Von was stammen die Begriffe multiple und sklerose?
multiplex (lat.) = vielfach
skleros (griech.) = hart
Was gibt es historisch zu multiple Sklerosen zu sagen?
Wie ist multiple sklerose definiert?
Was ist die Epidemiologie von multiple sklerose?
Die häufigste neurologische Erkrankung, die im jungen Erwachsenenalter zu einer bleibenden Behinderung führt
Inzidenz (Deutschland): 8 pro 100.000 Einwohner/Jahr
Prävalenz (Deutschland): 175-289 pro 100.000 Einwohner
Geschlechterverhältnis (Frauen : Männer): 2-3:1
Schubweise Verlaufsform 2:1
Chronisch progrediente Form 1:1
Was ist das Erkrankungsalter?
Meist zwischen 20-40 Lebensjahr (70%)
Zw. 45-60 Jahren stetige Abnahme der Neuerkrankungen
Erste „stumme“ Herde ca. 10 Jahre vorher anzunehmen
Wie ist die geografische Verteilung?
Wie ist die Ätiologie von multiple Sklerose?
Welche exogene Einlussfaktoren gibt es?
Epstein-Barr Virus (EBV) + Vitamin D Mangel + Rauchen (Ascherio & Munger, 2016)
Eppstein-Barr Virus:
notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung
Verschiedene Studien zeigen vorausgegangene Infektion (Abrahamyan et al., 2020; Bjornevik et al., 2022)
Mechanismus unklar, warum EBV dann zum Ausbruch der MS führt
Was ist die Pathogenese?
Immunreaktion gegen körpereigene Zellen (vorwiegend weiße Substanz des ZNS)
Herdförmige Schädigung oder Auflösung der Markscheiden (Plaques)
später auch axonale Schäden
Nervenleitung erschwert bis unmöglich
Herde über ZNS verteilt; Symptome je nach Größe und Ort
häufig betroffen: Sehnerven, Balken, Hirnstamm, Kleinhirn, Pyramidenbahn, Hinterstränge des RM; seltener: Hirnrinde, Basalganglien, Rückenmarksgrau)
Wie können die Verlaufsformen aussehen?
Wie ist Schub definiert?
Mindestens 24 Stunden anhaltende Symptomatik
Mindestens 30 Tage Abstand zu Beginn des vorherigen Schubes
Nicht durch Änderungen der Körpertemperatur oder Infektionen erklärbar (Sommer, 2010)
Entwicklung akut oder subakut (wenige Tage bis 1-2 Wochen)
Rückbildung (Remission) nach einigen Tagen bis Wochen
Intervall zwischen Schüben variabel
Wiegst der schubfrmige verlauf ?
Zu Beginn bei über 80% der Patienten
Häufige Frühsymptome:
Einseitige Optikusneuritis
Sensibilitätsstörungen
Schwäche der Beine
Meist Rückbildung innerhalb 6-8 Wochen
Initial ca. 2 Schübe pro Jahr
Bei 50% innerhalb von 10 Jahren Übergang in progredienten Verlauf
Wie ist der primär progredienter Verlauf?
Von Beginn an keine abgrenzbaren Schübe
Langsam progrediente Verschlechterung
Häufig über Jahre zunehmend spastische Gangstörungen… seltener zerebelläres Syndrom
Wie ist die Prognose und das ganze bei Schwangerschaft?
Individuelle Prognose kaum möglich
Medikamentöse (ggf. Vitamin-D Gabe) und physiotherapeutische Behandlung kann Schübe verkürzen & Symptome lindern
Während Schwangerschaft geringere Schubrate
Nach Entbindung Risiko 2- bis 3-mal höher
Was sind die Diagnosekriterien?
Klinische Diagnosestellung (McDonald-Kriterien)
Disseminierung im Raum
Disseminierung in der Zeit
Ausschluss anderer Erkrankungen mit ähnlicher Symptomatik
Zusatzdiagnostik:
Liquoruntersuchung
Elektrophysiologie
Bildgebende Verfahren (CT, MRT)
Was sind die McDonald-Diagnosekriterien?
Was ist die Liquoruntersuchung?
In 90% der Fälle pathologische Veränderungen
Vermehrung der Lymphozyten
Auftreten von Plasmazellen (eigentlich nicht im Liquor)
Erhöhte Eiweißwerte (IgG-Produktion ↑, Oligoklonale Banden)
-> Jeweils Differentialdiagnose notwendig da Marker auch bei anderen entzündlichen Erkrankungen des ZNS vorkommen können!
Was ist die Elektrophysiologie?
Zur Erkennung subklinischer Läsionen
Sensible und sensorische Reaktionspotenziale (EEG)
Verlangsamte oder geringere visuell evozierte Potentiale (VEP)
Akustisch evozierte Hirnstammpotentiale (AEP)
Somatosensorisch evozierte Potentiale (SEP)
Blinkreflex
Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Motorische Potentiale verringert
Was ist das bildgebende Verfgahren?
Computertomographie (differentialdiagnostisch)
Magnetresonanztomographie (MRT)
Tlw. mit Kontrastmitteln (KM)
Erkennen von Entzündungsherden durch Schrankenstörungen (Aufnahme von KM für 3 Wochen bis 3 Monate)
Keine unmittelbare Beziehung zwischen Läsion und Befund, aber grobe Voraussage des Krankheitsverlaufs
Was sind Symptome von MS?
