
Identität: Kind kann handeln, fühlt sich kompetent.
Differenz: Überforderung → Krise → Rückschritte möglich. → Unterstützung notwendig.
Was bedeutet das Grundparadox der Erziehung?
Kinder müssen in Kultur eingeführt werden → Nähe,aber sollen eigene Wege gehen → Distanz.→ Erziehung = Vermittlung + Freiheit sichern.
Wodurch ist Erziehung gekennzeichnet im Generationenverhältnis und pädagogischen Bezug?
Ältere → Jüngere (Generationengefüge)
Beziehung → Nähe/Distanz
Vermittlung der objektiven Welt
Achtung der Subjektivität
kein Übergriff, keine Objektivierung
Ziel: Selbstständigkeit / Freiheit ermöglichen
Was ist die Antipädagogik?
„Erziehung = Macht, Kontrolle, Unterdrückung. Kinder brauchen keine Erziehung.“
Unterschiede:
Antiautoritäre Erziehung = Reform der Erziehung
Antipädagogik = komplette Ablehnung von Erziehung
Antipädagogik erinnert an: Keine Übergriffigkeit. Keine Objektivierung.
Kritik an Macht und Autonomie an der Pädagogik: Ein zentraler Impuls war die grundsätzliche Frage, ob ein Geschehen, in dem Unterwerfung und Machtausübung stattfinden, zu Mündigkeit und Autonomie führen könne. Die Antipädagogik sah Erziehung als Tarnung für Machtausübung
Wozu dient der Konstruktivismus? Vor und Nachteile?
Grundgedanke: „Kinder konstruieren ihre Welt selbst.“
Positive Aspekte:
betont Aktivität & Bildsamkeit des Kindes
unterstützt Reformpädagogik (Lernen statt Lehren)
Kritikpunkte:
vernachlässigt, dass Lernen auch Vermittlung braucht
Konstruktivismus = guter Hinweis, aber keine vollständige Theorie für Erziehung.
Warum muss der Mensch erziehen?
Weil Menschen ein genetisches und ein nicht genetisches Erbe haben.
Was kennzeichnet die Praxis der Erziehung?
Praxis = gemeinsames Tun, das sich im Moment entwickelt.
Anders als Arbeit: Arbeit → nach Plan, Produkt, messbar Praxis → offen, unvorhersehbar
Immer bisubjektiv: beide wirken aktiv mit.
Kinder sind keine Objekte, sondern Subjekte ihrer Entwicklung.
Daher kann Erziehung nie komplett durch Vorgaben oder Methoden gesteuert werden.
Was bedeutet: „Erziehung ist Praxis und nicht Arbeit“?
Arbeit stellt ein Produkt her (planbar, kontrollierbar).
Praxis = offenes, gemeinsames Handeln, das sich aus der Situation entwickelt.
Was bedeutet Bisubjektivität?
Sowohl Erzieher als auch Kind sind aktive Subjekte.
Kind eignet sich die Welt an → Selbsttätigkeit.
→ Beide sind Subjekte, nicht: Erzieher aktiv / Kind passiv.Beispiel:Kind zeigt auf Katze → Erzieher reagiert, macht daraus eine Lernsituation.
Was ist das Praxisschock-Phänomen?
Frustration, weil Kinder scheinbar keine Aneignung zeigen.
Merkmale 4stk. Pädagogischer Praxis?
Kooperation → Erzieher und Kind wirken gemeinsam. Beispiel: Vater hilft beim Radfahren. Kind tritt selbst; Vater stützt. Tätigkeit entsteht gemeinsam.
Bisubjektivität → Beide sind Subjekte, nicht: Erzieher aktiv / Kind passiv. Beispiel: Kind zeigt auf Katze → Erzieher reagiert, macht daraus eine Lernsituation.
Autorität ist vorhanden, muss aber legitim sein → Machtgefälle, aber anerkannt. Beispiel: Kind akzeptiert, dass die Lehrerin Regeln setzt, weil sie fachlich gut und fair ist.
Offener Ausgang → Niemand weiß, wohin es führt. Beispiel: Makarenko: Kinder entwickeln sich erst rückläufig, dann plötzlich über Nacht positiv.
Warum muss zwischen Erziehung und Nichterziehung unterschieden werden?
Erziehung = Störung des Alltags, ein bewusst eingeleiteter „Theatermoment“.
Nicht alles gemeinsame Tun ist schon Erziehung (z. B. Urlaub, Sport, Alltag).
Umgang ≠ Erziehung.
Erziehung ist intentional, Alltag nicht.
Warum ist die Unterscheidung wichtig?