Optikusneuritis (71%)
Trübes Sehen (Milchglas, Schleier, Blitze)
Einschränkung des zentralen Sehens
Vorübergehendes Erblinden
Störungen der Okulomotorik (41%)
Kurzzeitige Lähmungen mit Doppelbildern
Spastische Paresen (88%)
Distale Abschnitte > proximale Abschnitte
Hemi-, Tetra- und Paraparesen (-plegie)
Auswirkungen auf Gang und Feinmotorik
Sensibilitätsstörungen (86%)
Missempfindungen in Händen und Füßen (Taubheit, Pelzigkeit -> oft strumpfförmig)
Berührungsempfinden vermindert
Auswirkungen auf Feinmotorik (sensible Ataxie)
Kleinhirnfunktionsstörungen (72%)
Charcot-Trias
Nystagmus
Zieltremor
Skandierendes Sprechen (+ Dysarthrophonie)
Weitere ataktische Symptome (Gangataxie, Dysmetrie…)
Blasenfunktionsstörungen (62%)
Starker und häufiger Harndrang
Dranginkontinenz
Restharngefühl (Infektionsrisiko ↑)
Welche weiteren Symptome gibt es?
Chronische Obstipation (44%)
Störungen der Sexualfunktion (m 58%, w 37%)
Schlafstörungen
Durch Blasenfunktionsstörungen oder auch RLS
Kognitive Veränderungen (45-65%)
Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsdefizite
Kognitive Teilleistungsstörungen
Dauerhaft allgemeine intellektuelle Beeinträchtigungen möglich (durch Summe der Läsionen)
Stimmungsveränderungen; Demenz möglich
Fatigue (95%)
Chronische Erschöpfung / Müdigkeit
Uhthoff-Phänomen
Hitzeempfindlichkeit -> Zunahme der Symptomatik
Wie ist die Lokalisation der Symptome ?
Was sind typische Symptomkombinationen?
Gefühlsstörungen an Händen + spastische Paraparese der Beine
Spastisch-ataktischer Gang + Missempfindungen + Blasenstörungen
Inkomplettes Querschnittsyndrom + Nystagmus + skandierendes Sprechen
Rezidivierende, flüchtige Lähmungen wechselnder Augenmuskelnerven
Wie sieht der Langzeitverlauf aus?
Wie ist die medikamentöse Therapie ?
Es gibt keine kurative Therapie
Ziel: Kontrolle der Krankheitsaktivität (weniger Schübe, weniger Läsionen, weniger Behinderungsprogression)
Frühzeitige Behandlung begünstigt längerfristigen Verlauf (leider meiste Studien nur über 2 Jahre)
Sehr rasante Entwicklung (verschiedene Darbietungsformen: Spritzen, Infusion, Tabletten)
-> 17 zugelassene Therapien
Wie ist die Wirkungsweise der Medikamente?
Reduktion/Hemmung der B-Zellen
Interferone, Glatiramiracetat, Kortison, Dimethylfumarat, Teriflunomid, Azathioprin
Retention von B-Zellen in Lymphknoten
Fingolimod, Siponimod, Ozanimod und Ponesimod (Tabletten)
Blockade des Übertritts der B-Zellen in ZNS
Natalizumab (Infusion)
Depletion (Zerstörung) von B-Zellen
Rituximab, Ocrelizumab, Ofatumumab, Alemtuzumab, Cladribin
Was ist die Schubtherapie?
Kortikoide
Zu Beginn hochdosiert Verkürzung der Schubdauer
Mehrwöchige orale Therapie
Mitoxantron
Schwere Schübe, die nicht auf Steroide ansprechen (hemmt Wachstum von Lymphozyten)
Plasmapherese
Bei schwerster lebensbedrohlicher Symptomatik
Was ist die verlaufsmodifizierte Therapie?
Prophylaktische Therapie
Interferone
Zytokin mit immunmodulierenden Eigenschaften
Reduzierung der Zahl und Schwere der Schübe
Glatiramiracetat
Erhöhung spezifischer Supressorzellen
-> Unterdrückung der Entzündung im ZNS
Ähnliche Wirkung auf Schübe wie Interferone
Immunglobuline
Wahrscheinlichkeit neuer Schübe nach CIS ↓
Was ist die symptomatische Therapie?
Blasenstörungen
Beckenbodentraining, Katheter, Medikamente
Spastik
Medikamentöse Therapie, Physiotherapie, Bewegungstherapie
Zusätzliche Maßnahmen
Sozialmedizinische Betreuung / Therapie
Ernährung
Hohe Vitamindosen nicht förderlich (?)
Rohkost fördert Verdauung, mehr nicht
Was sind Inhalte der Bewegungstherapie?
Maßnahmen zur Reduktion der Spastik
Kräftigung
Tonisierende Maßnahmen
Maßnahmen für Ataxie
Ausdauersport gegen Fatigue
Wassergymnastik in kühlem Becken
Was für Tipps für die Bewegungstherapie gibt es ?
Mit 10 min Training beginnen; bis zu 30 min steigern
Gefahrenquellen beseitigen
Bei Gleichgewichtsproblemen: Haltemöglichkeiten schaffen
Bei Verschlechterung der Symptome: Training beenden und Arzt informieren (wenn länger als 24 h)
Symptome können durch Erwärmung auftreten (Hitzeempfindlichkeit)
- > im Sommer besser morgens oder abends trainieren
Was für Warnzeichen gibt es beim Training?
Überanstrengung kann zu vermehrter Schwäche, Muskelermüdung, Schmerzen und Spastik führen.
Menschen mit MS sind anfällig für Überhitzung ->MS-Symptome ↑
Muskelschwäche um die Gelenke herum kann zu Gelenkinstabilität führen (Verletzungsgefahr!)
Schmerzen können die Spastik verschlimmern und zu größerer Schwäche führen
Zuletzt geändertvor 7 Tagen