Kinder brauchen beides: → freien Alltag und bewusst gestaltete Erziehungsimpulse
Heute droht: Alles wird pädagogisiert („aus jedem Moment muss Bildung gemacht werden“)
Welche Rolle spielt Macht in der Praxis der Erziehung?
Macht ist unvermeidlich – jede Praxis hat Machtprozesse.
Wichtig: legitime Macht (nicht „ich bin erwachsen, also bestimme ich“).
Machtgefälle muss ausgeglichen werden können (Anerkennung).
Erziehung braucht Autorität, aber keine Willkür.
Was bedeutet Inszenierung des Raumes innerhalb einer Erziehung?
Erziehung braucht Orte, die wie kleine Bühnen funktionieren.
Warum Raum?
Raum = Schutz + Filter
Was ist „Zeigen“ als Kern der Erziehung und welche Arten werden unterschieden?
Zeigen = wichtigste pädagogische Handlung.
Was bedeutet Zeigen?
Aufmerksamkeit gemeinsam auf etwas richten
Arten des Zeigens
Direktes Zeigen Beispiel: Mutter: „Das ist eine Ameise. Schau, wie sie läuft.“
Indirektes Zeigen / Initiieren Beispiel: Vater schiebt das Fahrrad → Kind lernt Gleichgewicht.
Zeigen über Sprache → Begriffe werden eingeführt (Wittgenstein) Beispiel: „Das ist ein Dreieck.“
Zeigen durch Regeln / Störung Beispiel: Erzieherin übernimmt Geschirrspüler-Einräumen: „Ich zeige dir, wie das besser passt.“
Zeigen durch Perspektiven (Makarenko) Beispiel: „Wir üben jetzt das Stück für das Schulfest – in zwei Wochen zeigen wir es allen.“
Was bedeutet Perspektivpädagogik (Makarenko)?
Zeigen durch Perspektiven:
kurze Perspektive („Heute gelingt dir das“)
mittlere („Wir schaffen das Konzert gemeinsam“)
weite („Wer willst du in der Gesellschaft sein?“)
Motiviert zur Selbsttätigkeit und Zukunftsorientierung.
Was bedeutet die „Zwischenbemerkung zur Inklusion“?
Inklusion will alle Menschen einbeziehen → wichtig, aber komplex.
Drei Probleme:
Inklusion will in eine Gesellschaft integrieren, die selbst ausgrenzt.
Teilhabe = oft nur Teilnahme, nicht Mitgestaltung.
Gefahr der Normierung, statt Förderung individueller Bildung.
Pädagogik muss individuelle Subjektivität achten
Warum ist Erziehung immer zeitlich? (Zeitlichkeit der Erziehung)
Erziehung ist prozesshaft, dauert lange, ist nie vollständig abgeschlossenen.
Wann endet Erziehung?
Schleiermacher: Erziehung endet, wenn die Person selbst entscheidet, wie sie ihr Leben führt.
Was ist Inklusion innerhalb der Erziehungsdebatte?
Def:
Die Inklusionspädagogik ist eine der zahlreichen Subdisziplinen, in die sich die Erziehungswissenschaft ausdifferenziert hat. Sie wurde früher als Sonderpädagogik oder auch Behindertenpädagogik bezeichnet.
Ziele:
Das Prinzip der Inklusion ist in allen Handlungsfeldern zu berücksichtigen und zu beachten, in denen pädagogisch gehandelt wird (zum Beispiel in der Kinder- und Jugendhilfe)
Was ist die erste Eigentümlichkeit der Inklusion?
1. Das gesellschaftliche Paradox:
Inklusion will alle Menschen einschließen, erkennt aber zugleich, dass die Gesellschaft selbst stark ausgrenzt. → Man will „inkludieren“, ohne die ausgrenzenden Strukturen der Gesellschaft zu verändern.
Was ist die zweite Eigentümlichkeit der Inklusion?
2. Der Begriff der Teilhabe:
Teilhabe ist schwach formuliert: Bedeutet nur dabei sein dürfen, nicht mitgestalten dürfen. → Bietet keine echte Autonomie oder Demokratie. → Eher Konsum von Angeboten als wirkliche Einflussnahme.
Was ist die dritte Eigentümlichkeit der Inklusion?
3. Regulierung vs. Subjektivität: In der deutschen Debatte um Inklusion wird diese in einem inneren Widerspruch diskutiert.
Inklusion wird oft zu einem politischen Schema, das gleiche Bedingungen für alle erzwingen will. → Gefährdet echte pädagogische Arbeit, weil sie Individualität und Subjektivität verdrängt.
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